schicken sie ihre kinder doch mal auf weltreise.

Donnerstag, 15. Oktober 2015
Hannover
Nr. 240
Neue Presse
15
Ein Sommer fast wie in Andalusien
spannendes deutsch„Auf gehts“ – Adelante heißt ein
Region. Junge Spanier
spanisches Arbeitsprojekt in der
t. Die NP begleitet
werden hier drei Jahre ausgebilde
regelmäßigen
zwei von ihnen und berichtet in un
neuen Heimat.
Abständen über ihren Weg in der
VoN PETRA RüCKERL
hannover. Dass Pedro Pancarbo
Parras angekommen ist, kann man an
seinem Schreibtisch beim Versicherer Talanx sehen. Smiley- und Herzchenluftballons, süße Bagel, ein Käsekuchen und Happy-Birthday-Kerzen stehen auf dem Arbeitsplatz des
Auszubildenden – seine Azubi-Kollegen haben für ihn gesammelt und
ihm einen bunten Geburtstagstisch
zusammengestellt. 23 Jahre jung ist
der Andalusier geworden, und ganz
offensichtlich schätzen seine sechs
Kollegen ihn so sehr, dass sie ihm den
Geburtstag so weit weg von daheim
richtig schön versüßen wollten.
Dass Parras hier in Hannover eine
Ausbildung zum „Kaufmann für Versicherungen und Finanzen“ absolviert,
hat er seinem Mut, der Caritas und der
Industrie- und Handelskammer (IHK)
in Hannover zu verdanken. Die sind
verantwortlich für das Projekt „Adelante!“ (siehe unten), das junge Menschen aus Spanien in Ausbildungsplätze in der Region vermittelt. Eine
von ihnen ist Christina Puertas Alde-
MIT VERSTAND: Der
Ausbilder Torsten Kumm
erklärt Parras einen
Versicherungsfall.
INfo:
ThalaNx
MIT GESCHICK: Christiana
Puertas Aldecoa feilt an
einem Metallteil.
Foto: Rückerl
INfo: MTu
Die Maintenance-Gruppe
hat ihren Hauptsitz in
München und beschäftigt weltweit 2500 Mitarbeiter. Die MTU Maintenance Hannover in Langenhagen ist das Herzstück
der
MTU-MaintenanceGruppe und verantwort-
lich für die Instandhaltung
mittlerer und großer ziviler
Triebwerke. Fluggerätemechaniker lernen die Herstellung, Wartung, Inspektion und Instandhaltung
von Fluggeräten, die Ausbildung dauert dreieinhalb
Jahre. Darüber hinaus kön-
nen sich die Auszubildenden über Schulungen und
Studiengänge zum Meister, Techniker oder zum
Ingenieur
weiterbilden.
In diesem Jahr werden 13
junge Leute zu Fluggerätemechanikern ausgebildet,
davon drei Frauen.
MIT HERZ: Der Schreibtisch von Pedro Pancarbo
Parras wurde von den Kollegen so süß geschmückt.
Er hatte Geburtstag. Fotos (2): Petrow
Die Talanx AG (Prämieneinnahmen 2014:
29 Milliarden Euro ) ist
eine der großen europäischen
Versicherungsgruppen.
Der
Konzern ist in rund
150 Ländern aktiv –
etwa als aktiver Privat- und Firmenversicherer HDI, als global
tätiger Industrieversicherer HDI-Gerling
oder mit der Hannover Rück als einer der
weltweit führenden
Rückversicherer.
Talanx hat inklusive
der Hannover Rück
4685 Mitarbeiter. 384
Auszubildende gibt
es deutschlandweit –
davon werden 292
Kaufleute für Versicherungen und Finanzen, sechs Kaufleute
für Büromanagement
und sechs Köche. 80
absolvieren ein duales
Studium, eine Kombination aus klassischer Ausbildung und
Studium. In Hannover
sind zurzeit 87 Azubis, davon werden 55
Kaufleute für Versicherungen und Finanzen, 32 absolvieren
ein duales Studium.
2015 wurden bundesweit 122 Auszubildende eingestellt,
davon 28 in Hannover, inklusive der beiden „Adelante!“-Spanier in Hannover.
Die Ausbildungsvergütung
erfolgt
nach Tarif, es gibt
14 Gehälter. Ausbildungsvergütung im
ersten Jahr: 903 Euro;
im zweiten Jahr: 978
Euro; im dritten Jahr:
1062 Euro.
nisse auf B-1-Niveau, die sie
hier während ihrer gesamten Ausbildungszeit an zwei
Unterrichtstagen pro Woche
(insgesamt sechs Stunden)
vertiefen.
Die Spanier sind in folgenden Ausbildungsberufen
untergebracht: Anlagenmechaniker Rohrsystemtechnik,
Kaufmann für Versicherung
und Finanzen, Fachinformatiker für Systemintegration,
Koch, Kaufmann für Spedi-
tion- und Logistikdienstleistungen,
Berufskraftfahrer,
Fachkraft für Lagerlogistik,
Restaurantfachfrau, Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung, Mediengestalter
für Digital- und Printmedien,
Hotelfachfrau, Fluggerätmechanikerin, Tourismuskauffrau und -mann.
Das Projekt zeigt echte
Erfolge. Auch im Jahr 2016
wird „Adelante!“ mit weiteren
Spaniern fortgeführt.
rue
Eine NP-Serie
hen Aufstehen: „Um 5 Uhr klingelt
der Wecker, dann fahre ich dreieinhalb Kilometer mit dem Fahrrad zum
Bahnhof.“ Mit der S-Bahn gehts nach
Hannover und Langenhagen, von dort
aus fährt ein Bus – das ist schon ein
ordentlicher Ritt für die junge Frau.
Und passt zu ihr, die fern der Heimat Madrid keine Mühe scheut, sich
eine Zukunft aufzubauen. „Wir sind
auf jeden Fall sehr zufrieden mit ihr,
sie ist sehr geschickt“, lobt Ausbilder
Jens Buddensiek (53). ohnehin seien
die Frauen in dem männerdominierten Beruf „oft einen Tuck besser. Der
Ehrgeiz ist da“, so Buddensiek.
Auch der Ausbilder von Pablo kann
nicht klagen. Die zwei spanischen
Auszubildenden hätten mit ihrer Heimatsprache sogar noch einen Wettbewerbsvorteil, „weil einer unserer Zielmärkte Lateinamerika ist“,
erklärt Torsten Kumm: „Grundsätzlich übernehmen wir unsere Auszubildenden nach erfolgreich bestandener
Abschlussprüfung.“ Das wird dann
auch Parras’ Freundin freuen, mit der
er seit sechs Jahren zusammen ist
und die zum Januar nächsten Jahres
einen Job in Hannover gefunden hat.
Bleibt nur noch das deutsche
Essen! Christina, die lieber zu Hause
kocht und sich auch nach drei Monaten noch nicht mit deutschem Matjesbrötchen anfreunden mag, findet auf
jeden Fall die deutsche Bratwurst in
der MTU-Mensa sehr lecker. „Ich bin
sehr wählerisch und esse nur wenige
Dinge“, sagt Pablo – und lacht: „Meine
Eltern behaupten, ich wäre ein FastFood-Junkie.“ Das Lieblingsessen des
Spaniers: „Italienische Pizza, am besten mit deutschen Würstchen.“
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Hier ziehen viele an einem Strang
delskammer in Hannover
unterstützt das Projekt „Adelante!“ (,Auf gehts‘), die Trägerschaft hat die Caritas inne.
Die begleitet die jungen Leute
vor allem durch die erste
schwierige Zeit, hilft bei Anträgen und sonstigem Papierkram, sucht Unterkünfte in
Gastfamilien und organisiert
Freizeitaktivitäten.
Die jungen Erwachsenen
verfügen bereits über fortgeschrittene Deutschkennt-
olé
SCHICKEN SIE
IH RE KINDE R DOCH MAL
AU F W E LT R E I S E .
Das ProjekT „aDelaNTe“
hannover. Mit Blick auf
die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa – in Spanien beträgt sie zum Teil bis
zu 60 Prozent – und den Fachkräftemangel in Deutschland
fördert das Bundessozialministerium Projekte wie „Adelante!“.
EU-Bürger zwischen 18 und
27 Jahren sollen eine betriebliche Berufsausbildung in
Deutschland absolvieren können. Die Industrie- und Han-
coa aus Madrid, die bei dem Triebwerkshersteller MTU Maintenance
Hannover zur Fluggerätemechanikerin ausgebildet wird. Dass ihr Beruf
auch irgendwie eine Berufung ist,
kann man auf dem Tattoo auf ihrem
linken Arm lesen. „über den Wolken“ steht da, „das habe ich noch in
Madrid machen lassen“, erzählt die
23-Jährige.
ohnehin wurde sie auf ihren Beruf
vorbereitet, in Madrid lernte sie Flugzeugelektronikerin. „Aber ich lerne
neue Dinge hier, das gefällt mir“, sagt
Christina in einem sehr viel besseren
Deutsch als noch Anfang Juli, als sie
das erste Mal mit der NP sprach. In
der Zwischenzeit mussten die „Adelante“-Spanier nämlich reichlich die
Schulbank drücken.
Und damit eine Sprache lernen, die
sie am Anfang noch als „Halskrankheit“ empfunden hatten. Jetzt sorgen
vor allem noch die Fälle für Magengrimmen. „Dativ, Genitiv“, sagt Pedro
augenrollend, „so etwas gibt es bei
uns nicht.“ Und dann die vielen Vokabeln! Christina machen die Fachbegriffe zu schaffen. „Man kennt die
Wörter auf Spanisch, auf Englisch und
muss sie jetzt auch noch auf Deutsch
lernen.“
Doch von den sprachlichen Fallen
mal abgesehen scheinen sich die
beiden jungen Leute akklimatisiert
zu haben. „Der Sommer in Hannover war fast wie bei uns in Andalusien, die Herrenhäuser Gärten und
der Maschsee waren super bei dem
Wetter“, meint Parras, der aus Arjona
in der Nähe von Cordoba kommt.
Dass die spanische Siesta gefehlt
hat, ist weder für ihn noch für Aldecoa ein großes Problem. „Kaffee ist
eine gute Erfindung“, feixt sie. ohnehin: Humor hilft ihr, die in einer WG
in Hildesheim wohnt, auch beim frü-
Hannover,
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