Apotheker bitten zum Stuhltest

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28. Februar 2016
SCHWEIZ SEITE 10
Apotheker bitten zum Stuhltest
Urner und Berner über 50 Jahre erhalten vom Kanton einen Stuhltest
offeriert. Die Aktion ist Teil einer nationalen Kampagne gegen Darmkrebs.
Katharina Bracher
Wer sich ab 50 Jahren regelmässig einer Darmspiegelung unterzieht, senkt sein
Risiko, dereinst an Darmkrebs zu sterben, um bis zu 85 Prozent. Dies zeigte vor ein
paar Jahren der Urner Arzt Urs Marbet in einer Studie. Doch nur wenig Leute sind
bereit, sich präventiv den Darm spiegeln zu lassen. Sei es wegen des Aufwands, sei es
aus Scham oder Angst vor Schmerzen.
Ein neuer Stuhltest für den Hausgebrauch soll die Prävention von Darmkrebs, an dem
jährlich mindestens 4000 Personen in der Schweiz erkranken, verbessern. Der
Apothekerverband Pharmasuisse und Hausärzte Schweiz lancieren morgen eine
Kampagne, an der 770 Apotheken beteiligt sind. «Ziel ist, möglichst viele Menschen
zwischen 50 und 75 Jahren für die Darmkrebsvorsorge zu erreichen», sagt Stephanie
Balliana von Pharmasuisse. Angestrebt werden 25 000 Abklärungen in sechs Wochen.
Wer nicht in eine spezielle Risikogruppe gehört, etwa weil in seiner Familie gehäuft
Krebs auftritt, erhält einen Stuhltest, den er zu Hause anwenden und einschicken
kann. Die Resultate erhält er dann in seiner Apotheke. Das Ganze kostet den Kunden
18 bis 28 Franken, die er selbst bezahlt.
Für über 50-jährige Einwohner des Kantons Bern ist der Test während dieser sechs
Wochen gratis. «Wir haben 40 000 Franken dafür reserviert», sagt Kantonsarzt Jan
von Overbeck. Die Idee sei, die Berner Bevölkerung einem Screening zu unterziehen
und so eine Grundlage zu haben, um über weitere Massnahmen zu entscheiden. Die
Idee des Berner Kantonsarztes wurde auch im Kanton Uri aufgenommen, wo die
Bevölkerung ebenfalls einen Stuhltest offeriert erhält.
Die Kampagne wird anschliessend anonymisiert ausgewertet. «Wir hoffen
herauszufinden, wie empfindlich der Test eingestellt werden muss, um möglichst viele
Fälle von Darmkrebs zu entdecken», sagt Urs Marbet, der die Kampagne
wissenschaftlich begleitet. Erhalte der Kunde in der Apotheke ein positives Resultat,
müsse dieses von einem Spezialisten abgeklärt werden. Ein positives Ergebnis
bedeutet aber nicht zwangsläufig auch Krebs. Mehrheitlich sind es gutartige
Krebsvorstufen, die geblutet haben und die bei der Spiegelung durch einen
Magen-Darm-Spezialisten gleich entfernt werden können. Auf der anderen Seite gibt
es auch die geringe Möglichkeit, dass der Stuhltest versagt. «Der Test verpasst 20
Prozent der endoskopisch gefundenen Krebse», räumt Marbet ein. Doch werde der
Test regelmässig wiederholt, minimiere sich auch dieses Risiko.
Präventionsmediziner Felix Gutzwiller findet die Kampagne grundsätzlich sinnvoll. «Ab
50 alle zwei Jahre einen Stuhltest zu machen, ist empfehlenswert», sagt er. Die
Besprechung eines positiven Resultats gehöre aber unbedingt in ärztliche Hände.
Die Grundversicherung übernimmt die Darmkrebsvorsorge neuerdings auch dann,
wenn jemand nicht in eine Risikogruppe gehört. Jedoch nur, wenn sie ärztlich
verordnet wurde.
© NZZ am Sonntag