B R A N C HE – Unter gr u ppierung Core Banking Im seit vielen Jahren bestehenden Wettbewerb im deutschen Bankenmarkt haben Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch die Finanzmarktkrise einiges an Boden gut machen können. Sah man sie vorher wegen fehlender Skaleneffekte im Kostenwettbewerb im Nachteil gegenüber großen, teilweise auch internationalen Bankkonzernen, konnten sie bereits 2009 deutlich Marktanteile gewinnen. Auch 2010 erhöhten die Volks- und Raiffeisenbanken als einzige Bankengruppe in allen Geschäftsfeldern des Retail Bankings ihren Marktanteil. Dagegen waren Großbanken und Landesbanken auf allen Feldern die Verlierer. Auf die Suche nach Gründen für die ausgebliebene Renaissance der Großbanken stößt man unweigerlich auf das Problem der fehlenden Agilität der Großen und unüberseh- Standardisierung für mehr Effizienz Der Markt für Core-Banking-Systeme ist in den vergangenen Jahren in Bewegung geraten. Die besten Wettbewerbspositionen können Banken und Sparkassen dort erreichen, wo gute Standardsysteme als Ausgangsbasis um individualisierte Komponenten erweitert werden und dadurch eine Differenzierung möglich wird. Moderne IT-Architekturen unterstützen dies. Wer sich heute für ein neues Kernbankensystem entscheiden will, sollte dies mit berücksichtigen. Kriterien für die Einführung von Kernbanksystemen In einer Studie an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft wurden in den Jahren 2009/10 die wichtigsten deutschsprachigen Core-Banking Systeme untersucht. Dabei trat zu Tage, dass die funktionale Abdeckung durch die Systeme allgemein einen hohen Stand erreicht hat (Grafik 1) und daher in vielen Fällen nicht mehr das entscheidende Kriterium sein wird. Wichtiger erscheinen daher folgende Punkte: 1. Flexibilität der Architektur: Auch wenn ein Softwareprodukt heute alle funktionalen Anforderungen erfüllt, kann sich dies bei einem Wechsel in der Strategie ändern. Dann wird die Modernität der Architektur zum kritischen Erfolgsfaktor. (Grafik 2) 2. Einführungsaufwand: Je größer der Aufwand für die Einführung eines Core Banking Systems, desto langfristiger ist faktisch die Bindung an ein System. (Grafik 3) 3. Aufwand für Forschung und Entwicklung: Für die Zukunftsfähigkeit eines Core-Banking-Systems bildet der Status Quo nur die Ausgangsbasis. Höhe und Art der Investitionen entscheiden über die künftige Leistungsfähigkeit (Grafik 4). 1 1. Funktionaler Umfang Angaben in % CSC 43,2 Alldata 79,2 65,0 Bavaria Misys SAP B+S 66,3 46,5 82,3 75,8 82,4 68,6 85,4 78,3 66,5 PASS EFDIS Fiducia Kordoba 68,6 90,1 84,4 82,4 92,8 86,0 83,7 75,5 97,8 95,7 FI � Realisierung inklusive Anpassungsfähigkeit � Realisierung der Kundenanforderungen ohne Anpassungen Quelle: Hochschule Karlsruhe Banken+Partner 1 I 11 U n t e rg ru p p i e ru n g – B R A N C H E baren Schwächen beim so genannten Time to Market. In einer Welt, in der IT-Systeme gleichermaßen die Abwicklung von Bankgeschäften, die Unterstützung des Vertriebs und die Steuerung des Bankgeschäftes immer mehr prägen, stellt sich in diesem Zusammenhang automatisch die Frage nach den richtigen IT-Systemen und deren Flexibilität. Insbesondere geraten hier die zentralen Systeme (Core-Banking-Systeme) in den Fokus der Betrachtung. Die Thematik wird in dem Maße virulenter, in dem das traditionelle Bankgeschäft an Attraktivität gewinnt, weil die geplanten Veränderungen der regulatorischen Anforderungen das Retail Banking weniger stark belasten werden. Gleichzeitig werden dort auch Regeln im Verbraucherschutz verschärft, zusätzliche Dokumentationspflichten bringen steigende Kosten mit sich. Die Banken werden daher neben der Agilität weiter an ihrer Effizienz arbeiten müssen. Dabei gelten wiederum Core-Banking-Plattformen als nachhaltiges Mittel im Kostenwettbewerb. Sie sind ein wichtiges Element in der zunehmenden Industrialisierung der Finanzwirtschaft. Zukunftsweisende Core-Banking-Systeme zeichnen sich gleichermaßen durch niedrige Betriebskosten und hohe Flexibilität aus. Damit verbinden sich zwei Herausforderungen: u Einerseits gilt es die Kosten weiter nachhaltig zu senken. u Andererseits muss das Augenmerk darauf gelegt werden, die möglichen Wachstumspotenziale am Markt zu realisieren, um im Wettbewerb nicht zurückzufallen. Beides bringt besondere Anforderungen an die zentralen Banksysteme 2. Technische Bewertung 3. Aufwand der Systemeinführung Angaben in % CSC Alldata Bavaria 1,14 Misys Bavaria SAP 1,00 SAP B+S 1,00 B+S PASS EFDIS 1,70 Kordoba 2,14 FI 1,93 Quelle: Hochschule Karlsruhe Banken+Partner 1 I 11 Kordoba FI 2,25 nicht vergeben SAP nicht vergeben B+S 1,67 1,83 nicht vergeben 4,00 Quelle: Hochschule Karlsruhe 2,50 nicht vergeben PASS EFDIS Fiducia 2,50 Bavaria Misys 2,67 EFDIS 3,37 Fiducia 2,00 PASS 2,40 nicht vergeben Alldata 2,67 Misys 1,77 Angaben in % CSC nicht vergeben Alldata 1,65 4. Aufwand für Forschung & Entwicklung Angaben in % CSC 3,84 mit sich. Der Schlüssel für die Bewältigung dieser Herausforderungen sind also die Core-Banking-Systeme. Lange Zeit hat sich im deutschen Bankenmarkt hinsichtlich einer Erneuerung der Core-Banking-Plattformen wenig bewegt. Während die Großbanken mehrheitlich auf Eigenentwicklungen setzten, fand bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die traditionell schon aus Gründen der Unternehmensgröße auf standardisierte IT-Systeme setzten, ein Konsolidierungsprozess auf der Ebene der Softwarehäuser und Rechenzentralen statt, der jedoch auch Ressourcen für eine Weiterentwicklung der Systeme und die Erneuerung ihrer Architekturen blockierte. Lediglich für die mittleren und größeren Banken ergab sich bereits im abgelaufenen Jahrzehnt ein Trend zu mehr Standardsoftware. Aller- 2,25 nicht vergeben Fiducia Kordoba FI 2,25 nicht vergeben 1,75 Quelle: Hochschule Karlsruhe 2 B R A N C HE – Unter gr u ppierung dings ist der Markt für Core-BankingSysteme von unabhängigen Anbietern geprägt durch Softwareprodukte, deren konzeptionelle Entstehung schon länger zurückliegt. Sie sind zudem auf Systemplattformen entstanden, die teilweise schon vom Markt verschwunden sind. Hieraus erwächst ein latenter Druck auf Hersteller und Anwender, die Systeme zu modernisieren und auf zukunftssichere Hardware- und Betriebssystem-Plattformen umzustellen. Alter, Komplexität und mangelnde Integrationsfähigkeit der vorhandenen Systeme behindern heute viele Institute im Kampf um Marktpositionen. Vor allem die Run-the-BankKosten sind es, die gesenkt werden müssen. Eine Core-Banking-Plattform-Erneuerung ist prinzipiell der richtige Weg, um eine nachhaltige Kostenreduzierung und Ertragssteigerung zu realisieren. Allerdings stellt sich die Frage, welcher Weg dabei eingeschlagen werden soll. Der Markt für Core-Banking-Systeme ist fragil, heterogen und letztlich wenig transparent. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass etwa ein Drittel der Projektzeit bei einem Wechsel der Core-Banking-Plattform für die Softwareauswahl benötigt wird und nur zwei Drittel der Zeit für die Implementierung, Test und Training zur Verfügung stehen. Verbünde: Weitere Fortschritte bei der Architektur möglich Betrachtet man nun die gegenwärtige Lage im deutschen Bankenmarkt, dann hat sich die Situation in den Verbünden infolge der Konsolidierung bei ihren Softwareanbietern offenbar verbessert. Die Ergebnisse einer Studie an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft zeigten hohe funktionale Abdeckung bei 3 noch vorhandenen Schwächen in der Architektur. Dieses Thema kann jetzt mit gebündelten Ressourcen angegangen werden. Wenn dies gelingt, sind weitere Fortschritte möglich. Großbanken: Positive Effekte lassen noch auf sich warten In den vergangenen zwei Jahren hat sich zwar bei den Großbanken vieles im Hinblick auf eine Core-BankingTransformation getan. Allerdings wird es noch dauern, bis hier auch positive Effekte zu erwarten sind. Die Commerzbank ist mit der Integration der Dresdner Bank mindestens noch im laufenden Jahr beschäftigt. Sie setzt weiter stark auf Eigenentwicklung und bewegt sich nur in einigen Bereichen in Richtung Standardprodukte. Die HypoVereinsbank hat 2010 das proprietäre System ihrer italienischen Mutter Unicredit eingeführt. Wie schlagkräftig sie damit aufgestellt ist, wird sich nun zeigen. Die Deutsche Bank und SAP haben Anfang 2010 bekannt gegeben, dass die Bank eine mehrjährige Initiative starten wird, um selbst entwickelte Softwarelösungen durch ein neues transaktionales Kernbanksystem basierend auf der Standardsoftware SAP for Banking abzulösen. Hier ist mit mehrjähriger Laufzeit zu rechnen und nachhaltige Verbesserungen können für das laufende Jahr noch nicht erwartet werden. Auch im Sparkassenlager hat sich die HASPA im Herbst 2009 insbesondere in den Kernbankensystemen für SAP Bankenprodukte entschieden, so dass SAP Banking im Markt der größeren Banken ein gewisses Momentum bekommen hat. Ohne Zweifel aber eignet sich SAP wegen des Einführungsaufwandes und der laufenden Kosten eher für das obere Marktsegment. Im Wettbewerb unter den Großbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen sowie Direktbanken bleiben standardisierte Produkte ein Muss, um im Kampf um den Kunden bestehen zu können. Er wird entschieden im effizienten Multikanalvertrieb, sowie mit kostengünstigen Produktionsstraßen in der Geschäftsabwicklung und integrierten Steuerungsinstrumenten für die richtigen strategischen Entscheidungen. Mit einer Erneuerung der Core-BankingApplikationen können Banken einige Wertehebel zur Senkung der Kosten und Erhöhung des Umsatzes beeinflussen: u Umsatzsteigerung durch die Verbesserung von Time to Market, sowie höhere Cross-Selling- und Up-Selling-Potenziale, u höhere Agilität aufgrund neuer Technologie, u nachhaltige Reduzierung der ITKomplexität. Dadurch wird eine Verschiebung des IT-Budgets von Run the Bank zu Change the Bank initiiert, um beispielsweise die Standardisierung von Geschäftsprozessen oder M&A-Aktivitäten zu unterstützen. Die Autoren: Professor Franz Nees Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik Ralph Herrmann Head of Business Development EXXETA AG Karlsruhe Banken+Partner 1 I 11
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