Kindswohlorientierte Beratung

Schwierigkeiten bei der Umsetzung des angeordneten persönlichen Verkehrs
Formen des persönlichen Verkehrs:
• Besuchskontakte
• Telefon – Briefe – Mail – SMS – WhatsApp
Angemessenheit:
• Häufigkeit
• Dauer
• Bedingungen
Entzug / Verweigerung / Beschränkung:
• Pflichtwidrige Ausübung
• Andere wichtige Gründe
• Begleitetes Besuchsrecht
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Inhaltsverzeichnis:
1. Vielfältige Aufträge an Berufsbeistände / Berufsbeiständinnen
2. Ausgangspositionen strittiger Elternteile
3. Elternteile müssen miteinander reden
4. Beratungskontext und Verständnis
5. Gutachter versus Beraterrolle
6. Konkrete Gesprächsführung
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1. Vielfältige Aufträge an Berufsbeistände / Berufsbeiständinnen
z.B. Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308 ZGB (1/2):
Der Beistand berät und unterstützt die Eltern in ihrer Sorge um das Kind.
Er hat das Recht auf Einblick und Auskunft und ist befugt, den Eltern bei der
Förderung und Erziehung des Kindes Empfehlungen und Anleitung zu geben.
Der Beistand soll dabei die vorhandenen
elterlichen Fähigkeiten
fördern und soweit notwendig durch eigenes aktives Handeln ergänzen.
Eine Erziehungsbeistandschaft setzt die Kooperationsbereitschaft der Eltern voraus,
da die elterliche Sorge weiterhin bestehen bleibt.
Die Eltern sind aufgefordert, in der Erziehung des Kindes mit dem Beistand
zusammenzuarbeiten.
(Auszüge aus www.kesb-bl.ch/kindesschutz)
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z.B. Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308 ZGB (2/2):
Neben der generellen Aufgabe, die Eltern in der Sorge um ihr Kind zu beraten
und zu unterstützen, kann die KESB dem Beistand besondere Befugnisse
erteilen (Art. 308 Abs. 2 ZGB).
Der Beistand erhält bspw. folgende Aufträge:
- das Besuchsrecht des Elternteils zu überwachen, der das
Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht inne hat
- bei Konflikten der Eltern im Hinblick auf die Ausübung des Besuchsrechts zu
vermitteln
- das Besuchsrecht zu regeln: Der Beistand berät die Eltern in
Besuchsrechtsfragen und hat die Kompetenz, Details zu regeln, damit das
Besuchsrecht tatsächlich ausgeübt werden kann
(Auszüge aus www.kesb-bl.ch/kindsschutz)
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2. Ausgangspositionen strittiger Elternteile
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Fokus Ex-Paar-Ebene
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3. Elternteile müssen miteinander reden
Die Erziehungswissenschaft ist sich einig:
Reden Eltern nicht mehr miteinander, kann dies vielleicht vorübergehend
entlastend für ein Kind sein.
Spätestens nach einer gewissen Zeit beginnen in der Regel die Nachteile für das
Kind zu überwiegen.
Seine psychische, soziale und genderspezifische Entwicklung gerät dadurch oft in
vielschichtiger Art in Gefahr.
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Erzähle mir etwas,
und ich werde es vergessen.
Zeige mir etwas, und ich werde mich
vielleicht nicht daran erinnern.
Beteilige mich,
und ich werde verstehen.
Sprichwort amerikanischer Ureinwohner/innen
© Daniel Pfister-Wiederkehr – SystemConsulting Ramlinsburg
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Kindeswohl und persönlicher
Verkehr:
«Dem Kindeswohl am
meisten dienlich ist
die konfliktärmste
Regelung, die von
beiden Elternteilen
mitgetragen wird»
© Diana Wider – Besuchsrecht – rechtliche Aspekte – 11/2009
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Fazit:
miteinander
reden
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4. Beratungskontext und Verständnis
Expertensichtweise I
Kunde/Kundin hat Problem
Experte/Expertin hat Lösung
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Startposition:
Ex-Paar-Ebene
Ankläger/in
Ankläger/in
Beklagte/r
Beklagte/r
Recht
Recht
Richter/in
Richter/in
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Expertensichtweise II
Kunde/Kundin ist Experte
fürs Leben
Berater/Beraterin ist
Experte im Umgang mit
Problemen
Interaktion zweier Expertensysteme
© Daniel Pfister-Wiederkehr – SystemConsulting Ramlinsburg
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Zielposition:
Eltern-Ebene
Mutter
Vater
Kind
Berater/in
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Grundannahmen und Grundhaltung
• Kind benötigt für gesunde Entwicklung Mutter und Vater
• Kind liebt beide Elternteile
• Beide Elternteile lieben ihr Kind
• Eltern sind Experten für kindswohlorientierte Lösungen
• Eltern sind am Wohl ihres Kindes interessiert
• Eltern haben das Recht und die Pflicht, kindswohlorientierte Lösungen zu entwickeln
• Eltern sind bereit, zugunsten der Kinder Opfer zu erbringen
• Eltern kooperieren auf der Elternebene (als Vater und als Mutter)
© Daniel Pfister-Wiederkehr – SystemConsulting Ramlinsburg
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5. Gutachter- versus Beraterrolle
Funktionsunterschiede
Berater
Gutachter
Vergangenheit
Zukunft
Probleme
Lösungen
Defizitorientiert
Ressourcenorientiert
Neutral
Parteiisch für das Kind
Erwachsenenorientiert
Kinderorientiert
Richtig oder Falsch
Nützlich
Inhaltsexperte
Prozessexperte
Fakten
Konstrukt
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6. Konkrete Gesprächsführung
Ziel des Erstgespräches mit getrennt lebenden Eltern:
Die Eltern langweilen!
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Erstgespräch: Fragen über das Kind:
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Was kann Ihr Kind gut?
Welches Fach hat Ihr Kind gerne in der Schule?
Wie heisst die beste Freundin / der beste Freund Ihres Kindes?
Was isst Ihr Kind gerne?
Welche Hobbies hat Ihr Kind?
Wie heisst denn das Pferd des Kindes?
etc.
etc.
etc.
Der Fokus / die «Zielposition» Kind wird dadurch in den Mittelpunkt
gerückt.
Die Erwartungen von Mutter und Vater werden an den Rand gedrängt.
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Kinder miteinbeziehen:
JA
oder
NEIN ?
Nur, wenn es nützlich ist für das Kind!
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Konkretisierung des Führens von hochkonfliktären Elterngesprächen:
(siehe Handout ‘Gesprächstool: Hochkonfliktäre Elterngespräche’)
5-Phasen-Modell:
1. Gesprächsermöglichende Struktur einführen
2. Fachliche Positionierung
3. Positiver Blick auf das Kind
4. In den Lösungsprozess einsteigen
5. Abschluss
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1. Gesprächsermöglichende Struktur einführen
• Elternteilen Sitzplatz zuordnen (dadurch Führung deutlich signalisieren)
• «Ihr Kommen zeigt mir, dass Sie als Mutter und Sie als Vater einen konkreten
Beitrag zugunsten ihres gemeinsamen Kindes leisten wollen» (Wertschätzung)
• Kommunikationsregeln vorstellen
• Anerkennung der Belastung für beide Elternteile: «Kann mir vorstellen, dass es
für sie als Mann und als Frau so in einem gleichen Raum zu sein und nach so langer
Zeit miteinander sprechen müssen, belastend ist. Ich sehe darin ihre Bereitschaft,
sich für Ihr Kind einzusetzen, auch wenn das Opfer von Ihnen verlangt.»
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2. Fachliche Positionierung
• Den Eltern klar machen, dass es mir als Berater im Sinne eines transparenten
Vorgehens nun darum geht, ihnen meine Sichtweise vorzustellen, da sie als Eltern
ein Recht darauf haben.
• Positionierung: «Ich gehe davon aus, dass,

Sie ihr gemeinsames Kind lieben,

Mutter und Vater einzigartig und wichtig für eine Kind sind,

Konflikte zwischen Eltern eine Belastung für ein Kind sind,

Eltern eine gute Lösung für ihr Kind wollen und bereit sind, dafür Opfer zu
erbringen»

etc.
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3. Positiver Blick auf das Kind
• Kind ins Zentrum rücken
• «Was schätzen Sie als Vater und Sie als Mutter an Ihrem Kind?»
• «Was sind seine Stärken, seine liebenswerten Seiten?»
• Nützliches für den Lösungsprozess heraushören und in den laufenden
Zusammenfassungen betonend einbauen. Unnützes «überhören».
• Positives als gemeinsamen elterlichen Erfolg etikettieren: «Ich höre, Sie als Mutter
schätzen an Ihrem Sohn, dass er höflich und zuvorkommend ist … Ein tolles Kind
haben Sie beide. Dafür haben Sie als Eltern sicher einiges getan!»
• Wird ein Kind als erfolgreich in der Schule oder im Sport beschrieben: «Welche
Fähigkeiten von Ihnen (Mutter) und welche von Ihnen (Vater) sind Ihrer Tochter dabei
behilflich?»
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4. In den Lösungsprozess einsteigen
• Rahmen und Ziele des aktuellen Gespräches mitteilen
• Kontext erläutern
• «Heute geht es darum, dass Sie beide als Eltern sagen können, was Ihnen in
Bezug auf Ihren Sohn Sorgen macht und welche Lösungsideen Sie zur Zeit sehen»
• «Gerne würde ich nun von Ihnen erfahren, was sich zugunsten von Ihrem Sohn in
Zukunft ändern muss»
• Verbindendes in den Äusserungen laufend hervorheben: «Verstehe ich Sie richtig, Sie
beide finden die Situation belastend für Ihren Sohn …».
• Laufend kinderorientierte Kernfragen stellen: «Inwiefern ist dies für das Kind gut? Was
könnte der Vorteil für Ihr Kind sein?»
(siehe auch Handout ‘Gesprächstool: Durchdenken lassen’)
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Beachtenswertes:
Bei der Erstsitzung steht nicht das Erzielen eines inhaltlichen Resultates im
Vordergrund, sondern das Installieren eines Gesprächskontextes, in dem die Eltern
Selbstverantwortlich beginnen können, kinderorientiert und gemeinsam zukünftige
Lösungen zu entwickeln.
Dies steht oft dem bisherigen Lösungsvorgehen diametral entgegen: Fokus auf
Kindeswohl anstelle auf Recht; elterliche Lösungsverantwortung anstelle
Verantwortungsdelegation (Anwälte, Gerichte, KESB usw.); Zukunftsgestaltung anstelle
Vergangenheitsorientierung (Schuldzuweisung usw.).
Es ist unvermeidlich, dass die Elternteile einander auf verschiedenartige Weise
angreifen, beschuldigen, provozieren usw. Die Bandbreite des Zulässigen wird durch
den zu erwartenden Nutzen für das Kind definiert. Die Fachleute nutzen die vereinbarten
Regeln, um innerhalb eines zieldienlichen Rahmens zu bleiben.
Destruktive Äusserungen sind sofort zu stoppen, um zu signalisieren, dass die Integrität
im Raum geschützt wird. Nützlich sind Fragen wie: «Wenn ihr Kind hier wäre und Ihnen
zuhören würde, wie ginge es ihm nun …?»
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5. Abschluss
• Würdigen: «Ich bin beeindruckt, wie es Ihnen möglich war, in diesem nicht einfachen
Gespräch immer wieder zugunsten Ihres Kindes zu denken, offen zu bleiben,
einander zuzuhören und unterschiedliche Sichtweisen stehen zu lassen. Dies zeigt
mir, dass Ihnen an Ihrem Kind viel liegt und Sie bereit sind, für eine Verbesserung
einiges zu leisten».
• Bereitschaft einfordern: «Ich schlage vor, dass Sie nun nach Hause gehen, sich in
Ruhe überlegen, ob Sie weiterhin bereit sind, sich als Elternteil zugunsten von Ihrem
Sohn zu engagieren. Bitte geben Sie mir bis … Ihren Entscheid bekannt. Bei
zwischenzeitlichen Fragen kontaktieren Sie mich bitte».
• Um Streitigkeiten ausserhalb des Raumes zu verhindern, können Eltern getrennt
verabschiedet werden: «Für Ihr Kind ist es wichtig, dass ausserhalb der Sitzung kein
Streit entstehen kann. Deshalb schlage ich vor, dass Sie nun gehen (Blick zur Mutter)
und Sie (Blick zum Vater) noch ein paar Minuten hier warten …».
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Gesprächstool ‘Durchdenken lassen’
Ein 7-Schritte-Modell:
(Handout)
• Elternteile werden eingeladen, ihre Ideen und Vorstellungen über mögliche
Lösungen zu formulieren, auf die realistische Durchführung zu überprüfen und
vor allem ihr Verhalten kinderorientiert zu steuern.
• Elternteil als Experte/in des Kindeswohls und Berater/in als Reflexions-Experte durch
Fragetechnik (Beratungsmodus)
• Diese Technik bewährt sich insbesondere, wenn fachliche Einwände gegenüber
Ideen eines Elternteils bestehen, weil diese Ideen nicht sinnvoll für das Kind
scheinen oder nicht umsetzbar sind.
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1. Lösungsidee erkunden
Lösungsvorstellungen der Eltern im Detail erkunden.
Nutzen von «W-Fragen»:
Was ist im Moment Ihre Idee? Wie genau stellen Sie sich das vor? usw.
2. Absicht würdigen und einladen zum Durchdenken
Die gute Absicht der Idee für das betroffene Kind würdigen.
Bspw. wenn eine Mutter sagt, dass sie für eine Begrenzung der Besuche ist, da diese für das
Kind zu belastend sind, könnte gesagt werden: «Ich höre, dass es Ihnen wichtig ist, die
Belastung für Ihren Sohn zu reduzieren. Lasen Sie uns doch Ihre Idee konkret durchdenken».
3. Pro-Aspekte fokussieren
Vorteile für das Kind aus der Sicht des Elternteils im Detail erfragen und Erkenntniskriterien
herausarbeiten lassen. Damit soll der mögliche Gewinn für das Kind konkretisiert werden.
Je mehr Vorteile für das Kind für alle Beteiligten sichtbar werden, desto eher ist eine
Kooperation wahrscheinlich. Z.B.: «Was wären aus Ihrer Sicht die Vorteile für Ihr Kind? Woran
würden Sie genau sehen oder hören, dass diese Vorteile für Ihr Kind eingetreten sind?»
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4. Mögliche Nachteile erfragen
Elternteile einladen, mögliche Nachteile dieser Idee für das Kind zu formulieren.
Je mehr bedeutsame Nachteile auftauchen, desto eher die Bereitschaft, nach besseren
Lösungen zu suchen. z.B. : «Neben den Vorteilen, was wäre ein denkbarer möglicher
Nachteil für Ihr Kind? Woran wäre dies von aussen an Ihrem Kind erkennbar?»
5. Bedeutsame Menschen oder Fakten einführen
Die zu erwartenden Reaktionen von bedeutsamen Menschen bezüglich der Idee des
Elternteils erkennen, damit diese in die Überlegungen einfliessen können (anderer
Elternteil, Geschwister, Grosseltern, Fachleute usw). z.B.: «Erwarten Sie, dass der Vater
Ihre Idee unterstützen wird? Wie wird er darauf reagieren? Was wird er unternehmen?
Denken Sie, die KESB wird Ihren Antrag unterstützen? usw.»
6. Auswirkungen auf das Kind fokussieren
Elternteile einladen, das Gesagte (und auch nicht Gesagte) hinsichtlich Auswirkungen auf
das betroffene Kind zu erkennen. z.B.: «Wenn Sie sich alles Gesagte vor Augen führen, was
denken Sie, wie wird es Ihrem Kind gehen? Wie wird sich Ihre Tochter fühlen, wenn Sie als
Mutter diese Lösung anstreben und der Vater dagegen ist? usw.»
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7. Bestärken oder einladen zur Entwicklung kinderorientierter Lösungen
Vater bzw. Mutter darin unterstützen, diese kindswohlorientierte Idee umzusetzen oder
eine für das betreffende Kind sinnvolle andere Lösung zu entwickeln.
z.B.: «Wie könnte Ihre Absicht, Ihre Tochter weniger Stress auszusetzen, auf andere
Art erreicht werden? Welche weiteren Ideen haben Sie oder andere Menschen bereits in
Erwägung gezogen? usw.»
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Fazit:
Das Modell der kindswohlorientierten Beratung hilft
 dem betroffenen Kind
Eltern reden über mich und suchen gemeinsame Lösungen
 den Eltern
behalten im Idealfall eine Handlungs- und
Gestaltungsfreiheit
 dem Berater
als Prozessexperte und eben nicht als Inhaltsexperte ist die
Gefahr einer Instrumentalisierung durch die Eltern kleiner
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Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
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Verständnisfragen
Vertiefung
Diskussion
Andere Meinungen
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