Welches Land wollen wir sein Die Debatte in Deutschland Wir haben die Globalisierung lange Zeit als einen Vorgang betrachtet, der vorteilhaft ist für unsere Wirtschaft und bequemes Reisen ermöglicht. Jetzt merken wir, wie die Prozesse der Globalisierung ganz unmittelbar unser Leben betreffen. Phänomene wie Krieg, Terror, Folter, Unterdrückung und extreme soziale Not, die in großen Teilen der Welt Alltag sind und von denen der Westen längere Zeit verschont geblieben ist, obwohl er an ihrem Zustandekommen eine Mitschuld trägt, diese Phänomene wirken sich jetzt direkt auch auf unsere Realität aus. So ist unsere Gesellschaft auf unterschiedliche Weise herausgefordert: In der Situation um die Flüchtlinge einerseits muss sich unsere Menschlichkeit bewähren, unsere schönen Reden von Humanität werden einem Praxistest unterzogen. Die Terrorgefahr andererseits könnte uns in eine Gesellschaft der Angst verwandeln, die ihre Freiheit und ihre offene Art zu leben einem fragwürdigen Verständnis von Sicherheit opfert. Insgesamt ist eines klar: Unser Land wird sich durch die Migrations- und Flüchtlingsbewegungen verändern. Die Frage ist, wie wir mit dieser Tatsache umgehen, wie wir sie gestalten. Deshalb ist es notwendig, dass ein breiter Diskussions- und Verständigungsprozess darüber in Gang kommt, welches Land wir sein wollen. Wollen wir eine offene Gesellschaft sein, geleitet von Freiheits- und Menschenrechtsidealen, oder eine exklusive Gesellschaft, die ihre Identität vor gefühlten äußeren Bedrohungen sichert? Und wenn wir eine offene Gesellschaft sein wollen: Was sind wir bereit, dafür zu tun? Die Theater sind in ihrer jahrtausendealten Geschichte immer auch Orte gewesen, wo die Gesellschaft über sich selbst nachdenkt, Foren für den Austausch von Ideen, Gedanken und Gefühlen. Deshalb haben wir uns an einer Debattenreihe beteiligt, die unter der Leitung von Harald Welzer (FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit) und Alexander Carius (Adelphi-Research) deutschlandweit geführt wird (www.die-offene-gesellschaft.de). Der bundesweite Auftakt der Reihe fand am 27. 11. 2015 in der Reithalle des Hans Otto Theaters statt. Nachdem der Abend durch profilierte, gedankenfrische Statements der Impulsgeber Susan Neiman, Ingo Schulze und Harald Welzer eröffnet worden war, kam es zu einer regen Diskussion unter den rund hundert Besuchern. Wir halten es für notwendig, den Diskussionsprozess fortzusetzen, und haben entsprechende Folgeveranstaltungen geplant. Wieder werden alle Besucher eingeladen sein, sich nach einem Podiumsgespräch an der Diskussion zu beteiligen. # 3 Neue Heimat Mit Marina Naprushkina, Julius H. Schoeps und Harald Welzer 25. Februar, 19:00 Uhr Reithalle/Nachtboulevard Der Eintritt ist frei! Wir fragen nach dem schillernden Begriff »Heimat«. Ist die Vorstellung von Heimat in der globalisierten Welt überholt? Wie verträgt sie sich mit der Idee einer offenen Gesellschaft? Welche Bedeutung haben Vertrautes und Fremdes für uns? Inwiefern verändert der Zuzug der Flüchtlinge unser Heimatgefühl? Können die Flüchtlinge bei uns eine neue Heimat finden? Die aus Minsk stammende Marina Naprushkina ist Künstlerin und Aktivistin und lebt seit 12 Jahren in Deutschland. Sie studierte Bildende Kunst in Minsk, Karlsruhe und Frankfurt. Zuletzt sorgte sie mit ihrem Buch »Neue Heimat?« für Aufsehen. Julius H. Schoeps, zu dessen Vorfahren der Philosoph Moses Mendelssohn gehört, wurde im Exil in Schweden geboren, war u. a. Professor für Neuere Geschichte und von 1991-2014 Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam. Er ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums, Vorsitzender der Gesellschaft für Geistesgeschichte und freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen (u. a. ZEIT, FAZ, SPIEGEL, WELT, TAGESSPIEGEL) sowie verschiedener Rundfunk- und Fernsehanstalten. Harald Welzer ist Sozialpsychologe, Buchautor und Gründer von FUTURZWEI; Stiftung Zukunftsfähigkeit.
© Copyright 2024 ExpyDoc