„Politische Kommunikation muss gelernt werden“

änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG
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Politikberater plaudert aus dem Nähkästchen
„Politische Kommunikation muss gelernt werden“
Er kennt das gesundheitspolitische Berlin wie seine Westentasche und weiß, wie die Abgeordneten
ticken: Diverse Verbände und Organisationen aus dem Gesundheitswesen lassen sich von
Politikberater Dr. Albrecht Kloepfer bei den ersten wackligen Schritten auf dem glatten Polit-Parkett in
der Hauptstadt helfen. Der änd sprach mit Kloepfer über effektive Interessensvertretung und den
richtigen Weg, Abgeordneten das eigene Anliegen zu vermitteln.
Herr Dr. Kloepfer, politische Kommunikation ist zwar Ihr
Spezialgebiet. Aber seien Sie doch einmal ehrlich: Der Lobbyismus in
Berlin ist doch manchmal nur schwer zu ertragen...
Kloepfer: Nicht immer die HaudraufMethode.
© privat
Das ist zunächst einmal Sache der Definition. Wir müssen uns fragen:
Warum braucht es Interessensvertretung gegenüber der Politik? Schauen
wir uns den Bundestag an. Er bildet im Prinzip nur zwei Dinge ab: die
Parteien und die Regionen beziehungsweise Wahlkreise. Ganz plakativ
gesprochen, könnte der Bundestag auch aus 631 Bäckern bestehen. Alles
was an Fachkompetenz in den Bundestag kommt, kommt nicht – oder nicht
notwendigerweise – von den Abgeordneten selbst. Das muss von den
Bürgern kommen. Interessenvertretung ist eine Bürgerpflicht und unser
demokratisches System ist darauf angewiesen, damit es funktioniert.
Sie sehen Interessensvertretung also als eine Bringschuld der Bürger?
So ist es. Es sollte auch eine Holschuld der Politik sein, wenn etwas schief läuft und eine wichtige Meinung zur
Entscheidungsfindung fehlt. Der normale Weg ist aber der andere: Die Interessensvertreter nehmen Kontakt mit
der Politik auf und müssen dabei natürlich Spielregeln beachten. Wer es zum Beispiel mit persönlichen
Vergünstigungen für Abgeordnete versucht, übertritt die rote Linie. Gute Interessenvertretung muss man lernen.
Wie informiere ich als Interessensvertreter einer Gruppierung objektiv und seriös über mein Anliegen? Die
Aufgabe der Politik ist es dann, aus der Vielzahl der Stimmen, die auf sie zukommen, ein Konsens zu filtern –
der mit der politischen Richtung ihrer Partei kompatibel ist. So läuft das Geschäft.
Was ist denn der erste Schritt, den Sie Ihren Kunden beibringen?
Es ist meist eine Herausforderung, den Leuten zu erklären, dass sie ihre Informationen so aufbereiten müssen,
dass sie politisch kompatibel sind. Es führt zu nichts, wenn man da herangeht – wie es einige Ärzteverbände
machen – und den Abgeordneten vor den Latz knallt: „Ihr müsst das jetzt so und so machen. Übermorgen lässt
sich das doch umsetzen.“ Dann fährt man zwar wieder Heim mit dem Gedanken „Denen habe ich’s aber
gegeben!“ – es darf sich aber keiner wundern, wenn nichts klappt.
Also eher leise Töne?
https://www.aend.de/articleprint/163777
17.12.2015
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Zunächst ist es wichtig, den Standpunkt der Politiker zu verstehen. 1. Die Politik muss nicht dies und jenes
machen – die Politik muss erst einmal gar nichts. 2. Was für einen Chirurgen vernünftig und logisch klingt, muss
ein Psychotherapeut nicht unbedingt als logisch und richtig empfinden. Schwarz-Weiß-Malerei nach dem Motto
„Ich habe Recht – aber der nicht“ kommt nicht gut an. Ich muss mein Anliegen objektiv vorbringen. 3. Ich muss
mir klarmachen, dass ich die Politik mit meinen Partikularinteressen entscheidungsfähig machen muss. Die
„Entscheidungstorte“ setzt sich aus ganz vielen Partikularinteressen zusammen. Es darf also nicht nur auf den
eigenen Bereich geschaut werden und Themen können auch so aufbereitet werden, dass die zum Beispiel ins
sozialdemokratische oder grüne Profil passen. Die Politiker müssen erkennen, wo Schnittmengen und Vorteile
für sie liegen.
Vermutlich können Interessengruppen mit viel Geld aber effektivere Lobbyarbeit machen und planen als
ärmere Ärzteverbände.
Natürlich kann die Industrie intensive Lobbyarbeit leisten. Extrem finanzstark und energisch geht da zum
Beispiel die Lebensmittel- oder Tabakindustrie vor. Übrigens ist es auch interessant, wie viele Kassenvertreter
auf der kürzlich veröffentlichten Liste der Personen mit einem Zugangsausweis zum Bundestag stehen. Aber es
können so auch Dysbalancen entstehen, wenn es zu viel wird. Wenn jeden Tag ein anderer Vertreter einer
Pharmafirma vor der Tür des Abgeordneten steht – und alle doch das Gleiche sagen – kann das Engagement
das Gegenteil vom Beabsichtigten erreichen. Eine gute Interessensvertretung sehe ich derzeit bei einigen
Organisationen, die sich um chronische Krankheiten kümmern. Nicht umsonst können wir heutzutage alle
unfallfrei das Wort Mukoviszidose aussprechen. Auch die Hebammen und die Apotheker sind gut unterwegs.
Ebenso wie einige Krankenkassen. Das AMNOG wäre beispielsweise ohne die gute Arbeit des AOK
Bundesverbandes in Berlin sicher nicht gekommen.
Dann schauen wir einmal auf die Ärzte. Sie sollten ihre Anliegen stets „politisch kompatibel
aufbereiten“, sagen Sie. Wie?
Es hat zum Beispiel keinen Sinn, auf ein 180 Seiten langes Fachgutachten zur Behandlung von chronischen
Wunden in der ambulanten Versorgung zu pochen. Denken Sie wieder an die „631 Bäcker“. Die Informationen
müssen so aufbereitet werden, dass auch eine völlig fachfremde Person das Anliegen versteht. Für meine
Klienten oft ein schmerzhafter Lernprozess. Wir machen es uns dann immer zur ersten gemeinsamen Aufgabe,
dass Anliegen auf einer DinA-4-Seite unterzubringen. Mein Argument in diesem Zusammenhang: „Ich als NichtMediziner muss das verstehen. Macht mich sprechfähig und sagt mir kurz und präzise, worum es geht.“ Dann
entwickeln wir zusammen ein Grundsatzpapier, mit dem auch nicht mit der Fachthematik vertraute Politiker
angesprochen werden können. Das ist der erste Schritt in die politische Kommunikation. Das muss gelernt
werden.
Welche Fehler kann man in der Kommunikation seines Anliegens machen?
Natürlich ist es völlig falsch, zu Lügen zu greifen. Das macht man dann nur einmal – und das fällt schnell auf
einen zurück. Ebenso falsch ist es, den Politiker unter Druck zu setzen. „Wenn Sie nicht dies oder jenes
machen, sterben in der nächsten Zeit 5.000 Patienten.“ Mit einer ähnlichen Aktion – dann auch noch
kommuniziert über die Presse – hat sich ein großer Ärzteverband einmal für längere Zeit politisch selbst ins
Abseits geschossen. Es ist immer gefährlich, die eigene subjektive Interpretation als Tatsache auszugeben.
Man muss das Gesetz X oder Y nicht mögen – aber sollte sachliche und seriöse Argumente bringen. Ansonsten
passiert das, was wir bei der KBV und Frau Michalk von der CDU gesehen haben: Der Gesprächsfaden reißt
ab. Aber für Vorstände und Verbandspräsidenten ist diese Gratwanderung nicht immer leicht.
Wieso ist das so?
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Das Problem ist oft, dass die Mitglieder an der Basis ihre Verbandsspitze dazu drängen, in Berlin den dicken
Mann zu markieren. Sie sollen da ordentlich auf die Pauke hauen. Dass er sich damit ins Aus schießt, muss ein
Vorstand seinen Verbandsmitgliedern unbedingt kommunizieren. Ein Verbandschef ist also in einer
Sandwichposition: Er muss die Spielregeln in Berlin beachten – aber auch der Basis zu verstehen geben, dass
er auch dann wirkungsvoll im Hintergrund arbeitet, wenn gerade nichts zu hören ist und in Berlin Rauch
aufsteigt. Wichtig ist dabei Transparenz: Nur wenn verständlich wird, warum die Verbandsspitze diesen oder
jenen Weg wählt, kann sie die Basis überzeugen und mitnehmen – sonst verliert die Spitze das Vertrauen der
Basis. Innenkommunikation ist also sehr wichtig.
Wie wichtig ist es, den Arbeitsrhythmus der Politiker in Berlin zu kennen?
Das ist außerordentlich hilfreich. Nicht umsonst landen Mitarbeiter von Abgeordnetenbüros später oft in der
Lobbyarbeit. Sie wissen, wie der Tages- und Wochenablauf der Politiker aussieht, wann sie wo gut zu erreichen
sind, wo in der Nähe des Rechtages gute Treffpunkte sind, damit der Abgeordnete bei namentlichen
Abstimmungen schnell wieder vor Ort sein kann.
Gehen ärztliche Interessensvertreter zu oft mit naiven Vorstellungen an die Sache?
Sagen wir einmal so: Es gibt leider noch immer einige, die nicht nachdenken oder üben wollen. Sie riskieren,
dass das Entscheidungsbild des Politikers in Schieflage gerät, weil die Interessen nicht wirkungsvoll
vorgetragen werden. Viele Ärztevertreter haben zu lange aus einer extrem selbstbezogenen Sichtweise
argumentiert. Da gab es zu viel Haudrauf. Das ging nur so lange gut, wie die Ärzte draußen in den Wahlkreisen
einen extrem hohen gesellschaftlichen Rückhalt hatten. Aber das ist nicht mehr überall so. Die Abgeordneten
sind nicht mehr darauf angewiesen, der Ärzteschaft in ihrem Heimatkreis etwas Gutes zu tun. Auch Apotheker
und andere Gesundheitsberufe habe es verstanden, die eigene Bedeutung zu betonen und sich in ein besseres
Licht zu rücken. Das sollte den Ärzten zu denken geben.
Termininfo: Der nächste Workshop zur gesundheitspolitischen Lobbyarbeit mit Dr. Albrecht Kloepfer findet am
1. März in Berlin statt. Weitere Informationen finden Sie auf dieser Seite.
17.12.2015 10:58:22, Autor: Interview: Jan Scholz, © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG
Quelle: https://www.aend.de/article/163777
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