Mitteilungsblatt 2015 - Friedrich-Schiller

www.thueringen.de
Archive in Thüringen
Mitteilungsblatt 2015
Thüringisches Staatsarchiv Gotha
erhält neues Domizil im Perthes-Forum
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Doris Schilling
62. Thüringischer Archivtag 2015
Archivtag am 18. und 19. Mai 2015 in Eisenach
Dr. Jens Riederer
Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Archivfähig und relevant? Untersuchung zur Sicherung
der Daten aus dem DDR-Katastersystem „Colido“
Lutz Bannert, M. A.
Über den Einfluss der Reformation auf das
spätmittelalterliche Schulwesen am Beispiel thüringischer
Städte – Einblicke in ein Dissertationsprojekt
Andreas Dietmann, M. A.
Thüringische Intellektuelle als Verfasser von Artikeln über
die Sorben in Konversationslexika des 19. Jahrhunderts
Cornelius Lehmann, M. A.
Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte
Thüringens in Jena eröffnet
PD Dr. Stefan Gerber
Schwerpunkt Ausbildung
Eröffnung des Masterstudiengangs „Sammlungsbezogene
Wissens- und Kulturgeschichte“ an der Universität Erfurt
Dr. Steffen Arndt
Einblicke in die Ausbildung der Fachangestellten für
Medien- und Informationsdienste am Staatlichen Berufsschulzentrum in Sondershausen (SBZ)
Helga Gudacker, M. A.
Arbeitsberichte aus den Archiven
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Archive in Thüringen 2015
13. Jahresarbeitstagung des Thüringischen Staatsarchivs
Meiningen mit den Kommunalarchivaren Südwestthüringens
Sabine Keßler
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Weimarer Notfallverbund übt Bergung von Kulturgut
im Katastrophenfall
Volker Graupner
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Nicolaus von Amsdorff. Wiederentdeckung eines
vergessenen Manuskriptbandes
Dr. Hagen Jäger
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Übergabe von umfangreichen Kartenwerken der DDR
an das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar
Volker Graupner
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Stadtgeschichte wird lebendig. Archiv erhält Nachlass
der Unternehmerfamilie Adami
Dr. Reinhold Brunner
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Ein DFG-Retrokonversionsprojekt im Stadtarchiv Nordhausen
Annette Birkenholz, Dr. Wolfram G. Theilemann
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Große und wertvolle Schenkung. Familienarchiv Fuchs
im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden
Ute Simon
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Übernahme weiterer Professorennachlässe in das
Thüringische Staatsarchiv Meiningen
Dr. Norbert Moczarski
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Vorlass Dieter Gleisberg im Thüringischen
Staatsarchiv Altenburg
Dr. Jörg Müller
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Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
„Kulturweg der Vögte“ Deutsch-tschechische Gemeinsamkeiten
Hagen Rüster
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Bericht zur Podiumsdiskussion: „Rübermachen“ um jeden
Preis? Die Ausreisegruppe „Weißer Kreis“ in Jena
Sebastian Hakelberg
Die Wartburg im Blick. Begegnung der süddeutschen
Kirchenarchivare in Eisenach
Christina Neuß, M. A.
Schülerprojekt des Stadtarchivs und des Salinen- und
Heimatmuseums Bad Sulza
Bernhard Heinzelmann
Altenburger Grundschüler entdecken ihre Stadt
Doris Schilling
Sonderausstellung des Kreisarchivs SchmalkaldenMeiningen zum Ersten Weltkrieg
Angelika Hoyer
Ausstellung des Stadtarchivs Eisenach
Dr. Reinhold Brunner
Historische Stadtrundgänge in Auma. Eine Möglichkeit
zur Inszenierung archivalischer Quellen
Christel Gäbler
Archiveinrichtungen stellen sich vor
150 Jahre wissenschaftlich betreutes Stadtarchiv Erfurt
Dr. Antje Bauer
Archiv der Moderne – Bauhaus-Universität Weimar
Dr. Christiane Wolf
Ein Verwaltungsgebäude mit Geschichte.
120 Jahre Lindenaustraße 9 in Altenburg
Kerstin Scheiding
Vom „Geheimen Archiv“ zum Perthes-Forum. Das
Thüringische Staatsarchiv Gotha erhält ein neues Gebäude
Lutz Schilling
Mitteilungen und Angebote
Besuch von Landtagsabgeordneten im Staatsarchiv
Meiningen – ein Hilferuf
Carolin Baumann, M. A.
ThELMA auf der CeBIT 2015 präsentiert
Jörg Filthaut
Ministerpräsident Bodo Ramelow besucht das
Staatsarchiv Gotha
Lutz Schilling
Kunst am Bau. Queen Victoria beehrt das historische
Treppenhaus des Staatsarchivs Gotha im Perthes-Forum
Dr. Steffen Arndt
Neuerscheinungen
Tagungsband zum 18. Arbeitskreis „Archivierung von
Unterlagen aus digitalen Systemen“ erschienen
Jörg Filthaut
Reformationskalender mitteldeutscher Archive erschienen
Dr. Steffen Arndt
Mit Papier und andern getreulich umbzugehen.
Ein Streifzug durch 1000 Jahre Thüringer Geschichte
Dr. Steffen Arndt
Infobrief des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg
Dr. Jörg Müller
Personalnachrichten / Hinweise für Autoren / Impressum
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Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
geschätzte Autorinnen und Autoren,
Aus dem Inhalt:
ich freue mich, dass Sie die aktuelle Ausgabe des Mitteilungsblattes „Archive
in Thüringen“ zur Hand genommen haben und wünsche Ihnen eine angenehme und bereichernde Lektüre.
Lassen Sie mich dieses Editorial für ein paar Anmerkungen in eigener Sache
nutzen. Trotz der positiven Resonanz auf das letzte Heft vom September 2014
hat mich die Frage, ob in unserer zunehmend digitalen Welt eine gedruckte Zeitschrift mittelfristig eine Zukunft haben kann, immer wieder beschäftigt. Ich war
mir keinesfalls sicher, dass sich auch für das kommende Mitteilungsblatt genügend Autoren finden würden, mit deren Berichten ich ein umfangreiches, lesenswertes und abwechslungsreiches Heft zusammenstellen könnte. Um einer
möglichen Blamage als verantwortlicher Redakteurin entgegenzuwirken, hatte
ich im Frühjahr einige Kollegen gezielt angesprochen und um konkrete Beiträge
gebeten. So konnte ich beispielsweise Frau Helga Gudacker vom Staatlichen
Berufsschulzentrum Kyff häuserkreis in Sondershausen gewinnen, die sich
gern bereit erklärte, in einem Beitrag die Ausbildung unseres Berufsnachwuchses, der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, vorzustellen.
Thüringer Archivpreis geht an
Tamara Hawich
Seite 4
Umso größer war die Überraschung, als ich bei Redaktionsschluss am 30.
Juni die Vielzahl der eingesandten Artikel sichten durfte. Ich war erfreut zu
sehen, dass tatsächlich ein echtes Bedürfnis zu bestehen scheint, Arbeitsund Forschungsergebnisse, Bestandsergänzungen oder publikumswirksame
Veranstaltungen öffentlich zu machen und dass das Mitteilungsblatt dafür als
das geeignete Medium betrachtet wird. Mit einem Umfang von 66 Textseiten
ist die aktuelle Ausgabe nun sogar um vier Seiten umfangreicher als das Heft
des Vorjahres. Das freut mich sehr und ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Autoren.
Doris Schilling
Thüringisches Staatsarchiv Altenburg, Redaktion
FaMI-Ausbildung
wird vorgestellt
Seite 14
Archive in Thüringen 2015 – Editorial
Ein Problem kann ich bei aller Freude aber nicht verschweigen. Um ein ausgewogenes Verhältnis von Textbeiträgen und Abbildungen zu erreichen und
gleichzeitig den Umfang des Heftes nicht ins Unermessliche zu steigern, war
es nötig, einige Beiträge spürbar zu kürzen. Da selbstverständlich der Inhalt
der Artikel nicht gefährdet werden durfte, konnten die Kürzungen nicht durch
bloßes Wegstreichen eines Absatzes erreicht werden. Manchmal war es deshalb erforderlich, in den gesamten Text einzugreifen, um schließlich einige
wenige Zeilen einzusparen. Trotz des Versuchs, verantwortungsvoll mit den
eingereichten Beiträgen umzugehen, den persönlichen Stil der jeweiligen Autoren und deren inhaltliche Zielsetzung zu wahren, haben sich einige Texte
sprachlich verändert. Um diese Eingriffe künftig zu begrenzen, haben wir in
Zusammenarbeit mit dem Druckhaus Borna, das für das gelungene Layout
verantwortlich zeichnet, die Hinweise für Autoren am Ende des Heftes überarbeitet und am Beispiel einer gut strukturierten und entsprechend bebilderten
Doppel- und einer nicht bebilderten Einzelseite die genauen Zeichenzahlen
benannt, an denen sich künftige Beiträger orientieren können. Ich wäre jedoch außerordentlich froh, wenn alle Autoren dieser Ausgabe die mit Bedacht
vorgenommenen Textänderungen mittragen könnten und sich auch im nächsten Jahr wieder mit interessanten und lesenswerten Artikeln am neuen Mitteilungsblatt beteiligen würden.
Staatsarchiv Gotha verlässt Schloss
Friedenstein
Seite 56
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62. Thüringischer Archivtag
am 18. und 19. Mai 2015 in Eisenach
Das gewählte Thema „Elektronische Archivierung – Problemstellungen und Lösungsansätze für die nahe Zukunft“
war so anspruchsvoll wie überfällig, weil es den archivischen Berufsalltag unaufhaltsam prägt und in absehbarer
Zeit wohl vollends beherrschen wird.
Nach Grußworten von Frau Dr. Babette Winter, Staatssekretärin für Kultur und Europa in der Thüringer Staatskanzlei, sowie unserer Verbandsvorsitzenden Frau Dr. Irmgard
Christa Becker eröffnete Björn Schmalz vom Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt die Reihe der Fachvorträge.
Er stellte die Ergebnisse seiner Marburger Transferarbeit
„Zum Stand der Langzeitarchivierung in Thüringer Kommunalarchiven“ vor, um den Anwesenden noch einmal die
Ausgangslage vor Augen zu führen. Schmalz konstatierte
zwar Bereitschaft seitens vieler Archivarinnen und Archivare, zugleich aber fehle es vielerorts an den für eine Umsetzung finanziellen, technischen, personellen und auch
fachlichen Voraussetzungen (vgl. auch „Archive in Thüringen“ 2013).
In diesem Rückstand spiegelt sich gewiss das Besondere
der thüringischen Archivlandschaft wieder, die zu einem
Großteil aus kleinen und kleinsten Archiven besteht. Doch
darf dieses unstreitige Handicap nicht länger als Entschuldigung dienen. Hier sind bei aller Kassennot die kommunalen Archivträger gefordert, die nötigen Bedingungen
zu schaffen, um vom technischen Fortschritt nicht völlig
abgehängt zu werden. Auch die kommunalen Spitzenverbände, der Thüringer Gemeinde- und Städtetag sowie
der Thüringische Landkreistag, sind aufgerufen – gemäß
der begrenzten Möglichkeiten ihrer überwiegend kleinen
Mitglieder –, nach gemeinsamen Lösungen im Verbund zu
suchen.
Für die Behörden des Freistaats versteht sich ein gemeinsames Vorgehen von selbst. Seit 2012 existiert am Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar eine Projektgruppe,
die eine einheitliche Lösung für die Landesverwaltung
kreiert. Das bereits weit fortgeschrittene Projekt „Digitales Magazin des Freistaates Thüringen“ stellte der dortige Abteilungsleiter Jörg Filthaut vor. Das gemeinsam mit
dem Thüringer Landesrechnungszentrum zu betreibende
„Thüringische Elektronische Magazin“ (ThELMA) umfasst
die Übernahme, Verwaltung, Erhaltung, Speicherung und
Benutzung für alle Arten von Daten (Elektronische Akten,
Dateisammlungen, Daten aus Fachanwendungen und
Netzressourcen). Sein Anspruch ist also, den gesamten
Archivierungsprozess inklusive Benutzung abzudecken,
den die Archivare aus der analogen Welt kennen. Herr Filthaut stellte das Fach-Organisationskonzept von ThELMA
vor, erklärte seine Gesamtarchitektur und erläuterte den
Zusammenhang von Übernahmepaket (SIP), Archivpaket
(AIP) und Nutzungspaket (DIP). Gemäß gängigen Standards folgt ThELMA dem für eine digitale Archivierung etablierten OAIS-Referenzmodell, das Funktionen und Prozesse für eine revisionssichere Archivierung beschreibt.
Ein flexibel und modular aufgebautes System soll Bedienfreundlichkeit und Zukunftsfähigkeit garantieren. Die
Übernahme in den Dauerbetrieb ist für 2016 geplant.
Eine bereits bestehende Lösung, die für kleine und mittelgroße Archive entwickelt worden ist, stellte Herr Dr. Peter
Worm vom LWL-Archivamt für Westfalen aus Münster vor.
Grußwort von Staatssekretärin Dr. Babette Winter
(Foto: Uta Ninnemann, Stadtarchiv Weimar)
Dr. Reinhold Brunner erhält einen Archivsonderpreis
(Foto: Roswitha Henning)
Drei Fachvorträge am ersten Tag
Archive in Thüringen 2015 – 62. Thüringischer Archivtag 2015
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Das vom Landschaftsverband
Westfalen-Lippe initiierte Archivierungssystem eLan.LWL läuft
bereits seit 2013 und steht den
Mitgliedskommunen zur Nachnutzung zur Verfügung. Auch
wenn sich die kommunalen Verhältnisse im kleinen Thüringen
ganz anders darstellen als im
großen Nordrhein-Westfalen, die
erwiesene Praktikabilität dieser
Verbundlösung sollte die Thüringer zum Nacheifern ermuntern.
Vier Workshops zum Thema
Verleihung der Archivpreise für außerordentliches Engagement
Am zweiten Tag trafen sich die anwesenden Mitglieder des
VdA zu ihrer Vollversammlung. Der Rechenschafts- und Finanzbericht des Vorstandes wurde einstimmig (bei Enthal-
Tamara Hawich vom TWA erhält den Archivpreis 2015
(Foto: Roswitha Henning)
tung des Vorstandes) angenommen. Danach öffnete sich
die Versammlung für alle Teilnehmer des Archivtages, um
den Gewinner des Thüringer Archivpreises bekanntzugeben, den die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen
gemeinsam mit dem Landesverband Thüringen jährlich
auslobt. Die mit 5.000 € dotierte Auszeichnung geht 2015
an das Thüringer Wirtschaftsarchiv e. V. (TWA) mit Sitz in
Erfurt. Das TWA ist ein eigenständiger eingetragener gemeinnütziger Verein, der auf Initiative und mit finanzieller
Unterstützung der Industrie- und Handelskammer Erfurt
2010 gegründet worden ist. Zum Gründerkreis gehörten
überdies engagierte Archivarinnen und Archivare, die
Sparkasse Mittelthüringen sowie eine Reihe Thüringer
Firmen. In einem Tempo, das offenbar nur in der Privatwirtschaft möglich ist, entstand ein neues Archiv, mit dem
sich Thüringens Wirtschaft eigeninitiativ und selbstverantwortlich zur Sicherung seiner Überlieferung verpflichtet.
Mit ihrer Preisvergabe würdigt die Archivpreis-Jury einmal
mehr bürgerschaftliches Engagement, namentlich auch
das der Geschäftsführerin des TWA, Frau Tamara Hawich,
und betont den Wert nichtstaatlicher Archivalien jenseits
behördlicher Überlieferungsbildung. Nach nur fünf Jahren
seines Bestehens beherbergt das TWA in seinen Magazinen bereits Archivalien von über 60 Betrieben.
Überdies wartete der Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Herr Dr. Thomas Wurzel, mit
einer erfreulichen Überraschung auf. Für seine Verdienste
um das thüringische Archivwesen erhielt Herr Dr. Reinhold
Brunner, langjähriger Leiter des Stadtarchivs Eisenach,
eine Ehrung in Form eines einmaligen zweckgebundenen
Sonderpreises in Höhe von 5.000 €. Damit wurde einer der
erfahrensten und profiliertesten Archivare im Freistaat für
sein bisheriges Lebenswerk gewürdigt.
Dr. Jens Riederer
Stadtarchiv Weimar
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Archive in Thüringen 2015 – 62. Thüringischer Archivtag 2015
Viele Kolleginnen und Kollegen
sahen sich erstmals mit diesem
auch sprachlich anspruchsvollen Thema direkt konfrontiert.
Um die „Erstbegegnung“ unverkrampft und so praxisnah wie
möglich zu vertiefen, schlossen
sich in direkter Fortführung der in
den Vorträgen angesprochenen
Fragen vier parallele Workshops
an. Gemäß der Verteilung der ca. 70 Tagungsanmeldungen
beschäftigten sich zwei davon mit Elektronischen Akten,
einer mit Daten aus Fachanwendungen sowie ein weiterer
mit Dateisammlungen und Netzressourcen. Im ersten Teil
aller Workshops, die sich über zwei Tage erstreckten, wurden Rechtsgrundlagen und Fachbegriffe vorgestellt, um
auf dieser gemeinsamen Grundlage im zweiten Teil die besonderen Anforderungen der gewählten Themenkreise zu
vertiefen. Pro Workshop stellten zwei Mitarbeiter aus den
Thüringischen Staatsarchiven ihre fachliche Kompetenz
als Leiter zur Verfügung, wofür ihnen hiermit herzlich gedankt sei, namentlich Herrn Filthaut und seiner erwähnten
Projektgruppe am Hauptstaatsarchiv Weimar. Einen Workshop leiteten zwei sehr kompetente Kollegen vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, denen unser besonderer Dank gebührt. Im anschließenden Plenum wurden die
Schwerpunkte der einzelnen Workshops vorgestellt und
gemeinsam sehr anregend diskutiert.
Auch in einer anonymen Evaluation mittels Fragebogen
zeigten sich fast alle Teilnehmer zufrieden mit den vermittelten Inhalten. Alle einte die Einsicht, dass es eine archivische Existenzfrage ist, die Elektronische Archivierung
nicht über sich „ergehen zu lassen“, sondern aktiv mitzugestalten. Die auf dem Archivtag gewonnenen Grundkenntnisse sollen helfen, zusammen mit den eigenen
IT-Fachleuten nach passenden Lösungen vor Ort zu suchen, allerdings – wie gesagt – nicht unbedingt jeder für
sich allein, sondern am besten im Verbund mit ähnlichen
oder benachbarten Einrichtungen.
Archivfähig und relevant?
Untersuchung zur Sicherung der Daten aus dem DDR-Katastersystem
„Computergestützte Liegenschaftsdokumentation“ (Colido)
Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Zu den Arbeitsmitteln der DDR-Vermessungsverwaltung
zählte seit Mitte der 1980er Jahre das so genannte Integrationsregister. Mit diesem aus Karteikarten bestehenden Instrument kamen die Liegenschaftsdienste bei
den Räten der Bezirke der Aufgabe nach, ihren Zuständigkeitsbereich neben der Aufzeichnung in Landkarten
auch buchmäßig zu erfassen. Vor der Einführung des
Integrationsregisters hatten diese Dienststellen jeweils
drei unterschiedliche Buchwerke zu pflegen: Das Liegenschaftskataster enthielt eine nach Flurstücken gegliederte Beschreibung des Territoriums unter physisch-geographischen Gesichtspunkten. Das bis 1952 von den
Amtsgerichten geführte Grundbuch dokumentierte die
Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Grundstücken.
Und im so genannten Nutzungsgrundbuch wurden diejenigen Flächen erfasst und genauer beschrieben, die unter
den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft der
Verfügungsgewalt ihrer Eigentümer entzogen worden waren. Hinsichtlich der jeweils zu vermerkenden Angaben
wiesen die drei Register erhebliche Überschneidungen
auf. Gleichzeitig bestand die Gefahr, dass Fehler bei der
Datenaufnahme zu widersprüchlichen Angaben führten.
Eine Zusammenführung der Datenhaltung an einer Stelle
versprach demgegenüber eine geringere Fehleranfälligkeit und einen Zugewinn an Effizienz. Das Integrationsregister erfüllte diese Anforderungen, indem in einem
Datensatz, d. h. in einer Zeile auf der Karteikarte, die zentralen Angaben zu einem Flurstück aus allen drei Registern zusammengeführt wurden.
Dabei war die Erstellung des Integrationsregisters in
Form von Karteikarten selbst nur eine Vorarbeit zu einem
viel weiter reichenden Unternehmen. Wenn beispielsweise die Mitarbeiter des Liegenschaftsdienstes des Bezirks
Erfurt 1984 und 1985 in „freiwilliger, bezahlter Freizeittätigkeit“ etwa 1,6 Millionen Datensätze auf solchen Karteikarten verzeichneten, geschah das mit dem Ziel, die Automatisierung der Registerführung vorzubereiten. Die auf
Zahlen und Kennziffern reduzierten Angaben zu jedem
Flurstück ließen sich anschließend auf Lochkarten übertragen und in ein System zur elektronischen Datenverarbeitung einlesen. Ein solches System befand sich seit
den frühen 1980er Jahren im Aufbau. Das Programm trug
den Namen „Computergestützte Liegenschaftsdokumentation“ (Colido). Die Speicherung und Pflege der Daten erfolgte landesweit zentral im Datenverarbeitungszentrum
Halle/Saale. In den örtlichen Dienststellen der Liegenschaftsdienste, die sich in jedem Landkreis befanden,
wurden nur Kopien vorgehalten. Diese hatten zunächst
die Form von Mikrofiches. Ende der 1980er Jahre, als die
technische Entwicklung weiter fortgeschritten war und
in einigen Dienststellen auch Bürocomputer zum Einsatz
kamen, stellte das Datenverarbeitungszentrum die Daten
auch auf Disketten bereit. Umgekehrt wurde die zentrale
Datenbank durch halbjährliche Veränderungsmeldungen
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aus den Landkreisen nach Halle/Saale aktuell gehalten.
Dieses aufwändige Verfahren war aufgrund der Masse an
Daten erforderlich. Für Juni 1990 beispielsweise ist die
Anzahl von ca. 14 Millionen Datensätzen dokumentiert.
Damals war – bis auf die Landeshauptstadt Ost-Berlin –
das gesamte Territorium der DDR in der Colido-Datenbank
erfasst.
Mit der Wiedervereinigung änderten sich die rechtlichen
Voraussetzungen für die „registrative Bodendokumentation“. Die Angaben aus dem Nutzungsgrundbuch verloren ihre Relevanz. Die Pflege der Grundbücher wurde in
die Amtsgerichte zurückgeführt. Und die katastermäßige
Erfassung des Staatsgebiets fiel künftig in die Zuständigkeit neu zu bildender Landesvermessungsverwaltungen. Dort wurde Colido durch das Automatisierte Liegenschaftsbuch ersetzt. In diesem Zusammenhang fanden
Bemühungen statt, die auch unter den veränderten rechtlichen Bedingungen gültigen Angaben zu den einzelnen
Flurstücken (etwa die Flurstücksnummer) aus dem alten
in das neue System zu übertragen. Dieser Prozess war im
Freistaat Thüringen Anfang 1993 abgeschlossen. Bis dahin war Colido hier noch im Einsatz.
Aus dieser Übergangsphase stammen 76 Dateien mit
insgesamt 3.672.521 Datensätzen, die das Thüringer
Landesamt für Vermessung und Geoinformation dem
Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar zur Übernahme
angeboten hat. Sie dokumentieren die Flächen von 38
der 40 im Jahr 1990 im Freistaat Thüringen bestehenden
Landkreise nach den oben beschriebenen Prinzipien. Ob
und wie sie archiviert werden könnten, war Gegenstand
der Examensarbeit des Verfassers zum Abschluss seines
Archivreferendariats am Weimarer Hauptstaatsarchiv
und der Archivschule Marburg. In der Untersuchung wurde mehreren Fragen nachgegangen: Lassen sich die Dateien in der vorliegenden Form überhaupt dauerhaft aufbewahren – Archivfähigkeit? Sind sie ihrem Inhalt nach
archivwürdig gemäß § 2, Absatz 2 des Thüringer Archivgesetzes? Wie lassen sich die Daten künftigen Nutzern
bereitstellen?
Die Ergebnisse der Studie können an dieser Stelle nur
holzschnittartig zusammengefasst werden. So ergab eine
Umfrage unter den Landesarchiv- und den Vermessungsverwaltungen der neuen Bundesländer, dass der Freistaat
Thüringen das einzige Bundesland ist, in dem sich solche
Daten überhaupt erhalten haben. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Dateien eine wichtige Ergänzung zu der
in den thüringischen Staatsarchiven vorhandenen Überlieferung darstellen. Beispielsweise haben sich in den
Staatsarchiven Altenburg und Meiningen sowie im Hauptstaatsarchiv Weimar die Integrationsregister-Karteikarten für eine Anzahl von Landkreisen erhalten. In einigen
Beständen finden sich auch Mikrofiches oder Computerausdrucke, die jeweils unterschiedliche Bearbeitungsstände der Datenaufnahme zeigen. Setzt man diese Über-
lieferung systematisch zueinander in Beziehung, lassen
sich Entwicklungen in der Bodenordnung in Thüringen in
den späten 1980er und frühen 1990er Jahre nachvollziehen. Veranschlagt man die erheblichen Umbruchprozesse in diesem Bereich nach der Wiedervereinigung, wird
die Bedeutung der Dateien als wichtige Dokumente der
Systemtransformation im Freistaat Thüringen erkennbar.
Dabei fällt ein Umstand zusätzlich ins Gewicht: Weil in
den Datenbankeinträgen nach der Wiedervereinigung nur
Werte geändert wurden, die unter der neuen Rechtslage
relevant waren, hat sich in jedem Datensatz ein Rumpf
an Angaben erhalten, der die Bodenordnung unter den
Bedingungen der Planwirtschaft dokumentiert. Die Colido-Dateien ergänzen die bereits vorhandene analoge
Überlieferung in den thüringischen Staatsarchiven aber
noch in einer anderen Hinsicht. Als digitale Archivalien
lassen sie sich unter Zuhilfenahme entsprechender Programme mit erheblich geringerem Aufwand statistisch
auswerten.
Das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar hat die
Dateien daher als archivwürdig bewertet. Wenn voraussichtlich im Jahr 2016 das Thüringische Elektronische
Magazin (ThELMA) den Betrieb aufnimmt, werden die
Colido-Dateien dort dauerhaft archiviert. Die Archivfähigkeit der Unterlagen ist bereits gegeben. Die Dateien liegen in einem Format vor, das für die Langzeitspeicherung
geeignet ist. Hinsichtlich der Benutzung der Daten ist zu
berücksichtigen, dass sie derzeit noch der allgemeinen
30-jährigen Schutzfrist gemäß § 17 des Thüringer Archivgesetzes unterliegen und nur unter Einschränkungen eingesehen werden können. Eine etwaige Bereitstellung der
Daten wird vorher mit jeder Nutzerin und jedem Nutzer
abgestimmt und ihren bzw. seinen Erfordernissen angepasst. Zur Entschlüsselung einzelner Zahlenwerte und
um die Inhalte der einzelnen Datenbankfelder nachvollziehen zu können, steht auch eine entsprechende Dokumentation des Programms Colido bereit.
Lutz Bannert, M. A.
Landesarchiv Baden-Württemberg,
Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe
Literatur:
Bickhoff, Nicole/Rehm, Clemens: Das Automatisierte Liegenschaftskataster in Baden- Württemberg, in: Schäfer, Udo/Bickhoff, Nicole (Hg.): Archivierung elektronischer Unterlagen, Stuttgart 1999,
S. 131-143.
Filthaut, Jörg: Einführung der digitalen Archivierung im Freistaat Thüringen, in: Ders. (Hrsg.): Von der Übernahme zur Benutzung. Aktuelle
Entwicklungen in der digitalen Archivierung. 18. Tagung des Arbeitskreises ‚Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen‘ am 11.
und 12. März 2014 in Weimar, Weimar 2014, S. 25-29.
Hebig, Dieter: Quellenwert und rationelle Erschließung von Katasterund Liegenschaftsschriftgut, in: Archivmitteilungen 34/8 (1984), S.
190-194.
Nestler, Bernd: Stand des Liegenschaftswesens in der DDR, in: Allgemeine Vermessungsnachrichten 97/8-9 (1990), S. 281-291.
Perchermeier, G./Richter, A./Schmidt, A.: Computergestützte Liegenschaftsdokumentation (COLIDO). Basis für das dezentrale Automatisierte Liegenschaftsbuch (ALB) in Thüringen und Sachsen, in: Zeitschrift für Vermessungswesen 117/2 (1992), S. 123-127.
Richter, Andreas: Untersuchungen zu einer automatisierten Liegenschaftsdokumentation, Diss., Dresden [MS] 1991, 163 Seiten.
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Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Integrationsregister, Gemeinde Rohrberg, S. 1, 1984 (ThHStA Weimar, Katasteramt Heiligenstadt, Wirtschaftskataster)
„Dem nach so ist in vnsern vaterlandt von Gott
dem almechtigen […] die schuele also verordnet“
Über den Einfluss der Reformation auf das spätmittelalterliche Schulwesen
am Beispiel thüringischer Städte – Einblicke in ein Dissertationsprojekt
Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Die diesem Werkstattbericht vorangestellten Worte stammen aus der Feder eines Bewerbers, der im Jahre 1553
um das Amt des Supremus, des zweiten Schuldieners neben dem Rektor, an der Schule von Altenburg bat. Seine
Ausführungen, mit denen er die Altenburger Lateinschule
aus eigener Anschauung lobt, knüpfen an eine mittlerweile fast 30 Jahre lange Tradition an. Vor etlichen Jahren, so
schreibt er, habe Gott zur Erhaltung der göttlichen Wahrheit
(gemeint ist selbstverständlich die evangelische Lehre)
Schulen aufgerichtet, in denen die Kinder zu einem christlichen und frommen, natürlich lutherischen Leben erzogen
werden konnten. Der Bewerber sollte nach einem zweiten,
erfolgreicheren Bewerbungsversuch die Altenburger Schulgeschichte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
schließlich maßgeblich mitprägen. Doch war seine Stimme nur eine unter vielen Gleichgesinnten. Alle bezogen sie
sich auf die Schriften Luthers und die daraus resultierende
Entwicklung. In so manchen Schriften, angefangen bei der
„An den christlichen Adel deutscher Nation“ von 1520,
schimpfte der Reformator die Schulen der Klöster und Stifte als „Eselsställe“ und „Teufelsschulen“, in denen die Bibel „müßig unter der Bank im Staub“ liegen müsse. Es sei
an der Zeit neue Schulen zu begründen, in denen das Wort
Gottes, das Evangelium, im Mittelpunkt stehe. Luthers
Mahnungen wurde Folge geleistet und die Reformation der
Kirche war schließlich mit einer Neugestaltung des Schulwesens untrennbar verbunden. Wie das vorangestellte Zitat des Altenburger Bewerbers verdeutlicht, ist dies keine
Erkenntnis aus der Rückschau. Die Zeitgenossen erkannten das reformatorische Schulwesen als einen Neuanfang,
der im wahrsten Sinne des Wortes mittelalterliche Zustände überwand. Auch Luther selbst soll etwa zwei Jahrzehnte nach seinem ersten Appell geäußert haben, dass
die Reformation gescheitert wäre, wenn sie nicht durch
die Schulmeister und Lehrer mitgetragen worden wäre.
Es ist die Aufgabe meines Dissertationsvorhabens, als
Bestandteil des an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
etablierten Forschungsprojektes „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“, diesen hier mit wenigen Sätzen
skizzierten „Neuanfang“ am Beispiel der thüringischen
Städte nachzuvollziehen. Zu diesem Zweck wurde eine
Auswahl von Städten ins Auge gefasst, deren Geschichte
bereits die Vielfalt des spätmittelalterlichen Schulwesens
dokumentiert. Luthers Urteil erscheint bei einem genaueren Blick auf die vorreformatorischen Zustände einseitig,
denn mitnichten wurde der Schulunterricht allerorten unter Ausschluss der Heiligen Schrift gestaltet. Eine Schulordnung der Stadt Saalfeld aus dem Jahr 1458, um nur ein
Beispiel zu nennen, fordert einen Unterricht, der den Kindern die Lehre „nach den Erkenntnissen der Evangelien“
nahebringen solle. Inwieweit ist hier die Rede von einem
Neuanfang gerechtfertigt?
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Ein Niedergang des vorreformatorischen Schulwesens?
Die Rede vom Neuanfang setzt naturgemäß das Ende der
alten Verhältnisse voraus. Im Falle der Schulgeschichtsforschung galt dies lange Zeit als gegeben. Wie viele seiner
Lehren wurde auch Luthers Ablehnung des vorreformatorischen Schulwesens von den Menschen geteilt. Die Folge
daraus war, dass viele Eltern, die Luthers Worten folgten,
ihre Kinder von der Schule nahmen. Oft zitiert wurden die
klagenden Worte des Gothaer Reformators Friedrich Myconius, der bei seiner Ankunft in Gotha 1524 die Schulen
verlassen und wüst vorfand. Nicht anders verhielt es sich
in Altenburg, wo fünf vorreformatorische Schulen während
der 1520er Jahre ihr Ende fanden. Luther begrüßte diesen
Niedergang, doch forderte er gleichzeitig eine Alternative. In Gotha wie auch in Altenburg und etlichen anderen
Städten erwuchsen den Ruinen der alten Schulen neue,
die mit Anhängern der lutherischen Lehre besetzt wurden
und Luthers Vorstellungen folgend die Reformation unterstützten. Das anfangs angeführte Lob des Altenburger
Bewerbers aus der Retrospektive der 1550er Jahre scheint
berechtigt, doch verleitet es heute zur Verallgemeinerung.
Nicht wenige Gegenbeispiele können dem entgegenwirken. Die Schule der bereits angesprochenen Stadt Saalfeld wurde von der Reformation in ihrer Blüte aufgegriffen. Kein Bruch der Entwicklung wird hier deutlich, kein
Niedergang war vom Reformator der Stadt, Caspar Aquila,
zu beklagen. Scheinbar selbstständig vollzog die Schule
den Übergang zur evangelischen Ausprägung, sodass der
Stadtrat sich den ersten reformatorischen Visitatoren gegenüber 1527 einer gut funktionierenden Schule rühmen
konnte. Sie unterstützte die Kirche in den „jetzt gewöhnlichen“, also den lutherischen Zeremonien, sei in hohem
Maße gefragt und werde sogar von Kindern aus adligen
Kreisen besucht. Lediglich fand Aquila eine gewisse Unsicherheit des Unterrichts in der religiösen Lehre zu bemängeln, doch ist dies vor der Veröffentlichung eines katechetischen Leitfadens nicht verwunderlich. Aquila arbeitete
diesen Leitfaden noch vor Luthers Katechismen aus und
lehrte ihn den Schülern. Unter seiner Beteiligung wurde
die Schule aus den spätmittelalterlichen Wurzeln auf den
Weg der Reformation gebracht, doch ist die Bezeichnung
eines Neuanfangs hier nicht gerechtfertigt.
Was ist eine reformatorische Schule?
Oder, um anderes zu fragen, wodurch wird eine reformatorische Schule charakterisiert? Im thüringischen Raum und
auch darüber hinaus waren zwei Kräfte maßgeblich an
der Gestaltung des Schulwesens beteiligt: Martin Luther
selbst, der in seinen Schriften seine Vorstellungen ausführlich darlegte, und Philipp Melanchthon, der dessen
zum Reformator wurde. Unter seiner Führung erhielten die Schulen nun ihren humanistischen
Charakter, der zuvor lediglich ein universitäres
Phänomen war, und den er erfolgreich mit der
von Luther erwarteten christlichen Ausrichtung
zu vereinen wusste. Während der Katechismus
und ausgewählte Passagen der Heiligen Schrift
ihren festen Platz im Unterrichtskanon erhielten, wurden die in vorreformatorischer Zeit viel
genutzten, jedoch praxisfernen Lehrbücher
zur sprachlichen Bildung durch die Lektüre der
Originale ersetzt. Die lateinische Literatur der
Antike trat gleichberechtigt neben die christliche Unterweisung. Die Musik, die einen Hauptschwerpunkt des vorreformatorischen Schulwesens ausmachte, wurde begrenzt, bildete jedoch
weiterhin das Verbindungsstück zur Kirche und
zum gottesdienstlichen Leben der Stadt.
Lehrplan aus dem Jahr 1584
(ThStA Altenburg, Landesregierung, Nr. 4279, Bl. 293r)
Vorschläge aufgriff und auf deren Grundlage im Jahr 1528
den ersten für das ernestinische Kursachsen verbindlichen Schulplan aufstellte. Während Luther eine rein religiöse Schule vor Augen hatte, steuerte Melanchthon das humanistische Element bei. Im Mittelpunkt der Schule solle,
so Luther, die Bibel stehen, die Bibellektüre, deren Auslegung zum rechten Verständnis und die Erziehung in einer
der Auslegung entsprechenden Lebenslehre. Zu diesem
Zweck schuf er seine Katechismen. Um darüber hinaus
dem Wesen der Bibel möglichst nahe zu kommen, forderte Luther das Studium der drei heiligen Sprachen Latein,
Griechisch und Hebräisch. Sie waren der Schlüssel zum
Verständnis und sie bildeten letztlich den Schnittpunkt
zum Humanismus. Luther, selbst nur wenig humanistisch
bewandert, schätzte die Humanisten. Ihnen sei es zu verdanken, so ein von seinen Nachfolgern oft aufgegriffenes
Zitat Luthers, dass man binnen dreier Jahre mehr lernen
könne, als zuvor in 15 oder 20. Melanchthon hingegen war
ein Humanist, bevor er durch die Bekanntschaft zu Luther
Melanchthons Ausarbeitungen waren erst der
Anfang. Sie stellten lediglich einen Mindeststandard dar, der in den Städten erreicht werden sollte, gerne aber auch überschritten werden konnte. Aus dem Trias der drei heiligen
Sprachen erfuhr nur das Lateinische eine verbindliche Vorschrift. Griechisch und Hebräisch
wurden zu dieser Zeit noch den Universitäten
überlassen. Zahlreiche Zeugnisse aus den thüringischen Stadt- und Staatsarchiven, die es zu
entdecken und zu beleuchten gilt, werfen jedoch
ein beredtes Licht auf die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte und machen deutlich, dass
jener Mindeststandard vielerorts tatsächlich
weit überschritten wurde.
Der Unterricht im Griechischen entwuchs um die
Mitte des Jahrhunderts der lateinischen Lektüre,
dazu gesellte sich die eigene dichterische Schöpfung, der einst nur liturgische Schülergesang zur
Abhaltung der Gottesdienste steigerte sich, bis
viele Schulen über einen beeindruckend leistungsstarken „chorus musicus“ verfügten. Abermals ist es
das Beispiel der Stadt Altenburg, das in den 1580er Jahren
das Musterbeispiel einer Schule präsentiert, die eine Erziehung zur lutherischen Frömmigkeit mit anspruchsvoller
humanistischer Gelehrsamkeit verbindet. Die Abbildung
zeigt einen tabellarischen Lehrplan der vierten und fünften und damit der beiden höchsten Klassen aus dem Jahre
1584. Er ist der Forschung bislang unbekannt und steht
hier als repräsentatives Beispiel zahlreicher weiterer,
noch unbeachtet gebliebener Zeugnisse, die im Rahmen
der vorgestellten Dissertation ausgewertet werden sollen.
Hier finden sich neben einer vielfältigen sprachlichen und
literarischen Ausbildung die Mathematik und selbst der
von Luther einst angeregte Hebräischunterricht wieder.
Ein Höhepunkt des humanistischen Schulunterrichts war
erreicht.
Andreas Dietmann, M. A.
Jena
9
Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Auf dass „die bluende Iugend nicht vorseumet
werde“!
Thüringische Intellektuelle als Verfasser von
Artikeln über die Sorben in Konversationslexika
des 19. Jahrhunderts
Auf der Spur von Ernst Woldemar Schellenberg und anderen Autoren
Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich die Darstellung der Sorben/Wenden in Konversationslexika des
19. Jahrhunderts – auf den ersten Blick kein thüringisches
Thema, wie man denken könnte. Schließlich beläuft sich
das heutige Siedlungsgebiet der Sorben mit der Nieder- und Oberlausitz auf Brandenburg und Sachsen. Die
Bearbeitung des Projekts zeigt aber schnell, dass in der
Kombination der Themenkomplexe „Sorben/Wenden“
und „Konversationslexika des 19. Jahrhunderts“ mehrere
Forschungsansätze nach Thüringen führen.
Zum einen erstreckte sich das elbslawische Siedlungsgebiet im Mittelalter auch auf den Raum des heutigen
Ostthüringens, vornehmlich am rechten Saale-Ufer. Das
ist hinlänglich bekannt und auch aufgrund der Orts- und
Flurnamen für jedermann leicht nachvollziehbar. Doch
auch die von mir ausgewählte Quellengattung hat einen
starken thüringischen Bezug: zwei der vier großen, im 19.
Jahrhundert wichtigen deutschsprachigen Konversationslexika haben ihren Ursprung auf dem Gebiet des heutigen
Freistaats.
Für die Bearbeitung des Themenkomplexes habe ich als
Quellen hauptsächlich Konversationslexika genutzt, also
veröffentlichte Literatur. Diese fand ich vor allem in Universitäts-Bibliotheken; nennenswert sind in diesem Zusammenhang jene in Leipzig, Frankfurt am Main, Göttingen und Paderborn. Da jedoch die Nachschlagewerke mit
ihren zahlreichen Bänden sowohl platz- als auch kostenintensiv sind, verfügen die Bibliotheken immer nur über
einzelne Auflagen. Daher mussten für eine Bearbeitung
aller Auflagen weit mehr Bibliotheken aufgesucht werden.
In einem Fall wurde ich sogar nur in einem Fachantiquariat
für Lexika fündig, das mich ohne Kaufabsichten meinerseits dennoch freundlich unterstützte. Internet-Konzerne
wie Google sowie andere Seiten bieten Digitalisate von
Büchern aus dem 19. Jahrhundert an, doch auch hier liegt
nur rund die Hälfte der von mir ausgewerteten Lexika vor.
Archivalische Quellen stellen für mein Projekt eine Ausnahme dar. Einzig um Hintergrundinformationen über die
Verfasser der Lexikon-Artikel zu recherchieren, nutzte ich
das Thüringer Staatsarchiv Altenburg sowie das Goetheund Schiller-Archiv in Weimar. Hinweisen möchte ich an
dieser Stelle außerdem auf das Sorbische Kulturarchiv in
Bautzen, auf dessen Archivalien ich besonders bei früheren Projekten (z. B. Master-Thesis) zurückgegriffen habe.
Hintergrundinformationen zur Quellengattung Konversationslexikon
Die Lexika Brockhaus, Meyer, Pierer und Herder trugen
den Beinamen „Konversation“, da sie zu eben dieser anregen wollten. Sie hatten nicht den Anspruch, ausgereifte
10
wissenschaftliche Forschung zu vermitteln oder sich auf
einen bestimmten Themenkomplex zu spezialisieren (wie
z. B. Fach-Enzyklopädien), sondern eine möglichst breite
und verständliche Sammlung an Wissen zur Verfügung zu
stellen. Ähnlich wie heutzutage das Internet-Lexikon Wikipedia verfügten die vier Konversationslexika im 19. Jahrhundert zusammen genommen für den deutschsprachigen
Raum über eine Art Wissens- bzw. Informations-Oligopol.
Wer sich zu einem Thema informieren wollte, schlug mit
großer Wahrscheinlichkeit in einem der vier Werke nach:
Politiker, Journalisten, Prediger, Lehrer usw. Daher ist es
naheliegend, möchte man das damalige Sorben-Bild in
den Köpfen der Deutschen herausfinden bzw. untersuchen, die passenden Lexikon-Einträge zu analysieren.
Als erstes dieser von mir untersuchten Großprojekte kam
ab der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Leipzig der
Brockhaus auf den Markt. Ab 1824 gab Heinrich August
Pierer, zu dieser Zeit noch Mitarbeiter des Brockhaus-Lexikons, in Altenburg sein eigenes Nachschlagewerk heraus.
Ab 1840 folgte der gebürtige Gothaer Joseph Meyer, der
mit seinem Verlag in Hildburghausen ebenfalls ein Konversationslexikon veröffentlichte. Einzig das Herder-Lexikon,
ab 1854 in Freiburg im Breisgau herausgegeben, hat keinen mitteldeutschen Ursprung.
Für die Untersuchung von Lexikon-Artikeln (wie auch bei
jedem anderen Text) ist es unabdingbar, sich über die jeweiligen Autoren zu informieren. Für Herder liegen hierzu
gar keine Informationen vor; für Brockhaus und Meyer
lediglich Mitarbeiterlisten, die teilweise über die Bearbeitungsgebiete der jeweiligen Autoren Aufschluss geben. Die potentiellen Verfasser von Lexikon-Artikeln über
Sorben/Wenden bei Brockhaus und Meyer lassen sich
daher im sächsischen, genauer Leipziger und Oberlausitzer Raum verorten (eine Ausnahme ist hier Joseph Meyer,
der nachweislich für die Erstauflage seines Werkes eine
Vielzahl der Artikel, besonders mit polnisch-slawischem
Bezug, selber verfasst hat). Einzig für das Altenburger Lexikon, den Pierer, sind mittels Kürzeln genaue Autorenangaben vorhanden.
Der Einfluss Altenburger Autoren auf das Sorben-Bild des
19. Jahrhunderts
Folgende Altenburger Autoren haben sich demnach nachweislich mit den Sorben/Wenden befasst: Heinrich August
Pierer, Julius Löbe und Ernst Woldemar Schellenberg. Die
Personen Heinrich August Pierer und Julius Löbe sind einigermaßen bekannt und zu ihnen liegt Sekundärliteratur
vor. Ernst Woldemar Schellenberg hingegen ist relativ unbekannt – hier ist Archiv-Recherche notwendig.
Schellenberg war in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, also zu der Zeit, als er für die zweite Auflage des
Pierers seinen Artikel „Wendische Sprache“ verfasste,
„Prinzeninstruktor“ am Altenburger Hof. Heute würde man
ihn als Privatlehrer bezeichnen. Der Pierer gibt Schellenberg als Fachmann für „slawische, semitische und andere
Sprachen“ an; im Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Sachsen-Altenburg wird er als Lehrer der Prinzen Ernst und Moritz genannt. Schellenberg hat vor seiner
Anstellung am Altenburger Hof in Jena und Weimar studiert und war als Lehrer in Tallinn, St. Petersburg und Moskau tätig. Ab 1844 lehrte er am Gymnasium in Eisenberg
(siehe Programm Eisenberg Gymnasium 1878). Im vom
Thüringischen Staatsarchiv Altenburg verwahrten Nachlass von Wüstemann (siehe Archive in Thüringen 2014,
S. 23f.) sind Briefe von Schellenberg aus dem Jahre 1843
erhalten.
Bei dem Weimarer Schuldirektor und Heimatdichter Ernst
Viktor Schellenberg (1827-1896), der unter dem Pseudonym Ernst Veit den Text der Thüringen-Hymne geschrieben
hat, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Neffen von Ernst Woldemar Schellenberg. Jedenfalls
legt das eine Gedichtsammlung für seinen „theuren Onkel Woldemar Schellenberg“ nahe, die sich im Nachlass
Schellenberg im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar befindet. Des Weiteren liegt hier eine kleine Sammlung mit
Zeitungsausschnitten (u. a. Nachruf in der Weimarischen
Zeitung 1896 und Artikel zum 100. Geburtstag in der Mitteldeutschen Zeitung Erfurt 1927) vor. Aus ihnen geht hervor, dass Ernst Viktor Schellenberg in erster Ehe eine Tochter des slowakischen Dichters Ján Kollár heiratete, der
unter anderem durch seine panslawistischen Ideen Aufsehen erregte – ein weiteres Indiz für die Verbindung der
Familie Schellenberg mit slawischen Intellektuellen. Ferner steht in den Zeitungsausschnitten geschrieben, dass
Universallexikon von Heinrich August Pierer, Altenburg 1842,
Bd. 10
Ernst Viktor Schellenberg in Altenburg geboren wurde und
nicht, wie heutzutage (Stand: April 2015) im Internet-Lexikon Wikipedia und anderen Online-Quellen nachzulesen
ist, in Altenberg im Erzgebirge.
Damit wären wir wieder beim Thema Lexika. Aus meiner
Untersuchung geht hervor, dass es sich bei einigen Artikeln im Meyer, die sich mit einem sorbischen Thema befassen, um Plagiate der Pierer-Artikel handelt. Auch andere Lexika haben sich wiederum (neben dem Brockhaus)
auch an Meyer und Pierer orientiert. Dadurch geht ein
großer Teil des deutschen lexikalischen Sorben-Bildes im
19. Jahrhundert auf Altenburger Autoren zurück. Bemerkenswert ist, dass in vielen zeitgenössischen Texten, auch
in Brockhaus-Artikeln, über die Sorben immer wieder das
Altenburger Land und die Altenburger Bauern als germanisierte Sorben erwähnt werden. Das ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass das Bild über eine Nation von einzelnen
Autoren und ihrer Herkunft (bewusst oder versehentlich)
beeinflusst werden kann.
Cornelius Lehmann, M. A.
Kempen am Niederrhein
11
Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Heinrich August Pierer
(ThStA Altenburg, Bildersammlung, Nr. 3683)
Neue Perspektiven für die Landes- und
Regionalgeschichtsforschung in Thüringen
„Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens“ in Jena eröffnet
Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung
Die Verbindung zwischen universitärer Landesgeschichte,
Archiven und Geschichtsvereinen hat in Deutschland seit
mehr als 150 Jahren eine vielgestaltige leistungsfähige
Forschungslandschaft entstehen lassen. Diese gerät zunehmend in Gefahr. Erst kürzlich fiel der traditionsreiche
Lehrstuhl für Rheinische Landesgeschichte an der Universität Bonn Sparmaßnahmen zum Opfer und wurde mit dem
Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit zusammengelegt. Proteste aus der rheinischen Geschichtskultur änderten daran ebenso wenig wie kritische Reaktionen der
überregionalen Presse. Damit wurde eine seit Jahren anhaltende Fehlentwicklung fortgesetzt und verfestigt. Diese
führt durch eine falsche und klischeehafte Gegenüberstellung von „internationaler“ oder „globaler“ Geschichte auf
der einen, und „regionaler“ Geschichte auf der anderen
Seite häufig dazu, dass sich Geschichtswissenschaft und
Politik der Ergebnisse landes- und regionalgeschichtlicher Forschung bedienen, aber nicht bereit sind, hier zu
investieren. Damit droht die historische Forschung in eine
Schieflage zu geraten: Je weniger lokal-, regional- und landesgeschichtliche Forschung möglich ist, desto pauschaler werden Thesen und Aussagen, desto mehr verliert sie
an Tiefenschärfe und Differenziertheit.
An der Friedrich-Schiller-Universität in Jena konnte zum
1. März 2015 mit der Einrichtung der „Forschungsstelle
für Neuere Regionalgeschichte Thüringens“ ein Zeichen
gegen diesen Trend gesetzt werden. Damit gibt es in Jena
neben der Professur für Thüringische Landesgeschichte,
die ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte im Mittelalter
und der Frühen Neuzeit setzt, erstmals seit 2007 wieder
eine Struktur, die sich in Forschung und Lehre der Landes- und Regionalgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts
widmet. Möglich wurde deren Einrichtung v. a. durch das
private Engagement von Andreas Lesser aus München,
der seit vielen Jahren die thüringische Landesgeschichtsforschung, die landesgeschichtliche Breitenarbeit und
insbesondere die Stadtgeschichte Nordhausens finanziell
und ideell unterstützt. Der Einrichtung der Forschungsstelle waren zweijährige schwierige Verhandlungen vorausgegangen. Schließlich aber konnte die Forschungsstelle,
die nach den ersten drei Jahren evaluiert werden wird und
dann zunächst für weitere drei Jahre finanziert ist, am 27.
Mai dieses Jahres mit einem Festkolloquium in Jena eröffnet werden. Sie besteht aus einer Stelle für die wissenschaftliche Leitung, die von Privatdozent Dr. Stefan Gerber
wahrgenommen wird, und einer Doktorandenstelle, die
in der Anlaufphase vorerst als Projektkoordinatorenstelle
dient.
Zur künftigen Entscheidung über die Doktoranden und
zur Evaluation der Forschungsstelle ist ein Beirat gebildet
worden, in den neben Andreas Lesser renommierte Landeshistoriker aus Thüringen, Hessen und Kiel berufen wurden. Zur Eröffnung am 27. Mai sprachen die Landeshistoriker Prof. Dr. Bernhard Löffler (Regensburg) und Prof. Dr.
12
Werner Freitag (Münster) über theoretisch-methodische
Grundlagen und die Praxis landesgeschichtlichen Arbeitens.
Die Aufmerksamkeit der Forschungsstelle wird sich zu
Beginn auf die regionale Wirtschafts- und Industrialisierungsgeschichte richten. Noch fehlt eine Wirtschafts- und
Sozialgeschichte Thüringens vom 18. bis 20. Jahrhundert,
die die gewerbliche und industrielle Entwicklung der verschiedenen Regionen in den Blick nimmt. Es ist ein folgenschweres Desiderat, dass – abgesehen von Forschungen
zu wenigen einzelnen Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten – die ökonomische Struktur des thüringischen Raumes vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zum
Ersten Weltkrieg noch kaum in aktuellen Fragehorizonten
untersucht ist. Deshalb wird sich ein erstes Projekt mit der
Entwicklung des Textilgewerbes und der Textilindustrie als
zentralem, überregional-europäischen und global agierenden Wirtschaftszweig in Thüringen beschäftigen. Ein
Vergleich mit norditalienischen Regionen öffnet das Vorhaben in Richtung einer europäischen Regionalgeschichte. Hierfür kooperiert die Forschungsstelle mit Prof. Dr.
Uwe Schirmer und Prof. Dr. Thomas Kroll vom Historischen
Institut in Jena.
Die Untersuchung der Kleinstaatlichkeit Thüringens bis
1920 stellt ein zweites Interessenfeld dar. Bei der Erforschung kleinstaatlicher Politikfelder neben der kulturellen
Prestigepolitik, die viele Querverbindungen zur Diskussion um moderne Staatlichkeit in Geschichts- und Politikwissenschaft der Gegenwart ermöglicht, gibt es ebenfalls
beträchtlichen Nachholbedarf.
Auch die landesgeschichtlichen Jubiläen 2018/2019 (Revolution und Umbruch in Thüringen, Weimarer Nationalversammlung) und 2020 (Landesgründung) werden die
Arbeit bestimmen: Thüringen als politisches Experimentierfeld in der Weimarer Republik, das es zu anderen Innovations- und Reformzentren in Beziehung zu setzen gilt.
Der Forschungsbedarf ist auch hier groß: Ansätze, die im
zurückliegenden Jahrzehnt entwickelt worden sind, müssen weitergeführt werden, um die Rolle dieses einzigen in
der Weimarer Republik neugebildeten Landes und seiner
Politik zwischen Innovation und Ideologie in den 1920er
Jahren genauer ausleuchten zu können.
In der Förderung landesgeschichtlicher Lehre treffen
schließlich die Interessen von forschenden Archiven und
landesgeschichtlicher Forschung an der Universität zusammen: Weit stärker als bislang müssen Studentinnen
und Studenten an landesgeschichtliche Themen und
Quellen herangeführt werden. Die Forschungsstelle Jena
bietet auch dafür einen guten Ausgangspunkt.
PD Dr. Stefan Gerber
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zum Wintersemester 2014/15 wurden der neue Master- der Ludowinger im Mittelalter bis hin zur Gründung des
studiengang „Sammlungsbezogene Wissens- und Kul- Freistaats Thüringen im Jahr 1920 bietet vielfältige Mögturgeschichte“ eröffnet und erstmals auch durch das lichkeiten, sich mit einzelnen Epochen und speziellen
Staatsarchiv Gotha Lehrveranstaltungen angeboten. Das Sammlungsbeständen zu beschäftigen. Die vom Staatsinterdisziplinäre Studienprogramm bezieht sich insbe- archiv Gotha angebotenen Lehrveranstaltungen sollen
sondere auf die wissenschaftlichen Sammlungen und ausgehend von der Theorie der Verwaltungs- und Rechtshistorischen Bestände der Universität Erfurt und des geschichte in die archivische Praxis einführen und grundForschungs-, Wissens- und Kulturstandorts Gotha. Es legende Tätigkeiten der Archive vermitteln. Es werden
ermöglicht eine intensive Beschäftigung mit systemati- Fragen der Archivtheorie und -praxis behandelt sowie an
schen und geschichtlichen Aspekten dieser und anderer praktischen Beispielen die Tätigkeit der Archivare erläuSammlungen, der kulturellen Praxis des Sammelns und tert. Dabei geht es um die Themen Überlieferungsbildung,
der Sammlungsforschung. Es werden historisches Wissen archivische Erschließung, Einsatz von EDV und elektronisowie Methoden und Konzepte der Historischen Hilfswis- sche Erschließungsprogramme sowie Digitalisierung von
senschaften, der Museumspädagogik, des Ausstellungs- Archivgut. Es sollen erste Erfahrungen im Archiv gesamwesens und der Verfassungs- und Verwaltungswissen- melt und theoretisches Wissen in die archivische Praxis
schaften vermittelt, welche zum wissenschaftlichen und umgesetzt werden. Ebenso gehört zum Angebot die Einpraktischen Umgang mit Sammlungen befähigen.
führung in die Historischen Hilfswissenschaften, um das
Ziel des Masterprogramms ist der Erwerb und die Vertie- Rüstzeug für den Umgang mit den Quellen zu erwerben.
fung von Kenntnissen und methodischen Fähigkeiten zur Paläographie, Übungen zur Chronologie, Siegelkunde und
eigenständigen wissenschaftlichen Erschließung von Fragen zu Genetik und Systematik von Archivalien bilden
Zusammenhängen zwischen Sammlungs- und Wissen- die Grundlage für die Arbeit im Archiv und gehören zu den
(schaft)sgeschichte seit dem Mittelalter. Zu den polydiszi- Grundfertigkeiten, die im Laufe des Studiums beherrscht
plinären Kompetenzen gehören insbesondere das Wissen werden sollen.
über die Genese und Entwicklung von Sammlungen von
den Kunstkammern der Frühen Neuzeit über die speziali- Dr. Steffen Arndt
sierten Darstellungsformen und -medien des 18./19. Jahr- Thüringisches Staatsarchiv Gotha
hunderts bis hin zu den Sammlungen der Moderne. Darüber hinaus
sollen Einsichten in die Spezifik v. l. n. r. Prof. Dr. Alexander Schunka, Prof. Dr. Susanne Rau, Prof. Dr. Martin Eberle,
einzelner Sammlungstypen wie Ar- Prof. Dr. Sebastian Strobl, Prof. Dr. Martin Mulsow, Prof. Dr. Sabine Maier,
chive, Museen und wissenschaft- Dr. Steffen Arndt, Dipl.Rest. Karin Kosicki
liche Bibliotheken in objektzen- (Foto: Pressestelle der Universität Erfurt)
trierter Lehre vermittelt werden. Es
werden Expertinnen und Experten
ausgebildet, die theoretisch und
praktisch mit Sammlungen umgehen und diese für eine breitere
Öffentlichkeit sichtbar machen
können. Die Studierenden werden
insbesondere auf sammlungsbezogene Forschungen vorbereitet,
gleichermaßen aber auch für die
wissenschaftliche Mitarbeit in
Sammlungen in Museen, Archiven
und Bibliotheken sowie in Projekten zur Erschließung und Vermittlung von Sammlungen mit digitalen Medien qualifiziert. Darüber
hinaus bereitet der Studiengang
auf eine Tätigkeit im Archiv- und
Bibliothekswesen vor.
Das Staatsarchiv Gotha mit seinen bedeutenden historischen
Beständen von der Herrschaft
13
Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung
Eröffnung des Master-Studiengangs
„Sammlungsbezogene Wissens- und
Kulturgeschichte“ an der Universität Erfurt
Einblicke in die Ausbildung der Fachangestellten
für Medien- und Informationsdienste
am Staatlichen Berufsschulzentrum in Sondershausen (SBZ)
Berufsbild – Ausbildungsberuf in fünf Fachrichtungen
Seit dem 1. August 1998 gibt es den Beruf Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste (FaMI). Hinter
dieser Berufsbezeichnung verbergen sich Fachkräfte, die
in einer dreijährigen dualen Ausbildung zu Informationsspezialisten für fünf verschiedene Fachrichtungen ausgebildet werden.
Da die fünf Fachrichtungen Archiv, Bibliothek, Information und Dokumentation, Bildagentur sowie Medizinische
Dokumentation neben fachrichtungsspezifischen Besonderheiten zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen, wurde
von der Kultusministerkonferenz ein Rahmenlehrplan für
die Umsetzung im Berufsschulunterricht geschaffen, in
den alle fünf Fachrichtungen integriert sind.
Zu den gemeinsamen Hauptaufgaben aller Fachrichtungen gehören:
• Beschaff ung und Bearbeitung von Medien und Informationen,
• Sicherung von Medienbeständen und sonstigen Informationsträgern,
• Recherche in Datenbanken und Datennetzen,
• Information, Beratung und Betreuung von Kunden und
Nutzern,
• Mitwirkung an der Öffentlichkeitsarbeit und am Marketing.
Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung
Darüber hinaus üben die Fachangestellten für Medienund Informationsdienste fachspezifische Tätigkeiten aus.
Die Ausbildung nach dem Fachrichtungsmodell sieht zwei
Drittel gemeinsame Qualifikationen in allen fünf Fachrichtungen und ein Drittel spezifische Qualifikationen in der
gewählten Fachrichtung vor. Dies hat für die ausbildenden
Betriebe zur Folge, umfassende gemeinsame Fertigkeiten
und Kenntnisse zu vermitteln. Damit wird eine spätere
Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt unterstützt. Zahlreiche
Betriebe ermöglichen ihren Auszubildenden Praktika in
unterschiedlichen Einrichtungen mehrerer Fachrichtungen. Einige unterstützen außerdem Praktika im europäischen Ausland, die gemeinsam mit der Berufsschule und
dem Business und Innovation Center Nordhausen (BIC)
organisiert werden.
In Sondershausen wurden von Anfang an bewusst fachrichtungsübergreifende Klassen gebildet. Allen Auszubildenden werden die gleichen Kenntnisse vermittelt,
wobei es zahlreiche Möglichkeiten gibt, fachrichtungsbezogene Aufgaben in den Unterricht und die Projekte
zu integrieren. Wir haben außerdem festgestellt, dass es
für die Auszubildenden interessanter ist, wenn mehrere
Fachrichtungen in einer Klasse vertreten sind, da sie ihre
Erfahrungen austauschen können und ein besseres Verständnis für die anderen Fachrichtungen bekommen.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten und Methoden, die wir
als Berufsschule nutzen, um durch spezielle Angebote
die im Lehrplan geforderten Kompetenzen zu vermitteln.
Im Folgenden werden exemplarisch einige Varianten dargestellt.
Projektarbeit – Handlungsorientiertes Aneignen von
Kenntnissen und Fertigkeiten
Neben einzelnen Projekten in den speziellen Lernfeldgruppen werden in unserer Berufsschule einige fächerübergreifende Projekte durchgeführt. Tradition haben
inzwischen die Projektwochen im zweiten und dritten
Projektwoche 2010. Schüler des dritten Ausbildungsjahres präsentieren ihre Ergebnisse zum Thema „55 Jahre Thüringische
Bibliotheksschule Sondershausen“ im Rahmen des Projektes „Zeitensprünge“ der Stiftung demokratische Jugend in der Aula
(Foto: Uwe Kunze)
14
Fremdsprachige Kommunikation und bilingualer Unterricht
An berufsbildenden Schulen können Auszubildende
an berufsbezogenen Prüfungen zur Zertifizierung ihrer
Fremdsprachenkompetenzen teilnehmen. In Thüringen gibt es eine solche berufsbezogene Prüfung für die
Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in
englischer Sprache. In der Prüfung spiegeln sich die Ausbildungsinhalte wider, die in der Lernfeldgruppe „Fremdsprachige Kommunikation“ in der Berufsschule erworben
wurden.
Das KMK-Fremdsprachenzertifikat (Zertifikat der Kultusministerkonferenz) in Englisch dient dem Nachweis der
Fremdsprachenkompetenz in vier Kompetenzbereichen
(Rezeption, Produktion, Mediation und Interaktion) und
Projektwoche 2012. Schüler des dritten Ausbildungsjahres
arbeiten zum Thema „Marketing und Öffentlichkeitsarbeit“
(Foto: Uwe Kunze)
kann auf zwei unterschiedlichen Stufen (B1 und B2 – „Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen“)
erworben werden. Die Auszubildenden entscheiden
selbst, ob sie an der Prüfung teilnehmen und welche Niveaustufe sie wählen. Durchgeführt werden der schriftliche und mündliche Teil der Prüfung am SBZ Kyff häuserkreis. Die Erfolgsquote liegt bei 98 Prozent.
Die Durchführung von bilingualen Modulen im Fachunterricht ist eine gute Möglichkeit, um Englisch als Arbeitssprache berufsbezogen einzusetzen. Bewährt hat sich
die Umsetzung im Tandem, wobei Englischlehrkräfte mit
Fachlehrern zusammenarbeiten. Bei den FaMIs wird z. B.
im dritten Ausbildungsjahr ein Informationsangebot aus
dem Internet bilingual präsentiert.
Interessierte Auszubildende und Lehrerteams werden bei
der Durchführung von Auslandsaufenthalten mit Sprachkursen und Praktika in Informationseinrichtungen aktiv
vom Kooperationspartner Europaservice Nordthüringen
unterstützt.
Gastdozenten im Unterricht
Es besteht die Möglichkeit, dass Gastdozenten einige Unterrichtsstunden zu speziellen Themenkomplexen übernehmen. In Absprache mit den Fachlehrern werden Experten angesprochen und eingeladen, einige Unterrichtseinheiten zu übernehmen. In der Fachrichtung Archiv hat
sich die Zusammenarbeit mit dem Hauptstaatsarchiv
Weimar bewährt. Hier wird insbesondere das Erfassen
und Erschließen von Archivalien mit einer speziellen Archivsoftware vermittelt.
Lernortkooperation – Fachexkursionen
Während der theoretischen Ausbildung steht den Klassen
pro Jahr ein Unterrichtstag zur Verfügung, der für Fachexkursionen genutzt werden kann. Gemeinsam mit der
Klassenlehrerin entscheiden die Auszubildenden, welche
Informationseinrichtungen sie besuchen möchten. Beliebte Ziele sind Archive, Bibliotheken, Museen und andere Institutionen mit Bezug zur Ausbildung. Hierzu gehö-
Begrüßung des ersten Ausbildungsjahres am 21.9.2014 in der
Aula des SBZ Kyff häuserkreis
(Foto: Stefan Bosbach)
15
Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung
Ausbildungsjahr, in denen es um das „Erstellen eines
Informationsdienstes“ sowie „Marketing und Öffentlichkeitsarbeit“ geht. Im Rahmen dieser Projektwochen haben einzelne Gruppen Beiträge erarbeitet, mit denen sie
erfolgreich an Wettbewerben teilgenommen haben und
ihre Ergebnisse landes- und bundesweit präsentieren
konnten.
An der Planung und Durchführung der Projektwochen ist
das unterrichtende Lehrerteam beteiligt. Es wird ein gemeinsamer Projektauftrag formuliert, das Erwartungsbild
hinsichtlich der Kompetenzen und der Ergebnisse sowie
die Bewertung festgelegt. Während des Projektes stehen
die Lehrer als Berater zur Verfügung. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens können sich die Auszubildenden ihr
Thema selbst wählen und kreativ umsetzen. In Kleingruppen (in der Regel vier Personen) erarbeiten sie selbständig ihre Projektergebnisse.
Während der Projektarbeit trainieren die Auszubildenden
ihre Methoden- und Lernkompetenz. Sie nutzen moderne
Informations- und Kommunikationssysteme, optimieren
ihre Kommunikationsfähigkeit und stellen ihre Teamfähigkeit unter Beweis. Sie präsentieren ein gemeinsames
Ergebnis und setzen sich aktiv mit ihrer Arbeits- bzw. Vorgehensweise auseinander.
Teilnehmer der Bundesfachtagung der FaMI-Lehrer in Sondershausen vom 6.-9.5.2014
(Foto: Uwe Kunze)
ren z. B. die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig, das
Hauptstaatsarchiv in Weimar, die Außenstelle des BStU
in Erfurt, das Stadtarchiv Erfurt, die Thüringer Allgemeine
und der MDR.
Veranstaltung werden Informationen ausgetauscht und
gemeinsame Weiterbildungsangebote wahrgenommen.
Lehrer unserer Schule stellen Unterrichtssequenzen vor
und Ausbilder der verschiedenen Fachrichtungen stellen
ihre Einrichtungen und Tätigkeitsbereiche vor. In Workshops werden gemeinsam Themen diskutiert, die für alle
von Interesse sind.
Seit vielen Jahren gibt es außerdem ein jährlich stattfindendes bundesweites Treffen der Berufsschullehrer, die
Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste unterrichten. Dieser Austausch ist wichtig und interessant,
da die Umsetzung des KMK-Rahmenlehrplanes in jedem
Bundesland unterschiedlich ist. Verbunden wird dieses
Treffen jeweils mit Weiterbildungsangeboten in Zusammenarbeit mit Ausbildungseinrichtungen aller fünf Fachrichtungen sowie Gesprächen in Arbeitsgruppen, in denen es insbesondere um zu vermittelnde Inhalte, Methoden und das Erarbeiten von Unterrichtsmaterialien geht.
Kooperation von Berufsschule/n und Ausbildungseinrichtungen
Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung
Seit der Neuordnung des Berufes arbeiten die Lehrer des
SBZ Kyff häuserkreis eng mit den Ausbildern zusammen.
Es gibt eine „Arbeitsgruppe Theorie und Praxis“, in der
gemeinsam über die Umsetzung der Ausbildungsinhalte
diskutiert wird und in der die Verantwortungsbereiche
der Ausbildung inhaltlich und organisatorisch abgesprochen werden.
Einmal pro Jahr kommen die Ausbilder im September zur
Ausbilderberatung nach Sondershausen, um den Kontakt
zur Berufsschule zu pflegen. Während dieser zweitägigen
Zahl der Auszubildenden von 2000 bis 2015 jeweils im Jahr der Abschlussprüfung entsprechend der gewählten Fachrichtung.
Abschlussjahr
Fachrichtung
Archiv
Bibliothek
Bildagentur
Information u.
Dokumentation
Medizinische
Dokumentation
Gesamtzahl
16
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Ges.
0
120
0
10
36
0
6
48
0
5
47
0
4
32
0
4
30
0
1
31
0
5
37
0
4
31
0
5
37
0
11
29
0
15
15
0
5
24
0
9
28
0
6
18
0
4
22
0
94
585
0
0
17
2
5
3
4
2
7
4
0
2
4
3
3
0
4
60
0
120
0
63
0
56
1
58
0
39
0
38
0
34
0
49
0
39
0
42
0
42
0
34
0
32
0
40
1
25
0
30
2
741
Bei den bundesweiten Treffen wurde deutlich, dass die
Fachrichtung Bibliothek überwiegt und die anderen Fachrichtungen oftmals mit nur wenigen Auszubildenden vertreten sind. Für die Berufsschulen bedeutet dies, dass
fachrichtungsgemischte Klassen dominieren.
Sowohl der Austausch mit anderen Berufsschullehrern
als auch die Aussagen von Ausbildern haben uns darin
bestätigt, den eingeschlagenen Weg mit fachrichtungsübergreifenden Klassen unter Berücksichtigung fachrichtungsspezifischer Besonderheiten fortzusetzen.
Entwicklung der Schülerzahlen
Im Jahr 2000 hatten erstmals 120 Auszubildende aus
allen neuen Bundesländern nicht als Assistenten an Bibliotheken, sondern als Fachangestellte für Medien- und
Zahl der Auszubildenden, die sich zurzeit im 1. und 2. Ausbildungsjahr befinden sowie die voraussichtliche Gesamtzahl
aller Absolventen von 2000 bis 2017.
Abschlussjahr
Fachrichtung
Archiv
Bibliothek
Bildagentur
Information u.
Dokumentation
Medizinische
Dokumentation
Gesamtzahl
2016
2017
Gesamt
2
20
0
3
21
0
5
41
0
2
2
4
0
25
0
28
0
53
Abschlussjahr
2000 - 2017
Fachrichtung
Archiv
Bibliothek
Bildagentur
Information u.
Dokumentation
Medizinische
Dokumentation
Gesamtzahl
insgesamt
99
626
0
Informationsdienste die Prüfung abgelegt. Im Jahr 2001
nahmen einmalig 22 Auszubildende einer dreijährigen
Berufsfachschule in den Fachrichtungen Archiv sowie Information und Dokumentation teil.
Seit dem Abschlussjahrgang 2004 besuchen überwiegend FaMIs aus Sachsen-Anhalt und Thüringen die Berufsschule in Sondershausen. Die Fachrichtung Information und Dokumentation wird auch für das Bundesland
Sachsen unterrichtet.
Zu den Ausbildungseinrichtungen der Fachrichtung Archiv gehören insbesondere Staatsarchive, Kreisarchive,
Stadtarchive, Universitätsarchive und die Behörde des
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU).
Aktuell bilden die Außenstellen des BStU, das Hauptstaatsarchiv Weimar, das Stadtarchiv Köthen und das
Universitätsarchiv Halle FaMIs aus. Ausbildungseinrichtungen in der Fachrichtung Information und Dokumentation sind das Stadtarchiv Halle und der MDR.
Weitere Informationen zur Berufsschule, zu schulischen
Aktivitäten und Fotos – z. B. von der Begrüßung neuer
Auszubildender in unserer Aula – finden Sie auf unserer
Homepage www.sbz-kyff haeuserkreis.de.
Helga Gudacker, M. A.
Sondershausen
64
2
791
17
Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung
Staatliches Berufsschulzentrum Kyff häuserkreis – Schulteil 1 (vormals: Thüringische Bibliotheksschule Sondershausen)
(Foto: Uwe Kunze)
13. Jahresarbeitstagung des Thüringischen
Staatsarchivs Meiningen mit den
Kommunalarchivaren Südwestthüringens
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Die 13. Jahresarbeitstagung des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen mit den Kommunalarchivaren Südwestthüringens fand am 15. April 2015 statt. Ort der Veranstaltung war in diesem Jahr das Stadtarchiv Suhl. Neben
Dr. Norbert Moczarski, Silke Hermann, Carolin Baumann,
Constanze Siemann und Sabine Keßler, alle vom Thüringischen Staatsarchiv Meiningen, sowie Friederike Peter,
Praktikantin im Staatsarchiv, nahmen 19 Kommunalarchivare und Archivfachangestellte aus 15 Stadt- und Kreisarchiven teil.
Andrea Walther, Leiterin des Stadtarchivs Suhl, begrüßte
die Anwesenden im Auftrag der Stadtverwaltung Suhl und
erläuterte kurz den Umstand und die Situation der derzeitigen Unterbringung des Stadtarchivs. Das Suhler Stadtarchiv ist seit 2009 provisorisch in einem ehemaligen Berufsschulgebäude in Suhl-Goldlauter untergebracht. Nach
der Fertigstellung des Hauses der Geschichte (früher Haus
der Philharmonie am Platz der Deutschen Einheit) soll das
Stadtarchiv dort seinen endgültigen Standort finden. Die
Baumaßnahmen an diesem Objekt werden jedoch derzeit
durch die prekäre Haushaltslage der Stadt Suhl und durch
stadtpolitische Unstimmigkeiten verzögert.
Im Anschluss an diese Begrüßung hieß auch Herr Dr.
Moczarski, amtierender Direktor des Thüringischen
Staatsarchivs Meiningen, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer willkommen und informierte über den Ablauf der
Jahresarbeitstagung. Ute Simon (Stadt- und Kreisarchiv
Schmalkalden) gab dann einen kurzen Bericht zum 84.
Deutschen Archivtag, der Ende September 2014 unter
dem Rahmenthema „Neue Wege ins Archiv – Nutzer, Nutzung, Nutzen“ in Magdeburg stattfand. Andrea Walther
schilderte den Verlauf der 23. Bundeskonferenz der Kom-
munalarchivare (12.-14.11.2014 in Potsdam) zum Thema
„Personen- und bevölkerungsgeschichtliche Quellen in
Kommunalarchiven“. Nach anschließender kurzer Diskussion berichtete Andrea Keiner (Kreisarchiv Hildburghausen) über die Tagung der Kreisarchivare im Thüringer
Landkreistag am 18. März 2015 in Erfurt.
Im Anschluss erhielten die Tagungsteilnehmer verschiedene Informationen seitens des Staatsarchivs zur Kenntnis. Silke Hermann berichtete über die pflichtgemäße
Rückführung der Personalakten der DDR-Schulämter an
die Kommunalarchive, wofür derzeit noch keine schriftlichen Festlegungen getroffen sind. Außerdem erklärte sie
kurz die Veränderungen der Homepage des Freistaates
Thüringen und der Staatsarchive. Dr. Moczarski erläuterte einige strukturelle Änderungen im Zusammenhang mit
dem Regierungswechsel im Land Thüringen. Er gab auch
den momentanen Stand der Onlinestellung von Findmitteln des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen bekannt
und verwies auf das derzeit in Aufbau befindliche Digitale
Archiv der Thüringischen Staatsarchive bei der Thüringer
Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Dort befinden
sich bereits einzelne Bestände, die auch abgerufen werden können.
Dr. Moczarski lud alle Veranstaltungsteilnehmer zum
diesjährigen Tag der offenen Tür mit historischem Buchhof am 13. September 2015 im Archivdepot Suhl ein. Des
Weiteren informierte er darüber, dass die Stasiüberprüfungsunterlagen von kommunalen Körperschaften, welche laut § 20 Abs. 3 Stasiunterlagengesetz entweder den
Staatsarchiven oder den Kommunalarchiven angeboten
werden müssen, auf jeden Fall an die Kommunalarchive übergeben werden sollten, da sich die Thüringischen
Teilnehmer der Jahresarbeitstagung der Kommunalarchivare
während der Beratung
(Foto: Norbert Moczarski)
Archivführung durch das provisorische Stadtarchiv Suhl
(links Andrea Walther, Leiterin des Stadtarchivs)
(Foto: Norbert Moczarski)
18
Staatsarchive einvernehmlich gegen eine Übernahme
entschieden haben. Aus aktuellem Anlass verwies Dr.
Moczarski auch auf die oftmals fälschlicherweise an die
Staatsarchive gerichteten Aktenanbietungen von Wasser- und Abwasserzweckverbänden. Diese Unterlagen
müssen auf jeden Fall den Kommunalarchiven angeboten
werden.
Erneut wurden die beim 2001 in Jena errichteten Registergericht archivierten Registerunterlagen angesprochen,
welche aufgrund der Fülle der Unterlagen und Personalmangels wieder an die zuständigen Staatsarchive aufgeteilt wurden. Altregisterunterlagen der ehemaligen
Abteilungen Örtliche Versorgungswirtschaft und Landwirtschaft, also LPG-, PGH- und Genossenschaftsregister, sollen in naher Zukunft nach Absprache an die Kommunalarchive zurückgegeben werden. Sabine Keßler gab
einen kurzen Überblick über den Bearbeitungsstand der
von der Rhenus AG Großbeeren übernommenen Wirtschaftsakten, den zeitlichen Aufwand und die Ankündigung weiterer Lieferungen in der nächsten Zeit.
Carolin Baumann informierte anschließend über fehlende einheitliche Richtlinien für die Bewertung von kommunalem Schriftgut. Sie verteilte in diesem Zusammenhang die neue Richtlinie des Innenministeriums über
die Aufbewahrung von Schriftgut in der Verwaltung des
Freistaates vom 11.7.2014 als Orientierung, da es darin
einige Übereinstimmungen bzw. Überschneidungen für
Landes- und kommunales Schriftgut gibt. Auch gab Baumann noch einen aktuellen Stand zur Entwicklung des in
Aufbau befindlichen Digitalen Magazins des Freistaats
Thüringen (ThELMA – Thüringisches Elektronisches Magazin), welches im Jahr 2016 freigeschaltet werden soll.
Im Anschluss an diese Informationen gab es noch einige
Fragen seitens der Kommunalarchivare, welche untereinander und mithilfe der Mitarbeiter des Thüringischen
Staatsarchivs weitgehend beantwortet werden konnten.
Die Jahresarbeitstagung wurde abgerundet mit einer Führung von Andrea Walther durch die Räumlichkeiten, in denen das Stadtarchiv derzeit provisorisch untergebracht
ist. Es wurden einige Magazinräume sowie die Archivbibliothek gezeigt. Frau Walther gab dazu interessante Fakten zu einzelnen Beständen und deren Historie bekannt.
Anhand einiger Grundrisse erläuterte sie auch die zukünftig geplante Unterbringung im Haus der Geschichte nach
dessen Fertigstellung. Die Führung war ein gelungener
Abschluss der Tagung und rückblickend kann festgestellt
werden, dass es für alle Beteiligten auch in diesem Jahr
eine interessante Veranstaltung war, die wieder zur Lösung fachlicher Probleme beigetragen hat.
Sabine Keßler
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen
Am 27. April 2015 bereitete sich der Weimarer Notfallverbund in der Gedenkstätte Buchenwald mit einer Übung
auf den Katastrophenfall in einer Weimarer Kulturinstitution vor. Damit führte der Notfallverbund bereits die vierte Übung seit seiner Gründung im Jahre 2003 zum Kulturgutschutz durch.
Während in der ersten großen Übung im Thüringischen
Hauptstaatsarchiv Weimar im Jahre 2005 die Bergung
und Erstversorgung von geschädigtem Archiv- und Bibliotheksgut im Vordergrund stand, übten die Kolleginnen
und Kollegen aus den Weimarer Kulturinstitutionen 2009
den Aufbau einer Sandsackschutzmauer am hochwassergefährdeten Bienenmuseum. 2012 schließlich wurden an
Hand einer neuerlich unangekündigten Übung der Inhalt
und die Nutzung der im Jahr zuvor vom Notfallverbund
zusammengestellten und beschaff ten sechs Kulturgutschutzcontainer für die Bewältigung von Notfällen beim
Amt für Brand- und Katastrophenschutz vorgestellt. Daneben wurden auch die praktische Handhabung der verschiedenen Arten von Feuerlöschern sowie wiederum die
Erstversorgung von Archiv- und Bibliotheksgut durchgeführt.
Die diesjährige Übung fand in der Gedenkstätte Buchenwald im ehemaligen Kammergebäude statt. Durch
die Schließung der bisherigen Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald konnten
Teile der Ausstellungsräume realitätsnah hergerichtet
werden, ehe dann die neue Ausstellung vorbereitet wird.
Im Mittelpunkt der wiederum unangekündigten Übung
stand neben dem Testen der Alarmierungsketten in den
Einrichtungen und im Verbund das Bergen und Verpacken
von Kulturgut aus Museums- und Ausstellungsräumen.
Dabei wurden beispielsweise verschiedene Möglichkeiten des Öff nens von Tisch- oder Wandvitrinen sowie die
Möglichkeiten für das Abhängen von Gemälden vorgestellt und geübt. Auch das Verpacken des heterogenen
und häufig sperrigen oder fragilen Museumsgutes konnte
unter sachkundiger Anleitung selbst durchgeführt werden. An der bereits seit längerem geplanten Übung nahmen etwa 60 Mitarbeiter von zehn im Weimarer Notfallverbund organisierten Kultureinrichtungen teil. Begleitend
standen Experten von Polizei und Feuerwehr zur Verfügung. Letztere hatte wiederum die Kulturgutschutzcontainer des Weimarer Notfallverbundes vor Ort gebracht,
um so den Teilnehmern deren Inhalt und Nutzung vorstellen zu können. Das Thüringische Hauptstaatsarchiv
Weimar stellte mit 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
das stärkste Kontingent, einschließlich der Spezialisten
der Restaurierungswerkstatt, die in Katastrophenfällen
besonders wichtig sind.
Neben dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar
gehören dem Notfallverbund folgende Institutionen an:
19
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Weimarer Notfallverbund übt Bergung
von Kulturgut im Katastrophenfall
Ein Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar zeigt den
Übungsteilnehmern die verschiedenen Möglichkeiten des
Hängens und Abnehmens von Gemälden.
(Foto: Notfallverbund)
Die Vorsitzende des Notfallverbundes, Anke Few, Restauratorin bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, demonstriert das sachgerechte Verpacken von Museumsgut.
(Foto: Notfallverbund)
Bauhaus Universität Weimar, Evangelisch-Lutherische
Kirchgemeinde Weimar, Hochschule für Musik „Franz
Liszt“, Katholische Kirchengemeinde Weimar, Klassik
Stiftung Weimar, Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege mit dem Museum für Ur- und Frühgeschichte
Thüringens, Stadt Weimar (Stadtarchiv Weimar, Stadtmuseum Weimar, Amt für Brand- und Katastrophenschutz/
Rettungsdienst), Stiftung Gedenkstätten Buchenwald
und Mittelbau Dora, Stiftung Thüringer Schlösser und
Gärten sowie die Senckenberg Forschungsstation für
Quartärpaläontologie Weimar.
Volker Graupner
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar
Nicolaus von Amsdorff
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Wiederentdeckung eines vergessenen Manuskriptbandes
Am 14. Mai 2015 jährte sich der Todestag des Reformators Nicolaus von Amsdorff zum 450. Mal. Am 3. Dezember
1483 in Torgau geboren, besuchte er zunächst die Leipziger Thomasschule und die Leipziger Universität, um dann
seine Studien an der neugegründeten Universität in Wittenberg fortzusetzen. Dort erwarb er den akademischen
Grad eines Licentiaten der Theologie. Seit 1516 gehörte
Nicolaus von Amsdorff zum engeren Freundeskreis Martin
Luthers. Er begleitete ihn 1519 zur Leipziger Disputation
und 1521 auf den Reichstag von Worms und war in dessen
geplante Entführung auf die Wartburg eingeweiht. 1524
ging er nach Magdeburg, um dort gegen den Widerstand
des Domkapitels und Teilen des Stadtrates die Reformation einzuführen und zu etablieren. Andere Städte liehen
sich den erfolgreichen Reformator gewissermaßen aus,
so Goslar und Einbeck. 1542 wurde er auf Drängen des
Kurfürsten Johann Friedrich durch Martin Luther im Naumburger Dom zum Bischof von Naumburg-Zeitz ordiniert. Er
war der erste und der einzige evangelische Bischof im damaligen Deutschen Reich. Seine Einsetzung zum Bischof
gegen den Widerstand des Naumburger und Zeitzer Domkapitels stellte einen klaren Rechtsbruch dar und so sah
20
sich Nicolaus von Amsdorff in seinem Amt vielfältigen Anfeindungen ausgesetzt. Seit Ende des Schmalkaldischen
Krieges lebte Nicolaus von Amsdorff – nun als „Exul“, wie
er sich selbst bezeichnete – zunächst in Weimar und Gotha am Ernestinischen Hof. 1550 ging er nach Magdeburg,
kehrte aber 1552 nach Thüringen zurück. Seinen letzten
Wohnsitz hatte er in Eisenach, wo er bis zu seinem Tod das
Amt eines Generalsuperintendenten innehatte.
Hat er auch schon in seiner ersten Magdeburger Zeit (15241542) eine Fülle polemischer Schriften veröffentlicht, so
nahm er diese Arbeit nach dem Schmalkaldischen Krieg
wieder auf. Er verfasste eine unübersehbare Menge von
Streitschriften, mit denen er sich in die Auseinandersetzungen der lutherischen Theologen einmischte. Die Folge
war, dass er sich mit fast allen ehemaligen Weggefährten
Martin Luthers zerstritt, mit Philipp Melanchthon, Justus
Menius, Johannes Bugenhagen u. a. m. Er befürchtete, die
reine lutherische Lehre könne aufgeweicht und verfälscht
werden. So verstand er sich als berufener Verwalter des
theologischen Erbes Martin Luthers. In Konkurrenz zur
Wittenberger gab er die Jenaer Ausgabe von Luthers
Werken mit anderen Theologen heraus, überwachte bei
21
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Visitationen in Thüringen die Rechtgläubigkeit der Pfarrer und Schulmeister und schrieb eine Fülle von
theologischen Polemiken, von denen
nicht alle veröffentlicht wurden.
Nach seinem Tod wurde der Nachlass
Nicolaus von Amsdorffs verstreut.
Heute findet sich der Hauptteil seiner
Handschriften im Hauptstaatsarchiv
Weimar, gesammelt in fünf umfangreichen Foliobänden, die Autographen und zeitgenössische Kopien
seiner Schriften enthalten. Ein Nachlassband befindet sich im Lutherhaus in Wittenberg. Weitere Handschriften besitzen die Forschungsbibliothek Gotha und die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Nun
ist ein bislang vergessener Band mit
Handschriften Nicolaus von Amsdorffs bei der Katalogisierung der Eisenacher Ministerialbibliothek wieder aufgetaucht. Diese umfangreiche
Bibliothek mit Büchern aus dem 15.
bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
gelangte 2014 als Depositum in das
neue Landeskirchenarchiv Eisenach.
Wie der Band mit den Amsdorff-Handschriften in die ehemalige Ministerialbibliothek gekommen ist, kann
nicht mehr geklärt werden. Die in ihm
gesammelten Manuskripte sind vermutlich nach dem Tode Nicolaus von
Amsdorffs in Eisenach verblieben.
Als Sebastian Khymäus die Ministerialbibliothek 1596 anlegte, wird er
dieser die Handschriften zugeordnet
haben. Auf dem Einbanddeckel ist
noch sehr schwach eine handschriftliche Notiz aus dem 16. Jahrhundert
zu erkennen, die vermutlich so zu
lesen ist: Geschriebene Collectanea Amsdorffij. Der am Ende des 19.
Jahrhunderts gedruckte „Katalog zur
geistlichen Ministerial = Bibliothek
zu Eisenach“ führt auf S. 26 den
Handschriftenband unter „b. Symbolik und Apologetik. Fol. auf: Amsdorf, Collectanea. (Manuskript)“. Im
19. Jahrhundert sind die Manuskripte neu gebunden worden, wobei man Nicolaus von Amsdorff: Beginn der Exzerpte zum Propheten Joel aus „ENARRATIO D.
offenbar das alte Einbandmaterial, MARTINI LVTHERI IN TRES PROPHETAS“. Bl. 200r
eine Pergamenthandschrift aus dem (Landeskirchenarchiv Eisenach, Ministerialbibliothek, DepGK00037)
15. Jahrhundert, wieder verwendete.
Dabei wurden mehrere Bögen und
Blätter vertauscht, so dass viele der Schriften zerteilt Fassungen und Abschriften in dem Wittenberger und den
wurden.
Weimarer Amsdorff-Nachlassbänden. Zwei seiner SchrifDer Eisenacher Handschriftenband enthält 23 Schriften ten liegen hier nicht als Autographen, sondern in zeitgeund Fragmente. Drei der in ihm gesammelten Schriften nössischen Abschriften vor. Eine Schrift stammt nicht von
sind 1562 im Druck erschienen. Sie liegen hier als ei- ihm. Es handelt sich um die Abschrift einer Predigt Martin
genhändige Entwürfe vor. Die anderen sind von ihm nie Luthers aus dem Jahr 1537, die Nicolaus von Amsdorff für
veröffentlicht worden. Von einigen existieren weitere den eigenen Gebrauch angefertigt hat.
Bis auf seine Exzerpte aus Martin Luthers Auslegung der
Kleinen Propheten Joel und Amos sind alle anderen Schriften Polemiken, in denen sich Nicolaus von Amsdorff mit
seinen Gegnern auseinandersetzt und klare lutherische
Positionen in den theologischen Streitigkeiten bezieht,
die nach 1547 einsetzten. Ausgangspunkt war das so genannte Augsburger Interim von 1548, mit dem Kaiser Karl
V. die Einigkeit in der Kirche im Deutschen Reich wieder
herstellen wollte. Es wurde der Grund für eine Fülle von
Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, besonders unter den Lutherischen Theologen, die sich darüber stritten,
in welchem Maß und Rahmen man auf seine Forderungen
eingehen kann oder ob man es strikt ablehnen soll. Letztere Position vertrat Nicolaus von Amsdorff, was auch die
im Eisenacher Handschriftenband gesammelten Schriften dokumentieren.
Da nur sehr wenige Schriften Nicolaus von Amsdorffs in
neuerer Zeit im Druck erschienen sind, ist man im Landeskirchenarchiv Eisenach bemüht, diese bemerkenswerte
Quelle der Reformationsgeschichte durch eine Edition
einem größeren Leserkreis bekannt zu machen. Die gut
lesbare Handschrift ist transkribiert worden, worauf eine
eingehende Kommentierung folgt, die diese Schriften erschließen und in ihrem historischen Kontext einordnen
und erklären soll.
Dr. Hagen Jäger
Landeskirchenarchiv Eisenach
Übergabe von umfangreichen Kartenwerken
der DDR an das Thüringische Hauptstaatsarchiv
Weimar
Anfang März dieses Jahres übergab das Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar umfangreiche Kartenwerke, die vor allem in den Vorgängerbehörden ab den
50er Jahren des letzten Jahrhunderts und vereinzelt bis
1993 – dann bereits im damaligen Thüringer Landesver-
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
messungsamt – entstanden sind. Es handelt sich dabei
um topographische Karten, die die Landesfläche des heutigen Freistaates Thüringen in den Maßstäben 1 : 10.000,
1 : 25.000, 1 : 50.000, 1 : 100.000 und 1 : 200.000 abdecken. Einzelne Stadtkarten sind auch im Maßstab 1 :
5.000 überliefert. Die Übergabe umfasst 1.497 Kartenmappen. Die Ablage der Karten erfolgte entsprechend der einzelnen Kartenblätter nach der üblichen
hierarchischen Nomenklatur (Kartennummer), die
auch als Signatur übernommen wurde. Entsprechende Übersichten zu den Kartennomenklaturen im Zusammenhang mit der abgebildeten Erdoberfläche
liegen vor.
Für jedes Kartenblatt sind in der Mappe noch sämtliche Entstehungsstufen und kartographischen
Vorarbeiten vom Entstehungsnachweis und dem
topographischen Aufnahmeoriginal bis hin zu dem
zum Zeitpunkt der Schließung der Mappen aktuell
herausgegebenem Kartenblatt überliefert. Darunter
befinden sich auch Filme, Folien und weitere für die
Kartenherstellung notwendige Arbeitsunterlagen
und Zwischenergebnisse. Für Kartenblätter im Maßstab 1 : 10.000 wurden gesonderte Mappen angelegt, wohingegen für die anderen Maßstäbe häufig
mehrere Kartennummern mit deren Gesamtüberlieferung in einer Kartenmappe zusammengefasst
sind.
Jedes Kartenblatt ist grundsätzlich sowohl in einer
Ausgabe Staat (AS) oder Ausgabe Sicherheit als
Topographische Karte M-32-23-C-c-3 (Göllingen),
Ausgabe Staat (AS) im Maßstab 1 : 10.000 von 1964
(Aufnahme 1961, Herausgegeben 1963)
(ThHStA Weimar, Thüringer Landesamt für
Vermessung und Geoinformation)
22
auch in einer Ausgabe Volkswirtschaft (AV) erschienen.
Die topographischen Karten (AS) wurden ursprünglich von
der Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen (VVK) des
Ministeriums des Innern und dem Militärtopographischen
Dienst (MTD) des Ministeriums für Nationale Verteidigung
der DDR gemeinsam erarbeitet und herausgegeben. Später ging diese Aufgabe allein auf den MTD über. Die als
Vertrauliche Verschlusssache (VVS) eingestuften Karten
wurden mit dem seit Mitte der 1970er Jahre nachweisbaren Kürzel (AS) charakterisiert. In den schriftlichen Originalquellen nicht aufgelöst und auch nicht als Aufdruck auf
den Karten nachweisbar wird es aber gemeinhin mit Ausgabe Staat oder Ausgabe Sicherheit aufgelöst. Die topographischen Karten (AV) wurden von den topographischen
Karten (AS) abgeleitet. Sie unterscheiden sich vor allem
durch das System der Blattbezeichnung (Nomenklatur),
die geodätische Grundlage, den reduzierten Karteninhalt
und durch die Ausgabevarianten. Die Blattnamen beider
Ausgaben sind im Allgemeinen identisch. Das Kartenwerk
(AV) stand seit der Mitte der 1960er Jahre für volkseigene
Betriebe und Wissenschaftsinstitutionen zur Verfügung.
Die einzelnen Karten waren als Vertrauliche Dienstsache
(VD) eingestuft. Während die AS die Realität adäquat
widerspiegelt, gibt die AV vor allem das Grenzgebiet zur
Bundesrepublik Deutschland bzw. militärisch relevante
Gebiete verzerrt oder gar nicht wieder.
Gegenüber den heutigen im Landesamt für Vermessung
und Geoinformation herausgegebenen topographischen
Karten unterscheidet sich die DDR-Überlieferung für den
Betrachter in erster Linie hinsichtlich der Art der Kartennummer (Nomenklatur) und vor allem auch durch einen
anderen Blattschnitt.
Für jede Auflage eines Kartenblattes existiert eine
Excel-Tabelle, die den Inhalt dazu in der jeweiligen Mappe
beschreibt und die Metadaten wiedergibt. In den nächsten Monaten sollen diese knapp 5.000 einzelnen Dateien
als eigener Bestand mit einer entsprechenden Klassifikation in die Archivdatenbank AUGIAS-Archiv 8.3 importiert
werden.
Topographische Karten beider Ausgaben ab den späten
1970er Jahren bis in die frühen 1990er Jahre befinden sich
bereits in der Kartensammlung unseres Archivs. Für die
übliche Benutzung zur Heimat- und Ortsgeschichte oder
zur Landschaftsentwicklung werden diese Stücke auch
weiterhin primär herangezogen. Für Themen zur wissenschaftlichen historischen Kartographie oder zum Vermessungswesen in der DDR wird dagegen die hier angezeigte
umfassende Übernahme unbedingt mit einbezogen und
ausgewertet werden müssen.
Volker Graupner
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar
23
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Topographische Geländebeschreibung für das Kartenblatt M-32-23-C-c-3 (Göllingen) von 1961
(ThHStA Weimar, Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation)
Stadtgeschichte wird lebendig
Archiv erhält Nachlass der Unternehmerfamilie Adami
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Um ein Stück Eisenacher Firmengeschichte reicher ist seit
dem 6. Mai 2015 das Eisenacher Stadtarchiv. Volker Adami überreichte den Nachlass der ehemaligen Seifensiederei Adami und des dazugehörigen Ladengeschäftes in
der Querstraße an Dr. Reinhold Brunner (Leiter des Amtes
für Bildung). Volker Adami, 1941 in Eisenach geboren, ist
der Sohn des letzten Eigentümers Hermann Adami. Volker
Adami hat selbst als Jugendlicher im Geschäft seines Vaters mitgearbeitet. Der Weihnachtsverkauf gehörte ebenso dazu wie das obligatorische Putzen des Firmenautos
oder das Reinigen des Hofes.
Gegründet wurde die Seifensiederei Adami am 29. April
1848. Vier Generationen führten das Eisenacher Unternehmen, bis es 1972 verstaatlicht wurde. „Jede Generation hatte ihre eigenen Dokumente“, so Volker Adami. Dazu
gehören unter anderem Soldbücher, Militärpässe, Presseartikel, Fotos und Postkarten aus den Jahren 1900 bis
1920. Gesellenbriefe und Urkunden – alles Originaldokumente – vervollständigen den Nachlass. Auch ein kleines
Notizbuch ist dabei. Es gehörte dem Großvater von Volker
Adami und enthält eine Auflistung aller Fliegeralarme und
Bombenangriffe auf Eisenach im Zweiten Weltkrieg.
Für das Stadtarchiv sind diese wirtschaftsgeschichtlichen Zeugnisse sehr wertvoll. Vielen Eisenachern ist
das Ladengeschäft in der Querstraße noch bekannt. Der
Nachlass dokumentiert ein Stück Eisenacher Wirtschaftsgeschichte des 19. und
20. Jahrhunderts. Dazu
wollte Volker Adami mit
seiner Schenkung einen
Beitrag leisten und als
gebürtiger
Eisenacher
der Stadt ein Stück ihrer eigenen Geschichte
zurückgeben. Er hat alle
Unterlagen
gesichtet,
sortiert, sie anschließend in vier Ordnern zusammengefasst und die
wichtigsten Unterlagen
bereits digitalisiert.
Im Eisenacher Stadtarchiv lagern derzeit zwölf
Bestände
ehemaliger
mittelständischer Eisenacher
Unternehmen.
Die Bestände befinden
sich in den Räumen des
ehemaligen O2, dem
heutigen Automobilbaumuseum.
Dr. Reinhold Brunner
Amt für Bildung, Eisenach
24
Die Übergabe des Nachlasses am 6.5.2015. V. r. n. l. Klaudius
Kabus, stellv. Abteilungsleiter Stadtarchiv, Volker Adami,
Reinhold Brunner, Leiter des Amtes für Bildung der Stadt
Eisenach.
(Foto: Pressestelle der Stadt Eisenach)
Teil des Nachlasses: Der Lehrbrief für den Seifensiedergesellen Carl Albert Adami vom 7. April 1866.
(StA Eisenach, 40.2.39 NL Adami)
„Das Richtige richtig machen.“
Ein DFG-Retrokonversionsprojekt im Stadtarchiv Nordhausen
Erschließungsschübe
Die erste erschließungspraktische Bemühung um den Urkundenbestand nach Ende der Reichsfreiheit 1802 stellte eine handschriftliche Gesamtaufnahme der Urkunden
durch Ernst Günther Förstemann zwischen 1832 und 1841
dar. 1858 schloss er ein „Verzeichnis der Handschriften
und Urkunden des Archives“ ab. Zwischen 1890 und
1893 ordnete Paul Oßwald ehrenamtlich die Urkunden
der Signaturgruppe I, verpackte sie zudem in Umschläge,
die er mit Regesten und Datierungen beschriftete und in
speziellen Holzschüben ablegte. Klassifiziert wurde in
45 Gruppen nach Aussteller, Typ, Provenienz oder Sachbetreff. Fast durchweg war in jedem Umschlag nur eine
Urkunde vorhanden.
Stadtarchivar Hermann Heineck fertigte 1893 bis 1930
eine fünfbändige Regestensammlung zu Teilbestand I
an, die nach 1930 mehrfach überarbeitet wurde. Daraus
wurden 1936 und 1939 durch die zeitgleich promovierenden Regionalhistoriker Günter Linke und Gerhard Meißner
zwei Nordhäuser Urkundenbücher erarbeitet, die bis jetzt
einziges Publikationsmittel waren. Für Teilbestand III
liegt eine vermutlich in den 1950er Jahren erstellte handschriftliche Loseblattsammlung vor. Beide – großenteils
gut zu lesenden – handschriftlichen Regesten wurden
Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre maschinenschriftlich von Archivleiterin Gusta Eggers auf Karteikarten konvertiert. Bei der Erstellung wurden die Orts- und
Personennamen der Vorlage unverändert übernommen,
aber auch Kürzungen und Veränderungen vorgenommen.
Im Ergebnis deckten sich seither die Findmittel keineswegs zu hundert Prozent, boten divergierende Lesarten
und Signaturvergabemuster, abweichende Datierungen
und unterschiedliche Nähe zum Original.
Bestandserhaltung optimieren
Um die Urkunden selbst zu erhalten und sie qualitätsvoller zugänglich zu machen, waren seit 2012 unter dem
Titel „Kellerkinder“ systematische Maßnahmen zugunsten der Bestandserhaltung und Erschließung ergriffen
worden, die bis zum geplanten Abschluss im Jahr 2016
aus seit 2012 eingeworbenen KEK-Projekt- und Spendenmitteln fortgesetzt werden (KEK – Koordinierungsstelle
für die Erhaltung schriftlichen Kulturguts). Dabei werden
die Urkunden durch eine ehrenamtliche Mitarbeiterin
aus den teilweise stark beschädigten Tüten entnommen
und in Umschläge, Mappen oder Taschen gemäß DIN/ISO
16245 verpackt und die Siegel mit zertifizierten Schutzhüllen versehen. Die neuen Verpackungen werden mit
Ausstellungsort, Datierung und Kurzregesten in Tusche
etikettiert. Weiterhin werden die Urkunden kaiserlicher,
päpstlicher oder vergleichbar relevanter Provenienz nach
Maßgabe verfügbarer Spenden- oder Projektmittel durch
einen Fachrestaurator plangelegt, in Stülpdeckelkartons
aus Feinwellekarton gemäß ISO 16245 umgepackt und
ihre Siegel fixiert. Die historischen Umschläge werden vor
Vernichtung kopiert, eine Auswahl für Dokumentationszwecke aufbewahrt.
Ziel musste es aber auch sein, die Informationen der bisher nur in z. T. gefährdeter Papierform vorliegenden handund maschinenschriftlichen Findmittel in eine Datenbank
archivischer Standardsoftware zu übertragen, damit sie
online für Recherchen zur Verfügung stünden. Dafür wurde im Frühjahr 2013 mit substantieller Unterstützung der
Marburger Koordinationsstelle, Herrn Torben Lindemann,
eine DFG-Retrokonversionsförderung beantragt und Ende
2013 eine anteilige Projektförderung – mit Programmpauschale 5.559,60 € – bewilligt.
DFG-Retrokonversion 2014-2015
Ziel des DFG-Projektes war es, die Online-Stellung der
ausgewählten historischen Findmittel im regionalen Archivportal www.archive-in-thueringen.de und möglichst
auch in einer eigenen Online-Präsentation der Stadt
Nordhausen (www.nordhausen.de) zu realisieren. Damit
soll langfristig die Einstellung von ca. 10 Prozent Origi25
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Das Stadtarchiv Nordhausen verfügt über eine bedeutsame Urkundensammlung, bei der nach Dr. Hartmut
Webers Diktum aus dem Jahr 1992 nicht nur das “Richtige“, sondern dies auch möglichst „richtig“ gemacht
werden musste. Denn die Urkundensammlung ist für die
Erforschung der Geschichte Nordhausens als Reichsstadt
(1220-1802) und darüber hinaus für die mitteldeutsche
Geschichte von wesentlicher Bedeutung, was durch die
insgesamt miserable Überlieferungssituation zusätzlich
herausgehoben wird: Trotz Auslagerung von Archivalien
wurden bei schweren Luftangriffen im April 1945 etwa
75 Prozent des damaligen Archivbestands zerstört oder
gingen bei anschließenden Plünderungen verloren. Nur
der Urkundenbestand ist fast vollständig erhalten geblieben. Eine Revision im Jahre 1946 soll lediglich den Verlust von 16 Signaturen ergeben haben. Außerdem hatte
das Stadtarchiv nach 1945 keine Urkunden an Staatsarchive abgeben müssen, wodurch eine selten intakte
Sammlung erhalten blieb. Die Archivalien datieren aus
den Jahren 1158 bis 1810 bzw. 1474 bis 1850. Nach der
2015 auch im Archivportal Thüringen bereitgestellten Beständeneugliederung umfasste der Bestand 1.1. Urkundensammlung bei Beginn der DFG-Projektplanung Anfang
2013 2.590 Verzeichnungseinheiten (VE), die in zwei Teilbeständen (I Urkunden über/aus Nordhausen und III Urkunden für Nordhäuser Gesellen etc. anderer Aussteller)
überliefert sind. Die Bestandserhaltungssituation 2012
war bedauernswert, die Erschließungslage veraltet und
z. T. verwirrend.
oben: Praktikantin Annette Birkenholz am Magazinarbeitstisch, 2015
(Foto: M. Schmidt)
rechts: Neuverpackung von plangelegten Urkunden, 2013
(Foto: W.G. Theilemann)
unten: Historische Urkundenschutzhülle, Anfang 1890er Jahre
(Foto: W.G. Theilemann)
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
26
Seit Mai 2015 sind die Erschließungsinformationen im
Archivportal Thüringen komplett online zugänglich. Insgesamt liegen in Teilbestand I mithin 2.440 Datensätze
vor, in Teilbestand III 213, bezogen auf die gesamte Urkundensammlung handelt es sich um 2.653 Datensätze.
Die genaue Zahl der tatsächlich vorhandenen und benutzbaren Urkunden ist schwerer zu bestimmen, da weiterhin mehrere Urkunden in einer Verzeichnungseinheit
zusammengefasst sein können.
Mit dem DFG-Projekt ist es gelungen, drei bislang in
größtenteils analoger, veralteter Form (Karteikarten, Zettelkatalog) vorliegende, z. T. sehr verschiedene Findmittelversionen des Urkundenbestands vollständig in eine
Datenbankfassung zu konvertieren und fristgemäß nach
www.archive-in-thueringen.de importieren zu können.
Ein Mehrwert ergab sich dadurch, dass die teilweise erheblich voneinander abweichenden und bislang über
mehrere Findmittel verteilten Informationen zusammengeführt, verglichen und auf ihre Qualität und überlieferungsgeschichtliche Entstehung hin überprüft wurden.
Außerdem wurden die Vorteile der verschiedenen Findmittel, ihre Verständlichkeit bzw. Ausführlichkeit, kombiniert. Damit kann in diesem Recherchemittel seit Mai
2015 der erste Bestand des Stadtarchivs auf Findbuchebene umfassend durchsucht werden. Nacharbeiten in Zusammenarbeit mit den Portalmoderatoren stehen freilich
noch aus.
Infolge von Haushaltssperren sowie einer gegenwärtig vorläufigen Haushaltsführung der Stadtverwaltung
Nordhausen konnte eine Online-Bereitstellung unter
www.nordhausen.de leider nicht realisiert werden.
Nebeneffekte: Bestandserhaltungsdaten und Nachverzeichnung
Teilweise konnten projektbegleitend noch wichtige Arbeitsschritte durchgeführt werden, die über die Retrokonversion hinausgehen, aber den Erfolg des Projektes
ausbauten. Durch die Erhebung aktueller Informationen
zum Erhaltungszustand und die Aufnahme unverzeichneter Urkunden wurde ein Informationsgewinn erarbeitet. Ziel des Retrokonversionsprogramms war es ja nicht
nur, die vorhandenen Inhaltsangaben zu übernehmen,
sondern sie an die heutigen Verfahren bei der Recherche
anzupassen und nutzerfreundlich zu gestalten. Dabei
waren Veränderungen und Verbesserungen gegenüber
Machbarkeit, Kenntnissen und Zeitaufwand abzuwägen.
Zum Abschluss des DFG-Projekts konnten noch 14 Archivalien, die sich seit 1991 unbearbeitet in der Urkundensammlung befanden, in die Urkundendatenbank eingearbeitet werden.
Partner und Ergebnispräsentation
Kooperationspartner des Projektes waren von 2014 bis
2015 nach entsprechender Ausschreibung die Firma ArchivInForm Potsdam, die den erheblichen Fremdanteil
aufgrund von Scans der Regestenbände lieferte, die FH
Potsdam sowie die Software-Firma AUGIAS. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, auch bei einigen sachoder technikbedingten Komplikationen. Allerdings waren
die Schwierigkeiten bei Export und Einspeisung ins Portal
erheblicher als erwartet. Die Partner, drei ehrenamtliche
MitarbeiterInnen und eine Praktikantin, haben unter Koordination der Archivleitung den Projekterfolg fristgemäß
sichergestellt. Ohne die Unterstützung aller vor Ort hätte
das ambitionierte Projekt nicht realisiert werden können.
Seitens der Stadtverwaltung erfolgte wichtige Unterstützung durch die EDV-Abteilung in Zusammenarbeit mit
AUGIAS und die Bereitstellung einer Praxissemestervergütung.
Im Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit wurde das Unternehmen über die GEPRIS-Datenbank der DFG sowie durch
kurze Mitteilungen in der Quartalsschrift des Stadtarchivs
Nordhausen und in der lokalen Presse bekanntgemacht.
Eine ausführliche Projektbeschreibung wird in „Beiträge
zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen“
Ende 2015 erscheinen. Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines Pressegesprächs am 29. Mai 2015 vorgestellt.
Für das Stadtarchiv war dieses erste DFG-Projekt zugleich
das erste reguläre Erschließungs- bzw. Retrokonversionsprojekt überhaupt, daher auch Prüfstein für eine zeitgemäße Professionalisierung, wenn nur Haushaltslage,
administrative und archivbauliche Rahmenbedingungen
dies erlaubten.
Annette Birkenholz
FH Potsdam
Dr. Wolfram G. Theilemann
Stadtarchiv Nordhausen
27
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
nalreproduktionen des Bestandes unter www.monasterium.net vorbereitet werden. Der Eigenanteil an der
Retrokonversion wurde von eigenem Personal im Archiv,
namentlich der Semesterpraktikantin Annette Birkenholz (FH Potsdam, Studiengang Archiv B.A., 6. Semester)
übernommen. Sie arbeitete im Projekt von August 2014
bis Januar 2015 und sicherte darüber hinaus maßgeblich
den Gesamterfolg. Eingesetzt wurden die seit den späten
1990er Jahren im Stadtarchiv eingeführte Standardsoftware AUGIAS-Archiv (Version 8.3) und als Austauschformat der XML-Standard EAD. Die Datensätze umfassen
sämtliche von H. Heineck, G. Eggers oder Dritten registrierten VE, unabhängig davon, ob die Urkunden tatsächlich noch vorhanden oder bereits durch Kriegseinwirkungen oder andere Schädigungen verloren sind. Die Anzahl
der nach Projektabschluss vorliegenden Datensätze
übertriff t die zu Beginn ermittelten 2.590 VE, was u. a.
daran liegt, dass manche VE mehrere, durch Kleinbuchstaben unterschiedene Signaturen umfassten, die bei der
Retrokonversion in einzelne Datensätze separiert wurden. Nach bisherigem Stand der Überprüfung werden lediglich 21 Urkunden vermisst. Eine komplette Bestandsrevision ist vorgesehen, konnte aber nicht im Projektzeitraum durchgeführt werden. Andererseits wird damit über
das Retrokonversionsziel hinaus für die Benutzer eine für
das Stichjahr 1945 fast vollständig rekonstruierte Überlieferungssituation sichtbar. Diese ist nun über Parallelüberlieferungen, Editionen o. ä. auswertbar, zumal dank
des dem seit 2012 vorliegenden „Spezialinventar(s) von
Quellen zur Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen in auswärtigen Archiven“ von Dr. P. Kuhlbrodt.
Große und wertvolle Schenkung
Familienarchiv Fuchs im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden
Um viele Schätze reicher wurde das Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden vor kurzem, als Prof. Dr. med. Thomas
Fuchs aus Göttingen sein umfangreiches Familienarchiv
übergab. Dabei handelt es sich um ca. 20 Archivkartons
mit Zeitungen, Stammbäumen, Testamenten, Gelegenheitsgedichten, Briefen und Tagebüchern aus vier Jahrhunderten.
Die Familie geht auf den um das Jahr 1630 in Brotterode
geborenen Handelsmann und Gerichtsschöpfen Jakob
Fuchs senior zurück. Weitere Vorfahren sind der ebenso
in Brotterode geborene Johann Nicolaus Fuchs (1766)
und dessen Söhne Caspar Friedrich (1807) und Gottlieb
Adolph (1803). Dr. Caspar Friedrich Fuchs war später Kreisarzt in Schmalkalden und veröffentlichte 1848 zusammen mit Bergrat Caspar Friedrich Danz die „Physisch-medizinische Topographie des Kreises Schmalkalden“. Sein
Bruder Gottlieb Adolph Fuchs, ein direkter Vorfahre von
Thomas Fuchs, zog ebenfalls nach Schmalkalden und
führte hier auf der Salzbrücke/Ecke Stillergasse das Handelshaus „Gottlieb Adolph Fuchs“. Verheiratet war er mit
Amalie Luise geb. Sanner, deren Mutter wiederum war
eine geborene Merkel und so kommt es, dass in diesem
Nachlass nicht nur Dokumente der Familie Fuchs zu finden sind, sondern auch zahlreiche Dokumente der angeheirateten Familien Merkel, Clemen, Happich, Sanner,
Ziegler u. a.
Der Nachlass spiegelt das Leben eines wohlhabenden Familienverbandes vom 17. bis zum 19. Jahrhundert wider,
wie man es sich besser nicht wünschen könnte. Sämtlicher privater und dienstlicher Schriftverkehr scheint erhalten geblieben zu sein. Die zum Nachlass gehörenden
Sammlungen von Mineralien und Werkzeugen des Handelshauses Adolph Fuchs wurden an das Museum Neue
Hütte weitergegeben.
Auf die Archivmitarbeiterinnen wartet jetzt eine interessante Arbeit, sicher wird bei der Erschließung der Schriftstücke noch manche Entdeckung gemacht werden.
Ute Simon
Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden
Prof. Dr. Thomas Fuchs (2. v. l.) aus Göttingen übergab anlässlich eines Familientreffens das Familienarchiv Fuchs dem Stadtund Kreisarchiv Schmalkalden. Mit im Bild: Ehefrau, Sohn und Tochter sowie die Brüder Andreas und Werner Fuchs mit ihren
Ehefrauen.
(Foto: Ute Simon)
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
28
Im Heft 2/2007 der „Archive in Thüringen“ wurde darüber berichtet, dass
es dem Thüringischen Staatsarchiv
Meiningen gelungen war, die Nachlässe von zwei bekannten Ilmenauer Professoren zu übernehmen. Das betraf
zum einen den langjährigen Rektor der
Technischen Hochschule Ilmenau, Gerhard Linnemann (1930-2001), und zum
anderen Dagmar Hülsenberg (*1940),
die zudem in der Endphase der DDR
Präsidentin der Kammer der Technik
war, der Ingenieursorganisation der
DDR. Bei der Übernahme von Nachlässen kürzlich verstorbener bzw. von Vorlässen noch lebender Persönlichkeiten
gibt es zunächst meist keine vollständige Übernahme der Unterlagen. Häufig bleibt man mit dem Eigentümer im
Prof. Dr. Nikolaus Benjamin Richter
Gespräch und versucht sicherzustellen, Prof. Dr. Hartmut Hoff mann
(Privatsammlung)
dass auch die weiteren Teile des Nach- (ThStA Meiningen, Nachlass Hartmut
lasses den Weg in das Archiv finden. So Hoff mann, Nr. 12)
konnte das Staatsarchiv im Juni 2015
den nunmehr letzten und vierten Teil
des Nachlasses von Prof. Dr. Gerhard Linnemann über- Veterinärmedizinischen Hochschule in Sofia. 1963 pronehmen, darunter auch seine künstlerischen Arbeiten. movierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin zum
Der gesamte Bestand umfasst jetzt 1,8 lfm.
Doktor der Veterinärmedizin und war dort bis 1969 tätig.
Mit Prof. Dr. Dagmar Hülsenberg, die wissenschaftlich In den 1960er Jahren erhielt er in Leipzig eine Zusatzausnoch sehr aktiv ist, wurde im Juli 2014 in einem länge- bildung auf dem Gebiet der Tropenveterinärmedizin und
ren Gespräch vereinbart, 2016/2017 auch den dritten, leistete danach drei Jahre Entwicklungshilfe in Tansania.
persönlichen Teil ihres Nachlasses zu übernehmen. Der 1974, mit 38 Jahren, wurde er von der Akademie der LandNachlass des Pädagogikwissenschaftlers und langjäh- wirtschaftswissenschaften der DDR zum Professor berurigen Direktors des Institutes für Lehrerbildung Meinin- fen. Zu dieser Zeit forschte er bereits im Friedrich-Loeffgen, Prof. Dr. Harty Möller (1929-2011), im Umfang von ler-Institut auf der Ostseeinsel Riems (heute Bundesfor2,4 lfm konnte dagegen bereits im Jahre 2011 übernom- schungsinstitut für Tiergesundheit) an der Produktion
men werden. Im Jahr 2005 hatte es dazu Vorgespräche von Virusimpfstoffen. Zu seinem Spezialgebiet, Tierseumit Prof. Möller gegeben, so dass den Angehörigen die chenbekämpfung, hielt er zahlreiche Vorlesungen an inEntscheidung zur Übergabe des Nachlasses nicht schwer und ausländischen Hochschulen in Khartum, Havanna,
fiel. 2014 konnte der Bestand mit Augias 8.2 erschlossen Plovdiv, Minsk, Mukteswar (Indien), Berlin und Leipzig
und veröffentlichte Bücher. Nach 1981 arbeitete er im Inwerden.
Auf zwei Professorennachlässe soll hier näher eingegan- stitut für Impfstoffe Dessau und im Staatlichen Veterinärgen werden. Im Jahr 2012 erfuhr das Staatsarchiv Mei- medizinischen Prüfungsinstitut Berlin.
ningen vom Tod des Berliner Veterinärwissenschaftlers, Als dieses Institut nach 1990 aufgelöst wurde, war er 53
Prof. Dr. Hartmut Hoff mann. Hoff mann war am 31. Dezem- Jahre alt. Eine seinen Qualifikationen entsprechende Stelber 1936 in Metzels bei Meiningen geboren worden und le fand er erst im Herbst 1991 bei einem der weltweit fühhatte in den letzten Jahren seines Lebens im verstärkten renden Unternehmen für Tierarzneiherstellung, TAD PharMaße die Mundart seiner engeren Heimat erforscht. In ma GmbH Cuxhaven. Seine Tätigkeit auf dem Gebiet der
den 1990er Jahren führten ihn Recherchen dazu auch in veterinärmedizinischen Impfstoff produktion führte ihn
das Thüringische Staatsarchiv Meiningen. In den 1970er in zahlreiche Länder, wie zum Beispiel in die USA, nach
und 1980er Jahren gehörte Hartmut Hoff mann zu den pro- Jordanien, Syrien und in die Türkei. Insgesamt verbrachte
filiertesten Veterinärwissenschaftlern der DDR. Nach sei- er 13 Jahre seines Berufslebens im Ausland und konnte
nem Abitur 1954 am Meininger Henfling-Gymnasium bzw. sich in 10 Sprachen verständigen. Nach seinem Eintritt
an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität Halle in den Ruhestand 2001 konzentrierte Hoff mann seine
studierte er von 1955 bis 1960 Veterinärmedizin an der Forschungen und Aktivitäten auf das Spezialgebiet Bie29
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
Übernahme weiterer Professorennachlässe
in das Thüringische Staatsarchiv Meiningen
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
nengesundheit und arbeitete hier in zahlreichen Gremien
mit. Hartmut Hoff mann starb an seinem 75. Geburtstag
am 31. Dezember 2011 in seinem Heimatort Metzels.
Dank des Entgegenkommens seiner Tochter, Kerstin Hoger aus Berlin, übernahm das Thüringische Staatsarchiv
Meiningen 2012 in zwei Teilen den 2,5 lfm umfassenden
Nachlass von Prof. Dr. Hartmut Hoff mann als Depositum.
Der Bestand, der auch heimatgeschichtliche Forschungen
über Metzels enthält, wurde im Frühjahr 2014 erschlossen und steht somit nach Abstimmung mit der Familie zur
Benutzung zur Verfügung.
Ein wenig anders gestaltete sich die Übernahme des
Nachlasses des Astronomen und Meteorologen Prof. Dr.
Nikolaus B. Richter. Im Zusammenhang mit einer Anfrage
zum Direktor der Sternwarte Sonneberg, Prof. Dr. Cuno
Hoff meister (1892-1968), wurde man auch auf dessen
langjährigen Stellvertreter und späteren Direktor des
Karl-Schwarzschild-Observatoriums in Tautenburg bei
Jena, Nikolaus Benjamin Richter, aufmerksam. Ende des
Jahres 2012 wandte sich das Staatsarchiv Meiningen
deshalb an den in Dessau lebenden Sohn mit der Frage
nach der möglichen Übernahme des väterlichen Nachlasses. Dieser signalisierte Zustimmung, bat jedoch um Verständnis, dass er wegen der Arbeit an einer umfangreichen Biografie seines Vaters die Unterlagen noch längere
Zeit benötigen werde. Nach Fertigstellung des Manuskriptes meldete sich Matthias Richter im Sommer 2014 und
erklärte seine Bereitschaft, den Nachlass des Vaters zu
übergeben. Da er jedoch ein ausführliches Verzeichnis in
Form einer Einzelblattverzeichnung selbst erstellen wollte, wurde der Nachlass im Umfang von 1 lfm nach Klärung
aller Modalitäten erst im März 2015 als Depositum nach
Meiningen übergeben. Trotz seines geringen Umfangs
besticht der Nachlass vor allem durch seine Authentizität
und die Dichte des Materials. Nikolaus Benjamin Richter
wurde am 5. Februar 1910 in Neustädtel (Schneeberg) geboren und besuchte in Schneeberg von 1916 bis 1920 die
Volksschule und von 1920 bis 1929 das Staatsrealgymnasium, wo er sein Abitur mit dem Prädikat „sehr gut“
ablegte.
Bereits 1928 hatte Richter als Schüler Kontakt zu Prof.
Cuno Hoff meister in Sonneberg aufgenommen. Dieser
riet ihm zu einem Studium der Mathematik, Astronomie,
Physik und Meteorologie an der Universität Göttingen.
1930 wechselte er an die Uni Leipzig. Nach erfolgreichem
Studium promovierte er 1934 zum Doktor der Philosophie. Um in Observatorien zu arbeiten, war er schon 1933
mit Hoff meister nach Südamerika und England gereist.
1947 erhielt er in der Sternwarte Sonneberg eine Anstellung als Observator, nachdem er Hoff meister dort bereits
1937/38 während dessen Reise nach Südafrika vertreten
hatte. Während des Zweiten Weltkrieges war er als ziviler
Angestellter zum Wehrdienst eingezogen worden und als
Astronavigator auf den Kriegsschauplätzen in Afrika und
in der Ukraine im Einsatz.
Nach seiner Anstellung in Sonneberg intensivierte Richter
seine Forschungen zu den Himmelskörpern, die ihn bis
nach China und Libyen führten. Am 1. April 1960 übernahm
er die Leitung des renommierten Karl-Schwarzschild-Observatoriums in Tautenburg bei Jena und stieg endgültig in
den Kreis der führenden deutschen Astronomen auf. Seine exzellenten Leistungen auf dem Gebiet der Astronomie
wurden 1966 mit der Ernennung zum Professor gewürdigt.
Allerdings führten die politischen Verhältnisse in der DDR
zu einer starken Beschränkung seiner Reisetätigkeit und
somit auch zu einer eingeschränkten wissenschaftlichen
Kommunikation. 1975 trat Richter in den Ruhestand, arbeitete aber in zahleichen internationalen Gremien weiter.
Als Rentner wurden ihm wieder öfter Reisen außerhalb
des Landes erlaubt, allerdings erkrankte er 1978 ernsthaft und starb am 26. November 1980. Sein Sohn, Matthias Richter, hat dieses interessante und ungewöhnliche
Forscherleben in einer 248 Seiten umfassenden, persönlichen Biografie nachgezeichnet und 2015 unter dem Titel:
Nikolaus Benjamin Richter. Astronom, Meteorologe, Geograph, Maler und Vater – Biographie und Dokumentation
im Eigenverlag veröffentlicht.
Dr. Norbert Moczarski
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen
„Tausende persönliche Zeilen werden
für die Zukunft bewahrt“
Vorlass Dieter Gleisberg im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg
Unter diesem Titel berichtete die Osterländer Volkszeitung in einem größeren Artikel anlässlich der Übergabe
wertvoller Künstlerbriefe an das Staatsarchiv Altenburg.
Der Kunsthistoriker Dr. Dieter Gleisberg, ehemals Direktor des Leipziger Museums für Bildende Künste und des
hiesigen Lindenau-Museums, schenkte dem Staatsarchiv
Anfang des Jahres in einer ersten Abgabe etwa 900 Briefe und Postkarten von mehr als 250 Kulturschaffenden,
mit denen er teilweise seit Jahrzehnten korrespondierte.
Schrittweise wird Gleisberg zudem Manuskripte zu Re30
den und Vorträgen, Lebensdokumente wie Urkunden und
Zeugnisse zur beruflichen und politischen Entwicklung
und Ehrungen, Fotografien sowie Belegexemplare seiner
kunstwissenschaftlichen Publikationen übergeben.
Unter den bereits dem Staatsarchiv übergebenen Dokumenten, also den Korrespondenzen, finden sich Namen
wie Fritz Cremer, Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübke
sowie zahlreiche weitere Maler, Grafiker, Literaten und
Kunsthistoriker. Umfassend ist die Korrespondenz mit
Conrad Felixmüller (1897-1977) sowie dessen Frau und
dem Sohn Titus, einem Architekten. Felixmüller, der Expressionist und Maler der Neuen Sachlichkeit, schrieb
sich seit 1961 mit Gleisberg, sodass hier ein 190 Seiten
starker Korrespondenzband entstanden ist.
Sind von einigen Künstlern und Kulturschaffenden nur
handschriftliche Briefe überliefert, machen den Reiz der
Sammlung vor allem aber auch die vielen grafischen Originalkunstwerke zeitgenössischer Künstler mit persönlichen Widmungen aus.
Viele Briefe an Gleisberg enthalten kleine oder auch größere Zeichnungen, Karikaturen und Grafiken – sei es zur
Illustration von Glückwunsch- oder Weihnachtskarten,
als ganzseitige kleine Kunstwerke oder in Form von Randzeichnungen auf Briefen. Einige schöne Zeichnungen und
kommentierte Drucke finden sich beispielsweise von dem
gebürtigem Altenburger Gerhard Vontra (1920-2010).
Dieser war Pressezeichner bei über 20 Zeitungen und illustrierte mehr als 50 Bücher in seinem typischen Stil.
Die Arbeiten des Zeichners und Karikaturisten sind nicht
nur auf dem Darß, wo Vontra lange lebte und auch starb,
sehr bekannt.
Für die Benutzung des Bestandes finden die Bestimmungen des Thüringer Archivgesetzes sowie die Verordnung
über die Benutzung der Staatsarchive Anwendung. Aufgrund der künstlerischen Anteile des Bestandes wird der
Beachtung des Urheberrechtsgesetzes besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen.
Dr. Jörg Müller
Thüringisches Staatsarchiv Altenburg
31
Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven
(ThStA Altenburg, Vorlass Dieter Gleisberg, Nr. 8)
„Kulturweg der Vögte“
Deutsch-tschechische Gemeinsamkeiten
Am 24. März dieses Jahres wurde
im großen Saal des Rathauses
der Stadt Eger (Cheb) der Bildband „Das historische Vogtland
– neu entdecken“, zweisprachig
deutsch-tschechisch, der Öffentlichkeit präsentiert. Zugleich eröff nete man die dazugehörige
Wanderausstellung, die für einige
Wochen im Rathausfoyer gezeigt
wurde und schaltete die Internetseite zum „Kulturweg der Vögte“
(www.kulturweg-der-voegte.eu)
frei. Anwesend waren u. a. Bürgermeister und Landräte bzw.
deren Vertreter aus dem westböhmischen Kreis Karlsbad, dem
sächsischen Vogtlandkreis, dem thüringischen Landkreis
Greiz und dem Saale-Orla-Kreis, Projektpartner sowie interessierte Vereine und Personen aus der Tschechischen
Republik, Thüringen, Sachsen und Bayern. Damit wurde
das Pilotprojekt zum so genannten „Kulturweg der Vög-
te“ erfolgreich abgeschlossen.
Initiiert vom Verein „Dialog mit
Böhmen“ aus Greiz, gefördert als
„Ziel3-Projekt“ der Europäischen
Union – Europäischer Fonds für
regionale Entwicklung: Investition in Ihre Zukunft – unterstützt
von der EUREGIO EGRENSIS Arbeitsgemeinschaft Sachsen/Thüringen, dem Historischen Archiv
des Vogtlandkreises, der Technischen Universität Chemnitz, dem
Staatlichen Archiv Eger und nicht
zuletzt unter tatkräftiger Mithilfe
des Thüringischen Staatsarchivs
Greiz wurde damit ein länderübergreifendes Kulturprojekt ins Leben gerufen, das seinesgleichen sucht.
Die bei derartigen Gelegenheiten üblichen Grußworte
und Ansprachen nahmen Bezug auf die belastete Vergangenheit, traumatische Erinnerungen und verliehen
der Hoff nung Ausdruck, dass kulturelle Zusammenarbeit,
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Ausschnitt aus dem Stammbaum der böhmischen Adelsfamilie Z Roupova
(ThStA Greiz, Hausarchive Obergreiz und Untergreiz, Nr. 124)
32
33
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
die sich der gemeinsamen
Wurzeln und der Zeiten des
friedlichen gegenseitigen
Austausches und Nutzens
erinnert, dem künftigen
Zusammenleben in Europa
dienlich wären. Dies umso
mehr, als die Abgrenzungen und Einseitigkeiten,
die der Kalte Krieg mit sich
gebracht hatte, viel Nachhol- und Aufarbeitungsbedarf hinterlassen haben.
Das zeigt sich vielfach immer noch im Vergleich zum
Stand der nachbarlichen
Beziehungen, wie er in den
westlichen Grenzregionen
der Bundesrepublik erreicht wurde.
In Thüringen wird im Gegensatz zu beispielsweise
Bayern oder Sachsen derartiger grenzüberschreitender Vergangenheit eher
selten gedacht. Glaubt man
sich hier von der Geschich- Karte des Vogtlandes, 17. Jh.
te nicht betroffen, weil es (ThStA Greiz, Kartensammlung, F.6.-027)
keine direkte Grenze gibt
oder gibt man sich wirklich
mit den so genannten Innovationen, die angeblich aus Das Vogtland ist heute geteilt, sein südlicher Teil gehört
Thüringen hervorgegangen seien, zufrieden, wie es das zum Bundesland Sachsen, der nördliche zu Thüringen,
zur Zeit bzw. in Kürze zu erwartende forcierte Gedenken was jedoch dem ausgeprägten Regionalbewusstsein
an Reformation, „Nationalversammlung“ oder einzelne kaum Abbruch tut. Genauere Kenntnisse der speziellen
Künstler vermuten lässt? Derartige Einschränkung scha- Landesgeschichte sind dennoch nicht allzu weit verbreidet der geschichtswissenschaftlichen Forschung wahr- tet. Kaum einer weiß, dass es eine Landesherrschaft der
scheinlich mehr als es der kurzfristige Nutzen für die Vögte ohne den Schutz und Einfluss der Böhmischen
Selbstdarstellung einzelner Städte rechtfertigen mag.
Krone kaum hätte geben können, wofür jedoch ein hoher
Das Bundesland Thüringen ist eine Gründung des 20. Preis zu zahlen war, zu dem auch die andauernde Teilung
Jahrhunderts und verfügt deshalb nicht über eine eigen- gehört.
ständige politische Vergangenheit, die den Gegenstand Die eingangs erwähnte Initiative greift die Jahrhunderte
der Landesgeschichte bilden könnte. Stattdessen sind langen, engen Verbindungen zwischen dem Vogtland und
die ehemaligen Staaten und Dynastien zu betrachten, mit dem böhmischen Nachbarland auf und versucht, diese
denen sich in vielen Fällen ein auff älliger Regionalismus als Teil einer gemeinsamen europäischen Geschichte beverbindet. Das gilt auch und ganz besonders für das Vogt- wusst zu machen.
land, das einen relativ großen kompakten Raum bildet, Jene Verbindungen weisen bis in die Zeit der ersten
der sich in vielerlei Hinsicht vom thüringischen Kernland böhmischen Königsdynastie, der Přzemysliden zurück,
unterscheidet.
die im 13. Jahrhundert versuchten, ihren damals ohnehin
Der Name Vogtland geht auf die mit dem mittelalterlichen weitreichenden Einfluss nördlich des Erzgebirges auch
Landesausbau verbundene Herrscherdynastie der Vögte auf das Vogtland auszudehnen. Umgekehrt gelangten die
von Weida, Plauen und Gera zurück. Im nördlichen Teil Vögte im Auftrag der deutschen Könige und Kaiser immer
hatte sich staatliche Selbständigkeit in Form der reußi- wieder zu hohen Ämtern in den umliegenden Reichslänschen Fürstentümer, der jüngeren Linie der Vögte von dern, wie dem Pleißenland oder dem Egerland. Alle VerPlauen, bis 1918 gehalten.
suche, sich hier eine Machtbasis zu schaffen, scheiterten
Das Vogtland gehörte nicht zum thüringischen Altsiedel- jedoch am wachsenden Übergewicht der großen Fürsten
land, wurde erst seit dem 12. Jahrhundert nach damals und der böhmischen Könige. Schließlich blieb den Vögmodernen Gesichtspunkten erschlossen und stand zu- ten oder Herren von Weida, Gera, Plauen und den Reunächst der königlichen Zentralgewalt näher, ehe es unter ßen, wie sie sich nach dem Rückzug des Reiches aus der
den Einfluss der regionalen Herrscherdynastien kam. Sei- Region nannten, nur noch die Auftragung ihrer Lehen an
ne Lage in und zwischen Thüringen, Sachsen, Bayern und jene übrig.
Böhmen machte es bereits früh aus strategischer Sicht Der Luxemburger Karl IV., Kaiser und böhmischer König,
interessant.
gliederte schließlich das südliche Vogtland den Ländern
der Böhmischen Krone ein. Den aus ihren Stammlanden
verdrängten Herren von Plauen gelang in Böhmen ein
spektakulärer Aufstieg. Der Kaiser belehnte sie mit der
Burggrafschaft Meißen, im Dienst der böhmischen Könige bekleideten sie hohe Ämter, was sie im 16. Jahrhundert zu Gegenspielern der böhmischen Ständeopposition
machte.
Nach dem politischen Zusammenbruch der wettinischen
Ernestiner als ehemalig sächsische Kurfürsten infolge
des Schmalkaldischen Krieges gelang es den Herren von
Plauen, das Vogtland als böhmisches Reichsafterlehen
im Verband des Alten Reiches in Form eines weitgehend
selbstständigen Fürstentums neu zu verankern. Während
das südliche Vogtland schließlich an das albertinische
Kurfürstentum Sachsen kam, konnten die Reußen nach
Aussterben aller anderen Linien das nördliche Vogtland
zurückgewinnen. Der Schutz und die Garantie der Böhmischen Krone für die Reichslehen der Reußen bewährten
sich im Österreichischen Erbfolgekrieg, als sich Maria
Theresia weigerte, die Lehnsfolge an Kursachsen abzutreten. Treue zum Haus Habsburg hielt Reuß älterer Linie schließlich 1866, als Preußen gegen den Deutschen
Bund Krieg führte.
Unter den im Thüringischen Staatsarchiv Greiz verwahrten Quellen befinden sich somit zahlreiche Dokumente
zur böhmisch-vogtländischen Geschichte. Auf dieses
zum Teil unbekannte Material überregional und international aufmerksam zu machen und die Zusammenarbeit
mit Archiven ähnlicher Überlieferung zu intensivieren,
wäre ein wichtiges Ergebnis des „Kulturwegs der Vögte“.
Die Unterstützung derartiger Projekte verspricht im Gegensatz zu mancher Leuchtturmfinanzierung vielfältigen
und nachhaltigen Nutzen für eine ganze Region.
Hagen Rüster
Thüringisches Staatsarchiv Greiz
Bericht zur Podiumsdiskussion
„Rübermachen“ um jeden Preis? Die Ausreisegruppe „Weißer Kreis“ in Jena
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Von 1973 bis 1975 fanden die Verhandlungen der ersten
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki statt. Ihr Ziel war, die friedliche Koexistenz in Europa durch eine Entspannungspolitik zwischen den USA und der Sowjetunion zu sichern. Mit der
am 1. August 1975 auch von Erich Honecker unterzeichv. l. n. r.: Heidelore Rutz, Christian Hermann, Monika Lembke,
Dietrich Lembke
(Foto: Katharina Kempken)
34
neten „Schlussakte von Helsinki“ wurden erste Ergebnisse besiegelt. Im sogenannten „Korb 3“ wurden die Wahrung, die Einhaltung und der Ausbau der Menschenrechte
festgeschrieben. Inwieweit der KSZE-Prozess und dessen
Schlussakte oppositionelle Bewegungen in der DDR sowie in Mittel- und Osteuropa beeinflussten, untersucht
das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ (ThürAZ) in seiner diesjährigen Veranstaltungsreihe. Das Thema lautet „Opposition und Menschenrechte nach der Schlussakte von Helsinki 1975: Wirkungen
des KSZE-Prozesses im östlichen Europa und in der DDR“.
In der DDR diente die Schlussakte von Helsinki mit dem darin bekräftigten Recht auf
Freizügigkeit nicht nur Ausreisewilligen
zur Legitimation ihrer Antragsstellung,
sondern auch basiskirchlichen Kreisen
als Diskussionsgrundlage der fehlenden
Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit
in der DDR. So entwarf 1977 eine ökumenische Gruppe in Naumburg das sogenannte „Querfurter Papier“, das die kritische Auseinandersetzung der Kirche mit
dem sozialistischen Verständnis von Menschenrechten forderte. Auch in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten bildeten sich neue oppositionelle Gruppen wie
die „Charta 77“ in der Tschechoslowakei,
„KOR“ oder „Solidarność“ in Polen, die
Menschenrechtsverletzungen öffentlich
kritisierten und sich für die konsequente
Umsetzung der in der Akte zugesicherten
Rechte einsetzten.
Welche Handlungsspielräume und -strategien ergaben sich aus dem Abschluss-
wurde Herr Lembke fristlos aus seinem Dienstverhältnis
als wissenschaftlicher Assistent an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena entlassen. Auch Dietrich Rutz
wurde vom Ober- zum Assistenzarzt degradiert. Die Demütigung in der Schule des Sohnes der Lembkes führte
schließlich sogar zu dessen Suizid.
Das System der DDR erschien, vor allem der Familie Lembke, als nicht mehr reformierbar und ein Leben darin wurde, insbesondere nach den letzten Ereignissen, als unmöglich empfunden. Dennoch suchten die Zeitzeugen,
insbesondere da sie als Familien die DDR verlassen wollten, einen sicheren Weg der Ausreise. Deshalb kam für
alle Podiumsgäste eine Republikflucht nie in Frage. Der
„Weiße Kreis“ als öffentliche, aber dennoch passive und
somit „hart an der [rechtlichen] Grenze“ (Dietrich Lembke) agierende Form des Protests schien ihnen deshalb die
beste Möglichkeit zu sein, eine Ausreise zu erwirken.
Nach ersten Treffen des „Weißen Kreises“ bekam die
Protestaktion durch die mediale Berichterstattung in der
BRD breite Aufmerksamkeit und wurde auch in großen
Teilen der DDR bekannt. So stieg die Teilnehmerzahl von
anfänglich knapp 30 auf 200 Personen und Ausreisewillige aus verschiedenen Städten und Regionen der DDR
reisten nach Jena, um an den Schweigedemonstrationen
teilzunehmen. Die Teilnahme hatte unterschiedliche Folgen. Nach Konfrontation mit der Staatssicherheit und
angedrohter Zwangsräumung ihrer Wohnung konnte Familie Lembke ausreisen. Bis dahin durften sie nicht mehr
öffentlich aktiv werden und an Schweigekreisen teilnehmen. Heidelore und Dietrich Rutz jedoch wurden verhaftet
und von ihren Kindern getrennt. Erst nach mehrmonatiger
Haft in der MfS-Untersuchungshaftanstalt „Lindenstraße“ und dem Frauengefängnis Hoheneck wurden beide
schließlich von der BRD freigekauft, sodass die Familie
ausreisen konnte.
Der „Weiße Kreis“ war eine Form des Protestes, um die
Ausreise der Beteiligten zu erwirken. Er zielte nicht auf
Änderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR. Ob die Beteiligten sich selbst als „Opposition“ begriffen, wurde unterschiedlich betrachtet.
Monika und Dietrich Lembke sahen sich aufgrund ihres
widerständigen Verhaltens gegen das staatliche System
der DDR klar als Oppositionelle, die auch andere Gruppen
beeinflussten. Die Einordnung des MfS als „feindlich-negative Kräfte“ lehnten sie jedoch entschieden ab. Heidelore Rutz empfand sich nie als Teil einer „Opposition“,
sondern lediglich als Bürgerin, die eine sichere Möglichkeit der Ausreise suchte.
Generell hatte der „Weiße Kreis“ Auswirkungen auf die
gesamte DDR. Weiße Fahnen, Wimpel an Autos und Fenstern oder weiße Kleidung wurden bald als das verbindende Symbol der Ausreisebewegung verstanden.
Die Podiumsdiskussion gab einen aufschlussreichen
Einblick in den Umgang des DDR-Systems mit ausreisewilligen Bürgern. Die Aktivität in der Zweckgemeinschaft
„Weißer Kreis“ hatte für die Teilnehmer zum Teil gravierende Auswirkungen, die die politische Härte unterstreichen, mit der der Staatsapparat dem „Ausbluten“ der
DDR vorzubeugen und die Macht zu erhalten suchte.
Sebastian Hakelberg
Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“
35
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
dokument der KSZE für die unterschiedlichen Gruppen?
Wie nahmen die Staatsoberhäupter der Sowjetunion und
der DDR die Wirkung der Akte auf oppositionelle Bewegungen in ihrem jeweiligen Einflussbereich wahr? Diesen
Fragen geht das ThürAZ anhand von wissenschaftlichen
Vorträgen, Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen und einer
szenischen Lesung nach.
Am 18. Juni fand eine Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen
des „Weißen Kreises“ statt, der 1983 in Jena gegründet
worden war. Im „Weißen Kreis“ hatten ausreisewillige
Bürger, die sich durch weiße Kleidung kenntlich machten,
versucht, durch stillen Protest ihre Ausreise in die Bundesrepublik zu erwirken. Obwohl durch die Schlussakte
von Helsinki auch den Bürgern der DDR theoretisch die
freie Wahl des Wohnortes zustand, wurden Anträge auf
ständige Ausreise in der Regel abgelehnt und waren bis
1983 sogar illegal. Die Teilnehmer versammelten sich
ab dem 18. Juni 1983 jeden Samstag auf dem Platz der
Kosmonauten (heute Eichplatz) öffentlich stumm nebeneinanderstehend, um mit diesem passiven Protest für ihr
Recht auf Ausreise einzutreten.
Eingeladen waren zwei Mitbegründer des Kreises, Monika und Dietrich Lembke, und eine ehemalige Teilnehmerin
desselben, Heidelore Rutz. Moderiert wurde die Veranstaltung „‚Rübermachen‘ um jeden Preis? Die Ausreisegruppe ‚Weißer Kreis‘ in Jena“ von Christian Hermann. Es
sollte geklärt werden, worin die Motivationen der Gäste
für einen Ausreiseantrag bestanden und welche Folgen
dieser für ihr Leben in der DDR hatte. Wie beeinflusste die
KSZE-Schlussakte das Verhalten der Ausreisewilligen?
Wie kam es zur Gründung des „Weißen Kreises“ und mit
welchen Auswirkungen konnten die Teilnehmer konfrontiert werden? Warum wurde gerade diese Form des Protestes gewählt? Letztlich sollte auch besprochen werden,
inwiefern sich die Gäste als Teil der Oppositionsbewegung in der DDR empfanden.
Eine Motivation für die Ausreiseanträge stellte der empfundene Zwang dar, ein Leben mit „zwei Gesichtern“
führen zu müssen. Der Widerspruch zwischen politischer
Propaganda und gesellschaftspolitischer Realität wurde
ebenso als Grund genannt wie die Unterdrückung, der
sich die Gäste durch öffentlich geäußerte Anschauungen oder kirchliches Engagement ausgesetzt sahen. So
plante die christlich geprägte Familie Rutz schon lange,
die DDR zu verlassen, da aufgrund ihrer Konfession ihre
Kinder deutlich schlechtere Bildungs- und Berufschancen
hatten. Die Reaktion der Gäste auf die Möglichkeit, die
Akte als Argumentationshilfe gegenüber den Behörden
zu nutzen, war gespalten. Herr und Frau Lembke wussten zwar von der Schlussakte, wollten zu jener Zeit aber
noch nicht ausreisen. Für sie war die Entscheidung, die
DDR zu verlassen, ein langer Prozess. Familie Rutz hingegen berief sich in ihren beiden Ausreiseanträgen auf die
Schlussakte. Trotzdem wurden diese von staatlicher Seite mit der Berufung auf die Wichtigkeit der Arzttätigkeit
von Dietrich Rutz abgelehnt.
Antragsteller gerieten ins Visier der Staatsgewalt und
konnten Ziel gesellschaftlicher Ächtung werden. Die Zeitzeugen betonten hier, dass eine soziale Ausgrenzung,
etwa durch Kollegen oder Freunde, nicht stattfand. Sie
erhielten von ihnen vor allem moralische Unterstützung.
Allerdings nahm die staatliche Repression stark zu. So
Die Wartburg im Blick
Begegnung der süddeutschen Kirchenarchivare in Eisenach
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Tagungsprogramm im Zeichen des Reformationsjubiläums
Mitteldeutschland, mitteldeutsche Kirche und Eisenacher
Archiv auf dem Weg ins Jahr 2017
Das vor einem Jahr in Betrieb genommene neue Gebäude
des thüringischen Landeskirchenarchivs liegt in einer Gegend Eisenachs, von der aus die Wartburg kaum zu sehen
ist. Um diesen Standortmangel zu korrigieren, hatten die
seinerzeit mit dem Umbau beauftragten Architekten die
ehemalige Wehrmachtskaserne auf öffentlich präsentierten Entwurfszeichnungen stets in eine fiktive Sichtachse
zur Wartburg gelegt. Ein solch engagiertes „Zurechtrücken“ vermisster Wirklichkeit findet seinen Grund wohl
darin, dass für Außenstehende erst im Blick auf die symbolträchtige Silhouette der Wartburg Eisenach und Kirche
miteinander verschmelzen. Dafür steht als Gewährsmann
Junker Jörg, vertrauter als Martin Luther. Die mit aufwändigem Jubiläum weltweit bedachte Erinnerung an Luthers
Wirken vor 500 Jahren prägte in weiten Teilen das diesjährige Arbeitstreffen der süddeutschen Kirchenarchivare,
das am 29. und 30. Juni 2015 im Landeskirchenarchiv Eisenach stattfand. Es führte dreißig Archivare sowie Mitarbeiter aus landeskirchlichen Archiven unterhalb der geografischen Linie Düsseldorf-Dresden zum Fachgespräch
zusammen und hieß dabei auch Gäste aus Kiel und Berlin
willkommen.
Im Freistaat Thüringen bekennen sich nach Angaben des
statistischen Bundesamtes weniger als 25 Prozent der Bevölkerung zum Christentum. In Sachsen-Anhalt, das mit
weiten Gebieten ebenso wie Thüringen zur Evangelischen
Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gehört, sind es weniger
als 15 Prozent, in großen Städten beider Bundesländer
liegt die Kirchenmitgliedschaft im einstelligen Bereich.
Zentrale Stätten der Reformationsgeschichte wie Wittenberg, Mansfeld, Eisleben, Erfurt und Eisenach liegen inmitten eines stark säkularisierten Bevölkerungsumfeldes.
Der Name Luther steht hier noch am stärksten als Marke
innerhalb kulturtouristischer Programme. Die komplexe
Bedeutung der durch Martin Luther in Gang gebrachten
historischen Umwälzungen ist dagegen in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dessen ungeachtet bietet das
ausgefächerte kulturelle Luther-Event-Management wichtige Anknüpfungspunkte für den Ausbau der Vernetzungsstruktur, die auch kirchliche und kulturelle Institutionen
mit einbezieht, deren Fokus stärker auf die inhaltliche Bedeutung reformationsgeschichtlichen Erinnerns fällt.
Über inhaltliche Schwerpunkte und auszubauende Netzstrukturen informierte der zweite Beratungstag. Dazu
stellte die Projektmanagerin der EKM für die Lutherdekade, Dr. Christiane Schulz, wichtige Ziele und Stationen
landeskirchlicher Arbeit auf dem Weg zum Reformationsjubiläum vor. Die besondere Herausforderung läge darin, durch eine kirchliche Öffentlichkeitskampagne das
Werden und Wollen der Reformation in die heterogene,
überwiegend konfessionslose Umwelt zu transferieren
und dabei auf die Kommunikation seiner inhaltlichen Impulse nicht zu verzichten. Die langfristig angelegte Berührung mit reformationsgeschichtlichen Themen hat seit
dem Jahr 2008 – dem Beginn der „Lutherdekade“ zu einer
spürbaren öffentlichen Sensibilisierung für das nahende
Jubiläum geführt. Die Reformationsdekade ist durchaus
kein Fremdwort mehr und hat mit der gut angenommenen
Wort-Bild-Marke: „Luther 2017 Am Anfang war das Wort“
ein stimmiges Corporate Design.
Daneben sei aus landeskirchlicher Sicht insbesondere der
Bildungsauftrag für ihre eigenen Gruppen und Kreise zu
stärken. Christenlehre- und Konfirmandengruppen, Junge
Gemeinden, Gesprächskreise, Chöre und auch die Gottesdienstgemeinde sollen hineingenommen werden in die
Frage nach ihrer eigenen evangelischen Herkunft. Besonderes Interesse galt einer von Frau Dr. Schulz im letzten
Jahr herausgegebenen Handreichung für Kirchengemeinden, die Anleitung gibt, wie man den jeweiligen lokalen
reformatorischen Wurzeln auf der Grundlage von Quellen
auf die Spur kommt. In diesem Zusammenhang werden Archive als Quellenwahrer und methodenkompetente Partner gebraucht und auch namentlich benannt.
Eisenach als Lutherstätte
Bereits die Hausführung, in der Archivleiterin Dr. Hannelore Schneider das Baukonzept und die Magazinbestände
vorstellte, führte direkt in die Thematik. Museologe Burkhardt Breitsprecher präsentierte bei dieser Gelegenheit
die von der Stiftung Lutherhaus hier untergebrachten Bestände des Deutschen Pfarrhausarchives. Als Mitarbeiter
des Lutherhauses, das am 26. September 2015 am Eisenacher Lutherplatz neu eröff net wird, erläuterte er kurz
die Neukonzeption seines Dienstortes und gab einen Vorgeschmack auf dieses große Ereignis.
Im anschließenden Vortrag rief Stadtarchivar Dr. Reinhold
Brunner – zugleich städtischer Beauftragter für die Lutherdekade – all jene Eisenacher Stätten auf, die quellengestützt oder durch andere Formen kollektiven Erinnerns mit
dem Lebensweg des Reformators verbunden sind. In der
Reihe dieser Erinnerungsorte nimmt natürlich die Wartburg als UNESCO-Welterbe zu Recht den vordersten Platz
ein. Schließlich besuchten die Tagungsteilnehmer mit der
Georgenkirche einen authentischen Lutherort. Der ehemalige Leiter des Landeskirchenarchivs und passionierte
Kirchenhistoriker, Pfr. i. R. Dr. Wolfgang Schenk, entfaltete
die historisch gewachsene Bedeutung dieses besonderen
Kirchenraumes, der mit seiner reichen Ausstattung u. a.
davon erzählt, dass hier Jahrhunderte vor Martin Luthers
Predigt schon Elisabeth von Thüringen getraut und nach
ihm Johann Sebastian Bach getauft wurden.
36
Viel Reformationsbewegtheit außen und weniger innen
Wie die Regionen ganz praktisch mit auf den Weg genommen werden sollen, zeigte der Jenaer Superintendent
Sebastian Neuß. Um möglichst viele Menschen am Deutschen Evangelischen Kirchentag im Jubiläumsjahr zu beteiligen, wurde die Idee vom „Kirchentag auf dem Weg“
entwickelt. Neben Berlin und Wittenberg wird es in zwei
Jahren auch auf dem Gebiet der EKM in Halle/Eisleben,
Magdeburg, Jena/Weimar und Erfurt sowie in Dessau (Anhaltische Landeskirche) und Leipzig (Landeskirche Sachsen) Kirchentage mit regionalen Schwerpunkten geben.
Der zentrale Abschlussgottesdienst am 28. Mai 2017 soll
dann mit allen Mitwirkenden und Gästen auf den Elbwiesen vor den Toren Wittenbergs gefeiert werden. Das „protestantische Rom“ erwartet schätzungsweise 300.000
Menschen zu diesem Ereignis.
In deutlich begrenzteren Größenordnungen wird aus der
Perspektive des Landeskirchenarchivs beobachtet, geplant und gehandelt. Dass die organisatorische Bewegtheit in der Reformationsdekade nicht von einer inneren
begleitet wird, ist nüchtern zu konstatieren. Im Landeskirchenarchiv ist keine Zunahme an thematischen Bearbeitungen, Nutzeranfragen oder betreuten Forschungsarbeiten zu verzeichnen. Auch die im Mai 2014 in Weimar explizit mit diesem Anliegen abgehaltene Archivpädagogenkonferenz (Bericht dazu in „Archive in Thüringen“, 2014,
S. 42-44) führte in Eisenach bislang zu keinem besseren
Ergebnis.
Ein Merkzeichen setzt die Forschung aus dem eigenen
Haus. Pfarrer Dr. Hagen Jäger arbeitet seit zwei Jahren an
einem aus der Bibliothek der Eisenacher Georgenkirche
stammenden Handschriftenband mit Texten des mitteldeutschen Reformators und Lutherfreundes Nikolaus von
Amsdorf (1483-1565). Bei den meisten darin enthaltenen
theologischen Erörterungen und Auseinandersetzungen
des streitbaren Amsdorf mit seinen Zeitgenossen handelt
es sich um bisher ungedruckte Schriften. Sie sollen Aufnahme in die Publikationsreihe der Leucorea-Studien zur
Geschichte der Reformation und lutherischen Orthodoxie
finden und bis zum Reformationsjubiläum darin erscheinen (siehe S. 21f. dieses Heftes).
Auf ein weithin akzeptiertes und mittlerweile deutschlandweit bekanntes Forschungsergebnis aus reformationsgeschichtlichen Quellen wies Archivarin Christina Neuß hin.
Die von der Frauenarbeit der EKM initiierte Wanderausstellung „Frauen der Reformation in der Region“ (www.
frauenarbeit-ekm.de) zeigt auf Roll-Ups zwölf Frauen aus
dem Mutterland der Reformation. „Patinnen“ aus der Gegenwart präsentieren auf Grundlage eigener Recherchen
ein Ergebnis, mit dem Leben und Kontext der „Ahnin“ anschaulich werden, vertieft durch Informationen zur sozialund geistesgeschichtlichen Situation im 16. Jahrhundert.
Frauen wie Felicitas von Selmnitz (1488-1558), Anna von
Mansfeld (1490-1559) oder Magdalena von Staupitz (um
1485-1548) treten dank dieser Ausstellung aus ihrem Jahrhunderte währenden Schattendasein heraus und erhalten
eine ihrer Lebensleistung angemessene Würdigung und
37
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Dr. Wolfgang Schenk führt durch die Georgenkirche
(Foto: Axel Schneider)
dies in der Region, aus der sie stammen. Ein solcher Zugewinn an überlieferungsgestützter Identität bereichert
das Leben in Kommunen und Kirchengemeinden. Die
Ausstellung erlebt seit ihrer ersten Station am Reformationstag 2012 in der Marktkirche Halle (Saale) einen nicht
nachlassenden deutschlandweiten Zuspruch. Der Katalog
hat nach mehreren Neuauflagen inzwischen auch eine
englische und schwedische Übersetzung erfahren. Ein
Ausstellungspendant tourt mittlerweile durch Schweden.
Die Ausleihwünsche greifen ununterbrochen bis in das
Jahr 2018. Auch im Landeskirchenarchiv Eisenach war die
Ausstellung vom 31. August bis 25. September 2015 zu
sehen.
ARCHION: Ein Portal ins digitale Zeitalter
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Der Erfolg der reformatorischen Bewegung wurde wesentlich von der damals jungen Erfindung des Buchdrucks unterstützt. Ob die heutigen Kirchen am „Ende des Gutenbergzeitalters“ (McLuhan) vorhandene Kommunikationswege mit ähnlicher Effizienz beschreiten können, ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt noch fraglich. Die im Herbst
2014 in Dresden abgehaltene Synode der EKD hat sich
vor diesem Hintergrund mit den Chancen der „Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“ befasst. Das Kirchenbuchportal ARCHION (www.archion.de)
stellt eine Möglichkeit dar, Kirche in modernen Medien zu
begegnen. Mit ihm sollen schrittweise Zugänge zu digitalisierten Daten von insgesamt 200.000 Kirchenbüchern
auf dem Gebiet der EKD für genealogische Forschungen bereitgestellt werden. Um die Arbeit dieses am 20.
März 2015 freigeschalteten Portals vorzustellen, waren
der Geschäftsführer von ARCHION, Harald Müller-Baur
(Stuttgart), sowie die maßgeblich an der Entwicklung
des Portals beteiligten Archivarinnen Dr. Gabriele Stüber
(Speyer) und Dr. Bettina Wischhöfer (Kassel) angereist.
Sie informierten über erste Nutzererfahrungen, Zahlen und Entwicklungen sowie über die Erwartungen an
künftige Teilnehmer. Im Vordergrund stehen dabei die
Kirchenbuchbestände der EKM, die mit ihren mehr als
60.000 Kirchenbüchern zu den größeren Landeskirchen
gehört. Angesichts des starken öffentlichen Interesses
werden die Gespräche darüber, ob und wie die ressourcenintensive Portal-Beteiligung angesichts des breiten
Spektrums anstehender archivischer Aufgaben ansteht,
auch in der EKM ehrlich geführt werden müssen. Wege
hinter die digitale Zeit sind freilich für keine Landeskirche
mehr denkbar.
Arbeit ohne Lobby und Dachmarke: Vom Schattendasein
der Archivpflege
Einen völlig unspektakulären elektronischen Weg zu hilfreichen Daten gibt es in Sachen Archivpflege schon seit
längerer Zeit über die Homepage des Eisenacher Landeskirchenarchivs (www.landeskirchenarchiv-eisenach.de/
archivpflege). Allerdings halten sich die Zugriffe bislang
im überschaubaren Rahmen. Die Eisenacher Archivare
stellten fest, dass bereits der Begriff „Archivpflege“ außerhalb der Fachwelt „übersetzt“ werden müsse. Archivpflege sei – darin gäbe es eine strukturelle Parallele zur
Altenpflege – wichtig, politisch gewollt, doch mit Blick
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auf die Fülle der Aufgaben finanziell und personell völlig
unzureichend ausgestattet. Diese wichtige bestandserhaltende Kernaufgabe brauche daher dringend ein administrativ gewolltes und gestärktes Image. Die Aktualisierung der in der EKM noch gültigen Dienstanweisungen
für Archivpfleger aus den Jahren 1955 und 1963 steht
vor ihrem Abschluss und weist in eine neue Richtung.
Die nahezu ausschließliche Verankerung dieser Tätigkeit
im ehrenamtlichen Bereich wird auf Dauer kaum ausreichen, da neue Raumordnungen innerhalb der EKM riesige
Verwaltungseinheiten für geschäftsführende Pfarrer und
Gemeindekirchenräte schaffen, in denen die Pflege der
vielen Einzelarchive nur am Rande geleistet werden kann.
Eine Unterstützung durch hauptamtlich eingesetzte Betreuer, Berater oder Archivare scheint auf lange Sicht in
einigen Landstrichen der EKM unumgänglich. Weiterhin
unverzichtbar sind Fortbildungen für alle Archivmitarbeiter. Erwähnt seien die jährlichen Arbeitsberatungen der
kirchenkreislichen Archivpfleger der EKM, die, für alle Interessierten offen, regelmäßig von Magdeburg und Eisenach aus organisiert werden. Daneben werden jährlich,
ebenfalls von beiden landeskirchlichen Archiven verantwortet, in Tabarz und Magdeburg Schulungen angeboten,
in denen das nötige praktische und theoretische Rüstzeug
für die Bewältigung der vielfältigen Arbeit im Pfarrarchiv
angeboten wird. Netzwerke in den Kommunen, attraktive
Öffentlichkeitsarbeit und, wenn nötig, auch unorthodoxe
Finanzierungsmodelle werden langfristig nötig sein, um
jene Überlieferung dauerhaft zu sichern, die seit Luthers
Zeit auf uns gekommen ist.
Bes(ch)wingter Abschluss
Am Ende der zweitägigen Beratung stand ein Besuch im
„Internationalen Archiv für Jazz und populäre Musik der
Lippmann und Rau-Stiftung“, kurz: Jazz-Archiv, im Eisenacher Palmental. Dass sich in der Geburtsstadt Johann
Sebastian Bachs ein solches Archiv findet, vermag seine
Verehrer nicht wirklich zu verwundern, erkennen sie doch
in der Klangwelt des großen Meisters reiche Anstöße zum
Improvisieren. Durch das ehrenamtlich betriebene Archiv
führte Daniel Eckenfelder. Er kann mittlerweile auf etwa
80.000 Tonträger, 60.000 Bücher und Zeitschriften sowie
noch einmal so viele Fotografien verweisen. Das inzwischen in der internationalen Musikszene bekannte Museum ist mit einem 700 Quadratmeter großen Raumangebot
in der alten Eisenacher Mälzerei viel zu klein. Es wird in
absehbarer Zeit darum einen Neubau für diese musikgeschichtlich einzigartigen Quellen geben. Als Ideengeber dafür konnte kein Geringerer als der weltberühmte
Schweizer Architekt Peter Zumthor (u. a. Kunsthaus Bregenz, Kunstmuseum Kolumba Köln) gewonnen werden.
Wünschen wir diesem Neubau, dass man von dort sogar
die Wartburg sehen kann.
Christina Neuß, M. A.
Landeskirchenarchiv Eisenach
Schülerprojekt des Stadtarchivs
und des Salinen- und Heimatmuseums Bad Sulza
Schülerinnen bei der Projektarbeit
(Foto: Bernhard Heinzelmann)
und Inventarlisten herangezogen und für die Erfassung
bearbeitet. Neben der Übertragung der Textdateien wurde eine ergänzende Fotodokumentation angelegt und in
die Datenbank mit aufgenommen. Die Datenbank ist Kern
der Projektarbeit, um nach Abschluss des Projektvorhabens den multimedialen Zugang zu den Archivquellen
und Museumsexponaten zu ermöglichen.
Der direkte Kontakt mit den historischen Quellen, das
Heranführen an die archivalischen Materialien und den
vergegenständlichten Sachzeugen der Geschichte war für
die Projektteilnehmer absolutes Neuland. Das reflektierte vor allem ihr Verständnis zum Projektvorhaben und die
Herangehensweise an die im Stadtarchiv und Stadtmuseum verwahrten historischen Werte. Diese Erfahrungen
potenziert die Bemühungen des Stadtarchivs Bad Sulza,
stärker als Kooperationspartner für Schulen und andere
Bildungseinrichtungen mit didaktischen Möglichkeiten
und Angeboten zu agieren. Die Entwicklung von projektbezogenen Modulen soll dabei die Herangehensweise an
die historischen Archivquellen und musealen Sachzeugen der Geschichte erleichtern. Das Verhältnis von Lernen, Forschen und Entdecken war zwischen den Kooperationspartnern so zu gestalten, dass das Arbeiten in den
außerschulischen Lernorten Archiv und Museum für die
Projektteilnehmer attraktiv und spannend war und letztlich auf ein nachhaltiges Erlebnis zielte. Die Ergebnisse
der Projektarbeit werden im Salinen- und Heimatmuseum
Bad Sulza von den Projektteilnehmern öffentlich vorgestellt und verteidigt.
Bernhard Heinzelmann
Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza
39
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Das Stadtarchiv Bad Sulza hat in Zusammenarbeit mit
dem städtischen Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza
im Sommer 2014 erstmals ein Schülerprojekt mit Schülern der 9. Klasse der Staatlichen Regelschule („Toskana-Schule“) Bad Sulza ins Leben gerufen und fachwissenschaftlich begleitet. Grundlage des Projektvorhabens
war ein zwischen der Stadtverwaltung Bad Sulza und der
Regelschule abgeschlossener Kooperationsvertrag, der
Aufgaben und Pflichten, Inhalt und Projektdauer beinhaltet. Zielstellung des Projektes war die Erfassung, Inventarisierung und Erforschung von Exponaten des Stadtmuseums auf der Grundlage von Archivalien des Stadtarchivs
und des Stadtmuseums. Das Projekt war somit archivund zugleich museumspädagogisch ausgerichtet, um
den Schülern den Zugang zu beiden außerschulischen
Lernorten anbieten zu können. Somit war den Projektteilnehmern der direkte Kontakt zu den authentischen Dokumenten und Exponaten im Stadtarchiv und im Stadtmuseum ermöglicht worden. Das archivpädagogische Angebot
des Stadtarchivs Bad Sulza, das hier erstmals praktiziert
wurde, will vor allem als ein Mittel der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verstanden sein, um den Schülern auf
diese besondere Weise Einblicke in die Geschichte ihrer
Stadt und damit ihrer eigenen Lebenswelt zu vermitteln.
Stadtarchiv und Stadtmuseum sehen darin einen wichtigen Bestandteil ihres kultur-, informations- und bildungspolitischen Auftrages.
Der Schwerpunkt der methodischen Herangehensweise an das Projektthema war auf ein eigenständiges forschendes Lernen und selbstständiges Arbeiten ausgerichtet. Innerhalb des Gesamtthemas war den Projektteilnehmern ein besonderes Aufgabengebiet übertragen
worden, das zwar thematisch auf das Projektziel ausgerichtet war, aber selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten von den Projektteilnehmern forderte.
Archiv- und museumsfachliche Arbeit waren hier zu koordinieren und modulübergreifend in Übereinstimmung
zu bringen. Für die direkte Projektarbeit im Stadtarchiv
und Stadtmuseum stand den Schülern ein gutes halbes
Jahr zur Verfügung. Konsultations- und Arbeitsort war das
Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza. Hier trafen sich
die Schüler wöchentlich einmal zu ihren Projektarbeiten
und Informationskonsultationen. Betreuung gaben eine
Fachpädagogin der Bad Sulzaer Regelschule und ein Mitarbeiter des Stadtarchivs. Für das Projekt standen den
Teilnehmern moderne PC-, Dokumentations-, Repro- und
Fototechnik zur Verfügung. Sie war mit Unterstützung des
Freistaates Thüringen eigens für dieses und für weitere
geplante Projekt- und Kooperationsvorhaben angeschaff t
worden. Die Digitalisierung der inventarisierten Museumsexponate, ihre elektronische Speicherung und Verwaltung in Text und Bild auf einer Datenbank war eine der
Aufgaben der Projektgruppe. Hierzu wurden diesbezügliche Archivalien in Form von Archivakten, Karteikarten
Von Mauern, Toren, Pforten und Gräben
Altenburger Grundschüler entdecken ihre Stadt
Ausgangslage
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Im Heimat- und Sachkundeunterricht an Thüringer Grundschulen ist für die Klassenstufe 3 mit dem Thema „Meine
Heimatstadt früher“ ein Projekt fest verankert, dass Kinder
dieses Alters durchaus faszinieren kann. Vor allem dann,
wenn man konkrete Einrichtungen – wie Stadtmauer,
Stadttore und sonstige Befestigungsanlangen – aus der
eigenen Stadt zum Anlass nimmt, um dem Leben in einer
mittelalterlichen Gemeinschaft näher zu kommen. Diesen
Versuch unternehmen auch die Altenburger Grundschullehrer mit jeder dritten Klasse erneut. Allerdings nutzen
die wenigsten von ihnen tatsächlich regionales Anschauungsmaterial, so dass die Informationen in der Regel sehr
allgemein bleiben und ein interessantes Projektthema in
der Belanglosigkeit zu verpuffen droht.
Diesen Umstand nahmen die Mitarbeiter des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg zum Anlass, um ein erstes
eigenes Angebot für Grundschulklassen zu erarbeiten.
Die Quellenlage war bekannt, überschaubar und deshalb
für Grundschüler gut zu fassen. So existieren in der Bildersammlung des Archivs farbige Abbildungen aller fünf
Stadttore aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Diese stammen vom Hofwagner Carl Christian Schadewitz,
der als Wort- und Bildchronist durch Altenburg zog und
unter anderem den Zustand der Stadttore kurz vor ihrem
Abriss darstellte. Weiterhin verfügt das Staatsarchiv über
die so genannten Barrikadenbilder. Diese zeigen die Barrikaden am Burgtor, am Teichtor und am Schmöllnschen
Tor, die zwischen dem 18. und 20. Juni 1848 errichtet worden waren, als sich in einer beispiellosen Aktion 15.000
Altenburger Bürger und Bauern des Umlandes zusammenschlossen und bewaff neten, um das Eindringen von 1.800
sächsischen Soldaten in die Stadt zu verhindern.
Auf der ältesten Gesamtansicht der Stadt Altenburg – einem Merianstich aus dem Jahre 1603 – ist der Verlauf der
Stadtmauer deutlich zu erkennen. Historische Stadtpläne
sind in der Karten- und Plansammlung überliefert. Zusätzliche Informationen, Daten und Fakten liefern die heimatgeschichtlichen Beiträge in Büchern, Zeitschriften und
Kalendern.
Die größte Herausforderung für die Archivare bestand nun
darin, mit Hilfe der beschriebenen Dokumente eine wirklich kindgerechte, interessante und erlebnisreiche Veranstaltung zu erarbeiten, in der die Schüler selbst aktiv
werden können.
Ein neues Angebot
Entstanden ist nach einer mehrmonatigen Vorbereitungszeit ein ausgesprochen attraktives Angebot, das aus zwei
Teilen besteht. Der erste Teil findet im Seminarraum des
Staatsarchivs Altenburg statt, der dafür bestens ausgestattet ist. In der Mitte des Raums erwartet die Kinder in
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einer Größe von 1,60 m x 2,50 m ein auf Kunststoff aufgezogener Stadtplan aus dem Jahre 1858. Der Merianstich
aus dem Jahre 1603 ist bereits auf das Whiteboard projiziert. Gemeinsam betrachten die Kinder die alte Ansicht.
Wer sich traut, darf ein Gebäude, das er wiederzuerkennen glaubt, farbig im Bild markieren. Außerdem spüren
die Schüler dem Verlauf der Stadtmauer nach, markieren
Türme und sichtbare Tore, vergleichen Bekanntes mit Unbekanntem.
Danach erhalten die Kinder Ausdrucke eines Stadtplans,
in denen der Verlauf der Stadtmauer bereits eingetragen
ist. Einige Freiwillige versuchen nun, die Informationen
auf den großen Stadtplan zu übertragen und die Stadtmauer mit sandfarbenen Styroporsteinen nachzubauen.
Erst jetzt wird klar, wie klein die ursprüngliche Stadt eigentlich war, dass bekannte Gebäude wie das Schloss
oder Areale wie der Große und der Kleine Teich gar nicht
zum Stadtgebiet gehört haben und dass die meisten Kinder außerhalb des eigentlichen Stadtkerns wohnen. Im
Anschluss betrachtet die Gruppe den Stadtplan genauer
und erfährt, dass viele der heutigen Straßennamen immer noch aus der Zeit herrühren, als Altenburg von einer
Stadtmauer umgeben war und dass man sogar deren Verlauf ablesen kann. So heißt noch heute die von Westen
in die Stadt führende Straße genau bis zum Standpunkt
des früheren Johannistores Johannisvorstadt und danach
Johannisstraße. Mit der Schmöllnschen Vorstadt und der
Teichvorstadt verhält es sich ebenso.
Ebenfalls auf Styroporsteinen sind die Stadttore nachgebildet worden, die weitere Schüler in die Mauer einsetzen.
Als sehr knifflig empfinden Schüler und Lehrer die Zuordnung der einzelnen Tore in das heutige Stadtbild. Dazu
wurden vorab die Standorte der früheren Stadttore fotografiert. Die heutige Ansicht und die farbige Abbildung
aus der Bildersammlung können meist nur in Gemeinschaftsarbeit in Übereinstimmung gebracht werden.
Mit diesem Wissen ausgerüstet, das sich die Kinder aktiv und in Eigenregie angeeignet haben, startet die Gruppe nun zum historischen Stadtrundgang. Dieser soll am
Standort des früheren Burgtors beginnen und entlang der
Stadtmauer von einem Stadttor zum nächsten führen. Da
allerdings von der ursprünglich 2.050 Meter langen und
ca. 8 Meter hohen Stadtmauer mit ihren 5 Toren nur sehr
wenig erhalten geblieben ist, musste ein Weg gefunden
werden, die Strecke dennoch interessant zu gestalten. So
entstand die Idee für ein Fotosuchspiel. Alle bis heute erhalten gebliebenen Mauerreste – und seien sie noch so
klein – waren im Vorfeld des Stadtrundgangs fotografiert
worden, ebenso alle Standorte der früheren Tore und die
beiden letzten Wachtürme. Die Fotos jeweils einer Etappe
wurden zusammen in einem Umschlag aufbewahrt. Zu Beginn des Stadtrundgangs werden die nummerierten Umschläge verteilt und immer ein Kind darf nun die gesamte
Gruppe von einem zum nächsten Etappenziel führen und
sollte dabei möglichst alle Stadtmauerreste von den Fotos
in der Realität wiederfinden. An den Standorten der früheren Tore, auf dem alten Markt und an einer besonderen
Stelle der Stadtmauer gibt es kurze Informationen, die
stets reichlich bebildert sind. Das Bildmaterial dafür trägt
die Archivarin in einer großen Klappmappe bei sich.
Ein günstig gelegener Spielplatz auf der Mitte der Strecke
lädt zu einer Frühstücks- und Spielpause ein. Dort können
die Kinder neue Kraft tanken.
Das Angebot des Staatsarchivs Altenburg besteht erst
seit Juni dieses Jahres. Bislang haben drei Veranstaltungen stattgefunden. Die beteiligten Archivare waren vom
Interesse, der Aufmerksamkeit und der Wissbegierde
der Kinder sehr positiv beeindruckt. Die Kinder waren
begeistert, dass sie selbst aktiv werden konnten und
davon, wieviel Neues sie aus ihrer Heimatstadt erfahren
haben. Beim Suchspiel nach den Fotos wurde der kind-
liche Ehrgeiz angeregt, aber auch Teamarbeit gefördert,
denn kaum einer konnte den Weg ohne Hilfe von anderen
finden.
Aus Sicht des Archivs haben sich alle gedanklichen, finanziellen und arbeitszeitlichen Vorleistungen durchaus
gelohnt. Entstanden ist ein nachhaltiges Angebot, das auf
absehbare Zeit immer wieder ohne Aufwand reaktiviert
werden kann und sicher auch im kommenden Schuljahr
von den neuen dritten Klassen gut angenommen werden
wird. Im neuen Flyer, der die archivpädagogischen Angebote des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg zusammenfasst und an alle Schulen versendet wurde, sowie in
den regelmäßigen Infobriefen das Hauses ist die Veranstaltung bereits offensiv beworben worden.
Erläuterungen an der Stadtmauer
(Foto: Heike Grimm)
Gruppenarbeit im Seminarraum
(Foto: Heike Grimm)
Doris Schilling
Thüringisches Staatsarchiv Altenburg
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Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Gruppenarbeit im Seminarraum
(Foto: Heike Grimm)
Sonderausstellung des Kreisarchivs
Schmalkalden-Meiningen zum Ersten Weltkrieg
Geschichte und Theater im Doppelpack
Die Sonderausstellung „Der Erste Weltkrieg 1914-1918
– wiederentdeckte Archivalien und Sachzeugnisse aus
Meiningen und anderen Orten des Herzogtums Sachsen-Meiningen“ im Saal des Landratsamtes war mit drei
interessanten generationenübergreifenden Theaterinszenierungen verbunden. Das stieß beim Publikum auf eine
sehr gute Resonanz. In der Zeit vom 26. Oktober bis 13.
November 2014 wurden etwa 1.000 Besucher erreicht.
Themen der Sonderausstellung wurden im Historienspiel
„1914 – Vorahnungen im Herzogtum Sachsen-Meiningen“ aufgegriffen. Engagierte Laiendarsteller des Südthüringer Amateurtheater e. V. Obermaßfeld-Grimmenthal erinnerten an die Situation am Vorabend des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges in Meiningen.
Das zweite Projekt „Echo des Krieges“ unter der Leitung
und Regie von Elke Büchner aus Meiningen zeigte mit den
Mitteln des Theaters – insbesondere des Schauspiels,
der Bewegung und des Tanzes –, was Krieg bedeutet und
welche Wunden Kriege hinterlassen. Die gestische Performance in zwölf Bildern zog die Besucher im Saal in ihren Bann.
Filme und Gespräche
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Innerhalb der Ausstellung waren u. a. zwei Dokumentarfilme auf einer Großleinwand zu sehen. Dabei handelte es
sich um den ersten Dokumentarfilm der Filmgeschichte
zur Offensive an der Westfront im Jahr 1916. Zum Thema
„Krieg – einst und heute“ gab es zwischen den Ausstellungsbesuchern gerade im Bereich der Ausstellungstafeln interessante und emotionale Gespräche. Das Thema
Blick in den Bereich der Sonderausstellung
(Foto: Tom Pleiner)
42
Angelika Hoyer (rechts) im Gespräch mit den Leihgeberinnen
Helga Scholz und Erika Schmidt aus Einhausen
(Foto: Tom Pleiner)
Krieg und die Folgen ist so aktuell wie nie. Unzählige Bürger, die mit ihren Leihgaben und Schenkungen diese Ausstellung ermöglicht haben, waren besondere Gäste innerhalb der Veranstaltungen. Mit großer Freude, entdeckten
sie ihre Dokumente, Fotos bzw. Sachzeugnisse.
Ausstellungsabschluss und erneute Schenkungen und
Ankäufe
Aufgrund des großen Interesses war die Sonderausstellung bis zum 30. Dezember 2014 im Landratsamt verlängert worden. Im Anschluss wurden ca. 80 Prozent aller
Leihgaben, welche 58 Bürger des Landkreises dem Archiv
zur Vorbereitung der Sonderausstellung übergeben hatten, von den jeweiligen Eigentümern wieder abgeholt. Bei
der Rückgabe der Dokumente, Fotos und Sachzeugnisse
brachten alle Leihgeber ihre Freude über die gelungene
Sonderausstellung zum Ausdruck. Fast alle 30 Leihgaben bzw. 38 Schenkungen unterschiedlichen Umfangs
konnten auf Schautafeln, in Dokumentationen und Ausstellungsvitrinen präsentiert werden. Im Ergebnis wurde
diese Ausstellung durch die Vielzahl der Übergaben eine
Ausstellung „der Bürger für die Bürger des Landkreises“.
Im Vorfeld der Rückgabe fragte Frau Hoyer alle Leihgeber,
ob sie sich vorstellen könnten, das eine oder andere interessante Exponat dem Kreisarchiv als Dauerleihgabe oder
Schenkung zu überlassen. Die Resonanz war unerwartet
groß. Tatsächlich entschieden sich 18 Personen, Teile
ihrer Leihgaben als Dauerleihgabe oder Schenkung im
Kreisarchiv zu belassen. Ein häufiges Argument: „Hier ist
alles in guten Händen, ein Ort, an dem es für die zukünftigen Generationen einen Sinn erhält“. Selbst während und
nach der Sonderausstellung gingen noch Schenkungen
an das Kreisarchiv über. Drei weitere Ankäufe von besonderen Sachzeugnissen wurden u. a. durch das Kreisarchiv
in den letzten Tagen getätigt. Bis Oktober dieses Jahres
sind auf Grund der weiteren Aktualität der Thematik noch
sechs Ausstellungsvitrinen für einige Wochen im Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen im Landratsamt, Haus 3,
Obertshäuser Platz 1, zu besichtigen.
Ein herzlicher Dank ging an alle Spender, die die wichtige Arbeit der Kriegsgräberfürsorge unterstützten. Bisher
gingen im Zuge der Sonderausstellung Spenden in Höhe
von 217,90 € ein.
Wanderausstellung
Das heißt, die Tafeln in der Größe von 1,50 m x 1,20 m
sind auf fahrbaren Ständern befestigt und können kostenlos ausgeliehen werden. Die Mitarbeiter des Kreisarchivs Schmalkalden-Meiningen hoffen sehr, dass diese
Dokumentation historische Bildungsarbeit leistet, denn
diese ist notweniger denn je. Es gilt, mit „Geschichte und
Geschichten“ auch heute an das zu erinnern, was Konflikte und Kriege hinterlassen. Die Tafeln erzählen aus
der Stadt Meiningen und anderen Orten des Herzogtums
Sachsen-Meiningen, also aus unserer unmittelbaren Umgebung.
Interessenten können sich bei der Kreisarchivarin, Frau
Hoyer, melden (Tel. 03693 485300 oder E-Mail: [email protected]).
Die 22 Ausstellungstafeln der Sonderausstellung haben
ab Januar 2015 schon mehrere Interessenten gefunden.
Angelika Hoyer
Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen
Ausstellung des Stadtarchivs Eisenach
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Vom 26. September bis zum 15. November
2015 zeigt des Stadtarchiv Eisenach aus Anlass des 25. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung eine Ausstellung mit dem Titel „grau in grau – Visionen und Wirklichkeit“.
Ausgehend von den Visionen, die die Nachkriegszeit im Hinblick auf die künftige Entwicklung Eisenachs hervorbrachten, eingebettet in Aufnahmen der späteren Lebenswirklichkeit der Menschen in dieser Stadt
und vor dem Hintergrund stetig wachsender
Umweltprobleme, dokumentieren die Bilder
der Ausstellung die signifikanten Wandlungen in einem Stadtbild, das seit den 1980er
Jahren von zunehmendem Verfall geprägt
war. Gegenüber gestellt werden aktuelle
Fotografien, die die bauliche Entwicklung
der letzten 25 Jahre verdeutlichen sollen.
Die bewusste Konfrontation im Sinne eines
„Schwarz-Bunt-Kontrastes“ soll dabei einerseits den Diskurs, einen Dialog der Eisenacher mit ihrer Stadt provozieren, andererseits dem Stadtgast ermöglichen, die Entwicklung Eisenachs in den letzten 25 Jahren
virtuell nachzuempfinden.
Die Ausstellung ist im Marstall des Stadtschlosses am Markt zu sehen. Sie basiert
vor allem auf den Bildbeständen des Stadtarchivs Eisenach. Auf Initiative des damaligen
Bauamtes hatte ein semi-professioneller Fotograf in den 1980er Jahren das Stadtbild dokumentiert. Aus dieser Bildserie hoff te man
seinerzeit, bauliche und planerische Notwendigkeiten ableiten und begründen zu können.
Dr. Reinhold Brunner
Amt für Bildung, Eisenach
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Historische Stadtrundgänge in Auma
Eine Möglichkeit zur Inszenierung archivalischer Quellen
Einleitung
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Ursprünglich wurde die Vermittlung der Stadtgeschichte in Form eines Historischen Stadtrundgangs durch die
Kleinstadt Auma als ein besonderer Programmpunkt der
Festwoche anlässlich der 675. Wiederkehr der Verleihung
des Stadtrechts im Jahr 2006 ins Leben gerufen. Die geistigen Eltern dieser Präsentationsform historischer Ereignisse, Personen, Legenden und Erzählungen ihrer Heimatstadt sind das inzwischen in Kirschkau beheimatete
Lehrerehepaar Ute und Wolfgang Hieb. Als klare Intention
dieses Vorhabens formulierte Ute Hieb dabei von Anfang
an „eine aufgelockerte Stadtführung anzubieten. Also
mehr, als dass ein Mensch vor einer Gruppe stehe und
etwas referiere“.
Da Frau Hieb in Zusammenarbeit mit der damaligen Stadtarchivarin Ella Werner (1923-2013) und einigen weiteren
Heimatforschern im Zuge des Stadtjubiläums 2006 an
der Erstellung der Festschrift mitwirkte, förderte das Autorenteam zahlreiche spannende, teilweise auch längst
in Vergessenheit geratene Facetten der Stadtgeschichte
zutage. Während des Verfassens des Bandes „675 Jahre
Auma – Geschichte und Geschichten einer Stadt“ kam
Ute Hieb schließlich auf die Idee, einige besonders markante Begebenheiten des städtischen Lebens und die
zugehörigen Protagonisten mit ihren in den Quellen geschilderten charakteristischen Eigenschaften zum Leben
zu erwecken.
Dieser erste Historische Stadtrundgang am 31. August
2006 war als eine einmalige Veranstaltung geplant, doch
rasch hatte das Ehepaar Hieb eine so große Zahl an belehrenden, gleichsam aber auch amüsanten Episoden
zusammengetragen, dass eine Auswahl schier unmöglich
erschien, ohne interessante Details der Stadtgeschichte
ausklammern zu müssen. Aufgrund der großen Resonanz
bereits dieses ersten Stadtrundgangs mit mehr als 800
Besuchern, beschlossen die Organisatoren, diese Veranstaltung im jährlichen Rhythmus fortzusetzen.
Quellengrundlage, Drehbuchgestaltung und Umsetzung
Die Quellengrundlage für das chronologische Gerüst
eines jeden Historischen Stadtrundgangs durch Auma
bildet die im Stadtarchiv Auma-Weidatal verwahrte Tageszeitung aus der Zeit vor genau einhundert Jahren. Da
in diesem Zeitraum die „Ostthüringer Zeitung“ und ihre
Vorläuferblätter in Auma verlegt und gedruckt wurden,
lassen sich darin in fast jeder einzelnen Ausgabe Nachrichten über das Geschehen in der ostthüringischen
Kleinstadt ausfindig machen. Der jeweilige Jahrgang der
Aumaer OTZ, die nicht in Verbindung mit der heutigen
gleichnamigen Tageszeitung steht, bildet einen ergiebigen Quellenfundus, aus welchem Ute Hieb manche längst
der Vergessenheit anheim gefallende Begebenheit für
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das Drehbuch ihrer Stadtrundgänge schöpft. Diese grobe Zeitungschronologie wird durch weitere archivalische
Quellen wie die städtische Chronik, die Überlieferung der
Stadtverwaltung sowie mit archivierten Egodokumenten
aus der jeweiligen Zeit konkretisiert und ausgeschmückt.
Die über den Zeitungsbestand hinausgehenden Archivrecherchen werden vom Stadtarchiv Auma-Weidatal übernommen und der Drehbuchautorin unentgeltlich zugearbeitet.
Neben dem lokalhistorischen Schwerpunkt werden in
den Stadtrundgängen des Öfteren auch Themen von nationaler und internationaler Bedeutung aufgegriffen. Beispielsweise war zum siebten Historischen Stadtrundgang
im Jahr 2012 extra Friedrich der Große (1712-1786) mittels
einer Zeitmaschine angereist, um im Jahr seines 300. Geburtstages einerseits über die Einführung der Kartoffel in
den deutschen Territorien zu sprechen und andererseits
auch an die kurze Phase der Zugehörigkeit Aumas zum
preußischen Staat (Mai-November 1815) zu erinnern. Der
sächsische Kurfürst August der Starke (1670-1733) kam
im Stadtrundgang des Jahres 2010 zu Wort und berichtete reumütig von der Legende, wie er einstmals aus purem
Übermut in den Turmknopf der Aumaer Liebfrauenkirche
geschossen haben soll. Zum Abschied verwies er auf die
unter seiner Herrschaft initiierte Landesvermessung und
dankte den Bürgern der Stadt dafür, dass die während
seiner Regierungszeit im Jahr 1722 aufgestellte kursächsische Postmeilensäule auf dem Markt nach der Restaurierung im Jahr 2006 in fast noch schöneren Farben als
damals erstrahlt.
Annerose Barnikow als Großherzogin Feodora von Sachsen-Weimar-Eisenach (1890-1972) und weitere Darsteller
beim neunten Historischen Stadtrundgang
(StA Auma-Weidatal, Fotosammlung Historische Stadtrundgänge, Nr. 421)
Auch der französische Kaiser Napoleon Bonaparte (17691821) besuchte Auma nach seiner Übernachtung in den
Oktobertagen des Jahres 1806 im damaligen Haus des
Akziseninspektors Hase am Markt 200 Jahre später nochmals, um sich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die den Einwohnern durch Einquartierungen, Plünderungen, Versorgungsleistungen und finanzielle Aufwendungen während der Durchzüge seiner Truppen durch
Auma entstanden waren.
Wie diese skizzierten Drehbuchepisoden verdeutlicht
haben dürften, bauen die während des jeweiligen Stadtrundgangs erzählten Geschichten auf real verbrieften Geschehnissen, aber auch legendenhaften Überlieferungen
auf. Diese jeweils schauspielerisch umgesetzten Situationen werden allerdings zur Erhöhung des Unterhaltungswertes für die Zuschauer nicht nur kritisch in den Blick
genommen, sondern auch im Rahmen der künstlerischen
Freiheit humoristisch ausgestaltet. Dieser Spagat zwischen Phantasie und Realität stellt stets eine große Herausforderung dar, soll der Historische Stadtrundgang
doch einerseits wahre Geschichten vermitteln, welche
die Besuchenden zum Lernen aus der Geschichte animieren sollen. Zum anderen soll das Dargestellte aber auch
nicht langweilen, denn die Rundgänge durch das Aumaer
Stadtgebiet erstrecken sich meist über zwei bis drei Stunden. In diesem Sinn wird den Laiendarstellern einiges an
schauspielerischem Talent abgefordert. Damit die schauspielerischen Sequenzen dem Publikum authentisch vermittelt werden können, tragen die Mitwirkenden natürlich auch zeitgenössische Kleidung. Die Kosten für den
Kostümverleih trägt die Stadt Auma-Weidatal.
Wie die Bezeichnung Stadtrundgang bereits erwarten
lässt, werden die Episoden aus der Aumaischen Geschichte an verschiedenen Orten der Stadt nachgespielt.
Pro Rundgang werden in der Regel fünf bis acht Stationen
ausgewählt, an denen sich eine möglichst große Anzahl
an Menschen versammeln kann. Zur Unterstützung des
Abwechslungsreichtums an den einzelnen Stationen des
Historischen Stadtrundgangs werden nicht nur die Unterhaltungen der eingebundenen Personen präsentiert. Je
nach Thema des Rundgangs führten die Aumaer Kindergartenkinder ein kleines Theaterstück auf und auch der
einstige Schulbrand wurde bereits mit zeitgemäßer Feuerwehrausrüstung und einer historischen Wasserspritze
nachgeahmt. Im Jahr des 100. Rathausjubiläums wurde
eine historische Stadtratssitzung abgehalten. Des Weiteren wurde die letzte öffentliche Hinrichtung in Auma im
Jahre 1819 schauspielerisch nachgestellt. Traditionelle
Handwerke werden durch Vorführungen der jeweils charakteristischen Tätigkeiten des Berufszweiges eingebunden.
Bis zu 30 Personen verschiedenen Alters sind aktiv in
die Dialogszenen involviert. Zählt man alle an der Organisation und Durchführung des jährlichen Historischen
Stadtrundgangs beteiligten Personen aus den lokalen
Vereinen, Schulen, Kindergärten, Kirchen, von Firmen
und auch der Stadtverwaltung mit, dürften an jedem
Stadtrundgang wohl über einhundert Personen mitwirken. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass sich alle Beteiligten ehrenamtlich an den Vorbereitungen, den vier bis
fünf Proben des Stadtrundgangs und dessen Realisierung
engagieren.
Die Lokalpresse berichtete bisher von jedem Historischen
Stadtrundgang durch Auma mit begeisterten Kommenta45
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Gruppenfoto der Akteure des neunten Historischen Stadtrundgangs 2015 auf dem Bahnhofsvorplatz Aumas mit Ute Hieb (fünfte
Person von links in der mittleren Reihe)
(Foto: Thoralf Hieb)
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
ren, wie zum Beispiel der OTZ-Redakteur Steffen Beikirch,
welcher unter der Überschrift „Auma ganz engagiert“ anlässlich des vierten Rundgangs 2009 informierte: „Rund
30 Akteure verschiedenen Alters gestalteten am Freitagabend den vierten Stadtspaziergang zu einem unvergesslichen Erlebnis aus. Zweieinhalb Stunden boten sie
kostenlos (!) Stadtgeschichte live – auf humorvolle und
informative Art. Alle agierten dabei genauso uneigennützig wie die Erfinder dieses Events – das pensionierte Lehrerehepaar Ute und Wolfgang Hieb. Einfach „aus Spaß an
der Freude“ haben die zwei 67-Jährigen diesen spannenden Geschichtsexkurs auf die Beine gestellt.“ Ähnlich fiel
auch die Bewertung des fünften Stadtrundgangs 2010
durch Heidi Henze (ebenfalls OTZ) aus: „Ist ein historischer Spaziergang durch Auma anberaumt, dann scheint
die ganze Stadt auf den Beinen. […] Durch die Kleinstadt
zog eine wahre Völkerwanderung. Hunderte Interessierte
mit Polizei- und Feuerwehreskorte zogen von einem zum
anderen Schauplatz der Stadtgeschichte und überall erwarteten sie historische Begebenheiten, die von Laien
neckisch vorgetragen und teilweise sogar gespielt wurden.“
Da jedoch nicht alle Einwohner den teilweise beschwerlichen Weg durch das hügelige Stadtgebiet meistern
können, treten die Darsteller des Historischen Stadtrundgangs zu einem späteren Zeitpunkt nochmals im
Bürgerraum der Stadt Auma-Weidatal auf und bieten den
Interessierten die einstudierten Stücke sowie Bilder vom
vorangegangenen Rundgang dar.
Auma-Weidatal käuflich erworben werden und soll die Leser vorab mit den Themen der einzelnen Haltepunkte des
Rundgangs vertraut machen.
Während des Historischen Stadtrundgangs werden
schließlich von in historischen Kostümen gekleideten
Zeitungsjungen Exemplare der „Ostthüringer Zeitung“
verkauft. Diese beinhalten historische Annoncen und Beiträge, die in der im Stadtarchiv verwahrten Originalausgabe der Aumaer OTZ des jeweils vor einhundert Jahren
erschienenen Jahrgangs zu lesen waren.
Ein letztes Element in der Gestaltung des Stadtrundgangs
stellt das Kassieren von Wegzoll an einer zu diesem
Zweck in den Stadtrundgang integrierten Zollschranke
dar. Der Verkauf der Zollscheine stellt in diesem Kontext
eine gute Möglichkeit dar, die ungefähre Zahl der Besucher zu erfassen.
Die Plakate, die Begleithefte, die Stadtrundgangsausgaben der „Ostthüringer Zeitung“ sowie die Zollscheine
werden von der Stadtverwaltung Auma-Weidatal kostenlos gedruckt. Die Einnahmen aus dem Verkauf werden
von den Mitwirkenden des Historischen Stadtrundgangs
einesteils zur Deckung der über den Kostümverleih hinaus anfallenden Kosten genutzt. Der andere Teil des Gewinns wird wohltätigen Zwecken gespendet – in diesem
Jahr beispielsweise zur Restaurierung der in der hiesigen
Liebfrauenkirche angebrachten Erinnerungstafel an die
Aumaer Opfer der beiden Weltkriege.
Wesentliche Elemente jedes Historischen Stadtrundgangs durch Auma
Meist zieht sich ein übergeordnetes Thema als roter Faden durch den Rundgang. Im laufenden Jahr 2015 war es
die Erinnerung an die beiden Weltkriege und die daraus
resultierenden Folgen für die Menschen in der Stadt. Eingebunden werden darüber hinaus auch andere, im jeweiligen Jahr zu begehende Jubiläen von Denkmälern, Bauwerken oder Einrichtungen im Stadtbild. Auch aktuelle
Vereinsfeste oder längst in Vergessenheit geratene Vereine aus der Geschichte Aumas werden der Bevölkerung
nahegebracht. Am Ende eines jeden Stadtrundgangs
steht dabei stets ein kleiner kultureller Höhepunkt. Als
beispielsweise im letzten Jahr der 50. Jahrestag der Vereinsgründung des Aumaer Schalmeienmusikzugs gefeiert wurde, fand der Rundgang seinen Ausklang mit einem
Konzert dieses Vereins am Eichplatz. In diesem Jahr, in
dem der Förderverein der Aumaer Liebfrauenkirche auf
eine 15-jährige Vereinsgeschichte zurückblicken kann,
endete der Rundgang in der Stadtkirche mit einem Konzert des lokalen Ökumenischen Kirchenchors.
Es existieren also mannigfaltige Themenansätze, mit denen man sich dem im Jahr 1237 ersterwähnten Ort Auma
nähern kann. Auch für die Zukunft finden sich noch genügend archivierte Geschichten, die der interessierten
Öffentlichkeit auf diese Weise unterhaltend und lehrreich
zur Kenntnis gebracht werden können.
Die Vorbereitungen zu jedem Historischen Stadtrundgang in Auma umfassen weit mehr Elemente als die Planung der entsprechenden Route durch das Stadtgebiet
und das Verfassen des Drehbuches mit den Dialogen der
historischen Persönlichkeiten an den einzelnen Stationen der Stadtgeschichte. Im Vorfeld werden Presseartikel lanciert, um für die Veranstaltung zu werben und um
Interessenten zu signalisieren, dass jede Art der freiwilligen Mitarbeit jederzeit willkommen ist. Zudem müssen Absprachen mit der Polizei, der Feuerwehr und dem
städtischen Ordnungsamt wegen des geplanten Verlaufs
des Rundganges getroffen werden. Plakate und Flyer zur
Information der Bürger werden gestaltet, gedruckt und
verteilt.
Darüber hinaus konzipiert das Ehepaar Hieb zur Thematik
jedes Historischen Stadtrundgangs ein meist zwischen
20 und 30 Seiten umfassendes Begleitheft im DIN-A5Format. Dieses besteht aus einem Vorwort mit kurzen
Erläuterung der Intentionen des betreffenden Rundgangs
und seinen zu erwartenden Höhepunkten, einem Stadtplan mit den einzelnen Stationen in ihrer chronologischen
Reihenfolge sowie historischen Informationen zu den einzelnen Standorten. Die geschichtlichen Abhandlungen
stützen sich, wie oben schon geschildert, großteilig auf
Archivquellen und werden vielfach durch Abbildungen
aus den Foto-, Bilder-, Karten- und Plakatsammlungen
des Stadtarchivs Auma-Weidatal illustriert. Dieses Begleitheft kann bereits Wochen vor jedem Stadtrundgang
an zentralen Einkaufsstellen und im Rathaus der Stadt
46
Inhalte der Stadtrundgänge 2006 bis 2015
Resümee
Der jährlich in der Kleinstadt Auma veranstaltete Historische Stadtrundgang leistet einen enormen Beitrag zur
Aufarbeitung der Stadtgeschichte und vor allem zur Begeisterung für manche längst vergessene Facette der Au-
Zeitungsjungen verkaufen die Sonderausgabe der „Ostthüringer Zeitung“ zum Historischen Stadtrundgang des Jahres
2012
(Foto: Tobias Schubert, OTZ)
maischen Geschichte. Somit stellen die
Stadtrundgänge
in
der oben skizzierten
Form gleichsam eine
ungewöhnliche, aber
dennoch wirkungsvolle Werbung für
die lokalen archivalischen Quellen dar.
Nicht selten schöpfen
Besucher des Historischen
Stadtrundgangs aus den dargebotenen Geschichten
die Motivation, die
eine oder andere Begebenheit im Archiv
selbst näher zu unterDeckblatt der Sonderausgabe der
„Ostthüringer Zeitung“ anlässlich
suchen. Und längst
des Historischen Stadtrundgangs
dient das Stadtarchiv
im Jahr 2015
dadurch auch für Firmen-, Vereins- und Institutionsjubiläen als zentraler Ansprechpartner in Auma.
Resümierend lässt sich für die Historischen Stadtrundgänge durch Auma konstatieren, dass diese die Stadtgeschichte in Form von ausgewählten, künstlerisch gestalteten Sequenzen „aus den Akten auf die Bühne“ bringen
– so der Buchtitel von Sigrid Dauks. Ohne die Freiwilligkeit zur Zusammenarbeit sowie die große Einsatzbereitschaft aller ehrenamtlich Engagierten und allen voran die
Kreativität des Ehepaares Hieb wäre die Umsetzung dieser Veranstaltungen allerdings nicht möglich.
Abschließen und bündeln sollen die Erläuterungen zu
den Historischen Stadtrundgängen in der Kleinstadt
Auma die Worte des OTZ-Redakteurs Jens Voigt, der über
die von rund 600 Teilnehmer(innen) besuchte Veranstaltung des Jahres 2008 schrieb: „Hier legen sich Menschen,
wohlgemerkt in ihrer Freizeit und ohne Gage, nötigenfalls
bis zum Vokal-Versagen ins Zeug, um ihren Nachbarn
und Gästen fröhliche und im besten Sinne unterhaltsame
Stunden zu bereiten, von denen jene noch sprechen werden, wenn die Erinnerung ans letzte Profi-„Event“ längst
ins Nebelgrab des Vergessens gesunken ist. […] Dieses
Programm, dessen Aufwand sich bestenfalls erahnen
lässt, muss den Aumaern erst mal jemand nachmachen.“
Christel Gäbler
Stadtarchiv Auma-Weidatal
Literatur
Sigrid Dauks, „Aus den Akten auf die Bühne“. Inszenierungen in der
archivischen Bildungsarbeit (= Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit; Bd. 2), Berlin 2010.
Ute Hieb: „Vertraut den neuen Wegen“. Begleitheft zum 9. Historischen Stadtrundgang in Auma am 08. Mai 2015, Auma 2015.
Ute Hieb: „Ostthüringer Zeitung“ – Kriegswirren in Auma. Begleitheft
zum 8. Historischen Stadtrundgang am 23. Mai 2014, Auma 2014.
Stadt Auma (Hrsg.): 675 Jahre Auma. Geschichte und Geschichten einer Stadt, Auma 2006.
Lokalausgaben der Ostthüringer Zeitung vom 5.9.2008, 21.9.2009,
23.8.2010, 21.5.2014, 26.5.2014, 23.4.2015, 11.5.2015.
47
Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen
Besucher des neunten Historischen Stadtrundgangs 2015
durch Auma auf dem Weg vom ehemaligen Kraftwerksareal in
Richtung Pfarrteich
(StA Auma-Weidatal, Fotosammlung Historische Stadtrundgänge, Nr. 437)
150 Jahre wissenschaftlich betreutes
Stadtarchiv Erfurt
150 Jahre Stadtarchiv Erfurt? Wo doch die ältesten Dokumente im Stadtarchiv Erfurt aus dem 12. Jahrhundert
stammen? Ja, denn am 23. September 1864 fasste die
Stadtverordnetenversammlung den Beschluss, ein angemessenes Honorar für die Ordnung des Archivs zu bewilligen. Bereits zu Beginn des Folgejahres nahm der erste
hauptamtliche Stadtarchivar Erfurts, Heinrich Beyer, seine
Tätigkeit auf. Seit dieser Zeit ist das Archiv zu einem wirklichen Gedächtnisort, auch zu einem Beweisort, einem
Evidenzort geworden. Ein solch funktionierendes Archiv
war in Erfurt schon immer Wunsch und Notwendigkeit gewesen, aber die Bemühungen darum setzten stets nur in
dem Moment ein, wenn die Notwendigkeit wieder einmal
sehr dringlich war. Dies war vor allem dann der Fall, wenn
es um Auseinandersetzungen mit dem Mainzer Stadtherren ging und man Nachweise für vergangenes Geschehen
brauchte. Dann fühlte man den Wunsch nach einem im
Darstellung des Erfurter Rathauses mit Rathausturm, 17. Jh
(StA Erfurt, 6-0/9A1- 1)
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
48
guten Zustand befindlichen Wissensbehälter so intensiv,
dass man sich der Pflege des Archivs zuwandte. War die
konkrete Situation vorüber, wurde auch der Wunsch nach
einem wohl behüteten und geordneten Archiv wieder kleiner und schließlich durch mächtigere Wünsche überdeckt.
Das Archiv geriet erneut in Vergessenheit. Bis man sich
– nun auch auf Drängen der Aufsichtsbehörden und der
Öffentlichkeit – entschied, dem Archiv dauernde Fürsorge
zu schenken und es dadurch zu einem permanent funktionierenden Wissensort werden zu lassen.
Ohne Schriftlichkeit hätte man gar keines Archivs bedurft.
Aber eine solche setzt mit der Existenz eines selbständigen Rates, einer selbständigen Stadtverwaltung in Erfurt
im 13. Jahrhundert ganz verstärkt ein. Archiviert wurde
aus juristischen, aber auch aus politisch-administrativen
Gründen: Archivieren war die Bedingung für politische Ei-
Archivar Heinrich Beyer (1806-1886)
(StA Erfurt, 6-0/19J- 17)
darf es nicht gebrechen an den nöthigen Hülffsmitteln,
nämlich an den Urkunden, die des Staates Recht beweisen und in einem wohl eingerichteten Archiv verwahrlich
aufbehalten werden. Denn ein ordentliches und wohl eingerichtetes, auch mit nutzbaren Urkunden angefülltes Archiv ist das politische Arsenal, darinn man die moralischen
Kugeln so lange verwahrt, bis man solche nöthig hat, [...]
um die Rechte des Staates gegen die Anstrengungen aller anderen (contra omnia aliorum molimina) defendieren
zu können [...]“. Als Folge der kurmainzischen Herrschaft
sind Teile des städtischen Archivs in staatliche Verwahrung gelangt. Sie werden bis heute im Landeshauptarchiv
Magdeburg verwahrt.
Die Übernahme des alten unbetreuten Ratsarchivs durch
die preußische Regierung und die Gründung des betreuten Stadtarchivs im 19. Jahrhundert fielen zusammen
mit einem Bedeutungswandel der Institution. Durch die
veränderten politisch-administrativen und juristischen
Verhältnisse seit Beginn des 19. Jahrhunderts verlor ein
Großteil der Schriftlichkeit seine Bedeutung für die städtische Verwaltung, war unnütz geworden, als Beweis nicht
mehr zu gebrauchen. Wohl kamen ständig neue, auch
rechtserhebliche Dokumente aus der Registratur dazu,
aber die alten Unterlagen, deren Information für die Verwaltung nicht mehr notwendig schien, waren in Gefahr.
Der preußischen Staatsspitze war dies bewusst. Angeregt
durch Friedrich Schlegels Memorandum zur Erhaltung der
Bau- und Kunstdenkmäler von 1815 nahm der preußische
49
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
genständigkeit, denn nur durch sorgfältiges Aufbewahren
von schriftlichen Vereinbarungen konnte man sich vor den
immer wiederholten Machtansprüchen des Erzbischofs
von Mainz bewahren. Der Nachweis der erlangten Unabhängigkeiten, der erworbenen Besitztümer, der gewonnenen Rechte und Privilegien war grundlegend für das neue
Selbstverwaltungsorgan Erfurter Rat in der Mitte des 13.
Jahrhunderts. Aber erst mit dem Bau des Rathauses und
dem Bau des mit vier Meter dicken Mauern ungeheuer sicheren Rathausturms taucht der Ort, die Institution Archiv
in der Erfurter Geschichte auf: 1330. Fast 500 Jahre lang
bewahrte der Turm das Archiv und das Geld der Stadt treulich – und möglicherweise ist der gewaltige Rathausturm
eigens für die Unterbringung des Archivs gebaut worden.
Der steinerne Turm bot Schutz vor den großen mittelalterlichen Gefahren Feuer, Wasser, Krieg und Ungeziefer.
In der Mauer gab es nur wenige Öff nungen, die mit nicht
brennbaren eisernen Türen und Fensterläden verschlossen waren. Mehrere, unterschiedliche Schlösser und die
Verteilung der Schlüssel auf mehrere Personen sorgten für
zusätzlichen Schutz. Diese Praxis ist seit 1481 schriftlich
belegt.
Aber ein Archiv einzurichten ist das eine, es langfristig
funktionstüchtig und nützlich zu halten, etwas ganz anderes. Ohne dauerhafte Zuwendung und kontinuierliche
Pflege sind Archive schnell wirkungslos. Und so konnte
es dazu kommen, dass Erfurt manche Verträge zu eigenen Ungunsten abschließen musste, z. B. 1515, als die
schriftlichen Beweise der eigenen Rechtssituation nicht
aufgefunden werden konnten. Im Fall von 1515 ließ der
Vertragspartner Erzbischof Albrecht aber zu, dass eine
Einschränkung in den Vertrag eingefügt wurde: nämlich,
„wenn die Erfurter über kurz oder lang das gesuchte Privileg finden würden, dass alsdann der Vertrag nichtig
sein würde“. Die gesuchte Verschreibung des Erzbischofs
Adolph aus dem Jahr 1463 wurde tatsächlich gefunden.
„Des war der Rat froh“ – heißt es in der Chronik dazu, und
man bemühte sich anlässlich dessen wohl wieder einmal,
das wachsende Archiv zu erschließen.
Das erste überlieferte Findbuch, ein Urkundenrepertorium, stammt aus dem Jahr 1484. Eine nächste Ordnung
und Verzeichnung des Archivs begann 1591. Auch dieses
Findbuch gibt es noch: 140 nummerierte Kästlein, Schachteln, Schächtlein und Lädlein nahm das Urkundenarchiv
nun auf. Diese Schachteln wurden in einem Findbuch beschrieben – in nummerischer Reihenfolge mit den jeweils
darin befindlichen, systematisch geordneten Dokumenten: Inhaltsangabe, Datierung, Signatur, Lagerort. Das
Findbuch genügt durchaus noch heutigen Anforderungen
an eine einfache Erschließung und wäre für eine erfolgreiche Recherche geeignet.
Ein solch evidentes (Verwaltungs)Archiv, das Nachweise
über alles Wesentliche und Wichtige in einem Gemeinwesen enthält, benötigt auch derjenige, der sich dieses
Gemeinwesen aneignen will. Das ist dreimal geschehen,
1664, 1802 und 1806. Jeweils als eine der ersten Amtshandlungen wurde das Archiv versiegelt und übernommen. Denn welche Macht man mit einem wohl geordneten
Archiv besitzt, dessen waren sich u. a. die Mainzer (1664)
im Klaren. Der kurmainzische Regierungsrat Mosel von
Alenstein schreibt 1732: „Wer aber für einen Staat die
Feder führen will und solche zu führen geschickt ist, dem
Staat den Schutz erhaltenswerter und bedeutungsvoller
historischer Altertümer in sein Aufgabenfeld auf. Diese
Fürsorge betraf nicht nur bauliche Denkmäler sondern
auch die schriftlichen Quellen. Denn als solche wurden
nun die ältesten archivischen Dokumente betrachtet –
wohl hatten sie keinen konkreten praktischen Wert mehr
für die Verwaltung, jedoch bis heute anhaltenden Wert
für die historische Forschung. In diesem Zusammenhang
ließ man sich unermüdlich berichten, wie die Situation in
den Archiven des Landes war, ob ausreichend Sorge getragen würde für das historische Schriftgut und welche
Fortschritte die Erschließung machte. Nun war das Archiv
nicht mehr nur eine Angelegenheit der Stadt Erfurt. Ab
1820 musste die Stadt immer wieder Rechenschaft über
den Zustand des Archivs ablegen, über die Verwahrung
der geschichtlichen Altertümer und die Zugänglichkeit
zum Archiv. Die Stadt musste die archivischen Findmittel
(Repertorien) einreichen und Mitarbeiter des zuständigen
preußischen Staatsarchivs prüften, ob sie geeignet und
ausreichend seien.
Nachdem der preußische Staatskanzler von Hardenberg
1822 eine erste Benutzungsordnung für die preußischen
Staatsarchive erlassen hatte, geriet man unter einen weiteren Druck. Jeder, der durch Bildung und Kenntnisse fähig sei und der einen nützlichen Zweck dartun könne, war
fortan berechtigt, das Archiv zu benutzen. Zwar war eine
uneingeschränkte Benutzung nur für Archivalien vor 1500
möglich – eine 300-jährige Schutzfrist – aber immerhin.
Jedoch die Erfurter Stadtverwaltung, die sich auch mit
dem Abbruch ihres mittelalterlichen Rathauses über zahllos ergangene Anordnungen der preußischen Regierung
hinweggesetzt hatte, reagierte auch in der Archivfrage nur
zaudernd. So blieb der Stadtrat Karl Herrmann, der eifrig
an der Stadtgeschichte und an der Benutzung des Archivs
interessiert war, lange Zeit der einzige, der sich um die
Öff nung des Archivs bemühte. Er beklagte dies offen: „Unsere Stadt gehört bisher zu denjenigen älteren Städten
Deutschlands, die kein besonderes, unter der Obhut der
Stadtbehörden stehendes städtisches Archiv besitzen.
Ich will es offen aussprechen, dass Verwaltungsbeamte
anderer Städte, mit denen ich in Verbindung gekommen
bin, ihre Verwunderung darüber nicht unterdrücken konnten, dass eine Stadt wie Erfurt, welche schon in den frühesten Zeiten von Bedeutung war und im Mittelalter den
größten Städten Deutschlands beigezählt wurde, kein
städtisches Archiv besitzt“.
Die ständigen Aufforderungen der preußischen Regierung,
der Druck aus der historischen Forschung und nicht zuletzt
die Anstrengungen des 1863 gegründeten Geschichtsvereins führten endlich zum Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 23. September 1864, für die abermalige Ordnung des Archivs ein angemessenes Honorar
zu bewilligen. In diesem Jahr kann die Umsetzung dieses
Beschlusses, der ein dauerhaft durch Archivare betreutes
Stadtarchiv Erfurt zur Folge hatte, zum 150. Mal gefeiert
werden.
Dr. Antje Bauer
Stadtarchiv Erfurt
Archiv der Moderne – Bauhaus-Universität Weimar
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Universitätsarchiv und Sammlung für Architektur, Bauingenieurwesen,
Kunst und Design
Das Archiv der Moderne ist eine zentrale, beim Rektorat
angebundene Einrichtung der Bauhaus-Universität, in der
2006 das Universitätsarchiv und die Sammlungen für Architektur, Bauingenieurwesen, Kunst und Design zusammengefasst wurden. Das Sammlungsprofil, das die Aktenbestände ergänzt, richtet sich an der Historie der Hochschule aus, die mit ihrer Wiederbegründung 1946 und
ihrer Neuformierung 1990 in der Struktur auf die Wurzeln
ihrer Vorgänger (Kunst, Design, Architektur) zurückgreift
und diese um die Komponenten der Technikwissenschaften (1954) und der Medien (1996) erweiterte.
Universitätsarchiv
Das Universitätsarchiv wurde 1959 an der damaligen
Hochschule für Architektur und Bauwesen eingerichtet.
Die Aktenbestände beginnen mit der Wiedereröff nung der
Hochschule 1946 als Staatliche Hochschule für Baukunst
und Bildende Künste und erstrecken sich bis zur Gegenwart. Das Universitätsarchiv ist End- und Verwaltungsarchiv zugleich. Eine Plansammlung studentischer Entwürfe
50
Vorlehre bei Prof. Peter Keler, 1946/47
(Archiv der Moderne, Universitätsarchiv, Sign. FS/1/125)
und der Kunstgewerbeschule am Lehrstuhl für Theorie
und Geschichte der Architektur begonnen. Eine Kustodie
zur Betreuung und Sicherung des Kulturguts an der Hochschule wurde 1986 eingerichtet. In diesen Bestand wurde
auch die historisch gewachsene Sammlung aufgenommen
und als Altbestand erfasst. Derzeit [Stand 2014] umfasst
die Kunstsammlung etwa 1.150 Werke. Genauer sind dies
etwa 400 Zeichnungen und Grafiken, 120 Gemälde, 125
Plastiken, etwa 40 Münzen bzw. Medaillen, knapp 20 Installationen aber auch einzelne Objekte, Möbel und Reproduktionen. Arbeiten aus der Zeit, als es ein kurzzeitiges
Bestreben gab, die Bauhaus-Idee nach 1945 in Weimar
wieder aufleben zu lassen, sind mit Lehrer- und Schülerarbeiten aus der Abteilung Bildende Kunst dokumentiert.
Architektursammlung
und Abschlussarbeiten sowie eine umfangreiche Fotosammlung zur Hochschulgeschichte runden das Spektrum der Archivalien ab. Mit Blick auf das Bauhausjubiläum
2019 wird zurzeit die Fotodokumentation zu den internationalen Bauhaus-Kolloquien digitalisiert und es erfolgen
die Vorarbeiten für ein Spezialrepertorium zur Bauhausforschung in der DDR. Die Einrichtung einer Kommission
zur Erforschung des Bauhauses 1961, die Bauaufnahme
des Dessauer Bauhausgebäudes 1964, die Eröff nung einer Dauerausstellung im Haus am Horn 1973, das 1. Bauhaus-Kolloquium 1976 aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Bauhauses Dessau und die Einrichtung des
Wissenschaftlich kulturellen Zentrums in Dessau 1977
sind nur einige Ereignisse, die die Hochschule in Weimar
als Nukleus und Motor der Bauhausforschung in der DDR
auszeichnen.
Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der DDR-Architektur und der Architektenausbildung in Weimar. Die
Hochschule für Architektur und Bauwesen war neben der
Dresdner Hochschule und der Kunsthochschule Weißensee eine der drei Ausbildungsstätten für Architektur in
der DDR. Mit Gründung der Sektion Gebietsplanung und
Städtebau oblag der Weimarer Hochschule ab 1969 als
erster Institution die Fachausbildung für Stadtplanung.
Zudem war die Nachwuchs- und Forschungsförderung der
Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar direkt
mit der Bauakademie Berlin und dem Bauministerium der
DDR verflochten, deren personelle Besetzung sich wiedeFlächenbildung durch Linien, grafische Übung, Margaretha
Reichardt, 1927
(Archiv der Moderne, Architektursammlung, Sign. N/59/80.4)
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Räumliches Metalltragwerk Typ Weimar - Arbeitsgruppe Baukonstruktionen, s/w-Fotografie, 1969
(Archiv der Moderne, Universitätsarchiv, Sign. FS/1/397)
Kunstsammlung
Die Sammlung von Kunstgut geht auf die 1960er Jahre zurück. Anfänglich wurde mit dem Aufbau einer Sammlung
zu Sachzeugnissen des Staatlichen Bauhauses Weimar
Schlafende, Plastik von Richard Engelmann, um 1908
(Archiv der Moderne, Kunstsammlung, Inv.-Nr. 488,03, Foto:
Tobias Adam)
51
Internationaler Städtebau- und Architekturwettbewerb Wohnbezirkszentrum Lütten-Klein Rostock, Zeichnung, Entwurfskollektiv am Lehrstuhl Wohn- und Gesellschaftsbauten, 1965
(Archiv der Moderne, Architektursammlung, Sign. N/52/84.22)
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
rum größtenteils aus der Weimarer Hochschule speiste;
viele Absolventen wurden zudem leitende Stadt- und Bezirksarchitekten.
Seit Gründung der Sammlung im Oktober 2004 sind ihr
wertvolle Nachlässe und Privatarchive ehemaliger Studierender, dem wissenschaftlichen Personal, mit ihr verbundener Personen sowie ehemaliger, aber auch aktuell
ausscheidender Professorinnen und Professoren zugegangen. Momentan ist das Archiv der Moderne die einzige Institution in Thüringen, die systematisch zum Gegenstand der Architektur- und Ingenieurbaukunst sammelt
und archiviert. Ihre Intention ist es, eine möglichst geschlossene Sammlung jüngerer Architektur- und Stadtplanungsgeschichte nach 1945 als auch der Ingenieurs- und
Architektenausbildung in der DDR anzulegen.
Ein weiterer Sammlungsbestand geht auf übernommene
Sammlungen aus den Professuren zurück. Dazu gehören
Teilnachlässe und Sammlungen zum Bauhaus und der
Bauhochschule, darunter z. B. der Teilnachlass von Hannes Meyer und Margaretha Reichardt, die Bauhausalben
und die Teilnachlässe mehrerer Baugewerkenschüler.
Momentan sind 52 architekturbezogene Sammlungen und
Nachlässe verzeichnet, darunter der von Ernst Neufert. An
dieser Stelle verbinden sich Archivalien des Universitätsarchivs mit Objekten aus der Sammlung zu einem verdichteten Überlieferungsbereich.
Designsammlung
Der Nachlass des 1951 gegründeten Instituts für Innengestaltung bildet den größten Teil der Designsammlung.
Der Formgestalter Horst Michel leitete das Institut für Innengestaltung an der Hochschule in Weimar von 1951 bis
zu seiner Emeritierung im Jahre 1970. Bereits im Wintersemester 1946 begann er mit dem Unterricht und der Ausbildung von Industrieformgestaltern. 1951 gelang ihm die
Umwandlung seines Lehrstuhls zu einem Forschungs- und
52
Salzstreuer, Entwurf Horst Michel,
ca. 1960, Porzellan
(Archiv der Moderne, Designsammlung, Inv.-Nr. IG 0008, Foto: Marlen
Kopper)
Entwicklungsinstitut, das Institut
itut
für industrielle Formgebung, das
1953 in Institut für Innengestaltaltung umbenannt wurde. Die qualitative und formale Verbesserung von G
Gebrauchsgütern
b
h ü
war Aufgabe des Instituts für Innengestaltung. Auf diesem
Gebiet war es die erste Einrichtung in der DDR, deren vielfältige Aufgaben von Entwürfen für regionale und kunsthandwerkliche Hersteller bis hin zu Aufträgen für staatliche Betriebe bei der Produktgestaltung und Produktion
von Sitzmöbeln, Öfen, Fliesen, Teppichen sowie Bau- und
Möbelbeschlägen in der gesamten DDR reichten.
Der Kernbestand umfasst 250 Einzelobjekte, dazu gehören Gebrauchsgegenstände wie Möbel, Keramiken,
Glasvasen, Trinkgläser, Porzellanservices, Vasen, Kerzenständer, Spielzeuge, etc. Hinzu kommen eine ca. 15.000
Stück umfassende Sammlung von Fotos, Dias, Negativen
und Druckerzeugnissen sowie ca. 20 lfm Zeichnungen und
Webproben zu Stoffentwürfen.
Bis 2011 war diese Sammlung der Professur für Geschichte und Theorie des Designs angegliedert und wurde vor
allem für wissenschaftliche Zwecke genutzt und bewahrt.
Momentan erfolgt durch das Archiv der Moderne eine
Erstinventarisierung der Objekte in Abgleich zu einer Datenbank, in der 1.700 Objekte und Entwürfe verzeichnet
sind, die am Institut für Innengestaltung entworfen wurden.
Dr. Christiane Wolf
Archiv der Moderne
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Ein Verwaltungsgebäude mit Geschichte
120 Jahre Lindenaustraße 9 in Altenburg
Das Kreisarchiv des Landkreises Altenburger Land ist im
Hauptgebäude des Landratsamtes untergebracht. Dieses
Gebäude feiert in diesem Jahr sein 120-jähriges Bestehen
– ein guter Anlass, um die wechselvolle Geschichte des
Hauses einmal näher zu beleuchten: So war das Gebäude
zunächst Herzogliches Ministerial- und Landschaftsgebäude, dann Staatsministerium, ab 1923 Kreisdirektion,
später Thüringisches Kreisamt und Behördenhaus, 1939
Landratsamt und Behördenhaus. 1945 bezog die Sowjetische Militärverwaltung und 1950 die Kreisverwaltung
(später Rat des Kreises Altenburg) das Gebäude. 1990
wurde es durch eine Verwaltungsreform Sitz des Landratsamtes Altenburg (ab 1994 Altenburger Land).
Die Ausstellung
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Das Kreisarchiv wurde damit beauftragt, zum Jubiläum
eine Ausstellung zu erarbeiten. Bereits in der Vergangenheit wurden am „Tag des offenen Denkmals“ oder zum
„Tag der Archive“ Führungen durch das Gebäude angeboten. Leider standen für die Ausstellung keine zusätzlichen finanziellen Mittel oder Personal zur Verfügung, so
dass nur mit vorhandenen Materialien (Bilderrahmen und
Vitrinen) und Möglichkeiten (Scanner und Kopierer) gearbeitet werden konnte. Dabei war die Ausstellung durch
die Kreisarchivarin in Teilzeit neben der laufenden Tätigkeit zu erarbeiten.
Zunächst wurden bereits vorhandene Texte und Bilder,
welche zum 100-jährigen Jubiläum entstanden waren,
auf Richtigkeit und Aktualität überprüft. Vor allem die
damalige Verwendung von Fotos und Kopien war nicht
mehr zeitgemäß. Außerdem wurden die Zeittafel zur Gebäudegeschichte weitergeschrieben und bestehende Lücken (Landräte, Vorsitzende Rat des Kreises und frühere
Behörden) durch Aktenrecherchen ergänzt. Durch freundliche Unterstützung des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg konnten für die Ausstellung Fotos aus der Bauzeit
und frühe Gebäudeansichten für die Ausstellung verwendet werden.
Umfangreiche Bauzeichnungen aus verschiedenen Epochen liegen im Kreisarchiv vor und fanden in einer kleinen Auswahl Verwendung, wobei jedoch insbesondere
Großformate aufgrund der Ausstellungsgegebenheiten
nicht im Original gezeigt werden können. Der Ausstellungsraum im Lichthof des Landratsamtes war während
der Öff nungszeiten für jedermann ohne Aufsicht zugänglich. Ergänzt wurden die Papierexponate durch Ausstellungsstücke aus der zeitgeschichtlichen Sammlung des
Kreisarchivs (z. B. historische Telefone, Stempel) sowie
Gesetzblätter, Bücher und Aktenbände.
Zur Ausstellungseröff nung durch die Landrätin am frühen
Nachmittag des 20. Mai 2015 waren neben der Öffentlichkeit auch ausdrücklich die Behördenmitarbeiter eingeladen.
54
Vom Kreisheimatpfleger und Mundartdichter Wido Hertzsch wurde eigens zu diesem Anlass ein Gedicht in Altenburger Mundart vorgetragen. Bereits zum 100-jährigen
Jubiläum waren von ihm Verse zum „Altenburger Fürstenrundgang“ verfasst worden, worin die im Lichthof befindlichen Fürstenbildnisse des Altenburger Herzoghauses
vorgestellt werden.
Zum Gebäude
Das Gebäude des heutigen Landratsamtes wurde 1892
bis 1895 als Herzogliches Ministerial- und Landschaftsgebäude unter der Bauleitung von Alfred Hermann Wanckel (1855-1925) erbaut. Als damaliger Baudirektor im
Herzogtum Sachsen-Altenburg zeichnet Wanckel auch
für weitere bekannte Bauten in der Stadt Altenburg (Herzogin-Agnes-Gedächtniskirche, Mauritianum, Bismarckturm) und im Landkreis verantwortlich. Nach seiner Pensionierung hatte er im Auftrag des Landeskirchenrats als
Kunst- und Bauwart der neuen Thüringer evangelischen
Volkskirche 1.500 Kirchen und 800 Pfarrhäuser zu betreuen.
Im Juli des Jahres 1892 wurde der erste Spatenstich getan und schon im Spätsommer 1893 war das Dachwerk
gerichtet, welches mit einem Hebefest am 9. September
1893 gefeiert wurde. Nach Beendigung des aufwendigen
Innenausbaus wurde das Gebäude am 3. Mai 1895 eingeweiht. Am Bau waren rund 190 Personen beteiligt.
Das Landschafts- und Ministerialgebäude ist eine großzügige Vierflügelanlage, die sich in langgestreckter
Rechteckform von der Lindenaustraße in die Tiefe des
hängigen Grundstücks erstreckt. Der Gebäudekomplex
ist im historischen Sinne überwiegend nach Formen der
italienischen Hochrenaissance ausgeführt.
Der Baumeister Wanckel selbst schreibt 1898 zum Gebäude folgendes: „Die Mauern sind vom untersten Bankett
an bis zum Hauptsims von Ziegeln in Kalkmörtel hergestellt. Zementmörtel war auch bei den stärkst belasteten
Mauertheilen wegen der ausgezeichneten Güte des Altenburger Graukalkes unnötig. Die Hausteinarchitektur ist
angeblendet. Das Dach ist zum größten Theile mit Saarbrückener Falzziegeln, nur über dem Landschaftssaal
mit Lehestner Schablonenschiefer auf Latten mit Kupferhaken eingedeckt. […] Die Vorhalle ist ganz in Stuck
mit niedrigem Sockel aus Donaukalkstein hergestellt.
Freitreppen, Rampen und die große Haupttreppe sind von
Fichtelgebirgsgranit (feinkörniges Material aus Selb), die
Balustrade der letzteren von Untersberger Marmor ausgeführt, während die Nebentreppen von Eisen konstruiert
und mit Eichenholz belegt sind. Die Fenster des Landschaftssaales, des Sitzungszimmers und verschiedener
Glasverschläge sind mit farbiger Bleiverglasung versehen. […] Die Zimmer für die Räthe sind tapeziert und mit
einfachen Deckenverzierungen in Leimfarbe versehen,
die Kanzleiräume sind nur in Leimfarbe gestrichen. Die
Nebenräume der Landschaft (Kommissionszimmer, Tribüne, pp.) sind mit Holzpaneel versehen.
Die Fenster sind nicht als Kastenfenster, sondern mit doppelter Verglasung eingerichtet, wobei die innere Scheibe
in besonderen schmalen Eichenrahmen sitzt u. zum Zwecke des Putzens besonders geöff net werden kann. Die
Thüren sind aus astreinem polnischem Kiefernholz hergestellt und nur lasiert, Beschläge aus Bronce. […] Die Beleuchtung ist durchgehend elektrisch im Anschluss an die
hier bestehende Zentrale.“ (Quelle: Thüringisches Staatsarchiv Altenburg, Bauamt Altenburg, Nr. 476 a)
Der Landschaftssaal ist mit einer Größe von 18 m x 12 m
der am prächtigsten ausgestattete und größte Raum im
Gebäude. Er liegt quer an der Südseite des Hauses und
erstreckt sich in einer Höhe von zehn Metern über zwei
Etagen. Nach dem Lichthof zu befindet sich in der zweiten
Etage die Tribüne für das Publikum, an den Seiten hinter
verschiebbaren Fenstern die herzogliche Loge und die
Loge für die Ministerialbeamten.
Im Saal fanden ab 1895 die Sitzungen der „Landschaft“,
der Volksvertretung im Herzogtum Sachsen-Altenburg,
statt. Im Laufe der Zeit wurde der Landschaftssaal unterschiedlich genutzt, bis hin zum Speisesaal. In der heutigen Zeit finden hier Kreistagssitzungen sowie Festveranstaltungen, Konzerte und Tagungen statt. Dank dem Verständnis vergangener Generationen erlitt der Saal keine
baulichen Eingriffe. Kurz vor den Feierlichkeiten zum 100.
Jubiläum (3. bis 5. Mai 1995) wurde die Restaurierung im
gesamten Gebäude abgeschlossen. Im selben Jahr erhielt
der Landschaftssaal eine neue Bestuhlung.
Auf die eigentliche Bedeutung des Saales verweisen die
Wappen auf den Wandfeldern zwischen den Bleiglasfenstern. Es sind die Städtewappen des Ostkreises und des
Westkreises des Herzogtums Sachsen-Altenburg, das
große Landeswappen und das sächsische Rautenwappen
(kleines Landeswappen), die die Wände bzw. den Raum
schmücken.
Der Lichthof
Der Lichthof als Zentrum des Baues steigt mit durchbrochenen und reich verzierten Wänden zu der flachen Glaskuppel empor, welche dem Lichthof eine überaus helle
Ausstrahlung verleiht. Zu den oberen Räumen führt eine
aus der Vorhalle aufsteigende offene Treppe hinauf. Einen
besonderen Akzent setzt der Fußboden des Lichthofs. Für
die Arbeiten am Fußboden war die Firma Scharvogel aus
Leipzig unter Vertrag, ein Fabriklager von Villeroy & Boch
aus Mettlach, erkennbar an einer Fliese auf der Eingangsseite. Noch heute kann die ursprüngliche Ausführung des Fußbodens im Lichthof und in den Seitengängen
bewundert werden.
Ein weiteres Schmuckelement bilden die originell ornamentierten Schlusssteine. Die Motive dieser Ornamente
stellen die wichtigsten landwirtschaftlichen und gewerblichen Zweige des damaligen Herzogtums dar: Gartenbau, Forst- und Landwirtschaft, Kartoffelanbau, Maschinenbau, Bergbau, Braugewerbe, Hopfenanbau, Jagd.
Ausstellungseröff nung am 20.5.2015 im Lichthof des Landratsamtsgebäudes
(Foto: Tom Kleinfeld)
Eine akustische Besonderheit ist die Uhr mit Schlagwerk,
welche auch heute noch die Viertelstunden und Stunden
schlägt.
Zwischen den Bogenöff nungen im oberen Teil des Lichthofs befinden sich 16 Porträts, durch den Leipziger Kirchen- und Dekorationsmaler Richard Schultz auf Goldgrund in grünem Bronzeton gemalt. Sie stellen die sächsischen Kurfürsten bis 1547 und die Herzöge von Sachsen-Altenburg sowie Sachsen-Gotha-Altenburg dar. Die
Bilder sind Anfang der 1950er Jahre überstrichen worden,
so dass an diesen Stellen leere Flächen entstanden waren. Durch Hinweise und Aktenrecherche konnten die
Bildnisse anlässlich des 100-jahrigen Jubiläums 1995
freigelegt werden.
Möge dieses besonders schöne, historische Gebäude
noch lange Sitz der Kreisverwaltung und des Kreisarchivs
sein und weiterhin mit Rücksicht auf seine besonders erhaltenswerte Architektur und Ausstattung genutzt werden.
Kerstin Scheiding
Kreisarchiv Altenburger Land
55
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Der Landschaftssaal
Vom „Geheimen Archiv“ zum Perthes-Forum
Das Thüringische Staatsarchiv Gotha erhält ein neues Gebäude
Nach 371 Jahren hat das Staatsarchiv Gotha das Schloss
Friedenstein verlassen und ist mit seinem Gesamtbestand
von 10.000 lfm Akten, 60.000 Karten, 9.000 Urkunden,
12.000 Büchern und über 400 lfm Zeitungen, Zeitschriften und Drucksachen in das so genannte Perthes-Forum
umgezogen. Zwei Umzugsunternehmen haben in knapp
fünf Wochen mit 200 LKW-Ladungen das Archivgut und
in zwei weiteren Wochen die Büros, Werkstätten, den
Lesesaal und das Filmmagazin an den neuen Standort
verbracht. Die Kollegen des Hauses haben wochenlang
selbst Hand angelegt, keine Mühen und körperlichen Anstrengungen gescheut und noch einmal 15 LKW be- und
entladen. Die vorbereitenden Kartonierungsarbeiten dauerten etwa vier Jahre und umfassten über 90 Prozent des
Gesamtbestandes.
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Leider musste das neue Haus gegen jeden archivarischen
Sachverstand bereits vor seiner endgültigen Fertigstellung bezogen werden, so dass es in den ersten Wochen
zu erheblichen Problemen bei der Sicherheits- und Klimatechnik kam.
Obwohl das Archiv im Gothaer Schloss Friedenstein mit
seinen reichen Beständen große Flächen in verschiedenen Flügeln und Etagen des Schlosses eingenommen
hatte, war sein Herz das „Geheime Archiv“. Auch im
neuen Haus belegt es einen gesondert gesicherten Magazinraum. Im Geheimen Archiv werden seit den Zeiten
Ernsts des Frommen jene Akten und Urkunden aufbewahrt, die die Arbeit der herzoglichen Verwaltung über
mehrere Jahrhunderte dokumentieren. Schon beim Bau
der Schlossanlage war man sich der Bedeutung der Institution Archiv bewusst. Kaum ein anderer Raum als der
des ursprünglichen Archivs hat stärkere Außenmauern
und massivere Metalltüren. Die Ausstattung mit Regalen,
Schränken und Truhen aus der Erbauungszeit des Schlosses, die größtenteils erhalten ist, findet sich im deutschsprachigen Raum nur äußerst selten. Die Einrichtung des
Geheimen Archivs ist damit als ursprüngliche Ausstattung Bestandteil des Denkmalensembles und verbleibt
deshalb im Schloss.
Der Ursprung des heutigen Staatsarchivs ist eng verbunden mit der 1640/1641 erfolgten Gründung des Herzogtums Gotha. Nach Übernahme der Urkunden, Amtsbücher
und Akten aus dem Ernestinischen Gesamtarchiv in Weimar für das Gebiet des neuen Herzogtums, einschließlich
der dort gelegenen ehemaligen Klöster, wurden diese
wohl zuerst im Rathaus aufgestellt. Hier residierte auch
der erste Herzog, Ernst der Fromme, bis zur Fertigstellung
des Schlosses Friedenstein. Das in den Bauplänen bereits von 1643 vorgesehene „Archivgewölbe“ konnte zwischen 1646 und 1649 bezogen werden. Der Herzog überwachte persönlich dessen Einrichtung und schuf auch die
erste Stelle eines hauptamtlichen Archivars. Trotz dieser
56
Wertschätzung erlebte die Einrichtung eine wechselvolle
Geschichte. So schreibt ein Archivar vor rund 150 Jahren
an seinen Vorgesetzten: „[…] das Zimmer des geheimen
Archivs ist dermaßen unrein, dass die Spinnen in zahlreicher Menge, und sogar ein kleiner Vogel – das Nest nebst
Ei befindet sich noch auf einem Actenconvolut – Wohnung darin gemacht haben“. Heute ist es klinisch rein
und mit einer Sprühnebellöschanlage ausgestattet. Nach
der Gründung des Landes Thüringen wurde das bisherige
Archiv ab 1921 als Thüringisches Staatsarchiv Gotha, das
seit 1926 dem Direktor der Thüringischen Staatsarchive
in Weimar unterstellt war, fortgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen noch die umfangreichen Archivbestände der preußischen Behörden des 1816 gebildeten
Regierungsbezirks Erfurt hinzu. Die Akten der kurmainzischen Vorgängerbehörden befinden sich allerdings noch
bis heute im Landesarchiv Sachsen-Anhalt. Das Gothaer
Archiv wurde 1951 in Landesarchiv, 1965 in Historisches
Staatsarchiv umbenannt und seit 1976 als Außenstelle
Gotha des früheren Staatsarchivs Weimar geführt. Seit
1994 ist es unter dem alten Namen Thüringisches Staatsarchiv Gotha wieder eine eigenständige Landesbehörde.
Für die Zeit vor 1918/1920 erstreckt sich die historische
Zuständigkeit auf das Herzogtum Gotha und dessen Vorgängerterritorien. Im 1920 gegründeten Land Thüringen
war das Staatsarchiv Gotha für staatliche Mittel- und Unterbehörden (einschließlich der Kreisverwaltungsbehörden) in den Landkreisen Gotha und Eisenach zuständig.
Mit Auflösung des Preußischen Regierungsbezirkes Erfurt
wurden dessen Akten ebenfalls nach Gotha überführt.
Nach 1952 war es im Rahmen der Archivorganisation der
DDR nur noch historisches Archiv ohne eigenen Sprengel.
Erst seit 1990 besitzt das Staatsarchiv Gotha wieder die
Zuständigkeit für rund 50 mittlere und untere Landesbehörden und für regional wirkende nachgeordnete Behörden des Bundes mit Sitz in den Landkreisen Gotha,
Eichsfeldkreis (Verwaltungssitz Heiligenstadt) und Unstrut-Hainich-Kreis (Verwaltungssitz Mühlhausen). Dazu
gehören beispielsweise Staatsanwaltschaft, Landgericht, Amtsgerichte, Arbeits- und Finanzämter, Landespolizeiinspektionen, Katasterämter, Landwirtschaftsamt,
Straßenbauamt und Schulen.
Der zeitliche Umfang erstreckt sich vom ältesten echten
Dokument aus dem Jahre 1092 bis zu den aktuellen Übernahmen aus den Registraturen der in der Region ansässigen Landes- und Bundesbehörden. Es verwahrt Papstund Kaiserurkunden, Verwaltungsakten, Briefe und amtliche Schreiben von Ludwig XVI. von Frankreich, Friedrich
dem Großen, Napoleon, Goethe, Bismarck bis hin zu
modernen Datenträgern, wie Videos und Tonbändern. Besondere Bedeutung kommt den Beständen des 19. Jahrhunderts zu, da hier Schriftwechsel und Verwaltungsak-
ten des ehemals regierenden Hauses Sachsen-Coburg
und Gotha mit seinen umfangreichen Familienbeziehungen zum europäischen Hochadel verwahrt werden,
deren Korrespondenzen von Russland über Indien bis Mexiko und Brasilien reichen.
Auszug aus Schloss Friedenstein
(Foto: Sandra Scheer)
Bauherr, sondern zum überwiegenden Teil jeweils anteilig durch EU-, Bundes- und Landesmittel finanziert.
Da das Objekt im Innenstadtbereich direkt am Schlosspark liegt und denkmalgeschützt ist, waren besondere
bauliche Maßnahmen an der Fassade und im Außenbereich nötig. Zur Klimastabilisierung wurden etwa alle
Magazinfenster zugemauert. Durch die räumliche Nähe
zwischen den drei Nutzern können zahlreiche Synergieeffekte und damit Kostenersparnisse erreicht werden. So
ist zum Beispiel an eine gemeinsame Klimatisierung, ein
Sicherheits- und Schließsystem, gemeinsame Treppenzugänge, Fahrstühle, Parkplätze und natürlich die Haustechnik, wie Heizung, Wasser und Telekommunikation gedacht worden.
Geldgeber von Bund und Land, Bauherr Stadt, Nutzer,
Architekten und Fachplaner waren ständig bemüht, einen Konsens zwischen den fachlichen Anforderungen,
den finanziellen Möglichkeiten und den räumlichen Unzulänglichkeiten herzustellen und sie haben optimiert,
was in ihren Kräften stand. Auch wenn die Standards für
Archivbauten weitestgehend klar formuliert sind, wird
Blick in einen neuen Magazinraum
(Foto: Sandra Scheer)
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Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Dieser Schatz befindet sich nun in dem von der Stadt Gotha erworbenen Areal der ehemaligen Geografischen Anstalt von Justus Perthes, später VEB Hermann Haack. Es
handelt sich um einen Komplex mehrerer Gebäude, der
einen ganzen Straßenzug umfasst und dessen Bausubstanz teilweise bis 1856 zurückreicht. Das so genannte
Perthes-Forum beherbergt nun Depots und Werkstätten
für die Museen der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha,
für die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt
und für das komplette Staatsarchiv. Die erstgenannten
beiden Einrichtungen erhielten Erweiterungsflächen für
ihre Sammlungen. So zum Beispiel für die Kartografische
Sammlung von Perthes (Karten, Bibliothek, Archiv), die
einen Speziallesesaal und Werkstätten erhielt und weitere Depots für die Gemäldesammlung und die naturkundlich-geologische Sammlung der Museen. Der Hauptteil
der Magazin- und Arbeitsräume der Bibliothek und die
Ausstellungsbereiche der Museen verbleiben aber weiterhin im Schloss Friedenstein oder im neu rekonstruierten „Herzoglichen Museum“.
Anders verhält es sich mit dem Staatsarchiv. Dieses verlagerte seinen Bestand und alle Büro- und Werkstattbereiche einschließlich Lesesaal und Ausstellungsfläche
vollständig in das neue Gebäude. Nach mehreren Machbarkeitsstudien und Masterplänen für die Sanierung des
Schlosses Friedenstein und der anschließenden neuen
Raumkonzeption war klar, dass eine moderne, zukunftsorientierte und vollständige Unterbringung aller Bereiche
des Archivs im Schloss nicht ohne Abstriche an der Funktionalität möglich ist. Deshalb wurde die Entscheidung
getroffen, das Archiv komplett und nicht nur mit Teilbereichen außerhalb des historischen Refugiums unterzubringen. Dieser Entscheidungsprozess ging einher mit einem
zähen Ringen um Standorte, Etagen und Räume und ist
keinem Beteiligten leicht gefallen. Das Ergebnis wird nur
einem einzigen Zweck dienen – der dauerhaften und sicheren Archivierung einzigartiger Dokumente, unabhängig von persönlichen Ressentiments.
Die im Schloss verlassenen Räume übernehmen nach deren Sanierung die Museumsstiftung und die Forschungsbibliothek. Mit dem Aus- und Erweiterungsbau des
Perthes-Forums hat das Staatsarchiv erstmalig stabile
klimatische Verhältnisse in allen Räumen erhalten, für die
wertvollsten Bestände eine Sprühnebellöschanlage und
modern und funktional eingerichtete Büro- und Arbeitsräume. Als Archiv der „kurzen Wege“ konzipiert, sind alle
Funktionen so eng wie möglich miteinander verbunden.
Klimatisierung, durchgängig kompakte Rollregalanlagen,
größere und komfortablere Ausstellungs-, Vortrags- und
Benutzerbereiche, getrennte Werkstattbereiche, ein klimatisiertes Filmmagazin, Benutzerparkplätze, barrierefreier Zugang und ein gesonderter Aktenfahrstuhl sind
nur einige Kenngrößen dieses Investitionsvorhabens.
Durch die maßgebliche Beteiligung der Museumsstiftung
und der Universität Erfurt wurde das Gesamtprojekt nicht
nur durch die Stadt Gotha als Gebäudeeigentümer und
Chemnitz und Berlin werden durch den engen finanziellen Rahmen und die unterschiedliche Auslegung der
Bau- und Verwaltungsvorschriften von Bund und Land
verursacht. Eklatante Ausstattungsunterschiede werden
dem fachkundigen Betrachter insbesondere im Vergleich
des Gothaer Projektes mit den Archivneubauten in Weimar (Hauptstaatsarchiv und Goethe- und Schiller-Archiv)
auff allen.
Justus-Perthes-Str. 5
(Foto: Sandra Scheer)
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
dieser Bau nicht allen Ansprüchen gerecht. Den Gegebenheiten der Kubatur der vorgegebenen Altbausubstanz
– nur ein Teil wurde als wirklicher Neubau errichtet – ist
es geschuldet, dass es Rampen und vereinzelt Schwellen gibt, Fahrstühle zum Ausgleich von altem und neuem
Etagenniveau erforderlich sind oder Arbeitsräume vergittert werden müssen oder größer sein könnten. Aber die
meisten Unzulänglichkeiten, Qualitäts- und Mengenminderungen sowie Standardverluste gegenüber fast gleichzeitigen Archivbauten in Weimar, Dresden, Magdeburg,
Mit dem ersten Spatenstich begann für das Staatsarchiv
Gotha eine neue Epoche. Allerdings bedurfte nicht alles,
was zurückgelassen wurde, unbedingt der Erneuerung.
Kosten senkend auf das ganze Bauvorhaben hat sich ausgewirkt, dass fast 90 Prozent des vorhandenen Mobiliars
und der Ausstattung an Geräten und Technik vom alten
Standort in das Perthes-Forum umgesetzt werden konnten.
Es bleibt zu bekräftigen, dass wesentliche Modernisierungen, Erweiterungen und Optimierungen in den Arbeitsabläufen und der Raumfunktionalität nur an einem
neuen Standort ermöglicht werden konnten. Im Schloss
gab es keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten.
Künftige Anforderungen in Bezug auf Akten- und Datenübernahmen und die Gewährleistung der Dienstleistungsfunktionen des Archivs werden künftig besser und langfristig planbar zu realisieren sein. Und nicht zu vergessen
ist, dass dadurch die einmalige Chance besteht, Schloss
Friedenstein im Interesse der verbleibenden Nutzer und
der angegriffenen Gebäudesubstanz denkmalgerecht
komplex zu sanieren. Über 2.000 m² werden im Schloss
durch den Auszug des Staatsarchivs frei, sind aber stark
sanierungsbedürftig, bevor sie etwa hälftig den Museen
und der Bibliothek zur künftigen Nutzung übertragen werden bzw. durch die Schlösserstiftung selbst genutzt werden könnten. Nutzerseitig ist auf jeden Fall angedacht,
den Raum des historischen Geheimen Archivs mit seiner
Originalausstattung als „Archivmuseum“ zu erhalten und
der Öffentlichkeit im Rahmen von Führungen und Sonderausstellungen zugänglich zu machen.
Lutz Schilling
Thüringisches Staatsarchiv Gotha
Den drei künftigen Mietern werden durch den Landtagspräsidenten und den Kulturminister die Schlüssel übergeben
(Foto: Sandra Scheer)
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Zum 8. Juni 2015 lud das Thüringische Staatsarchiv Meiningen die 19 Landtagsabgeordneten Südwestthüringens
zu einer Informationsveranstaltung ein, um auf aktuelle
Probleme aufmerksam zu machen und die Aufgaben und
Arbeitsweise des Staatsarchivs vorzustellen. Diese Form
einer Informationsveranstaltung wurde erstmalig gewählt, um parlamentarische Entscheidungsträger gezielt
in die Räumlichkeiten des Staatsarchivs zu holen, was mit
Abstrichen auch gelang.
Der amtierende Direktor Dr. Norbert Moczarski konnte die
Landtagsabgeordneten Kristin Floßmann (CDU), Ina Leukefeld (Die Linke), Ronald Hande (Die Linke) sowie Holger
Auerswald, persönlicher Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten Steffen Harzer (Die Linke), begrüßen. Einige
Landtagsabgeordnete hatten ihr Kommen zwar zugesagt,
dann aber wegen anderer dringender Termine kurzfristig
absagen müssen.
Die zweieinhalbstündige Informationsveranstaltung wurde von Dr. Nobert Moczarski, Katharina Witter und Carolin
Baumann vorbereitet und durchgeführt. Mit einer Einführungspräsentation im Lesesaal des Staatsarchivs wurden
kurz die thüringische Archivlandschaft und die Aufgaben
staatlicher Archive vorgestellt und die Zuständigkeit und
das Benutzerspektrum erläutert. Darüber hinaus wurden
die Anforderungen des Informationszeitalters an die Archive aufgezeigt. Doch das zentrale Ziel der Veranstaltung bestand darin, die Landtagsabgeordneten auf die
drängenden Probleme, insbesondere auf die prekäre
Raumsituation in Meiningen und in der Außenstelle Suhl,
aufmerksam zu machen sowie die Abgeordneten bei der
Lösung dieser Probleme um Unterstützung zu bitten.
In einem Rückblick führte Dr. Moczarski ihnen zunächst
Archivalienpräsentation im Kartenraum während der Führung
der Landtagsabgeordneten
(Foto: Constanze Siemann)
die Bemühungen und Planungen der letzten 20 Jahre vor
Augen, deren Realisierung jedoch immer wieder scheiterte. Dazu gehört auch das bereits weit fortgeschrittene
Neubauprojekt in der Marienstraße 4/5 in Meiningen in
den Jahren 2000/2001. Während die seit 1990 andauernde beengte Situation in den Verwaltungsräumen im Bibrabau sich durch einen möglichen Auszug der Musikschule
Meiningen im oberen Geschoss entspannen könnte, ist
das Staatsarchiv bereits seit längerer Zeit auch hinsichtlich seiner Magazinkapazitäten an seine Grenzen gestoßen. Die Tatsache, dass Archive immer auch Leerflächen
benötigen, ist gerade in Zeiten angespannter Haushaltskassen nur schwer zu vermitteln. Umso erfreulicher waren
aber das gezeigte Verständnis der Abgeordneten und die
Einsicht, dass das beste Provisorium für die auf Ewigkeit
angelegten Archive eben keine Lösung sein kann.
Weiterhin wurde – wenn auch in visionärer Absicht – auf
leerstehende Gebäude in Meiningen aufmerksam gemacht, um zu vermitteln, dass es durchaus Alternativen
zu den derzeitigen Standorten im Meininger Schloss und
im ehemaligen Gefängnis in Suhl gibt. Hingewiesen wurden beispielsweise auf das Landgerichtsgebäude in der
Leipziger Straße und den Neubau (2000) des ehemaligen
Bundesbankgebäudes gegenüber dem Justizzentrum in
der Meininger Kasernenstraße, der bereits seit 2011 leer
steht und einer Weiternutzung harrt.
Realistischer erscheint jedoch der Aus- bzw. Umbau der so
genannten Schotthallen (bis 1989 erbaut), welche bereits
2011 dem Staatsarchiv von der Stadt Meiningen als Magazinflächen angeboten wurden. Doch auch hier herrscht
aufgrund abgelehnter Fördermittel inzwischen Stillstand.
Dennoch wurden die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten dieser Schotthallen vorgestellt und mit den Gästen
diskutiert.
Dr. Moczarski appellierte an die Gäste, diesen Stillstand
endlich zu beenden und die Prozesse zur Weiterentwicklung des Staatsarchivs wieder anzustoßen, da das Thüringische Staatsarchiv Meiningen bereits jetzt seiner gesetzlich festgeschriebenen Aufgabe, permanent archivwürdige Akten aus 54 Landesbehörden und 3 Bundesbehörden
zu übernehmen nur noch sehr eingeschränkt nachkommen kann. So können derzeit nur noch kleine vorhandene Lücken in den Magazinbereichen Meiningen und Suhl
gefüllt werden, bis 2016 endgültig alle Übernahmen gestoppt werden müssen.
Die Landtagsabgeordneten erkannten auch, dass nur ein
Auszug der Musikschule aus dem zweiten Obergeschoss
des Bibrabaus und die damit verbundene Vergrößerung
der Funktionsräume für die Verwaltung die Arbeitsbedingungen für die Belegschaft und für die Besucher des
Archivs verbessern würden. Dabei sind es auf den ersten
Blick nur Kleinigkeiten, die sowohl für die Mitarbeiter aber
vor allem auch für die Nutzer des Staatsarchivs ungünstig sind. Zu nennen seien an dieser Stelle ein fehlender
59
Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote
Besuch von Landtagsabgeordneten im
Staatsarchiv Meiningen – ein Hilferuf
Aufenthaltsraum für Nutzer, fehlende Abtrennungen zwischen Lesesaal und Filmleseraum, ein fehlender Vortragsraum oder die völlig unzureichenden Sanitäranlagen.
Auch die Verwaltungsräume selbst sind hinsichtlich ihrer
Größe und Nutzung unzureichend. Hinzu kommen die beengten Magazinräume mit den zu hohen Regalen und die
Verteilung der Räume über mehrere separate Zugänge im
ganzen Schloss. Die Arbeitsbedingungen gestalten sich
äußerst schwierig, da auf den langen Wegen, die häufig über Treppen führen, das Archivgut nur mit der Hand
transportiert werden kann.
Dem vorwiegend beschreibenden Teil der Veranstaltung
folgte dann ein ausgiebiger Rundgang durch fast alle
Archivmagazine. Den Gästen wurde anhand einer Archivalienauswahl die Bedeutung und Vielschichtigkeit des
Archivguts veranschaulicht und von diesen auch interessiert wahrgenommen. Die Abgeordneten konnten die zu-
vor angesprochenen Probleme mit eigenen Augen sehen.
Die bereits im Eingangsgespräch geführten Diskussionen
wurden bei der Führung intensiv fortgesetzt. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass durchaus
auch Verwunderung und Entsetzen über die vorherrschenden Zustände geäußert wurde.
Insgesamt konnte die Veranstaltung sicher einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und die Landtagsabgeordneten sensibilisieren. Es bleibt zu hoffen, dass die gewonnenen Eindrücke nicht so schnell vergessen werden
und vielleicht in entsprechende Planungsprozesse und
Entscheidungen münden. Das Thüringische Staatsarchiv
Meiningen beabsichtigt, diese Informationsveranstaltung
2016 in der Außenstelle Suhl zu wiederholen.
Carolin Baumann, M. A.
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen
ThELMA auf der CeBIT 2015 präsentiert
Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote
Auf der CeBIT 2015 wurde im Rahmen der Präsentation
Thüringens auf dem Gemeinschaftsstand des IT-Planungsrates das Projekt Digitales Magazin des Freistaats
Thüringen präsentiert (ThELMA – Thüringisches Elektronisches Magazin). Schwerpunkt war Montag, der 16. März
2015, an dem auch ein Vortrag zum Bühnenprogramm
des IT-Planungsrates beigesteuert wurde.
Der IT-Planungsrat ist ein aus allen Ländern und dem
Bund zusammengesetztes Gremium mit der Aufgabe, die
Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem
Gebiet der Informationstechnik zu koordinieren, IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards festzulegen
sowie übergreifende Projekte im Bereich E-Government
zu steuern.
Der Thüringen-Stand thematisierte 2015 die E-Government-Initiativen des Landes sowie das Projekt zur Ein-
führung einer branchenspezifischen Softwarelösung für
ein Digitales Magazin zur fachgerechten und revisionssicheren Archivierung genuin digitaler Daten (z. B. E-Akten,
Daten aus Fachverfahren, Geodaten, Netzressourcen) im
Freistaat Thüringen.
Die Mannschaft auf dem Thüringen-Stand am ersten Tag
der CeBIT 2015, v. l. Jörg Filthaut, Konrad Meckel (beide
ThHStAW), Dennis Gollard (TFM), Silvio Müller (TLRZ)
(Foto: Kathrin Zeiger)
Fachvortrag zur digitalen Archivierung im Rahmen des
Bühnenprogramms des IT-Planungsrates, Jörg Filthaut mit
Ausführungen zu den analogen und digitalen Archivguttypen
(Foto: Kathrin Zeiger)
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Jörg Filthaut
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar
Weitere Informationen zum Projekt unter: http://www.
thueringen.de/th1/tsk/kultur/staatsarchive/fachinformationen/digital/projekt/index.aspx
Presseerklärung des Thüringer Finanzministeriums zur
CeBIT 2015 unter: http://www.thueringen.de/th5/tfm/
aktuell/ai/83439/index.aspx
Ministerpräsident Bodo Ramelow besucht das
Staatsarchiv Gotha
Im Rahmen seiner „Landesbereisung“ hat Ministerpräsident Bodo Ramelow als erste Station Gotha gewählt
und neben weiteren wissenschaftlichen und kulturellen
Einrichtungen in der Stadt am 30. März dieses Jahres
das Staatsarchiv besucht. In seinem 45-minütigen Rundgang wurde ihm durch den Direktor der Einrichtung das
Staatsarchiv, dessen Geschichte und die Hauptaufgaben
der Staatsarchive erläutert. Ein Schwerpunkt war die Präsentation der neuen Sonderausstellung, an Hand derer
er einen Überblick über die wichtigsten Bestände des Archivs erhielt. Insbesondere wurde auf die umfangreiche
Quellenlage auf Grund der weltumspannenden dynastischen Beziehungen des ehemaligen Herzogshauses von
Sachsen-Coburg und Gotha und die Zuständigkeit für den
preußischen Regierungsbezirk Erfurt eingegangen.
Ministerpräsident Ramelow und Oberbürgermeister Kreuch in
der Ausstellung
(Foto: Sandra Scheer)
Ministerpräsident Bodo Ramelow mit Aktenreff
(Foto: Sandra Scheer)
Bei einer abschließenden kleinen Diskussion im Kreise
der ihn begleitenden Landtagsabgeordneten, des Oberbürgermeisters von Gotha, Knut Kreuch, und der Mitarbeiter des Staatsarchivs gab es einen Meinungsaustausch
zu Folgen der Verwaltungsstrukturreform für die Archive,
Vor- und Nachteile von Digitalisierungsprojekten und die
Struktur der Thüringer Archivlandschaft.
In einer sehr entspannten Atmosphäre konnte der Ministerpräsident somit einen ersten Archivstandort kennenlernen, besonders unter dem Aspekt bedeutend, dass
nach der neuen Ressortzuständigkeit die Thüringischen
Staatsarchive direkt der Staatskanzlei zugeordnet sind.
Der Direktor des Staatsarchivs bedankte sich ausdrücklich zum Abschluss des Rundgangs für die Wertschätzung, die der Besuch des Ministerpräsidenten für die Mitarbeiter der Einrichtung zum Ausdruck gebracht hat und
für die getätigten Investitionen des Landes. Er verband
dies mit der Bitte um weitere Unterstützung auch der anderen Archivstandorte und Beibehaltung der bisherigen
Personalkapazitäten.
Lutz Schilling
Thüringisches Staatsarchiv Gotha
61
Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote
Im anschließenden Rundgang durch die neuen Räume im
Perthes-Forum konnten der neue moderne Lesesaal, das
spezielle Kartenmagazin, das alte „Geheime Archiv“ mit
modernster Sicherungs- und Brandbekämpfungstechnik
und die neuen Büro- und Arbeitsräume besichtigt werden.
Kunst am Bau
Queen Victoria beehrt das historische Treppenhaus des Staatsarchivs Gotha
im Perthes-Forum
Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote
Im historischen Treppenhaus des Staatsarchivs Gotha
wurde in den gegebenen Nischen eine reizvolle Urkunden-Installation angebracht, die dem Besucher schon
beim Eintreten die engen Verbindungen zum britischen
Königshaus verdeutlichen soll. Bei der dort verwendeten Urkunde handelt es sich um die Ernennung von Prinz
Alfred zum Duke of Edinburgh durch Queen Victoria im
Jahr 1866.
Prinz Alfred wurde am 6. August 1844 als viertes Kind von
Königin Victoria von Großbritannien und Prinz Albert von
Sachsen-Coburg und Gotha auf Schloss Windsor geboren. Da mit seinem älteren Bruder Edward die englische
Thronfolge bereits gesichert war, kam Alfred die Rolle des
Nachfolgers seines kinderlosen Onkels, Herzog Ernst II.
von Sachsen-Coburg und Gotha zu. Er wuchs in England
auf und sprach von allen seinen Geschwistern am schlechtesten Deutsch. Trotzdem akzeptierte er diese Entscheidung. Eine eindeutige Regelung dazu erfolgte spätestens
mit Verabschiedung des Staatsgrundgesetzes vom 3. Mai
1852. Alfred studierte an den Universitäten Edinburgh
und Bonn Philosophie und Naturwissenschaften und absolvierte außerdem, seinen Neigungen entsprechend,
eine Ausbildung bei der Royal Navy. Mit 14 Jahren als Seekadett angefangen, stieg er im Laufe der Jahre zum Großadmiral auf, dem höchsten Rang in der britischen Flotte.
Am 24. Mai 1866, dem Tag ihres 47. Geburtstages, verlieh Königin Victoria von Großbritannien und Irland ihrem
Sohn Alfred mit dieser prachtvollen Urkunde die Titel und
Würden eines Earl of Ulster, Earl of Kent und Duke of Edinburgh. Damit erwarb er gleichzeitig das Anrecht auf einen
Sitz im britischen Oberhaus. Alle Titel wurden in der britischen Geschichte z. T. mehrmals verliehen, der des Duke
of Edinburgh seit 1726 jedoch insgesamt nur viermal. Er
erlosch nach dem Tode Herzog Alfreds und erst am 20.
(Foto: Sandra Scheer)
November 1947, einen Tag vor seiner Hochzeit erhielt ihn
der Ehemann von Königin Elisabeth II., Prinz Philip Mountbatten.
Herzog Alfred war seit 1874 mit der russischen Zarentochter Maria Alexandrowna verheiratet. Aus dieser Ehe gingen
fünf Kinder hervor – vier Töchter und ein Sohn. Nach dem
Tod seines Onkels, Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg
und Gotha, hatte Alfred 1893 die Regierung übernommen.
Auch die Nachfolge schien gesichert, bis im Jahre 1899
der einzige Sohn freiwillig aus dem Leben schied. Alfred
war zutiefst erschüttert. Trotzdem wurden von ihm, inzwischen selbst durch eine unheilbare Krankheit gezeichnet,
Staatsräson und eine zeitnahe Regelung der Nachfolge erwartet. Es gelang ihm noch, alle notwendigen Regelungen
selbst vorzunehmen, bevor er am 30. Juli des darauffolgenden Jahres starb.
Dr. Steffen Arndt
Thüringisches Staatsarchiv Gotha
Tagungsband erschienen
Seit 1997 beschäftigen sich Archivare aller Archivsparten in Deutschland, der
Schweiz und Österreich im Arbeitskreis „Archivierung von Unterlagen aus digitalen
Archiven“ mit dieser Herausforderung.
Rechtzeitig vor Jahresende ist der Band erschienen, der alle Beiträge der im Frühjahr 2014 in Weimar stattgefundenen 18. Tagung in ausführlicher schriftlicher Form
versammelt und damit ein aktuelles Spiegelbild zum Stand der digitalen Archivierung in der Fachwelt darstellt.
Der Tagungsband ist nicht im Buchhandel zu erwerben.
Der Bezug ist auf Anfrage beim Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar unter
[email protected] möglich.
Jörg Filthaut
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar
62
Martin Luther und die Reformation
Martin Luther kann in seiner Wirkung mit Jesus verglichen
werden – nur, dass sein Wirken das Ende der den europäischen Kontinent umspannenden christlichen Religion einleitete, das mit der Aufklärung und den Ideen von Immanuel Kant über die Unmöglichkeit eines Gottesbeweises
seinen Schlusspunkt fand. Der Weltenerschütterer Luther
fand einen Kontinent vor, der bereits durch die Ideen des
Humanismus und der Renaissance mit der Hinwendung
zum Erbe der antiken Welt für die Reformation vorbereitet war – allenfalls der Funke fehlte, um das Zunderholz
auflodern zu lassen. Dass die Humanisten um Luther, genannt sei nur Philipp Melanchthon, selbst durch ihre kritischen Übersetzungen der antiken Autoren diesen Weg
bereiteten, kündet auch von ihren wissenschaftlichen
Verdiensten. Der Buchdruck machte das neue Wissen
unaufhaltbar – wie eine Flut ergossen sich die Ideen der
Antike, die den Menschen in den Mittelpunkt aller Dinge
gestellt hatten, über den Kontinent. Oder wie es der italienische Humanist Giovanni Pico della Mirandola in seiner
1486 verfassten Schrift de hominis dignitate unübertroffen formulierte: „Gott spricht zu Adam: Wir haben dich
weder als einen Himmlischen noch als einen Irdischen,
weder als einen Sterblichen noch als einen Unsterblichen geschaffen, damit du als dein eigener, völlig frei
entscheidender Bildner und Gestalter dir selbst die Form
bestimmst, in der du zu leben wünschest. Es steht dir frei,
in die Unterwelt des Viehs zu entarten. Es steht dir ebenso frei, in die höhere Welt des Göttlichen dich durch den
Entschluß deines eigenen Geistes zu erheben.“
Nun hätten diese Ideen nicht eine solche Wirkungsmacht
entfalten können, schließlich hatten schon vorher Männer wie John Wyclif Kirchenreformen gefordert, wenn die
Papstkirche nicht selbst zutiefst in ihren Grundlagen
erschüttert gewesen wäre. Die Amtsführung der Renaissancepäpste war berüchtigt, erinnert sei an das Wort
von Leo X., der nach seiner Wahl sagte: „Da Gott Uns das
Papsttum verliehen hat, so laßt es Uns denn genießen.“
Der schwunghafte Ablasshandel und der kirchliche Ämterkauf auf jeder Ebene tat ihr Übriges – so wurde besagter Leo X. bereits mit 14 Jahren zum Kardinal ernannt.
Ebenso vereinigte Kardinal Albrecht von Brandenburg,
der durch seinen Beauftragten Johann Tetzel einen sagenhaften Ablasshandel betreiben ließ, kirchenrechtswidrig die Bistümer Mainz, Magdeburg und Halberstadt
auf seine Person. Hinzu kam die sprichwörtliche Dummheit – gleichsam sub omnibus canonibus – des einfachen Klerus, die in den Dunkelmännerbriefen der Erfurter
Humanisten an den Pranger gestellt wurde. Insofern war
die katholische Amtskirche reif wie ein fauler Apfel –
quasi Fallobst im durch Martin Luther entfachten Sturm.
Wie erschütternd die Zustände gerade in der ländlichen
Amtskirche waren, zeigen dann auch die zahlreichen Visitationsprotokolle, die die Reformatoren im Auftrage ihrer Landesherren anfertigten. Nicht nur die praktischen
Grundlagen der Amtsführung standen in der Kritik, auch
die religiösen Fundamente waren brüchig geworden. Die
Reformatoren kritisierten die Reliquienverehrung, die
Praxis des Abendmahls und den Zölibat als nicht bibelgerecht. Dass Martin Luther mit einer quellenkritischen
Bibelübersetzung in die deutsche Sprache während seiner Gefangenschaft auf der Wartburg nicht nur das Fundament für das Verständnis der Heiligen Schrift überhaupt
legte, sondern überhaupt die deutsche Sprache durch
seine Metaphern (sein Scherflein beitragen – damit ist
eine Erfurter Scheidemünze gemeint – oder einen Denkzettel verpassen) erst prägte und ausbilden half, gehört
zu seinen wissenschaftlichen Großtaten. Oder wie Jacob
Grimm meinte: „Man darf das Neuhochdeutsche in der
Tat als den protestantischen Dialekt bezeichnen.“
Luthers Anfänge liegen in Mitteldeutschland, hier verbreiteten sich seine Ideen besonders rasch. Zum einen,
weil bedeutende Universitäten wie in Leipzig, Wittenberg
und Erfurt – und später in Jena und Marburg – mit ihren
humanistischen Spitzengelehrten als Katalysatoren wirkten. Zum anderen, weil die reiche Städtelandschaft in
Mitteldeutschland ebenso wirkmächtige Ausstrahlungspunkte bildete. Zum dritten, weil die Reformatoren in den
Wettinern ein Fürstengeschlecht fanden, das mächtig
genug war, sie gerade in den gefahrvollen ersten Jahren
wirkungsvoll zu unterstützen und zu beschützen.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass gerade in den
mitteldeutschen Archiven, ob nun in staatlicher oder
kommunaler Trägerschaft, ein reicher Fundus an Archivalien zu Tätigkeit und Leben von Martin Luther und seiner
Mitstreiter und Freunde zu finden ist. Der Luther-Kalender
2015 präsentiert die inhaltlichen und optischen Zimelien
dieser Reformationslandschaft: von Magdeburg bis Coburg und von Marburg bis Altenburg – und wie so oft ist
das Ergebnis weit mehr als die Summe der Einzelbeiträge.
Dr. Steffen Arndt
Thüringisches Staatsarchiv Gotha
63
Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor
Kalender mitteldeutscher Archive 2015 erschienen
Mit Papier und andern getreulich umbzugehen
Ein Streifzug durch 1000 Jahre Thüringer Geschichte
Buchankündigung des Staatsarchivs Gotha
Archive in Thüringen 2015 – Neuerscheinungen
Das Thüringische Staatsarchiv Gotha wird im Jahr 2015
nach über 350 Jahren im Schloss Friedenstein in das
neue Archivdomizil Perthes-Forum umziehen. Dieser Umzug, der von Bund und Land mit 18 Mio. € Baumitteln für
das Gesamtvorhaben ermöglicht wurde, war dringend
notwendig, da die Klima- und Arbeitsbedingungen im
Schloss der Bestandserhaltung höchst abträglich waren.
Schon allein die Höhe der Bausumme bezeugt, wie hoch
der kulturelle und geschichtliche Wert der Gothaer Sammlungen eingestuft werden.
Der Ursprung des Archivs in Gotha ist eng verbunden mit
der 1640/1641 erfolgten Gründung des Herzogtums Gotha. Nach Übernahme der Urkunden, u. a. für die Klöster
Reinhardsbrunn, Georgenthal und Ichtershausen, von
Amtsbüchern und Akten für das Gebiet des neuen Herzogtums wurde in Gotha das Archivgewölbe in Schloss
Friedenstein erbaut. Bereits in den Bauplänen von 1643
war dieses Archivgewölbe vorgesehen, das dann zwischen 1646 und 1649 bezogen werden konnte. Der Herzog überwachte persönlich dessen Einrichtung. Mit der
Gründung des Herzogtums Gotha errichtete Ernst der
Fromme einen protestantischen Musterstaat, der für
seine Staatsreform, aber auch für seine Schulen und Bildungsstätten berühmt war und zum Vorbild für die Reformen protestantischer Staaten wurde, z. B. Preußens unter
Friedrich Wilhelm I.
Gleichzeitig entstand in Gotha die Keimzelle dessen, was
im 18. Jahrhundert als barocker Hof weite Ausstrahlung
in Europa erreichte, den Vergleich mit Paris standhalten
konnte, und Philosophen(könige) wie Voltaire und Friedrich den Großen anzog. Die Förderung von Kunst und Wissenschaft fand ihren Ausdruck nicht nur in den wissenschaftlichen Sammlungen, sondern auch in der Begründung ganzer Wissenschaftsrichtungen wie der Äthiopistik, der Astronomie oder der Geographie. Ein Beispiel: die
Astronomie in Gotha hatte einen so hohen Ruf, dass die
britische Admiralität die Berechnungen für ihre Navigationskarten und -tabellen hier erstellen ließ.
Heute werden im Staatsarchiv Gotha 9.100 Urkunden,
9.200 lfm Akten und 64.000 Karten von der Gründung der
Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, der kulturellen
barocken Glanzzeit des Herzogtums Sachsen-Gotha im
18. Jahrhundert, der preußische Geschichte der Stadt Erfurt, des Wiederaufstiegs des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gothas durch die Heirat Prinz Alberts mit Queen
Victoria bis hin zum Ersten Weltkrieg und der Gründung
des Volksstaates Gotha verwahrt. Das Staatsarchiv Gotha sichert damit bedeutende Zeugnisse des ernestinischen Erbes in Thüringen von der Gründungsurkunde
des Klosters Reinhardsbrunn aus dem Jahr 1092, über
eine Kaiserurkunde Friedrich Barbarossas für das Kloster
Ichtershausen 1179, eine Papstbreve Leos X. an Kurfürst
64
Friedrich den Weisen zum Kampf gegen Martin Luther von
1518, den Briefwechsel von Herzogin Luise Dorothea von
Sachsen-Gotha mit Friedrich dem Großen 1756 bis 1767
bis hin zur Sammlung von diplomatischen Grußadressen
an Prinz Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha, Sohn von
Queen Victoria, auf seinen Reisen durch das britische Empire.
Die positive Zäsur des Umzugs nimmt das Staatsarchiv
Gotha zum Anlass, die Archivschätze gedruckt und kommentiert vorzulegen. Diese Publikation soll die neue Ausstellung zur Eröff nung wirkungsvoll ergänzen und bei der
offiziellen Neueröff nung des Perthes-Forums im Oktober
präsentiert werden. Ebenso wird eine positive Langzeitwirkung dieser Publikationsart erhoff t. Da ja die gedruckten Archivschätze nie veralten, liegt hier nicht nur ein
Katalog kultureller Spitzenstücke vor, sondern auch eine
Argumentationshilfe in Richtung Verwaltung und Politik.
Die Publikation entsteht in Zusammenarbeit mit dem Historischen Verein für Schwarzburg, Hohenlohe und Gleichen. Zum einen, weil von dort die technische und logistische Unterstützung erfolgt, zum anderen, weil sich im
Staatsarchiv Gotha die Adelsarchive der Grafen von Gleichen bzw. Fürsten von Hohenlohe befinden, aus denen
bedeutende Stücke, z. B. die Ersterwähnung des Erfurter
Rats im Jahr 1217, die Archivschätze bereichern werden.
Der Band ist ab Oktober 2015 beim Staatsarchiv Gotha
und im Buchhandel für 29,95 € erhältlich.
Dr. Steffen Arndt
Thüringisches Staatsarchiv Gotha
Infobrief des Thüringischen Staatsarchivs
Altenburg
Titelseite des Flyers Lernen
Forschen Entdecken – im
Thüringischen Staatsarchiv
Altenburg
Retrokonversion der Schönbergischen Sammlung bald abgeschlossen
(Foto: Jörg Müller)
Archivales verdeutlicht – Rubrik „Archivalienkunde“. So
konnte auf die umfangreiche Plakatsammlung sowie die
bedeutenden Altenburger Flurkarten der ersten Landesvermessung aufmerksam gemacht werden. Schließlich
sind die zwischen 1787 und 1845 angefertigten systematischen Landesvermessungskarten des Altenburger
Ost- und Westkreises nach der Vernichtung der Weimarer
Flurkarten die ältesten einheitlichen Katasterblätter Thüringens.
In „Archivterminologie“ wird jeweils ein archivischer
Fachbegriff allgemein verständlich erklärt – etwa das
Erschließen oder der Archivsprengel. Schließlich wird in
„Veranstaltungshinweise“ auf eigene Veranstaltungen
– wie im September auf das Programm des Hauses zum
Tag des offenen Denkmals – oder die monatlich stattfindenden Abendvorträge der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes aufmerksam
gemacht.
Die Infobriefe werden an die thüringischen Staatsarchive, an regionale Kommunalarchive, Altenburger Kultureinrichtungen, die abgebenden Behörden des Staatsarchivs Altenburg, an die Altenburger Stadtverwaltung und
hiesigen Medien sowie an die umliegenden Universitäten
in Jena und Leipzig versendet. Auf der Homepage des
Staatsarchivs Altenburg (www.thueringen.de/staatsarchive/altenburg) kann zudem jedermann in der Rubrik
„Infobrief“ diesen abonnieren.
Dr. Jörg Müller
Thüringisches Staatsarchiv Altenburg
65
Archive in Thüringen 2015 – Neuerscheinungen
Seit März dieses Jahres versendet das Thüringische
Staatsarchiv Altenburg vierteljährlich per E-Mail einen
Infobrief, mit dem über die Arbeit des Archivs informiert
werden soll. Ziele sind die stärkere Wahrnehmung des
Staatsarchivs als moderner Dienstleister und insbesondere auch, das Haus vermehrt als Bildungseinrichtung im
allgemeinen Bewusstsein von Stadt und Region zu verankern. Das Altenburger Staatsarchiv verwahrt die schriftlichen Hinterlassenschaften des ehemaligen Fürstentums,
späteren Herzogtums und Freistaates Sachsen-Altenburg
von den Anfängen bis 1920 sowie des Landkreises Altenburg bis 1952. Seit 1990 ist es für die Aktenüberlieferung
der im Landkreis Altenburger Land angesiedelten nachgeordneten Landes- und Bundesbehörden zuständig.
Der Infobrief berichtet in den wiederkehrenden Rubriken
„Aktuelles“ und „Aus der Benutzung“ regelmäßig über
Neuigkeiten und stellt interessante Benutzungen vor. So
wurde über den Erwerb der Korrespondenzen des ehemaligen Direktors des Leipziger Museums für Bildende Künste und des hiesigen Lindenau-Museums Dr. Dieter Gleisberg ebenso berichtet (siehe S. 30f. dieses Heftes), wie
über den Entwurf eines Faltblatts, das an die Altenburger
Schulen und Gymnasien verschickt wurde, um hervorzuheben, wie das Staatsarchiv als außerschulischer Lernort
den Unterricht bereichern kann.
Zudem konnte über die sehr gut aufgenommenen historischen Stadtrundgänge mit Altenburger Grundschülern
informiert werden (siehe S. 42f. dieses Heftes).
Des Weiteren werden in „Arbeit an den Beständen“ solche Arbeiten erläutert – etwa den Fortgang der Retrokonversion des bedeutenden Bestands Schönbergische
Sammlung, die von dem Staatsmann Hans Dietrich von
Schönberg (1632-1682) angelegt wurde. Die 135 Bände
dieses Bestands beinhalten Akten, Briefe und Urkundenabschriften zur Reichs-, Landes-, Orts- und Adelsgeschichte – mithin viele
wertvolle Quellen zur thüringischen und insgesamt
mitteldeutschen
Landesgeschichte. Bis Jahresende
sollen alle Bände in Augias
und anschließend in einem
Online-Findbuch im Archivportal Thüringen recherchierbar sein.
Zudem wird die Vielfalt der
Altenburger Bestände anhand eines vorgestellten
Personalnachrichten
Hinweise für
Autoren
Impressum
Eingestellt
Archivassessorin Katrin Wenzel, M. A.
beim Kreisarchiv Saalfeld-Rudolstadt
(1.10.2014), Übernahme der Archivleitung (1.1.2015).
1.
Herausgegeben im Auftrag des Thüringer
Ministeriums für Bildung, Wissenschaft
und Kultur
Julia Becker beim Stadt-und Kreisarchiv
Schmalkalden als Fachangestellte für
Medien- und Informationsdienste (FaMI)
in Teilzeit (1.10.2014).
2.
Jennifer Hergert beim Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden als Fachangestellte für Medien-und Informationsdienste
(FaMI) in Teilzeit (1.10.2014).
3.
Sandra Thiel beim Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt als Fachangestellte für
Medien- und Informationsdienste (FaMI),
Fachrichtung Bibliothek (1.1.2015).
Dipl.-Historikerin Andrea Wittkampf
beim Bistumsarchiv Erfurt (1.2.2015).
Ernannt
Ute Simon beim Stadt-und Kreisarchiv
Schmalkalden zur Amtsinspektorin
(1.7.2012).
4.
Ausgeschieden
Henrike Hoff beim Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar (31.12.2014).
In den Ruhestand getreten
Archivangestellte Erika Heilgeist beim
Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden
(31.8.2014).
5.
Archivangestellte Barbara Beuthe beim
Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt
(31.12.2014).
6.
Archivar Wolfgang Ledig beim Bistumsarchiv Erfurt (31.1.2015).
Archive in Thüringen 2015
Das Mitteilungsblatt „Archive in
Thüringen“ richtet sich sowohl an
Facharchivare aller Sparten, an Historiker und Benutzer als auch an ablieferungspflichtige Behörden, Medien und den interessierten Laien.
Texte aus allen Bereichen der archivarischen Arbeit, der wissenschaftlichen Forschung und der Verwaltung
sind willkommen und können jeder
Zeit bei der Redaktion im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg eingereicht werden.
Die Einsendung der Beiträge erfolgt
per E-Mail. Zur Illustration sind
Abbildungen und Fotografien ausdrücklich erwünscht. Diese sollten
entweder als E-Mail-Anhang oder
auf CD eingereicht werden und müssen mit einer Bildunterschrift und
einem Quellennachweis versehen
sein. Bitte achten Sie darauf, dass
die eingesandten Bilder hochauflösend mit mind. 300 dpi aufgenommen sind.
Die Länge des Textes sollte bei einer
Einzelseite mit 2 Abbildungen 3.900
Zeichen (einschl. Leerzeichen), ohne
Abbildungen 5.500 und bei deiner
Doppelseite mit 4 Abbildungen)
8.000 Zeichen nicht überschreiten
(grobe Orientierung). Die Redaktion
behält sich bei Bedarf sinnwahrende
Kürzungen und geringe sprachliche
Überarbeitungen vor. Bei größeren
Veränderungen am Text erfolgt eine
Rücksprache mit dem Autor.
Um eine klare Strukturierung des
Textes – unter anderem durch das
Einfügen von Zwischenüberschriften
– wird gebeten.
Bitte verzichten Sie auf allgemein
nicht geläufige Fachbegriffe ebenso
wie auf Fußnoten. Hinweise auf Literatur, weiterführende Informationen
und Internetangebote werden an
das Ende des Textes gestellt.
Redaktionsschluss
30. Juni 2015
Verantwortliche Redaktion
Doris Schilling, Dr. Jörg Müller (beide
Thüringisches Staatsarchiv Altenburg)
Satzherstellung und Druck
Druckhaus Borna
Autoren dieses Heftes
Dr. Steffen Arndt (ThStA Gotha), Lutz Bannert, M. A. (Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Generallandesarchiv
Karlsruhe), Dr. Antje Bauer (StA Erfurt),
Carolin Baumann, M. A. (ThStA Meiningen), Annette Birkenholz (FH Potsdam),
Dr. Reinhold Brunner (Amt für Bildung, Eisenach), Andreas Dietmann, M. A. (Jena),
Jörg Filthaut (ThHStA Weimar), Christel
Gäbler (StA Auma-Weidatal), PD Dr. Stefan Gerber (Friedrich-Schiller-Universität
Jena), Volker Graupner (ThHStA Weimar),
Helga Gudacker, M.A. (Sondershausen),
Sebastian Hakelberg (Thüringer Archiv für
Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“),
Bernhard Heinzelmann (Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza), Angelika Hoyer
(Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen),
Dr. Hagen Jäger (Landeskirchenarchiv
Eisenach), Sabine Keßler (ThStA Meiningen), Cornelius Lehmann, M. A. (Kempen
am Niederrhein), Dr. Norbert Moczarski
(ThStA Meiningen), Dr. Jörg Müller (ThStA
Altenburg), Christina Neuß, M. A. (Landeskirchenarchiv Eisenach), Dr. Jens Riederer (StA Weimar), Hagen Rüster (ThStA
Greiz), Kerstin Scheiding (Kreisarchiv Altenburger Land), Doris Schilling (ThStA
Altenburg), Lutz Schilling (ThStA Gotha), Ute Simon (Stadt- und Kreisarchiv
Schmalkalden), Dr. Wolfram G. Theilemann (StA Nordhausen), Dr. Christiane
Wolf (Archiv der Moderne)
Einsendeschluss: 30. Juni 2016
Abbildung Titelseite
Kunst am Bau, Mitteltrakt des Perthes-Forums Gotha (Foto: Sandra Scheer)
Die Beiträge sind im Internet nachzulesen
unter www.thueringen.de/th1/tsk/kultur/
staatsarchive/veroeffentlichungen
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Herausgegeben im Auftrag
des Thüringer Ministeriums
für Bildung, Wissenschaft
und Kultur
Archivpreis
der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen
in Verbindung mit dem Landesverband Thüringen im VdA
Der Archivpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen in Verbindung mit dem Landesverband Thüringen
im VdA wird jährlich ausgelobt. Sein
Anliegen ist die Förderung des breit gefächerten Archivwesens im Freistaat
Thüringen durch eine Prämierung herausragender Leistungen, die von öffentlichen Archiven im Sinne des Thüringer
Archivgesetzes erbracht worden sind.
Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und
wird vergeben für:
• kreative und innovative Projekte insbesondere zur Übernahme und Erfassung von Archivgut, seiner Sicherung
und Erhaltung, z. B. durch Konservierung, Restaurierung, Verfilmung oder
Digitalisierung,
• den Neuaufbau, die Modernisierung
oder auch Übernahme eines Archivs,
wobei dessen Zugang für die öffentliche Benutzung und eine anhaltende
archivfachliche Betreuung (Archivpflege) vorausgesetzt werden,
• herausragende wissenschaftliche Publikationen zum Archivwesen und zur
Archivgeschichte Thüringens,
• den Einsatz und die Weiterentwicklung
neuer Technologien und Methoden in
der Archivpraxis.
• besondere Leistungen zur Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung
von Archiven (Öffentlichkeitsarbeit).
Der Preis wird nur für abgeschlossene
Projekte vergeben.
Vorschläge für die Verleihung des Archivpreises der Sparkassen-Kulturstiftung
Hessen-Thüringen in Verbindung mit dem Landesverband Thüringen im VdA sind mit
einer Begründung bis zum 31. März 2016 zu senden an den
VdA - Verband deutscher
Archivarinnen und Archivare e.V.
Landesverband Thüringen
Sparkassen-Kulturstiftung
Hessen-Thüringen
Landesverband Thüringen im VdA
Herrn Dr. Jens Riederer
Stadtarchiv Weimar
Kleine Teichgasse 6
99423 Weimar
Mail: [email protected]
Die schriftlichen Vorschläge können entweder formlos oder mittels eines Formulars
eingereicht werden, das auf der Homepage des Landesverbandes unter
www.vda.lvthueringen.archiv.net/ verfügbar ist.