Robert Bichl Kritik des politischen militärischen Denkens Wer weiß, was Krieg kann und was Krieg nicht kann und Krieg dennoch als gerecht denkbar lehrt, sündigt gegen den Geist. Das gilt auch für den Bischof von Rom. Du sollst nicht stramm stehen und du sollst dir nicht befehlen lassen, wen du tötest. Robert Bichl Wir können klar unterscheiden zwischen dem strategischen Denken der Militärs und dem politischen militärischen Denken der Staatspolitik. Das strategische militärische Denken ist befasst mit der Organisation und der Durchführung der Schlachten und Gefechte, also mit dem, was die Politik den Krieg nennt. Clausewitz dachte die Schlachten und Gefechte als Verbrauchsgüter in der Hand des Strategen. Die Staatspolitiker bewerten den Krieg als Gebrauchsgut in den Händen der Politik. Die Staatspolitiken indes verbrauchen das, was man landläufig den Krieg nennt, zur Durchsetzung ihrer gegenseitigen Konkurrenzen und um sich als Machtkörper zu behaupten. Die blutigen Gewalttaten militärischer Art galten auch bereits zu Ciceros Zeiten als rechtswidrig. Deshalb beauftragte ihn die Römische Republik bereits damals, Rechtsgründe für den Krieg zu erarbeiten. Und er erschuf den Begriff des bellum justum, also des gerechten Krieges. Das Wort bellum leitet sich von dem Wort duellum ab, was Zweikampf bedeutet. Völkerrechts aber gilt allgemein, dass die einzelnen Staatspolitiken im so genannten Ernstfall der nationalen Notwehr das Recht haben, den blutigen Gewalttaten militärischer Art ihre Rechtswidrigkeit zu nehmen. Als Rechtsgrund dazu dient der Begriff der individuellen Notwehr als Naturrecht, der dann allgemein auf staatspolitische Dimensionen 1:1 übertragen wird, und vor allem der Begriff des so genannten Verteidigungskrieges, der als ein gerechter Krieg verstanden wird. Man spricht allgemein aber nicht vom schützenden Verteidigungskrieg, sondern nur vom Verteidigungskrieg. Die Wirklichkeit hat, seit es Bomben, Flugzeuge und Raketen gibt, den Begriff der schützenden Verteidigung logisch ausgesondert. Die militärischen Verteidigungsmittel sind nur noch als Abschreckung logisch. Unsere Gesetzgebung aber verhält sich so, als ob es den Verteidigungskrieg realiter noch gäbe. Der Begriff aber ist nur noch ein Abstraktum. Und doch stützt sich auf ihn der gesamte weltweite Verschrottungsprozess militärischer Art, den wir Krieg nennen, und der den Gesellschaften das Vermögen der Welt kostet. Auch heute noch gelten die blutigen Gewalttaten militärischer Art allgemein als Rechtswidrigkeiten und Der Begriff des Verteidigungskrieges Verbrechen an sich. Im Rahmen des ist also eine falsche Münze. Die Trä 3 ger des military industrial complex, vor dem Eisenhower noch gewarnt hatte, wissen das. Die staatspolitischen Establishments, die Hochfinanz und die Magnaten der Großund Rüstungsindustrie wissen das. Sie belassen diese falsche Münze im Umlauf. Sie bewirken Verschrottung und Aufbau. Sie konservieren die Sprachregelung, man habe den Krieg gewonnen oder man habe den Frieden wieder hergestellt. Gerade sie aber wissen auch, dass der Frieden, der Krieg und im besonderen der Verteidigungskrieg keine Realität sondern nur abstrakte Begriffe sind. Es ist unsere Aufgabe, diese Abstrakta konkret zu beschreiben. Der Kern dieser Beschreibung aber gilt dem Friedensbegriff. Nämlich der Satz: Frieden ist nicht, Frieden sind. Jeder Frieden ist anders als jeder andere Frieden. Und ein Frieden, der einmal verbraucht wird, z.B. auf militärische Art, ist nie je wieder herstellbar. Keine Ausdehnung in dieser Welt ist je umkehrbar oder wieder herstellbar. Eine innere Rebellion in den Gehirnen intelligenter Leute sagt: Kriege sind reine Verschrottungsprozesse. Sie sind Verbrauchsgestalten. Und sie verbrauchen immer große Friedensmengen auf blutige militärische Art. 4 Die Verbrauchsgestalt eines Krieges ist immer unmittelbar abhängig von der Gestalt jenes wirklichen Friedens, den sie tatsächlich verbraucht. Der sehr gescheite Heraklit hat einmal den sehr überflüssigen Satz gesagt, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Wichtig ist es für uns, zu wissen, dass es der Krieg ist, der Väter hat. Wichtig ist, dass wir uns bewusst werden, welche Männer heute die Väter der künftigen Kriege sind. Walter Rathenau hat einmal gesagt, als der Erste Weltkrieg vorüber war: „Es waren nur etwa 300 zänkische Greise in Europa, die diesen furchtbaren Krieg verursacht haben. Und ich kenne sie alle mit Namen.“ Auch wir kennen die Väter unserer künftigen Kriege alle mit Namen. Wir sehen sie täglich im Fernsehen in China, in Russland, in Europa, in Amerika. Überall. Sie alle können bedenkenlos sagen: Wir haben den Krieg gewonnen. Oder: Wir haben den Frieden wieder hergestellt. Diese alle können sich der Sprachregelung bedienen, man habe den auch blutigen Verbrauch menschlicher Lebens- und Friedensvorgänge gewonnen. Und dann werden sie den Frieden wieder herstellen. Aber sie werden nicht die blutig verbrauchten wirklichen Frieden wieder herstellen können. Sie werden nur fähig sein, den Rechtzustand des Krieges in den Rechtszustand des Friedens zurück zu führen. Und das mittels eines Vertrages, den sie wieder den Frieden nennen. Begriff des Verteidigungskrieges eine falsche Münze ist, müssen wir auch diesen Begriff als Unwort ächten und in unserem Bewusstsein isolieren. Wenn wir das tun, werden die Staatshoheiten innerhalb ihrer Friedensräume keine militärischen Streitkräfte und damit auch keine kalten Kriege mehr etablieren. Schließlich dürfte man dann militärischen Gewalt- und Bluttaten ihre Rechtwidrigkeit nicht mehr nehmen, wodurch diese dann zu Straftaten würden. So einfach ist dieses Problem des Friedens in Worten zu lösen. Eine intelligente Generation hat bereits begonnen, den politischen internationalen Rechtszustand des Friedens grundsätzlich in Frage zu stellen. In diesen Männern und Frauen vollzieht sich das, was ich die endogene Rebellion nenne. Diese Intelligenz erkennt den mangelhaften status quo des nationalstaatlich verfassten und bedingten so genannten Weltfriedens, dem permanent kalte Kriege beigemischt werden. Die po- Unsere Kritik des politischen militälitische, menschliche Welt ist sach- rischen Denkens wird dann erfolglich noch nicht friedensfähig. reich sein, wenn wir die täuschende Lüge, dass es einen schützenden Die Politik ist eine Eigenschaft der Verteidigungskrieg tatsächlich gäbe, menschlichen Gesellschaft und da- in unserem staats- und völkerrechtmit auch eine Eigenschaft der erd- lichen Denken so gründlich vernichhaften Natur. Sie funktioniert sehr ten, dass er uns nur noch als Unwort indifferent. Sie ist nicht böse. Ihre der Vergangenheit in unserem BeWirkungen aber sind oft entsetzlich. wusstsein auftauchen kann. Die Zeit Es genügt nicht, den Krieg zu äch- wird kommen, da die heutigen „zänten, wie Carl Weizsäcker einmal vor kischen Greise“ das Unwort vom 50 Jahren gesagt hat. Wir müssen die Verteidigungskrieg als gerechtem Erlaubnis des so genannten Verteidi- Krieg zu ächten beginnen. Irgendgungskrieges ächten. wann wird diese falsche Münze aus der Rechtschaffenheit unseres interDa wir ja nun wissen, dass es den nationalen Machtverkehrs herausVerteidigungskrieg nicht mehr gibt, genommen werden. Dann werden und da wir nun auch wissen, dass der die politisch militärisch denkenden 5 Greise ohne irgendeinen Rechts- ein weltweiter Verschrottungsmarkt grund auf Krieg dastehen. Mit leeren organisiert und getragen. Die Träger Hosen aber ist schlecht stinken. der unmittelbaren Verschrottung militärischer Art sind die Militärs. Dabei Der evolutionäre Verlauf von Notwen- werden immer auch große menschdigkeit und Zufall lässt uns kein Inter- liche Friedensmengen verbraucht. esse der erdhaften Natur erkennen, das Während der intensiven Verschrotauf friedensfähige menschliche Ge- tungsvorgänge militärischer Art, die sellschaften zielte. Im Gegenteil. Als wir landläufig den Krieg nennen, werTeile der Oberfläche der Erde bilden den aus den bedrohten Friedensvorwir eine Summe egozentrischer und gängen viele Gebete um Schonung eigennütziger Individuen, deren In- gesprochen. Es zeigt sich in statistisch teresse erst am Rande der Ellenbogen bedeutsamer Zahl, dass solche Gebete beginnt. Ein Professor der Universität um Schonung nicht erhört werden. Gießen hat einmal gesagt: „Aus dem Priester, die lehren, dass die Erde Sein der Natur der Erde kann man von einem Gott der Liebe erschaffen nicht auf ein Sollen einer menschli- worden sei, stehen beschämt und bechen Gesellschaft schließen.“ haupten, selbst unbelehrbar, weiterhin, dass Gott selbst die Liebe sei. Zielgerichtetheit ist keine allgemeine Eigenschaft der Erde. Sie ist eine spe- Wir können heute wissen, dass Friezifische Spielart im Bereich des Le- den primäre Gestalten sind, und bendigen. Auch die Unbarmherzig- Kriege, wenn sie auch anthropogen keit ist keine allgemeine Eigenschaft gesehen nur Frieden verbrauchende der erdhaften Natur. Es gibt sie nur Gestalten sind, so wie andere gewaltdort, wo Barmherzigkeit gelten same Kräfte in der Natur Frieden kann. Es gibt sie nur im Bereich des verwunden, beschädigen oder völlig Menschlichen und Lebendigen. Und verbrauchen können. Wir beobachdas ist auch der Ort, aus dem Gebete ten und denken richtig, wenn wir und Hilferufe gesprochen werden. die menschlichen wirklichen Frieden nicht als Ziele, sondern als ErgebnisDas politische militärische Denken se des Werdens der erdhaften Natur ist ein zentraler Ort der Unbarmher- bewerten. Wir sollten sie jeweils nur zigkeit. Durch die politisch militä- als Chancen bewerten. Chancen in risch denkenden Staatspolitiken wird einem großen, tödlich gefährlichen 6 Spiel. So beurteilen wir den Ort unserer planetarischen Heimat richtig. Auch die römisch katholische Kirche ist ein Produkt dieser Erde. Sie lehrt Krieg als gerecht denkbar und demonstriert zugleich das Gebet für den Frieden. Sie betet mit gespaltener Zunge. Immer wenn sie von dem Gott der Liebe, den sie lehrt, den Rechtsanspruch auf Krieg einfordert, schlägt sie dem Sohn dieses Gottes in das menschliche Gesicht und demonstriert Untreue. Die Geschichte ihrer Macht beginnt auf der Seite der Unbarmherzigen. Und sie entscheidet, ob Krieg gerecht sei oder nicht. Und sie nimmt den blutigen Gewalttaten militärischer Art so wie die politischen Gesetzgeber gestützt auf den Begriff des so genannten Verteidigungskrieges ihre Rechtswidrigkeit. Der Jesus indes, von dem die christliche Lehre ist, nimmt den Bluttaten militärischer Art ihre Rechtswidrigkeit nicht. Und so nimmt diese Kirche die Sünde gegen den Geist schon seit Augustinus billigend in Kauf. schaft: friedlich sein. Das sind wirkliche Dinge, die ein Gewicht haben auf der Erde. Wegen ihrer gemeinsamen Eigenschaft „friedlich sein“ ist das Sprachzeichen Frieden für sie ein Mengenbegriff. Unsere Sprachkultur hat für plural auftretende reale Mengen keinen realen Begriff. Sie hat zwar das indogermanische, germanische und altdeutsche Wort Frieden als Zeichen beibehalten. Aber sie bedeutet mit diesem Zeichen Frieden nur einen staatspolitischen Rechtszustand. Dieser staatspolitische Friedensbegriff ist ein singularetantum. Damit aber kann man keine plurale Wirklichkeit definieren. Der katholische Theologe Eugen Bieser sagt einmal wörtlich: „Es mag an seiner Nähe zum Gottesgedanken liegen, dass man Frieden nicht definieren kann.“ Es ist jedoch nicht die Nähe des Gottesgedankens, dass wir Frieden nicht definieren können. Ich jedenfalls kann Frieden definieren. Ich aber weiß eben, dass der Friedensbegriff, den unsere Sprache zur Verfügung hat, kein wirklicher Friedensbegriff ist. Mit einem Singularetantum kann man kein reales Ding definieren. Daran liegt es. Es bleibt dabei: Frieden ist nicht – Frieden sind. Städte, Stassen und andere Anordnungen friedlichen menschlichen Zusammenlebens ha- Unsere Sprache hat bis hier her keiben in der großen Zahl der Vorgänge nen wirklichen Friedensbegriff. Das, und Verhalte die gemeinsame Eigen- was mit dem Begriff der Frieden be 7 deutet wird, also der politische nur Rechtszustand, hat nur die Ausdehnung und das Gewicht des eigenen Begriffes. Aber wenn wir auch keinen Friedensbegriff haben, so benutzen wir doch das Zeichen Frieden zumindest als Medium. Als Medium aber hat dieses Zeichen das Gewicht aller möglichen guten Gefühle der Hoffnung und der Liebe. „Frieden ist für mich so etwas wie ein gutes Gefühl“ sagte Sybille Schmitt. Und Marshall McLuhan würde sagen, das Sprachzeichen Frieden sei ein „heißes“ Medium. Die unerbittliche aber großartige Erde das strenge Gesicht in die Form ihrer Zeit gedrückt im interstellaren Raum unsere Heimat. ein Leben oder eine Seele entwichen sind. Das heißt, dass es die gemeinten Seelen, die man in einem Reich der Toten wähnt, realiter nicht gibt. Der Glaube an solche toten Seelen ist Wahnwitz. Die Motive dieses Glaubens aber sind wegen Wehmut und Trauer respektabel. Das ändert aber nichts an der banalen Erkenntnis, dass dieser Glaube Wahnwitz ist. Wir Menschen leben als ein Ganzes. Und wenn wir sterben, sterben wir als ein Ganzes. Die Dimensionen der Natur sind immer eine Einheit. Der Glaube an die Auferstehung der Toten ist folgegerichtet das Nebenprodukt eines Irrtums. Unmaß des Glaubens. Der Imperativ heißt: Der Jesus, von dem die christliche maßvoll Hoffnung begründen! Rede ist, könnte mit seiner Botschaft der Liebe vor dem vatikanischen Wir alle werden aus dem von der Machttribunal im Ernstfall nicht Sonne beschienen Rand des Erdbestehen. Kardinäle lassen sich so körpers heraus. Die Erde allgemein wenig auf die Wange schlagen, wie kennt keine Freude und keine TräPäpste in Gruppen auftreten. Macht nen. Freude und Tränen sind nur im ist Potenz. Ausgeübte Macht ist. Was Bereich des Lebendigen. Die Erde ist wäre die Botschaft von der Aufer- unsere Natur, nicht unsere Mutter. stehung von den Toten ohne den Wir müssen es mit ihr aufnehmen so Glauben an das Reich der Toten? wie wir sind. Wir aber sind, wie die Was das christliche Abendmahl ohne Erde als Ganzes, aus dem intelligenden Mitraskult in den römischen ten Staub zerborstener Sterne. Und Legionen? Wir müssen als ein fes- wir sind, wenn wir uns mit Eigentes Wissen festhalten, dass noch nie schaften der Erde auseinanderzusetje aus einem Menschlichen Körper zen haben, weil wir so sind, wie wir 8 sind, wie diese selbst Eigenschaften der erdhaften Natur. Wir als lebendige Menschen verbrauchen wie alle andren Vorgänge der Erde energetische Ordnungen. Unsere Chancen als lebendige Wesen in einem System des allgemeinen Verfalls von Ordnungen liegen darin, dass wir auch am Rand der Erde haftend etwas überdauern können. Erwin Schrödinger hat einmal gesagt, er vermute, dass die Lehre von der Entropie für uns Menschen einmal eine größere Bedeutung erlangen wird, als die Relativitätstheorie von Einstein. schichte schreiben, denken wir Vergangenheit und beschreiben Gegenwart. Vergangenheit indes hat es realiter noch nie gegeben. Und wir denken die sich um uns vielseitig ausdehnende Welt, so wie unser Verstand erzogen ist, entlang einer gerichteten Zeit geschehen. Vergangenheit und Zukunft, das sind menschliche Worte. Unsere Worte. Und wir empfinden dabei ein hinten und ein vorne. Dieser Irrtum ist ein Produkt unseres Lernens. Das komplementarische Lernen indes geschieht nicht kalendarisch gerichtet. Das Werden eines Dinges in der Welt aber ist nie umkehrbar. Auch ein geschossenes Fußballtor ist nicht reversibel. Es ist eine Ausdehnung, ein Ding, ein irreversibles Ereignis aus Notwendigkeit und Zufall. Nicht umkehrbar auch das Flussbett der Isar oder die Träne, die aus dem Auge eines Kindes fällt. Selbst das Erlebnis der Schwerkraft ist jeweils ein Ding. Das Wachstum ist in den Gärten und auf den Feldern. Und die lauen Winde, wenn sie die Wasserspiegel der Seen leicht aufruhen lassen, und die freundlich wirkenden Wälder und Hügel des Landes sind oft lange Zeiten andauernde Chancen. Chancen für uns Menschen von Heimat. Die Erde, die uns natürlich nicht liebt, bietet da und dort für uns Menschen Wir müssen lernen, umständlicher Nischen der Geborgenheit. Wir nen- zu denken. nen solche Chancen der Geborgenheit landläufig gern Frieden. Gemessen am Interesse der einzelnen menschlichen Lebensvorgänge ist der Was ist das, was wir da gewöhnlich die Begriff des Verteidigungskrieges eine Zeit nennen, anderes als ein kalenda- falsche Münze. risches Band, auf das wir ruhige und unruhige Ereignisse unseres Daseins Mit dem Begriff des Verteidigungsals Daten auftragen? Wenn wir Ge- krieges ist in die Gehirnzellen der 9 Staatsbürger aller Bevölkerungsschichten auch das ganze sprachregelnde Umfeld dieses Begriffes engrammiert. Diese Prägung ist in so großer Zahl zwingend am Interesse der Staatsraison orientiert, dass man dabei von einem Staatsvolk sprechen kann. Wer das „Menschenmaterial“ der Staatsmächtigkeit genügend kennt, wird nicht einen Hemdknopf für diese Leute und Mächtigkeiten opfern, ganz gleich, ob diese nun im Nadelstreifenanzug oder mit Tiara oder Bischofsmütze auftreten. Immerhin überliefern die ChristliDie Worte Volk und Vaterland, die ja chen Kirchen an über eine Milliarde eigentlich im Besitz der Staatsmäch- Menschen auf dieser Erde, dass das tigkeiten sind, werden allgemein so bellum justum, also der gerechte empfunden, als ob sie das Eigentum Krieg, rechtschaffen sei vor ihrem der menschlichen Lebensvorgänge Gott. Dass also menschliche Lebenswären. Es gibt somit die Staatshoheit vorgänge auch in großer Zahl für und ihr patriotisches Staatsvolk. Es staatspolitische Zwecke auch blutig gibt immerhin eine stets politisch ge- verbraucht werden dürfen. nügend große Zahl solcher prellbarer und auch bereits geprellter Patrioten, Wenn politisch militärisch denkende die bereit sind, für den Staatszweck Staatsmächtige vom Verteidigungsihre eigenen Leiber oder auch nur Tei- krieg reden, denken sie dabei nicht le dieser Leiber blutrünstig verbrau- etwa primär an die schützende Verchen zu lassen. Diese Patrioten verhal- teidigung der einzelnen Lebensvorgänge und ihrer Umstände. Tatsächten sich durchwegs nicht intelligent. lich denken sie primär an den Erhalt Das Modell von den irreversibel der Staatsmacht. verbrauchbaren wirklichen Frieden lehrt uns eine andere Bewertung Und das Staatsrecht, wenn es den der Staatsmächtigkeiten und Hohei- militärischen Gewalt- und Bluttaten ten. Das neue, andere Staats- und ihre Rechtswidrigkeit nimmt und Friedensdenken lehnt jenen Schutz kriegerisch werden will, stützt sich durch die militärisch geführte Staats- einzig auf den Rechtsgrund der natimacht natürlich ab, der Staatsbürger onalen Notwehr. Dabei geht es letztfür den Staatszweck als auch blutig lich eben immer um das Interesse nicht einzelner blutvoller Lebensvorverbrauchbar bewertet. 10 gänge, sondern um den Staatszweck und den Staatserhalt an sich. Wenn es um den Staatszweck und den Staatserhalt geht, beansprucht die Staatsraison für sich auch das Recht selbst auf die verbrannte Erde des eigenen Landes. Dieses Recht entlarvt den Begriff des Verteidigungskrieges als eine falsche Münze. Der Staatsraison genügt es, wenn ein Verteidigungskrieg den bedrohten Bestand und Erhalt des Staatsgebietes und der Staatsmacht verteidigen kann. Ihr genügt der Erhalt ihres Staatsgebietes und einer genügend großen Anzahl an verbleibenden Staatsbürgern, die völkerrechtlich noch als Volk gelten kann. Und für diesen Zweck nimmt sie eben die verbrannte Erde ihres eigenen Hoheitsgebietes und den auch blutigen Verbrauch eigener Staatsbürger in statistisch bedeutsamer Zahl in Kauf. Wenn die militärischen Gewaltsamkeiten von allen Seiten her den Null-Wert erreicht haben, denkt die militärisch denkende Staatsraison diesen Zustand als den wieder hergestellten Frieden. Ihrem Staatsrecht entsprechend sagt sie auch nach dem blutigen Verbrauch von hunderttausenden irreversibler menschlicher Le bensvorgänge, man habe den Frieden wieder hergestellt. Die normale, makroskopische Beobachtung menschlicher Friedensvorgänge und das gesicherte Wissen von der Irreversibilität der Vorgänge, also von der Nichtwiederherstellbarkeit menschlicher Lebensvorgänge führt dieses immerhin noch allgemein geltende Staatsdenken und Recht ad absurdum. Der negative Friedensbegriff des Staatsrechts denkt - anders als das neue Friedensverständnis von den wirklichen Frieden – Frieden nicht plural, sondern als Singularetantum, als den Frieden. Er denkt den Frieden als den Zustand ohne Krieg. Er denkt auch jenen nationalen Bauch, der mit einer militärisch höchst gewaltfertigen Verteidigungskriegsgestalt schwanger geht, noch als Zustand ohne Krieg. Was das Staatsrecht den Frieden nennt, ist nichts weiter, als eine Funktion der militärischen Gewaltsamkeit, deren Wert gegen Null gegangen ist, und die dann in der militärischen Unfähigkeit endet, oder in die militärische Null-Gewaltfertigkeit zurückgeführt ist. Also in eine zwar nicht mehr militärisch gewaltsame aber doch militärisch gewaltfertig Kriegsgestalt im nationalen 11 Bauch. (Die dann weiterhin bestehende erklärte potentielle Verteidigungskriegsgestalt im so genannten Frieden als eine Kriegsgestalt im Zustand ohne Krieg.) Ein so genannter Verteidigungskrieg ist ein so genannter gerechter Krieg, der den Staatsmächtigkeiten nützen mag. Den menschlichen Lebensvorgängen aber schadet er tödlich. Man muss wissen, dass ein VerteidigungsEin Paradoxon: Wir brauchen einem krieg ein Krieg ist, wie jeder andere Verteidigungskrieg nur zuzusehen. Krieg. Er ist nicht etwa etwas gütiWir werden permanent sehen, wie er ger oder weniger blutrünstig, als alle das verbraucht, was er zu verteidigen anderen Kriege. Er unterscheidet vorgibt. Nämlich die Geborgenheit sich von diesen einzig durch seinen menschlicher Lebensvorgänge. Wir Rechtsverhalt. Wenn eine Stadt und erkennen den Verteidigungskrieg als ihre Region durch die Gewalten eieine falsche Münze. nes Verteidigungskrieges verbrannt und dezimiert werden, so geschiegt Staatsraisons wissen schon seit der geltendes Recht. Es gibt Rechte, die Anwendung der ersten Massenver- zum Himmel schreien. nichtungswaffen, dass der Schutz der Nation nur noch den Schutz der Für das pragmatische Denken des Staatsmacht bedeuten kann. Strate- Staatsrechtes ist der Frieden nur ein gisch militärisch verteidigte Flächen Instrument der Staatsraison, das den und Räume werden zu Wüsten. Der Fluss der militärischen Gewaltsammoderne Verteidigungskrieg mit keit nach Maßgabe des Interesses der strategischen Waffen verbraucht in Staatsmacht jeweils teilweise oder ganz seinem statistischen Trend immer zum Stillstand bringt. Frieden ist demsein eigentliches Kriegsziel, nämlich nach also ein Ergebnis aus dem Rechtsdie Geborgenheit der menschlichen system Krieg – Frieden und nur eine Lebens- und Friedensvorgänge. Wer Funktion militärischer Gewaltsamkeit. einen Krieg, der sein eigenes Land, Gut und Leben nicht schützend Das neue Friedensverständnis von verteidigen kann, einen Verteidi- den wirklichen Frieden denkt Krieg gungskrieg nennt, bringt eine falsche immer als Friedensverbrauch. Es Münze in Umlauf. Man kann das braucht, um Frieden zu definieren, Wort von der falschen Münze nicht nicht den Kriegsbegriff. Jeder Krieg oft genug aussprechen. aber braucht, um als solcher geschehen zu können, immer einen Frie 12 den, den er verbrauchen kann. Und Chance der Geborgenheit der einzelzwar immer nur jenen Frieden, den er nen Menschen. Deshalb ist es das strawirklich und tatsächlich verbraucht. tegische Ziel der neuen Wehrkraft der wirklichen Frieden, den Primat des Die japanische Stadt Hiroshima war Strafrechts über das Staats-und Völ1945 trotz mancher militärischer kerrecht zu erringen. Nur die AutoriStrukturen ein wirklicher Frieden. tät des Strafrechts kann die Zeugung Innerhalb weniger Minuten hat die- der erklärten Verteidigungskriegsgeser wirkliche Frieden sein Gewicht stalten in den nationalen Bäuchen verloren. Was nach der Explosion der erfolgreich verhindern. Bis dahin aber Bombe noch Hiroshima hieß, war gehen die nationalen Bäuche, die so nur noch die Raison dieser Stadt. genannten Friedenszustände, weiter Der wirkliche Frieden Hiroshima schwanger mit ihrer jeweiligen erklärwar zu einer schweren materialen ten Verteidigungskriegsgestalt. Wolke über dem Pazifik geworden. Aus Ordnung war Unordnung ge- Die heutige Verteidigungspolitik der nationalstaatlichen Ordnung leistet worden. nur ein System der explosiven natioDie Geschichte der Kriege zeigt uns, nalen Bäuche rings um den Erdball. dass das Völkerrecht unangemessene Dies System der erklärten VerteidiVerteidigungsmittel dann mit abdeckt gungskriegsgestalten rund um den und toleriert, wenn es um die Vertei- Erdball ist so umfassend, dass jeder digung der letzten jeweiligen Staats- Krieg heute, der aus der Erdoberfläzwecke der Nationalstaaten geht. che heraus wird, aus einer VerteidiDamit bricht oder überfordert es das gungskriegsgestalt wird. Jedem Krieg Strafrecht permanent. Damit stellt es heute, der aus einer militärischen aber auch den Rechtsgrund der natio- Gewaltfertigkeit heraus zur Gewaltsamkeit eskaliert, ist sein entsprenalen Notwehr mit in Frage. chender Verteidigungs- krieg längst Der zuverlässigste Schutzschild der zuvor bereits erklärt worden. menschlichen Lebens- und Friedensvorgänge ist das Strafrecht. Das Völkerrecht indes privilegiert das Staatsrecht der Staatsmächtigkeit. Im Strafrecht aber liegt die größtmögliche 13 Text und Grafik: © 1985–2012, Robert Bichl http://www.robert-bichl.de Layout und Satz: Annette Scholz, München Auflage: 100 Stück
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