Oekologie Landbau Heft 176

BODEN | KLIMAZERTIFIKATE
Boden gutmachen
Das Beratungsunternehmen Soil&More bietet eine spezielle Art von
Emissionshandel an. Biomessen-Veranstalter können ihre CO2-Emissionen ausgleichen,
indem sie in die bodenschonende Ökolandwirtschaft investieren.
B
VON INKA SACHSE UND ANDRE EITNER
befassten, integrieren inzwischen mehr und mehr Organisationen und Standards die Landwirtschaft als CO2-Senke.
Gemeinsam mit seinen lokalen Partnern generiert das Unternehmen Soil & More bereits seit 2007 Emissionszertifikate durch aerobe Kompostierung, verifiziert durch den TÜV.
Verifizierte Emissionsreduktionsprojekte sind aufgrund der
internationalen politischen Vereinbarungen quasi ausschließlich außerhalb Europas möglich. Unter Anwendung des gleichen wissenschaftlichen Ansatzes lässt sich die Emissionsreduktion aber auch lokal feststellen. Genau hier setzt ein
gemeinsames Projekt mit den Biomessen an.
öden sind nach den Meeren der größte terrestrische
Kohlenstoffspeicher. Etwa 14 Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen gehen auf die
Landwirtschaft zurück. Zusätzlich gehen uns durch nicht
nachhaltige Landwirtschaftspraktiken weltweit jährlich zehn
Milliarden Tonnen fruchtbaren Ackerbodens verloren. Nach
einer aktuellen Studie der Welternährungsorganisation
(FAO) verursacht dies einen wirtschaftlichen Schaden von
rund 250 Milliarden Euro.
Doch das muss nicht so sein – nachhaltige Landwirtschaft
bietet auch Lösungen zur Abschwächung des Klimawandels.
Durch Humus aufbauende landwirtschaftliche Praktiken,
wie schonendere Bodenbearbeitung, Gründüngung, dauerhafte Bodenbedeckung, eine diversifizierte Fruchtfolge,
Mischkulturen, den Anbau von Zwischenfrüchten und eine
verbesserte Kompostwirtschaft kann der Atmosphäre viel
Kohlenstoff entzogen und in den Boden eingelagert werden.
Damit findet nicht nur Emissionsreduktion statt. Es können
auch Bodengesundheit, Widerstandsfähigkeit, Erosionsschutz, Wasserhaltevermögen und Bodenfruchtbarkeit insgesamt verbessert werden.
Während sich die Klimakonferenzen und der Emissionshandel anfänglich hauptsächlich mit erneuerbaren Energien
Klimabewusstsein und
lokalen Klimaschutz fördern
Die Messeorganisation der BioNord, BioSüd, BioOst und
BioWest nutzt diese Faktoren, um seit 2014 eine CO2e1-Neutralität der Messen zu erreichen. Der benötigte Emissionsausgleich wird hierbei in Ökobetrieben in ganz Deutschland
durch Humusaufbau und Emissionsreduktion generiert. Die
Aussteller haben die Möglichkeit, sich freiwillig durch einen
kleinen Aufpreis pro Quadratmeter Ausstellungsfläche zu beteiligen, der vom Veranstalter um das Dreifache aufgestockt
wird. Dafür wird der Stand mit dem CO2e-Siegel der BioMessen ausgezeichnet.
„Üblicherweise wird Klimaneutralität zwar zuverlässig, aber
anonym durch Investitionen in Projekte zum Beispiel in Indien
oder China hergestellt“, erläutert der BioMessen-Veranstalter
Matthias Deppe. „Wir möchten die Emissionen jedoch dort
Spenden für einen besseren Bodenschutz
Die Soil & More-Stiftung ruft zusammen mit der Initiative „Rettet
unsere Böden“ zum Spenden auf. Mit dem Geld wollen die Organisationen bodenschonende Praktiken dokumentieren und an Landwirte
weltweit weitergeben, Forschung zum Bodenschutz betreiben sowie
weiter über die wichtige Ressource informieren und sich für einen
sorgsamen Umgang damit stark machen.
 Um die Wirkung sämtlicher Treibhausgase berücksichtigen zu können, wurde
eine einheitliche Bemessungsgrundlage (CO₂-Äquivalente, abgekürzt CO₂e)
festgelegt. Sie gibt an, wie viel eine festgelegte Masse eines Treibhausgases zur
globalen Erwärmung beiträgt. Als Vergleichswert dient Kohlenstoffdioxid (CO₂).
 ein von Wissenschaft und Industrie gemeinsam entwickelter CO₂e-Fußabdruckrechner für die Landwirtschaft, der auch CO₂-Bindung berücksichtigt
Z Mehr Informationen unter www.saveoursoilsfund.org
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www.soel.de
kompensieren, wo sie entstehen, und dabei direkt in die Basis
unserer Branche investieren: den ökologischen Landbau.“
Das Projekt kommt vielen zugute: Die Bodenpflege in den
Biobetrieben wird vergütet und gleichzeitig der Beitrag der
Ökolandwirte zum Klimaschutz sichtbar gemacht. Rund 4 100
Tonnen klimaschädliche CO2e-Emissionen konnten im zweiten Projektjahr 2014 auf heimischen Biohöfen gebunden und
damit der Fußabdruck der BioMessen komplett neutralisiert
werden. Durch die Menge an gebundenem CO2 erhielten die
betreffenden Ökohöfe im Jahr 2014 etwa 40 000 Euro für ihre
klimaschonenden Leistungen.
Zusammenarbeit mit Biohöfen
Die Zusammenarbeit geht nun bereits ins dritte Jahr. In Kooperation mit dem Beratungspartner Soil & More wurden
2014 sechs Biohöfe eingebunden und auf ihre Bodenmanagementpraktiken hin untersucht. Im nächsten Schritt wurden
Empfehlungen ausgesprochen, etwa für eine schonendere
Bodenbearbeitung (d. h. seltener und weniger tief pflügen in
Kombination mit Direktsaat), bessere Bodenbedeckung durch
Zwischenfrüchte oder verbesserte Kompost- beziehungsweise
Stallmistwirtschaft (d. h. Materialverlust- und Emissionsvermeidung durch bessere Lagerung und Prozesssteuerung).
In enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Höfen wurden
auf Basis individueller Analysen die passenden Maßnahmen
entwickelt und umgesetzt. Diese Zusammenarbeit erstreckt
sich sowohl auf Vor-Ort-Kooperationen, beispielsweise im
Rahmen der Bodenbeprobung, als auch auf eine regelmäßige
Kommunikation. In dem partnerschaftlichen Projekt können
beide Partner voneinander lernen und von den gemachten
Erfahrungen profitieren.
Als erster Schritt wurde eine detaillierte Befragung zur Wirtschaftsweise durchgeführt. Gemäß den Auflagen der genutzten Standards und Modelle wurden hierbei auch die Langzeitwirkungen von Landnutzungsänderungen berücksichtigt.
Vor Ort wurden Mischproben aus dem Oberboden genommen und im Labor auf Bodenfruchtbarkeitsparameter hin
untersucht. Zur Berechnung dieser Kohlenstoffbindung verwendet Soil & More Berechnungsmodelle, die wissenschaftlich geprüft sind und auch von anderen Organisationen verwendet werden. Damit ist eine Vergleichbarkeit sichergestellt.
Tobias Bandel von
Soil & More beprobt
einen Acker.
oder Ernterückstandseinarbeitung führen in Abhängigkeit
von Region und Bodenqualität zu einer CO2-Bindung von
durchschnittlich 2,4 Tonnen je Hektar und Jahr. Die CO2Bindungsleistung wird pro Tonne CO2 je Hektar entlohnt.
Einer der teilnehmenden Landwirte, Thomas Schubert von
der Gut Döllnitz KG, stellte dann auch zufrieden fest: „Jetzt
wissen wir, dass unsere bodenpflegenden Maßnahmen und
Kompostanwendungen gut sind – nicht nur für den Boden
und das Bodenleben, sondern auch noch fürs Klima und für
unser Einkommen!“ Das Prinzip, in der Region, gegebenenfalls sogar in der eigenen Wertschöpfungskette, die verursachten Emissionen auszugleichen, findet großen Anklang.
Einige Unternehmen wollen diese Idee übernehmen. Der
internationale Emissionshandel ist nicht allgemein schlecht
oder falsch, aber es gibt eben auch hier Hausaufgaben zu erledigen. Und wenn durch diesen Ansatz nicht nur CO2 eingespart, sondern auch die landwirtschaftlichen Praktiken
und damit Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit verbessert
werden, profitieren davon alle Seiten. Wenn Landwirte eine
gesellschaftliche Leistung, nämlich die Pflege des Bodens, erbringen, sollen sie dafür auch entlohnt werden. …
FOTO: Soil & More
Gut, nicht nur für den Boden
Durch die Auswertung der Labor- und Befragungsergebnisse
und der sich anschließenden Modellierung mit dem international renommierten „Cool Farm Tool2“ wurde der Humus- und damit Kohlenstoffaufbau im Boden der Betriebe
kalkuliert und dokumentiert. Maßnahmen wie eine schonendere Bodenbearbeitung, der Anbau von Zwischenfrüchten
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INKA SACHSE und ANDRE EITNER, Soil & More International,
[email protected], [email protected]
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