VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster VSE

Ausgabe 9 | September 2015 | www.energate.de
Dr. Heiko Lohmann
ISSN-Nr.: 1863-4311
Auszug aus dem ener|gate Gasmarkt Ausgabe 9 | September 2015
THEMA DES MONATS
VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer
und Michael Küster
TOPIC OF THE MONTH
VSE, Interview with Hanno Dornseifer
and Michael Küster
9|15
September 2015
Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe gibt es seit längerem einmal wieder ein längeres
Interview. Gesprächspartner sind der VSE-Vorstand, Hanno Dornseifer, und der Leiter des VSE-Handels, Michael Küster. In dem Gespräch
hat mich unter anderem fasziniert, wie sich VSE auf die Anforderungen eines veränderten Energiemarktes einstellt. Dazu gehört auch
die Verknüpfung der Regelenergiemärkte Strom und Gas. Vielleicht
macht Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, das Lesen des Interviews
genauso viel Spaß, wie mir das Gespräch. (Ich weiß, so etwas sollte
man nicht sagen, war aber so.)
Ein anderes Thema dieser Ausgabe ist GABi Gas 2.0. Es gibt sogar
einen konkreten Anlass: Die neuen Bilanzierungsumlagen wurden
veröffentlicht. Aber ich habe zudem festgestellt, dass ich, trotz inten Dr. Heiko Lohmann
siver Berichterstattung vor allem im vergangen Jahr, nie eine zusammenfassende Darstellung vorgenommen habe. Ich habe in den – man muss wohl sagen – letzten Monaten
immer wieder mit Marktteilnehmern auch über die möglichen Auswirkungen der neuen Regeln diskutiert.
In dieser Ausgabe finden sich die Ergebnisse der Einschätzungen neben einer Beschreibung der neuen Regelungen. Die meisten gelten ab Oktober dieses Jahres.
Ein letzter Gedanke: Die Speicher sind in Deutschland nach wie vor vergleichsweise gering befüllt. Der niedrige Sommer-Winter-Spread macht die Einspeicherung wenig attraktiv. Die meisten Händler sind dennoch für
den kommenden Winter entspannt. Ich bin, offen gestanden, über dieses Ausmaß der Entspannung etwas
überrascht. Sicher, das erwartete Angebot – auch aus LNG-Lieferungen – ist hoch, die Nachfrage nach Gas
insgesamt nicht wachsend. Dennoch, wenn es kalt wird, bin ich gespannt, wie sich die Preise entwickeln.
Es sei nur auf die fehlende Groningen-Flexibilität verwiesen. Ein erfahrener Händler, mit dem ich dies Mitte August diskutierte, nannte meine Sorge unbegründet. Ein Grund für die niedrigeren Füllstände sei das
gestiegene Angebot. Es werde aber auch weniger Flexibilität aus Speichern benötigt. Er erwartet eher sinkende Preise. Die Entwicklung seitdem gibt ihm Recht. Die Gaspreise – auch für den Winter – fallen deutlich,
sehr zur Freude von Industriekunden. Es wurden erste Verträge für das kommende Jahr mit einem Preis von
weniger als 20,00 Euro/MWh (ohne Transport) abgeschlossen.
Viel Spaß beim Lesen!
Dr. Heiko Lohmann
Freier Mitarbeiter ener|gate
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ener|gate Gasmarkt
VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster
1.Thema des Monats: VSE, Gespräch mit
Hanno Dornseifer und Michael Küster
Der Saarbrücker Versorger VSE ist erst im Jahr
2010 in das Gasgeschäft eingestiegen. Vor allem seit 2013 ist der Gasabsatz deutlich gestiegen. Wurden 2012 noch 646 GWh abgesetzt,
stieg 2013 der Gasabsatz auf knapp 3,1 TWh.
Im vergangenen Jahr wurde der Gasabsatz auf
fast 3,9 TWh gesteigert. Im folgenden Interview
wird der VSE-Vorstand Hanno Dornseifer unter
anderem erläutern, warum sich das Gasgeschäft
so stark entwickelt hat. Teil des Angebotes im
Gassektor ist das Poolen lokaler Röhren- und
Kugelspeicher für den Regelenergiemarkt Gas.
Dies ist das Thema von Michael Küster, der
das Konzept erläutern wird. Neu ist der Ansatz
nicht, Küster arbeitet schon seit Jahren – nicht
erst seit dem er für VSE tätig ist – an dem Thema, auch ener|gate Gasmarkt hat wiederholt
darüber berichtet (so in ener|gate Gasmarkt
05/12). Küster ist bei VSE Leiter Energiedisposition Optimierung Services und verantwortet
den gesamten Handel, was für VSE vor allem
Handel in den Regelenergiemärkten Strom und
Gas bedeutet. Küster wird im Interview erläutern, wie die Aktivitäten in den beiden Regelenergiemärkten verknüpft werden.
Zuerst einige Fakten zu VSE: Anteilseigner sind
RWE (50 % plus eine Aktie), EdF (2,7 %),
das Land Saarland (6,5 %), vier saarländische Landkreise und die Stadt Saarbrücken
(insgesamt 16,5 %) sowie eine kommunale
Beteiligungsgesellschaft (15,3 %). An dieser
Beteiligungsgesellschaft sind 15 saarländische
Stadt- und Gemeindewerke beteiligt. VSE selbst
ist in der Stromerzeugung, im Netzbereich
(Hochspannung), dem Großkundenvertrieb und
im Bereich Dienstleistungen tätig. Konzerntochtergesellschaften sind im Endkundenvertrieb
(energis) Strom, Erdgas, Wasser, im Sektor Telekommunikation (artelis) und im Bereich Energie- und Gebäudedienstleistungen (Famis) tätig.
energis ist laut VSE-Angaben Marktführer im
Saarland. In der Stromerzeugung belastet VSE
die Altlast der Beteiligung an dem sehr alten
Kohlekraftwerk Ensdorf. Das Unternehmen ist
aber – ebenfalls nach eigenen Angaben – auch
der größte Windparkbetreiber im Saarland. Der
Umsatz der Gruppe betrug 2014 rund eine Milliarde Euro, das Ergebnis nach Steuern 21,9 Mio.
Euro (2013: 23,9 Mio. Euro). Die Ergebniszahlen nennt VSE aufgrund der Konsolidierung in
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den RWE-Abschluss nicht selbst. Jeweils ein
Blick in den Bundesanzeiger und den RWE-Geschäftsbericht helfen.
Dornseifer ist seit 2010 im Vorstand der VSE. Von
2006 bis 2010 war er Mitglied des Vorstands von
Saar-Ferngas (seit 2009 Enovos Deutschland).
ener|gate Gasmarkt: Um gleich damit anzufangen Herrn Dornseifer: Woher kommt das starke
Wachstum im Gasgeschäft?
Dornseifer: Erst einmal, weil wir entschieden
haben, in diesem Segment tätig zu werden. Das
war bis 2010 nicht der Fall. VSE war ein reines
Stromunternehmen, das machte in dem hochkompetitiven Markt keinen Sinn mehr. Wichtiger
war aber etwas Anderes: 2011 hat sich das Saarland, und haben sich die saarländischen Stadtwerke entschieden, zusätzliche beziehungsweise
neu Anteile an der VSE zu übernehmen. Seitdem
sind fast alle saarländischen Stadtwerke an der
VSE beteiligt. Das war entscheidend für unseren
Einstieg ins Gasgeschäft.
ener|gate Gasmarkt: Das ist die kommunale Beteiligungsgesellschaft?
Dornseifer: Exakt! Wir haben uns dann strategisch als die kommunale Beschaffungsplattform
für die Region definiert. Das sollte natürlich
Strom und Gas umfassen. Die Strategie funktioniert, wir beschaffen jetzt für fast alle Versorger
im Saarland die Gasmengen.
ener|gate Gasmarkt: Das sind klassische Vollversorgungen?
Dornseifer: Nein, wir bieten in erster Linie alle
Dienstleistungen rund um Portfolio- und Bilanzkreismanagement an, liefern derzeit aber auch
die Mengen.
Küster: Wir bieten aber auch den 24/7-Spotmarktzugang für andere Handelsunternehmen an.
ener|gate Gasmarkt: Das heißt, Sie haben das
Gasgeschäft an den Stromhandel angehängt?
Dornseifer: Nein, wir haben insgesamt den Handel, zum Beispiel mit einer 24/7-Verfügbarkeit,
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VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster
ausgebaut, was wir nur für den Stromhandel allein nicht getan hätten.
ener|gate Gasmarkt: Und in der Beschaffung
arbeiten Sie mit der Muttergesellschaft RWE zusammen?
Dornseifer: Natürlich arbeiten wir mit RWE zusammen, aber wir beschaffen auch Mengen am
Markt, das hängt vom Preis ab. Aber um es an dieser Stelle noch einmal zu betonen: Wir bieten unseren Kunden in erster Linie die Dienstleistungen
rund um das Portfoliomanagement an, wir müssen die Mengen nicht liefern, das sehen wir nicht
als unsere zentrale Rolle an. Ich will die Dienstleistung! Das können wir, und da sehen wir die Möglichkeit, uns als vertrauensvoller Partner zu positionieren und auch Margen zu erzielen. Aber in der
Tat liefern wir derzeit häufig auch die Menge.
Dornseifer: Was heißt, wir haben die Rolle übernommen? Wir sind in das Gasgeschäft eingestiegen und sind jetzt Partner der saarländischen
Stadtwerke bei der Gasbeschaffung.
ener|gate Gasmarkt: Warum konnten Sie Enovos
faktisch ablösen?
Dornseifer: Die saarländischen Stadtwerke
haben 2013 ihre Gasbeschaffung, präziser die
Dienstleistungen dazu, neu ausgeschrieben, und
wir haben die Ausschreibung gewonnen.
ener|gate Gasmarkt: Nur als Fußnote: Die gemeinsamen Ausschreibungen der saarländischen
Stadtwerke waren früher bei den Vertriebsmitarbeitern von Anbietern in Deutschland berüchtigt
(ener|gate Gasmarkt 08/09), weil sie hochkomplex waren und am Ende immer Saar-Ferngas
den Zuschlag bekam.
ener|gate Gasmarkt: Warum?
Dornseifer: Weil wir von den großen Anbietern
derzeit Mengen, aber vor allem Flexibilität, extrem günstig beschaffen können.
ener|gate Gasmarkt: Aber Sie haben keinen eigenen differenzierten Gashandel mit einer Beschaffung von Mengen über Broker oder Börsen?
Dornseifer: Nein, wir arbeiten mit einigen großen Marktteilnehmern zusammen, aber das
kann sich ändern. Nur im Regelenergiemarkt sowie für den Spotmengenausgleich Intraday und
Day Ahead sind wir ein aktiver Händler.
ener|gate Gasmarkt: Wie viele Leute haben Sie
im Handel?
Küster: Wir sind mit sieben Personen in einem
Dreischichtbetrieb tätig. Dazu nehmen drei Mitarbeiter außerhalb des Schichtbetriebes Backoffice-Aufgaben wahr. Die Schichten sind in der
Regel einfach besetzt.
Dornseifer: Mag sein, aber die Verfahren haben
sich geändert. Vielleicht spielt im Saarland die
lokale Verbundenheit auch der Werke untereinander eine Rolle.
ener|gate Gasmarkt: Sie betonen immer wieder,
dass Sie sich im Gasgeschäft in erster Linie als
Dienstleistungsanbieter verstehen, aber der Mengenabsatz wächst trotzdem?
Dornseifer: Ja, in diesem Jahr auf rund acht
TWh, mittelfristig auf zehn TWh und das sind
physische Lieferungen. Wir werden sicher vor allem regional wachsen, in Rheinland-Pfalz, Hessen, Teilen von Baden-Württemberg.
ener|gate Gasmarkt: Ist VSE ausschließlich im
Stadtwerkesegment tätig?
Dornseifer: Nein, wir beliefern auch Industriekunden, aber nur in der Region. Die Mengen, die
wir für unsere Vertriebsgesellschaft energis für
das Endkundengeschäft beschaffen, sind in den
Zahlen natürlich auch enthalten.
ener|gate Gasmarkt: Die machen dann alles?
Küster: Ja, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
haben alle eine Ausbildung als Spotmarkt-Broker.
ener|gate Gasmarkt: Noch einmal zurück zu ihrer Rolle als kommunale Beschaffungsplattform.
Ist das nicht die Rolle, die im Saarland die SaarFerngas (heute Enovos) traditionell hatte? Hat
VSE diese Rolle übernommen?
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ener|gate Gasmarkt: Aber noch einmal zum Verständnis: Die Mengen-Lieferungen sind nicht ihr
Kerngeschäft, sondern den günstigen Angeboten
geschuldet?
Dornseifer: Derzeit kommen 50 bis 55 Prozent
des Ergebnisses im Gasgeschäft aus dem Bereich
Dienstleistungen. Sie haben Recht, das wollen
wir entwickeln. Die Mengen nehmen wir mit.
ener|gate Gasmarkt
VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster
Wenn wir damit kein Geld mehr verdienen können, fahren wir sie zurück.
ener|gate Gasmarkt: Ihr Geschäft lebt von der regionalen Verankerung?
Dornseifer: So sind wir gestartet, die Region ist
unser Stammgebiet. Aber wir bauen – wie gesagt
– das Geschäft über die Region hinaus aus, das
Know-how haben wir jetzt ja. Aber da müssen
wir sehr klar definieren, mit welchen Produkten
wir dies tun. Denn außerhalb der Region fehlt
mir das Alleinstellungsmerkmal „VSE Struktur“,
bei der meine Kunden auch meine Gesellschafter
sind. Das sind dann Produkte wie Flexibilitätsdienstleistungen.
ener|gate Gasmarkt: Ehe wir zu dem Thema
kommen: Sie bezeichnen Ihr Ergebnis insgesamt
als „gut“. Sie sind, anders als viele ihrer Kollegen,
zufrieden. Was machen Sie richtig?
Dornseifer: Wir haben nur wenig konventionelle Erzeugung! Zudem heißt unsere strategische
Antwort auf die Entwicklung im Energiemarkt:
Diversifizierung. So ist unter anderem das Telekommunikationsgeschäft unserer Tochter artelis
ein Wachstumsfeld. Wir versuchen, insgesamt
Neues auszuprobieren und auch unsere Unternehmenskultur auf Veränderungen einzustellen.
Unser Motto ist: Einfach mal machen. Wir probieren Dinge, verdienen Geld, steigen aber vielleicht auch nach zwei Jahren wieder aus.
ener|gate Gasmarkt: Wie entdecken Sie Themen? Was sind die Werkzeuge? Wie richten Sie
die Organisation aus?
Dornseifer: Das wichtigste Werkzeug ist meine
offene Tür! Jeder kann mit Ideen zu mir kommen. Wir haben aber jetzt ganz aktuell ein
Projekt mit dem Namen „Bonanza“ aufgelegt.
Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen können zwei
Jahre ein Projekt entwickeln und müssen in der
Zeit nicht bei der VSE arbeiten. Wir finanzieren
dies. Wenn es erfolgreich ist, bekommen wir eine
Mehrheit. Ich probiere das einfach mal!
ener|gate Gasmarkt: Sie scheinen das umzusetzen, worüber die ganze Branche nachdenkt.
marktführer in der Telekommunikationsanbindung von Offshore-Windparks. Das war genauso
ein Start-up, von denen wir mehr benötigen.
ener|gate Gasmarkt: Jetzt aber zu dem Thema
Flexibilitätsdienstleistung, das für Sie ein wichtiges
Element ihrer Angebotspalette an Stadtwerke ist.
Dornseifer: Ja, und es gehört auch mit zu den
innovativen Themen, über die wir gerade gesprochen haben.
ener|gate Gasmarkt: Herr Küster, was ist der
Stand der Aktivitäten im Flexibilitätsmarkt?
Küster: VSE bündelt schon seit Jahren im
Strommarkt kleine Erzeugungsanlagen und bietet im Markt Minutenreserve an. Aktuell haben
wir ein bundesweites Portfolio aus eigenen Anlagen und Anlagen von Partnern von 350 MW.
Seit kurzem sind wir auch im Sekundärregelenergiemarkt tätig. Ursprünglich waren in dem
Pool nur Anlagen mit einer Leistung von mehr
als einem MW. Darunter sind Biomasseanlagen
und Müllheizkraftwerke. Aktuell ergänzen wir
den Pool um kleinere Anlagen bis hinunter zu
einer Leistung von 120 kW.
ener|gate Gasmarkt: Warum?
Küster: Zum einen ist der Markt bei größeren
Anlagen sehr wettbewerbsintensiv, zudem benötigen wir für den Brückenschlag zum Regelenergiemarkt Gas eher die kleineren Anlagen,
die flexibler sind. Aber wir mussten natürlich
zusätzlich in IT investieren, um das zu steuern.
Derzeit bauen wir den Regelenergiepool Gas parallel dazu auf. Aktuell bündeln wir bundesweit
knapp 20 Kugel- und Röhrenspeicher. Bis Ende
des Jahres sollen es 30 Anlagen werden.
ener|gate Gasmarkt: Haben Sie auch abschaltbare industrielle Anlagen im Pool?
Küster: Aktuell nicht, die Steuerung solcher Anlagen hat dann auch noch einmal zusätzliche
Herausforderungen. Man kann darüber nachdenken. Unser eigentliches Ziel für 2016 ist aber der
erwähnte Brückenschlag von Strom und Gas.
ener|gate Gasmarkt: Das bedeutet...
Dornseifer: Ich gebe Ihnen ein Beispiel, was dabei
herauskommen kann. Zu artelis gehört ein Unternehmen namens EuroSkyPark. Das ist der Welt-
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Küster:...nicht mehr, wie bisher Strom und
Gas getrennt zu denken, sondern als Einheit.
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VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster
Für uns sollen Gas-BHKW die Brücke bilden,
die sich dank unserer Pools in den Regelenergiemärkten Strom und Gas an beiden Märkten
parallel beteiligen können.
ener|gate Gasmarkt: Wie geht das?
Küster: Nehmen wir ein Beispiel: Wir haben uns
auf der Gasseite an einer Ausschreibung von NCG
beteiligt und sind verpflichtet, gegen die Zahlung
eines Leistungspreises, Überschussmengen zu
übernehmen, wenn wir abgerufen werden. Parallel haben wir uns aber auch verpflichtet, im
Stromregelenergiemarkt die Anlage bei Abruf
herunterzufahren. Gleichzeitig Gas zu übernehmen und keinen Strom zu produzieren, geht mit
dem Kraftwerk nicht. Es geht aber, wenn wir das
Erdgas in Röhren- oder Kugelspeichern unseres
Pools speichern können. Das Prinzip funktioniert
natürlich auch umgekehrt.
ener|gate Gasmarkt: Das heißt, sie benötigen
einen großen Reserve-Pool auf beiden Seiten, um
ausreichend Back-up für die BHKW zu haben.
Küster: Exakt, zumal wir die Anlagen auch noch
direkt in den Regelenergiemärkten vermarkten.
Dornseifer: Warum unterstütze ich dies? Wenn
Sie sich das Weißbuch der Bundesregierung zum
Strommarkt anschauen (ener|gate Gasmarkt
08/15) sehen Sie, dass Flexibilität teuer wird, und
man Preissignale sehen wird. Dann sind wir aber
mit dem Ansatz im richtigen Markt unterwegs.
Küster: Das beginnt ja jetzt schon. Im Gas werden in Zukunft echte Stundenprodukte angeboten werden (ener|gate Gasmarkt 08/15), da sehen wir uns in einer Poleposition.
ener|gate Gasmarkt: Moment mal! Sie haben
betont, das Modell beruhe auf einem Leistungspreisansatz, nur dann können Sie ihren Partnern
auch sichere Einnahmen garantieren. Aber Leistungspreise werden keine Rolle mehr spielen!
Küster: Sie haben Recht, aber wir richten unser Modell auf ein reines Arbeitspreissystem
aus. Dabei lernen wir vom Strom. Wir haben
in unserem Steuerungssystem eine bestimmte
Anzahl von Grenzpreisen hinterlegt, bei denen
ein Einsatz der einzelnen Anlagen praktisch
automatisch erfolgt, wobei wir die Signale an
die Anlage senden. Wir haben Systeme, die alle
drei Sekunden prüfen, ob bei den Börsenprei-
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sen oder den Preisen der Marktgebietsverantwortlichen die Grenzpreise erreicht sind. Der
Leistungspreis ist gerade für die Akquise nett,
aber wir verdienen auch heute schon im Handelsmarkt, das heißt zu Arbeitspreisen, unser
Geld mit dem Speicherpool. Die Spreads sind
derzeit attraktiv.
ener|gate Gasmarkt: Sie profitieren von der Zunahme der bilanziellen Konvertierung bei NCG?
Küster: Ja, die hohen H-Gas-Überschüsse und
die L-Gas-Nachfrage sind natürlich gut für uns.
ener|gate Gasmarkt: Warum baut Ihr Modell niemand nach?
Dornseifer: Es ist ein extrem kleinteiliges Geschäft, vielleicht daher für die großen Unternehmen zu kleinteilig.
Küster: Zudem gibt es keine Übersicht über die
Anlagen. Und lange wurde die Entwicklung eines
Regelenergiemarktes im Gas völlig unterschätzt.
Als ich 2008 oder 2009 angefangen habe, für ein
solches Modell zu werben, wurde ich fast ausgelacht. Jetzt haben wir den Vorteil, dass wir früh
angefangen haben.
ener|gate Gasmarkt: In einem Arbeitspreismarkt
können BHKW-Betreiber aber im Grunde auch
ohne die Pools im Regelenergiemarkt anbieten?
Küster: Bedingt, aber wir heben uns mit dem
umfassenden Modell von Wettbewerbern ab.
Und es macht erst richtig Spaß, wenn man umfassend in allen Regelenergiemärkten und in allen Segmenten tätig ist, das geht nur mit unserem Modell.
ener|gate Gasmarkt: Wann werden die BHKW
einbezogen?
Küster: Ab 2016, dabei wird uns auch unsere
Dienstleistungstochter Famis unterstützen. Zehn
MW sollten es zum Start schon sein, um das System stabil zu steuern. Dies mit kleinen Anlagen
zusammenzubekommen, ist durchaus sportlich.
ener|gate Gasmarkt: Wie hoch sind eigentlich
die Investitionen, um ein solches System zu etablieren, und ist das Ganze profitabel?
Küster: Wir reden über Investitionen in IT-Systeme, aber die sind nicht so hoch, wir haben
ener|gate Gasmarkt
VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster
eine Mischung aus eigenen Entwicklungen mit
kleinen Tools und Ergänzungen bestehender
Systeme. Wir arbeiten profitabel, zumal die
Steuerung der Anlagen neben der IT kaum Zusatzaufwand verursacht. Die Mitarbeiter können dies miterledigen.
Dornseifer: Und auf Dauer werden wir auch die
EEG-Vermarktung mit in das Modell hineinnehmen.
ener|gate Gasmarkt: Mit diesem Produktportfolio
gehen Sie dann bundesweit auf Akquisitionstour?
Dornseifer: Genau. Hier haben wir besondere Produkte, über die wir mit Stadtwerken
ins Gespräch und Geschäft kommen können.
Wichtig ist auch dabei: Wir übernehmen keine
Anlagen, sondern teilen uns das Ergebnis der
Geschäfte, wir gehen genau wie der Kunde ins
Risiko. Wenn es nicht läuft, dann nehmen wir
die Anlage eben wieder heraus. Dieses Modell
schafft Vertrauen.
ener|gate Gasmarkt: Was ist eigentlich, wenn
die Regelenergiemärkte so liquide werden und
die Preisspreads so niedrig, dass sich das Modell
nicht mehr rechnet?
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Dornseifer: Dann passen wir unsere Modelle
eben an. Wo ist das Risiko? Und Mitarbeiter wie
Herr Küster wissen dann doch, wie man Neues
entwickelt, da wollen wir doch genau hin.
ener|gate Gasmarkt: Herr Dornseifer, Herr Küster, vielen Dank für das Gespräch!
Michael Küster hat ener|gate Gasmarkt noch einige statistische Zahlen zu den Röhren und Kugelspeichern in Deutschland geliefert, die in der
folgenden Box dargestellt sind:
In Deutschland sind noch 61 Kugelspeicher in
Betrieb. Das Arbeitsgasvolumen (AGV) beträgt
2,9 Mio. m3, die Ausspeicherleistung 364.000
m3/h. Die Anlagen verteilen sich auf acht
Bundesländer, mit Schwerpunkten in BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen.
Insgesamt werden noch 68 Röhrenspeicher mit
und ohne eigene Verdichtung betrieben. Das
AGV beträgt insgesamt 5,2 Mio. m3, die Ausspeicherleistung 525.000 m3/h. Anlagen gibt es in
neun Bundesländern, geografische Schwerpunkte sind Baden-Württemberg und Niedersachsen.
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VSE, Gespräch mit Hanno Dornseifer und Michael Küster
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