Auswahl des BSV – Nr. 52 - Bundesamt für Sozialversicherungen

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Sozialversicherungen BSV
Geschäftsfeld AHV, Berufliche Vorsorge und EL
Bereich Beiträge AHV/IV/EO
9. September 2015
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AHVBeitragsrecht
Auswahl des BSV - Nr. 52
Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 lit. f und Abs. 4 AHVG; Art. 3 Abs. 1 IVG; Art. 27 Abs. 2 EOG; Zinsabzug auf dem im Betrieb eingesetzten eigenen Kapital und Beitragsaufrechnung.
Die Zinsen von dem im Betrieb investierten Eigenkapital sind bei der Ermittlung des beitragspflichtigen Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit abzuziehen, bevor die steuerlich
abzugsberechtigten AHV/IV/EO-Beiträge von der Ausgleichskasse aufgerechnet werden. Rz.
1172 der Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen
(WSN) in der AHV, IV und EO, in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung, ist gesetzwidrig (E.
3-5).
Urteil vom 11. August 2015 (9C_13/2015)
BGE 141 V 433
Im Rahmen der Festlegung des massgebenden Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit von
A. stützte sich die Ausgleichkasse bei ihren Berechnungen des Zinsabzuges des im Betrieb eingesetzten eigenen Kapitals auf die Vorgehensweise, wie sie in der Wegleitung über die Beiträge der
Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO (WSN) des BSV festgelegt
ist. Gemäss Rz 1172 WSN (in Kraft seit 2012) wird vom Einkommen und nach Aufrechnung der
AHV/IV/EO-Beiträge der Zins von dem im Betrieb investierten Eigenkapital abgezogen. Das Kantonale
Verwaltungsgericht hiess die dagegen erhobene Beschwerde von A. gut, da sich die Anwendung der
Weisung des BSV (Rz 1172 WSN) als nicht gesetzeskonform erweise. Das BSV führte dagegen Beschwerde und beantragte die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
Zentraler Streitpunkt im vorliegenden Fall ist die Frage, auf welche Art und Weise der Zins des im
Betrieb investierten Eigenkapitals gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. f AHVG rechnerisch vom Roheinkommen in
Abzug zu bringen ist (E. 3).
Das Bundesgericht hält zuerst fest, dass der Wortlaut der Bestimmung von Art. 9 Abs. 2 Bst. f AHVG
betreffend den Abzug des Zinses des im Betrieb eingesetzten Eigenkapitals ebenso wie von Art. 9
Abs. 4 AHVG betreffend die Beitragsaufrechnung auf dem den Ausgleichskassen gemeldeten Einkommen nichts über die zeitliche Abfolge dieser beiden Rechenoperationen aussage. Wird der Zins
auf dem investierten Eigenkapital erst abgezogen, nachdem die Umrechnung des Nettoeinkommens
ins Bruttoeinkommen mit der Beitragsaufrechnung erfolgt ist (so die Regelung von Rz 1172 WSN),
wird der Zinsabzug zu einem Teil des beitragspflichtigen Einkommens. Da jedoch feststeht, dass von
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Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AHV-Beitragsrecht – Auswahl des BSV
Gesetzes wegen auf den Zinsen für das investierte Eigenkapital keine AHV-Beiträge erhoben werden
(Art. 9 Abs. 2 Bst. f AHVG; vgl. BGE 139 V 537), trifft die von der Vorinstanz vertretene Auffassung zu,
wonach die erwähnte Verwaltungspraxis (Rz 1172 WSN) bundesrechtswidrig ist (E. 4).
Da sich die vom BSV vorgebrachten Argumente zum Unterschied zwischen der früheren und der (seit
1.1.2012) geltenden Fassung von Art. 9 Abs. 4 AHVG v.a. auf die Zuständigkeit für die Beitragsaufrechnung beschränken, werden sie nicht gehört (E.5).
Schliesslich hält das Bundesgericht noch fest, dass mit der festgestellten Gesetzwidrigkeit von Rz
1172 WSN keine Änderung der Rechtsprechung verbunden sei, da sich das Bundesgericht bis anhin
im Rahmen des aktuell geltenden Rechts noch nie vertieft mit der Frage nach der Reihenfolge der
Beitragsaufrechnung auf dem Roheinkommen und dem Zinsabzug vom investierten Eigenkapital befasst hat (E. 5).
Die Beschwerde wird mit entsprechender Kostenfolge abgewiesen.
Anmerkung des BSV zum künftigen Vorgehen:
Die mit diesem Urteil festgelegte neue Rechtslage findet in der Praxis ab sofort Anwendung auf alle noch nicht rechtskräftig
entschiedenen Fälle. Die aktuelle Fassung Rz 1172 WSN kann somit nicht mehr angewendet werden. Die Ermittlung des
Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit hat künftig in der vom Bundesgericht bestätigten Reihenfolge (zuerst
Abzug des Eigenkapitalzinses [Art. 9 Abs. 2 lit. f AHVG], dann Aufrechnung der Beiträge [Art. 9 Abs. 4 AHVG]) zu
erfolgen. Bereits rechtskräftige Verfügungen können nicht in Wiedererwägung gezogen werden.
Die betroffene Weisung wird mit dem nächsten Nachtrag angepasst.
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