Herz-Kreislauf Erkrankungen

Fachbeiträge zu Umwelt und Gesundheit NRW 2005
Herz-Keislauf Erkrankungen
Herz-Kreislauf Erkrankungen
In den Industrienationen ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein stetiger Anstieg der Verbreitung von Herz-Kreislauf Erkrankungen (HKE) zu verzeichnen.
Dieser Anstieg ist teilweise auf die wachsende Lebenserwartung der Bevölkerungen, teilweise aber auch auf eine hiervon unabhängige Zunahme zurückzuführen. Der Schwerpunkt der Bekämpfung von HKE liegt seitdem in der Prävention und Behandlung klassischer Risikofaktoren wie Bluthochdruck (Hypertonus), erhöhtem Cholesterinwert, Tabakrauchen und Diabetes mellitus. Durch die
Behandlung des hohen Blutdrucks sowie durch cholesterin- bzw. blutzuckersenkende Medikamente gelang es, die langfristige Prognose von Patientinnen und
Patienten
mit
auf
Gefäßverengungen
beruhenden
(ischämischen)
Herzerkrankungen, d.h. koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt, zu verbessern.
Insgesamt blieben die Erfolge der Primärprävention (Ausschaltung von
Risikofaktoren) und Sekundärprävention (frühzeitige Diagnose nach Auftreten
einer Erkrankung) hinter denen der Akuttherapie deutlich zurück, zumal der
Tabakkonsum als einer der wichtigsten Risikofaktoren in Deutschland nicht
wesentlich eingeschränkt werden konnte.
Früh ergaben sich Hinweise, dass die genannten Risikofaktoren eher Ausdruck
und Symptom tiefgreifenderer Faktoren sind, die sich aus der veränderten Umwelt, der heutigen Lebensweise und der individuellen erblichen Veranlagung ergeben.
Die Reduktion von Herz-Kreislauf Erkrankungen gehört zu den Gesundheitszielen in NRW (MFJFG, 2001 und MGSFF, 2005). Als Maßnahmen auf dem Gebiet
der Verhaltensänderungen werden die Reduzierung von Rauchen, sitzender
Lebensweise und Übergewicht genannt.
Herz-Kreislauf Erkrankungen in Nordrhein-Westfalen
Als Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems werden in der Regel ischämische
Herzerkrankungen, periphere Verschlusskrankheiten (atherosklerotische Verengung der Arm- oder Beinarterien) und zerebrovaskuläre (die hirnversorgenden
Arterien betreffende) Erkrankungen bezeichnet. Aufgrund ihrer sozioökonomischen Bedeutung wird im Folgenden der Schwerpunkt auf ischämische Herzerkrankungen, also die koronare Herzkrankheit (KHK) und den Herzinfarkt, gelegt.
Zusammenfassend wird die Datensituation zum Schlaganfall in NRW beschrieben.
Wie aus den Ausführungen im Fachbeitrag Gesundheitliche Lage der
Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen hervorgeht, stellen Herz-Kreislauf
Erkrankungen in NRW die häufigste Todesursache sowie die für die meisten
Krankenhausaufenthalte verantwortliche Hauptdiagnosegruppe dar.
Laut Gesundheitssurvey NRW (MFJFG, 2002a) beträgt in NRW die Lebenszeitprävalenz für koronare Herzkrankheit (KHK) 6,5 %. Die Lebenszeitprävalenz des
überlebten Herzinfarktes – also der Anteil der Personen, die in ihrem Leben
bereits einen Herzinfarkt erlitten haben – liegt bei 2,5 %. Personen, die akut an
einem Herzinfarkt verstarben, sind hierbei nicht berücksichtigt. Die Zahl der
Patientinnen und Patienten, die vor Erreichen des Krankenhauses oder im
Verlauf der Behandlung akut am Herzinfarkt versterben, dürfte bei über 30 %
liegen, so dass die Befragungen nur etwa 70 % der Herzinfarkte erfassen
konnten.
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Herz-Keislauf Erkrankungen
Erwartungsgemäß zeigt sich eine starke Zunahme der Prävalenz beider Erkrankungsformen mit dem Alter sowie eine höhere Prävalenz bei Männern. Männer
weisen eine Lebenszeitprävalenz der KHK von 6,8 % gegenüber 6,2 % bei
Frauen auf. Deutlicher ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern beim
Herzinfarkt, von dem 3,3 % der Männer und 1,7 % der Frauen betroffen sind.
Die Zahlen für NRW entsprechen weitgehend denjenigen auf Bundesebene
(MFJFG 2002a).
Folgende Ursachen für Herz-Kreislauf Erkrankungen (HKE) sind bekannt:
•
Bluthochdruck (Hypertonus). Der Hypertonus ist in den Industrieländern sehr häufig. Laut Gesundheitssurvey NRW beträgt die Lebenszeitprävalenz – weitgehend geschlechtsunabhängig – etwa 23 %. Die Ergebnisse beruhen auf Selbstangaben und dürften in Wirklichkeit höher
liegen. Wie bei den meisten kardiovaskulären Risikofaktoren zeigt sich
ein deutlicher Anstieg mit dem Alter. Nach heutiger Erkenntnis wird hoher Blutdruck auch durch Umwelteinflüsse, insbesondere Lärm, begünstigt.
•
Erhöhter Cholesterinwert. Dieser Risikofaktor liegt laut Gesundheitssurvey NRW bei 23,7 % der Bevölkerung vor. Im Vergleich der Geschlechter fällt auf, dass in den Altersgruppen von 30 bis 50 Jahren
Männer eine fast doppelt so hohe Prävalenz an erhöhten Cholesterinwerten aufweisen wie Frauen, während sich mit zunehmendem Alter
dieser Effekt aufhebt bzw. sogar leicht umkehrt. Ein erhöhter Cholesterinwert stellt einen Risikofaktor besonders für ischämische Herzerkrankungen dar. Zumindest ein Teil der weiten Verbreitung hoher Cholesterinwerte in der Bevölkerung ist auf die Intensivierung der Landwirtschaft
zurückzuführen, da beispielsweise Fleisch von Tieren aus Mastbetrieben (vorwiegend Getreidefütterung) im Gegensatz zu Fleisch von Tieren aus Weidehaltung (Grasfütterung) eine ungünstige, cholesterinsteigernde Fettsäurenzusammensetzung aufweist (Simopoulos, 2001).
•
Diabetes mellitus. Ein ähnlicher altersabhängiger Verlauf wie bei erhöhten Cholesterinwerten zeigt sich für das Vorkommen des Diabetes
mellitus, von dem insgesamt etwa 5,6 % der Bevölkerung betroffen
sind. In den Jahrgängen der 40 bis 70jährigen überwiegt der Anteil der
Männer bei weitem, während in den Altersstufen darüber sowie unter
40 Jahren Frauen einen deutlich höheren Anteil haben. Bei den unter
30jährigen liegt ein Diabetes mellitus seltener vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei einem Großteil der unter 30jährigen der jugendliche Diabetes mellitus (Typ 1) vorliegt. In vielen urbanen Zentren
der Welt wird zurzeit jedoch bei Kindern und Jugendlichen parallel zum
Anstieg der Fettleibigkeit auch eine als sehr ungewöhnlich aufgefasste
Zunahme des Altersdiabetes (Typ 2) beobachtet, die möglicherweise
auf einer Ernährung mit einem besonders hohen Anteil an raffiniertem
Zucker und Fast Food, verbunden mit geringer körperlicher Aktivität,
beruht (Ebbeling et al., 2002). Entsprechende Daten aus Deutschland
liegen noch nicht vor. Damit erscheint in Zukunft eine Unterscheidung
der beiden Formen auch im Jugendalter dringend geboten.
•
Tabakkonsum. Rauchen ist der bedeutendste einzelne Risikofaktor für
eine Reihe weiterer chronischer Erkrankungen. Er wird derzeit mit über
40 verschiedenen, vorwiegend vaskulären und malignen Erkrankungen
in Verbindung gebracht. Tabakrauch ist zudem nicht nur als individueller Risikofaktor, sondern auch als Umweltfaktor von Bedeutung, da
auch passives Rauchen z. B. in der Familie und im öffentlichen Raum
nachweislich mit einer erhöhten Erkrankungsrate bezüglich HKE und
Lungenkrebs einhergeht.
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•
Herz-Keislauf Erkrankungen
Alkohol. Während geringen Alkoholmengen ein positiver Effekt auf das
Gefäßsystem zugeschrieben wird, zeigt sich bei größeren Mengen ein
schädlicher Effekt.
Die Ausprägung der dargestellten "klassischen" individuellen Risikofaktoren ist
häufig von übergeordneten gesundheitlichen Determinanten beeinflusst, die sich
aus der Umwelt, dem Lebensstil und der Ernährung auf Bevölkerungsebene
ergeben (McMichael, 1999), für die allerdings für NRW kaum Daten vorliegen.
Auch wenn der Vergleich mit dem Bundes-Gesundheitssurvey keine überdurchschnittlichen Raten an HKE ergab, liegt in NRW als einem Bundesland mit hoher
Industrialisierung, Bevölkerungsdichte und ausgeprägten urbanen Sozialstrukturen ein typisches Umfeld für das Auftreten von HKE vor. Nicht zuletzt aufgrund
der genannten Schwierigkeiten in der Definition gibt es jedoch kaum Studien, die
sich mit den psychosozialen und Ernährungsaspekten von HKE in NRW oder
mit den Auswirkungen der hiesigen Umweltbedingungen beschäftigen. Im Folgenden soll anhand nationaler und internationaler Studien dennoch ein Versuch
unternommen werden, für NRW möglicherweise zutreffende Zusammenhänge
aufzuzeigen.
Übergewicht:
Erkrankungen
Ursachen
und
Zusammenhang
mit
Herz-Kreislauf
Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes mellitus vom Typ 2 ("Altersdiabetes")
haben gemeinsame Ursachen und verstärken sich gegenseitig ("metabolisches
Syndrom"). Allein dadurch erklärt sich ein großer Teil der bei Übergewichtigen
gegenüber Normgewichtigen häufiger auftretenden HKE. Jedoch haben Übergewichtige auch bei fehlenden weiteren Risikofaktoren ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
Übergewicht wird in der Regel definiert als ein Body-Mass-Index (BMI) von 25
kg/m² und mehr. Ab einem BMI von 30 kg/m² Körperoberfläche wird von Fettleibigkeit (Adipositas) gesprochen. Der Gesundheitsbericht NRW (MFJFG, 2002a)
zeigt für das Jahr 2000 eine Prävalenz an Übergewichtigkeit der erwachsenen
Wohnbevölkerung (18-79 Jahre) von 40,5 % und an Adipositas von weiteren
17,1 %. Das Vorkommen beider Formen nimmt mit dem Alter deutlich zu. Der
weltweit in den Industrienationen zu beobachtende Trend eines starken Anstiegs
der Adipositas im Kindesalter gibt jedoch besonders Anlass zur Besorgnis
(Ebbeling et al., 2002). In den Schulärztlichen Untersuchungen hat sich in NRW
der Anteil adipöser Schulanfänger von 3,9 % im Jahr 1996 auf 4,7 % im Jahr
2003 erhöht. Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung in Bezug auf HKE sind
derzeit noch nicht absehbar.
Zahlreiche z. T. widersprüchliche Untersuchungen zur Ursache von Übergewicht
und Adipositas liegen in der internationalen Literatur vor. Erwiesen ist ein Zusammenhang mit Bewegungsarmut, der sich in vielen Bevölkerungsgruppen in
Folge der Industrialisierung ergab. Nach einem ökologischen Ansatz kann Fettleibigkeit als normale Antwort des Körpers auf eine anormale Umwelt (und nicht
umgekehrt) aufgefasst werden (WHO-EURO, 2004a).
Insgesamt ist bei der Entstehung des metabolischen Syndroms von zahlreichen
gesellschaftlichen Einflussfaktoren auszugehen. Aspekten der soziokulturellen
Umwelt wie etwa Freizeitangebot und Förderung seiner Nutzung, Mobilitätsgewohnheiten oder der Erziehung von Kindern zu einem körperlich aktiven Leben
kommt somit besondere Bedeutung zu. Für ein Land wie NRW mit vorwiegend
urbanen Sozialstrukturen, die üblicherweise im Gegensatz zu ländlichen Gebieten häufig auch die Gefahr mangelnder Bewegung beinhalten (kurze Wege,
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"technisierte" Umwelt, wenig Naherholungsgebiete), stellt dies eine besondere
Herausforderung dar.
Der Einfluss der Ernährung betrifft – entgegen weit verbreiteter Annahmen –
eher die Art als die Menge eingenommener Fette (Ebbeling et al., 2002). Weiterhin stellt auch eine zu hohe Aufnahme einfacher Kohlenhydrate (Weißmehlprodukte, Zucker, zuckerhaltige Getränke) eine wichtige mögliche Ursache für
Übergewicht und Adipositas dar (Ebbeling et al., 2002). Grundlage einer gesunden Ernährung ist somit auch in diesem Zusammenhang eine nachhaltige, auf
vorwiegend extensiven Methoden beruhende Landwirtschaft, da Fleisch aus
Mastbetrieben (Getreidefütterung) eine qualitativ und quantitativ ungünstigere
Fettzusammensetzung besitzt.
Schlaganfall
Beim Schlaganfall handelt es sich in der Regel um einen akuten Verschluss
einer hirnversorgenden Arterie ("unblutiger Schlaganfall") oder um eine spontane Blutung aus einem meist atherosklerotisch veränderten Hirngefäß ("blutiger
Schlaganfall"). In der Bundesrepublik Deutschland ist der Schlaganfall zurzeit
mit 11,4 % die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund einer
erworbenen bleibenden Invalidität (Berger et al., 2000). Ein Drittel der Patientinnen und Patienten bleibt dauerhaft pflegebedürftig. Die Risikofaktoren für den
Schlaganfall überschneiden sich mit denen der ischämischen Herzerkrankungen, sind jedoch zum Teil anders gewichtet. Die entscheidende Rolle bei der
Pathogenese sowohl des blutigen als auch des unblutigen Schlaganfalls spielt –
stärker noch als bei der koronaren Herzkrankheit – der hohe Blutdruck.
Untersuchungsergebnisse zu Zusammenhängen zwischen Umweltfaktoren
und Herz-Kreislauf Erkrankungen
Obwohl verschiedenen messbaren Umwelteinflüssen im Zusammenhang mit
HKE eine im Vergleich zu Ernährung und Lebensstil eher geringe Bedeutung
zukommen dürfte, sind angesichts der weiten Verbreitung von HKE auch geringe Einflüsse von Interesse. Untersucht wurden bislang vor allem die diesbezüglichen Auswirkungen von Lärm und Luftverunreinigungen.
Die Datenlage für NRW ist allerdings als unzureichend anzusehen. Für andere
Regionen Deutschlands und aus dem Ausland liegt jedoch eine Reihe von Untersuchungen vor, deren Ergebnisse für die Situation in NRW von Interesse sein
dürften. In der Augsburger MONICA-Studie konnte ein Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Blutplasmaviskosität nachgewiesen werden, der
auf ein erhöhtes Risiko für kardiale Ereignisse hindeutet und die in Phasen starker Luftverschmutzung gesteigerte kardiovaskuläre Mortalität erklären könnte
(Peters et al., 1997; Wedlich, 2001). In weiteren Studien (Peters et al., 2000;
Koller, 2003) zeigte sich ein Anstieg der Rate lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen mit zunehmender Feinpartikelkonzentration in der Luft (vgl. Abbildung
1).
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Herz-Keislauf Erkrankungen
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Luftverunreinigungen und Herzrhythmusstörungen
Risiko für kardiale Arrhythmia
1,8
1,6
1,4
1,2
1,0
0,8
0
10
20
30
Gehalt an Feinpartikeln < 2,5 µm (µg/m³ Luft)
Quelle: modifiziert nach Peters et al., 2000
Schätzungen gehen für Deutschland von 8.000 bis 17.000 Todesfällen pro Jahr
durch Atemwegs- und Herz-Kreislauf Erkrankungen aus, die durch Dieselrußpartikel verursacht werden. Dies entspricht einem Anteil von etwa 1-2 % an allen
Todesfällen (Wichmann, 2003). Untersuchungen in Frankreich, Österreich und
der Schweiz ergaben, dass 6 % aller Todesfälle auf Herz-Kreislauf Erkrankungen zurückgehen, die durch Luftverunreinigungen verursacht werden. Etwa zur
Hälfte sind hierbei Feinstäube aus dem Straßenverkehr beteiligt (WHO-EURO,
2004b).
Es ist anzunehmen, dass einige Umweltfaktoren auch mittelbar über eine Steigerung des psychischen Stresses zu der Entwicklung von HKE beitragen können. Untersucht wurde in diesem Kontext beispielsweise der Einfluss von Lärm
auf kardiovaskuläre Risikofaktoren und HKE. Nachgewiesen wurde ein positiver
Zusammenhang zwischen Flugzeuglärm und hohem Blutdruck, Angina Pectoris
sowie der Häufigkeit von Arztbesuchen (van Kempen et al., 2002).
Zur Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen straßenverkehrsbedingter Lärmbelastungen ist eine Vielzahl von Studien durchgeführt worden. Trotz
teilweise fehlender Signifikanz der Befunde wird aus den Ergebnissen ein einheitlicher Trend dahingehend ersichtlich, dass ein Zusammenhang zwischen
Lärmbelastung und dem vermehrten Auftreten ischämischer Herzkrankheiten
nicht auszuschließen bzw. eine (wenn auch schwache) epidemiologische Evidenz gegeben ist, für die die biologische Plausibilität, die weitgehende Konsistenz der Daten und das Vorliegen von Dosis-Wirkungsbeziehungen spricht
(MUNLV, 2004).
Befunde mehrerer Studien zu gesundheitlichen Effekten der Belastung durch
Straßenverkehrslärm geben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für ischämische
Herzkrankheiten insbesondere bei Tages-Belastungen über 65 dB(A) und nächtlichen Geräuschpegeln über 55 dB(A). Von 1.000 Personen, die lebenslang
tagsüber einer Lärmbelastung über 65 dB(A) ausgesetzt sind, erleiden 20 einen
dadurch verursachten Herzinfarkt mit Todesfolge (Boikat et al., 1998). Dies
entspricht jährlich etwa 2,9 Todesfällen pro 10.000 Exponierte (MUNLV, 2004).
Zahlreiche große Studien zeigen, dass auch ein niedriger Sozialstatus mit einem
relativ hohen Risiko für HKE einhergeht. Dies ist nicht allein auf Unterschiede in
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der Ernährung, im Rauchverhalten und in der körperlichen Aktivität zurückzuführen. Auch psychosoziale Faktoren wie schwache soziale Einbindung, Arbeitslosigkeit und hohe körperliche und seelische Arbeitsbelastung sind mit
einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert (Brenner, 1997).
Fazit
Herz-Kreislauf Erkrankungen werden neben einer Reihe "klassischer" individueller Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterinwert, Diabetes mellitus sowie Tabak- und Alkoholkonsum auch durch Umwelteinwirkungen verursacht. Dazu zählen dem derzeitigen Kenntnisstand zufolge zum einen Luftschadstoffe und Lärmbelastungen, für die der Straßenverkehr als Hauptverursacher zu benennen ist, zum anderen Einflüsse der soziokulturellen Umwelt. Eine
effektive, auf die Eingrenzung von HKE abzielende Gesundheitspolitik in NRW
sollte deshalb auch auf die umweltbedingten Risikofaktoren abzielen.
Aus diesen Erkenntnissen werden folgende Schlussfolgerungen und Maßnahmenempfehlungen abgeleitet:
•
Mit Hilfe verkehrspolitischer Maßnahmen sollte eine Verminderung der
Immissionsbelastung durch Luftschadstoffe erreicht werden.
•
Durch Ausweitung von Rauchverboten im öffentlichen Raum sollte auf
eine Eindämmung des Passivrauchens hingewirkt werden.
•
Bewegung und körperliche Aktivität in der Freizeit sollte beispielsweise
durch eine Wohnumfeldgestaltung mit entsprechenden Betätigungsmöglichkeiten sowie durch schulische Erziehung gefördert werden.
•
Stadtplanung sollte insgesamt nachhaltige und mit körperlicher Aktivität
verbundene Mobilitätsformen wie Gehen und Radfahren durch sichere
und attraktive Fuß- und Radwege fördern.
•
Da sich Fettleibigkeit derzeit besonders unter Kindern und Jugendlichen ausbreitet und für die Betroffenen langfristige Folgen haben kann,
sollten die genannten Maßnahmen zunächst vor allem auch auf eine
bewegungsfördernde Gestaltung der Kinderumwelt abzielen (z. B.
wohnungsnahe Spiel-, Bolz- und Sportplätze, sichere Schulwege). Eine
aktive Lebensweise sollte ferner auch Bestandteil des Schulunterrichts
sein.
•
Auch das Thema "gesunde Ernährung" sollte verstärkt im Schulunterricht berücksichtigt werden. Darüber hinaus erscheinen Ernährungsempfehlungen an die Bevölkerung sinnvoll. Auch der weitere Ausbau
einer nachhaltigen Landwirtschaft mit lokalen Versorgungsmustern fördert eine gesunde Ernährung und senkt zudem die Umweltbelastung.
•
Die Datenlage im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen – physischer
wie soziokultureller – Umwelt und HKE in NRW ist noch unzureichend.
Durch gezielte Förderung von Forschungsvorhaben ließe sich die wissenschaftliche Grundlage notwendiger Maßnahmen untermauern.
Vertiefende Literatur
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (2002): Statistisches Jahrbuch NRW 2002. Düsseldorf.
Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen
(Hrsg.) (2002): Gesundheit und Krankheit in Nordrhein-Westfalen: Gesundheitssurvey Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.
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Herz-Keislauf Erkrankungen
Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2004): Vorbeugender Gesundheitsschutz durch Mobilisierung der
Minderungspotentiale bei Straßenverkehrslärm und Luftschadstoffen – Teilprojekt Risikoberechnung zum Einfluss verkehrsbedingter Luftschadstoffe und Straßenverkehrslärm auf die Gesundheit exponierter Personen. Düsseldorf.
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