www.thueringen.de Archive in Thüringen Mitteilungsblatt 2015 Thüringisches Staatsarchiv Gotha erhält neues Domizil im Perthes-Forum Inhaltsverzeichnis Editorial Doris Schilling 62. Thüringischer Archivtag 2015 Archivtag am 18. und 19. Mai 2015 in Eisenach Dr. Jens Riederer Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Archivfähig und relevant? Untersuchung zur Sicherung der Daten aus dem DDR-Katastersystem „Colido“ Lutz Bannert, M. A. Über den Einfluss der Reformation auf das spätmittelalterliche Schulwesen am Beispiel thüringischer Städte – Einblicke in ein Dissertationsprojekt Andreas Dietmann, M. A. Thüringische Intellektuelle als Verfasser von Artikeln über die Sorben in Konversationslexika des 19. Jahrhunderts Cornelius Lehmann, M. A. Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens in Jena eröffnet PD Dr. Stefan Gerber Schwerpunkt Ausbildung Eröffnung des Masterstudiengangs „Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte“ an der Universität Erfurt Dr. Steffen Arndt Einblicke in die Ausbildung der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste am Staatlichen Berufsschulzentrum in Sondershausen (SBZ) Helga Gudacker, M. A. Arbeitsberichte aus den Archiven 3 4 6 8 10 12 13 14 Archive in Thüringen 2015 13. Jahresarbeitstagung des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen mit den Kommunalarchivaren Südwestthüringens Sabine Keßler 18 Weimarer Notfallverbund übt Bergung von Kulturgut im Katastrophenfall Volker Graupner 19 Nicolaus von Amsdorff. Wiederentdeckung eines vergessenen Manuskriptbandes Dr. Hagen Jäger 20 Übergabe von umfangreichen Kartenwerken der DDR an das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar Volker Graupner 22 Stadtgeschichte wird lebendig. Archiv erhält Nachlass der Unternehmerfamilie Adami Dr. Reinhold Brunner 24 Ein DFG-Retrokonversionsprojekt im Stadtarchiv Nordhausen Annette Birkenholz, Dr. Wolfram G. Theilemann 25 Große und wertvolle Schenkung. Familienarchiv Fuchs im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden Ute Simon 28 Übernahme weiterer Professorennachlässe in das Thüringische Staatsarchiv Meiningen Dr. Norbert Moczarski 29 Vorlass Dieter Gleisberg im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg Dr. Jörg Müller 30 Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen „Kulturweg der Vögte“ Deutsch-tschechische Gemeinsamkeiten Hagen Rüster 32 2 Bericht zur Podiumsdiskussion: „Rübermachen“ um jeden Preis? Die Ausreisegruppe „Weißer Kreis“ in Jena Sebastian Hakelberg Die Wartburg im Blick. Begegnung der süddeutschen Kirchenarchivare in Eisenach Christina Neuß, M. A. Schülerprojekt des Stadtarchivs und des Salinen- und Heimatmuseums Bad Sulza Bernhard Heinzelmann Altenburger Grundschüler entdecken ihre Stadt Doris Schilling Sonderausstellung des Kreisarchivs SchmalkaldenMeiningen zum Ersten Weltkrieg Angelika Hoyer Ausstellung des Stadtarchivs Eisenach Dr. Reinhold Brunner Historische Stadtrundgänge in Auma. Eine Möglichkeit zur Inszenierung archivalischer Quellen Christel Gäbler Archiveinrichtungen stellen sich vor 150 Jahre wissenschaftlich betreutes Stadtarchiv Erfurt Dr. Antje Bauer Archiv der Moderne – Bauhaus-Universität Weimar Dr. Christiane Wolf Ein Verwaltungsgebäude mit Geschichte. 120 Jahre Lindenaustraße 9 in Altenburg Kerstin Scheiding Vom „Geheimen Archiv“ zum Perthes-Forum. Das Thüringische Staatsarchiv Gotha erhält ein neues Gebäude Lutz Schilling Mitteilungen und Angebote Besuch von Landtagsabgeordneten im Staatsarchiv Meiningen – ein Hilferuf Carolin Baumann, M. A. ThELMA auf der CeBIT 2015 präsentiert Jörg Filthaut Ministerpräsident Bodo Ramelow besucht das Staatsarchiv Gotha Lutz Schilling Kunst am Bau. Queen Victoria beehrt das historische Treppenhaus des Staatsarchivs Gotha im Perthes-Forum Dr. Steffen Arndt Neuerscheinungen Tagungsband zum 18. Arbeitskreis „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ erschienen Jörg Filthaut Reformationskalender mitteldeutscher Archive erschienen Dr. Steffen Arndt Mit Papier und andern getreulich umbzugehen. Ein Streifzug durch 1000 Jahre Thüringer Geschichte Dr. Steffen Arndt Infobrief des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg Dr. Jörg Müller Personalnachrichten / Hinweise für Autoren / Impressum 34 36 39 40 42 43 44 48 50 54 56 59 60 61 62 62 63 64 65 66 Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Leserinnen und Leser, geschätzte Autorinnen und Autoren, Aus dem Inhalt: ich freue mich, dass Sie die aktuelle Ausgabe des Mitteilungsblattes „Archive in Thüringen“ zur Hand genommen haben und wünsche Ihnen eine angenehme und bereichernde Lektüre. Lassen Sie mich dieses Editorial für ein paar Anmerkungen in eigener Sache nutzen. Trotz der positiven Resonanz auf das letzte Heft vom September 2014 hat mich die Frage, ob in unserer zunehmend digitalen Welt eine gedruckte Zeitschrift mittelfristig eine Zukunft haben kann, immer wieder beschäftigt. Ich war mir keinesfalls sicher, dass sich auch für das kommende Mitteilungsblatt genügend Autoren finden würden, mit deren Berichten ich ein umfangreiches, lesenswertes und abwechslungsreiches Heft zusammenstellen könnte. Um einer möglichen Blamage als verantwortlicher Redakteurin entgegenzuwirken, hatte ich im Frühjahr einige Kollegen gezielt angesprochen und um konkrete Beiträge gebeten. So konnte ich beispielsweise Frau Helga Gudacker vom Staatlichen Berufsschulzentrum Kyff häuserkreis in Sondershausen gewinnen, die sich gern bereit erklärte, in einem Beitrag die Ausbildung unseres Berufsnachwuchses, der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, vorzustellen. Thüringer Archivpreis geht an Tamara Hawich Seite 4 Umso größer war die Überraschung, als ich bei Redaktionsschluss am 30. Juni die Vielzahl der eingesandten Artikel sichten durfte. Ich war erfreut zu sehen, dass tatsächlich ein echtes Bedürfnis zu bestehen scheint, Arbeitsund Forschungsergebnisse, Bestandsergänzungen oder publikumswirksame Veranstaltungen öffentlich zu machen und dass das Mitteilungsblatt dafür als das geeignete Medium betrachtet wird. Mit einem Umfang von 66 Textseiten ist die aktuelle Ausgabe nun sogar um vier Seiten umfangreicher als das Heft des Vorjahres. Das freut mich sehr und ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Autoren. Doris Schilling Thüringisches Staatsarchiv Altenburg, Redaktion FaMI-Ausbildung wird vorgestellt Seite 14 Archive in Thüringen 2015 – Editorial Ein Problem kann ich bei aller Freude aber nicht verschweigen. Um ein ausgewogenes Verhältnis von Textbeiträgen und Abbildungen zu erreichen und gleichzeitig den Umfang des Heftes nicht ins Unermessliche zu steigern, war es nötig, einige Beiträge spürbar zu kürzen. Da selbstverständlich der Inhalt der Artikel nicht gefährdet werden durfte, konnten die Kürzungen nicht durch bloßes Wegstreichen eines Absatzes erreicht werden. Manchmal war es deshalb erforderlich, in den gesamten Text einzugreifen, um schließlich einige wenige Zeilen einzusparen. Trotz des Versuchs, verantwortungsvoll mit den eingereichten Beiträgen umzugehen, den persönlichen Stil der jeweiligen Autoren und deren inhaltliche Zielsetzung zu wahren, haben sich einige Texte sprachlich verändert. Um diese Eingriffe künftig zu begrenzen, haben wir in Zusammenarbeit mit dem Druckhaus Borna, das für das gelungene Layout verantwortlich zeichnet, die Hinweise für Autoren am Ende des Heftes überarbeitet und am Beispiel einer gut strukturierten und entsprechend bebilderten Doppel- und einer nicht bebilderten Einzelseite die genauen Zeichenzahlen benannt, an denen sich künftige Beiträger orientieren können. Ich wäre jedoch außerordentlich froh, wenn alle Autoren dieser Ausgabe die mit Bedacht vorgenommenen Textänderungen mittragen könnten und sich auch im nächsten Jahr wieder mit interessanten und lesenswerten Artikeln am neuen Mitteilungsblatt beteiligen würden. Staatsarchiv Gotha verlässt Schloss Friedenstein Seite 56 3 62. Thüringischer Archivtag am 18. und 19. Mai 2015 in Eisenach Das gewählte Thema „Elektronische Archivierung – Problemstellungen und Lösungsansätze für die nahe Zukunft“ war so anspruchsvoll wie überfällig, weil es den archivischen Berufsalltag unaufhaltsam prägt und in absehbarer Zeit wohl vollends beherrschen wird. Nach Grußworten von Frau Dr. Babette Winter, Staatssekretärin für Kultur und Europa in der Thüringer Staatskanzlei, sowie unserer Verbandsvorsitzenden Frau Dr. Irmgard Christa Becker eröffnete Björn Schmalz vom Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt die Reihe der Fachvorträge. Er stellte die Ergebnisse seiner Marburger Transferarbeit „Zum Stand der Langzeitarchivierung in Thüringer Kommunalarchiven“ vor, um den Anwesenden noch einmal die Ausgangslage vor Augen zu führen. Schmalz konstatierte zwar Bereitschaft seitens vieler Archivarinnen und Archivare, zugleich aber fehle es vielerorts an den für eine Umsetzung finanziellen, technischen, personellen und auch fachlichen Voraussetzungen (vgl. auch „Archive in Thüringen“ 2013). In diesem Rückstand spiegelt sich gewiss das Besondere der thüringischen Archivlandschaft wieder, die zu einem Großteil aus kleinen und kleinsten Archiven besteht. Doch darf dieses unstreitige Handicap nicht länger als Entschuldigung dienen. Hier sind bei aller Kassennot die kommunalen Archivträger gefordert, die nötigen Bedingungen zu schaffen, um vom technischen Fortschritt nicht völlig abgehängt zu werden. Auch die kommunalen Spitzenverbände, der Thüringer Gemeinde- und Städtetag sowie der Thüringische Landkreistag, sind aufgerufen – gemäß der begrenzten Möglichkeiten ihrer überwiegend kleinen Mitglieder –, nach gemeinsamen Lösungen im Verbund zu suchen. Für die Behörden des Freistaats versteht sich ein gemeinsames Vorgehen von selbst. Seit 2012 existiert am Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar eine Projektgruppe, die eine einheitliche Lösung für die Landesverwaltung kreiert. Das bereits weit fortgeschrittene Projekt „Digitales Magazin des Freistaates Thüringen“ stellte der dortige Abteilungsleiter Jörg Filthaut vor. Das gemeinsam mit dem Thüringer Landesrechnungszentrum zu betreibende „Thüringische Elektronische Magazin“ (ThELMA) umfasst die Übernahme, Verwaltung, Erhaltung, Speicherung und Benutzung für alle Arten von Daten (Elektronische Akten, Dateisammlungen, Daten aus Fachanwendungen und Netzressourcen). Sein Anspruch ist also, den gesamten Archivierungsprozess inklusive Benutzung abzudecken, den die Archivare aus der analogen Welt kennen. Herr Filthaut stellte das Fach-Organisationskonzept von ThELMA vor, erklärte seine Gesamtarchitektur und erläuterte den Zusammenhang von Übernahmepaket (SIP), Archivpaket (AIP) und Nutzungspaket (DIP). Gemäß gängigen Standards folgt ThELMA dem für eine digitale Archivierung etablierten OAIS-Referenzmodell, das Funktionen und Prozesse für eine revisionssichere Archivierung beschreibt. Ein flexibel und modular aufgebautes System soll Bedienfreundlichkeit und Zukunftsfähigkeit garantieren. Die Übernahme in den Dauerbetrieb ist für 2016 geplant. Eine bereits bestehende Lösung, die für kleine und mittelgroße Archive entwickelt worden ist, stellte Herr Dr. Peter Worm vom LWL-Archivamt für Westfalen aus Münster vor. Grußwort von Staatssekretärin Dr. Babette Winter (Foto: Uta Ninnemann, Stadtarchiv Weimar) Dr. Reinhold Brunner erhält einen Archivsonderpreis (Foto: Roswitha Henning) Drei Fachvorträge am ersten Tag Archive in Thüringen 2015 – 62. Thüringischer Archivtag 2015 4 Das vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe initiierte Archivierungssystem eLan.LWL läuft bereits seit 2013 und steht den Mitgliedskommunen zur Nachnutzung zur Verfügung. Auch wenn sich die kommunalen Verhältnisse im kleinen Thüringen ganz anders darstellen als im großen Nordrhein-Westfalen, die erwiesene Praktikabilität dieser Verbundlösung sollte die Thüringer zum Nacheifern ermuntern. Vier Workshops zum Thema Verleihung der Archivpreise für außerordentliches Engagement Am zweiten Tag trafen sich die anwesenden Mitglieder des VdA zu ihrer Vollversammlung. Der Rechenschafts- und Finanzbericht des Vorstandes wurde einstimmig (bei Enthal- Tamara Hawich vom TWA erhält den Archivpreis 2015 (Foto: Roswitha Henning) tung des Vorstandes) angenommen. Danach öffnete sich die Versammlung für alle Teilnehmer des Archivtages, um den Gewinner des Thüringer Archivpreises bekanntzugeben, den die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen gemeinsam mit dem Landesverband Thüringen jährlich auslobt. Die mit 5.000 € dotierte Auszeichnung geht 2015 an das Thüringer Wirtschaftsarchiv e. V. (TWA) mit Sitz in Erfurt. Das TWA ist ein eigenständiger eingetragener gemeinnütziger Verein, der auf Initiative und mit finanzieller Unterstützung der Industrie- und Handelskammer Erfurt 2010 gegründet worden ist. Zum Gründerkreis gehörten überdies engagierte Archivarinnen und Archivare, die Sparkasse Mittelthüringen sowie eine Reihe Thüringer Firmen. In einem Tempo, das offenbar nur in der Privatwirtschaft möglich ist, entstand ein neues Archiv, mit dem sich Thüringens Wirtschaft eigeninitiativ und selbstverantwortlich zur Sicherung seiner Überlieferung verpflichtet. Mit ihrer Preisvergabe würdigt die Archivpreis-Jury einmal mehr bürgerschaftliches Engagement, namentlich auch das der Geschäftsführerin des TWA, Frau Tamara Hawich, und betont den Wert nichtstaatlicher Archivalien jenseits behördlicher Überlieferungsbildung. Nach nur fünf Jahren seines Bestehens beherbergt das TWA in seinen Magazinen bereits Archivalien von über 60 Betrieben. Überdies wartete der Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Herr Dr. Thomas Wurzel, mit einer erfreulichen Überraschung auf. Für seine Verdienste um das thüringische Archivwesen erhielt Herr Dr. Reinhold Brunner, langjähriger Leiter des Stadtarchivs Eisenach, eine Ehrung in Form eines einmaligen zweckgebundenen Sonderpreises in Höhe von 5.000 €. Damit wurde einer der erfahrensten und profiliertesten Archivare im Freistaat für sein bisheriges Lebenswerk gewürdigt. Dr. Jens Riederer Stadtarchiv Weimar 5 Archive in Thüringen 2015 – 62. Thüringischer Archivtag 2015 Viele Kolleginnen und Kollegen sahen sich erstmals mit diesem auch sprachlich anspruchsvollen Thema direkt konfrontiert. Um die „Erstbegegnung“ unverkrampft und so praxisnah wie möglich zu vertiefen, schlossen sich in direkter Fortführung der in den Vorträgen angesprochenen Fragen vier parallele Workshops an. Gemäß der Verteilung der ca. 70 Tagungsanmeldungen beschäftigten sich zwei davon mit Elektronischen Akten, einer mit Daten aus Fachanwendungen sowie ein weiterer mit Dateisammlungen und Netzressourcen. Im ersten Teil aller Workshops, die sich über zwei Tage erstreckten, wurden Rechtsgrundlagen und Fachbegriffe vorgestellt, um auf dieser gemeinsamen Grundlage im zweiten Teil die besonderen Anforderungen der gewählten Themenkreise zu vertiefen. Pro Workshop stellten zwei Mitarbeiter aus den Thüringischen Staatsarchiven ihre fachliche Kompetenz als Leiter zur Verfügung, wofür ihnen hiermit herzlich gedankt sei, namentlich Herrn Filthaut und seiner erwähnten Projektgruppe am Hauptstaatsarchiv Weimar. Einen Workshop leiteten zwei sehr kompetente Kollegen vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, denen unser besonderer Dank gebührt. Im anschließenden Plenum wurden die Schwerpunkte der einzelnen Workshops vorgestellt und gemeinsam sehr anregend diskutiert. Auch in einer anonymen Evaluation mittels Fragebogen zeigten sich fast alle Teilnehmer zufrieden mit den vermittelten Inhalten. Alle einte die Einsicht, dass es eine archivische Existenzfrage ist, die Elektronische Archivierung nicht über sich „ergehen zu lassen“, sondern aktiv mitzugestalten. Die auf dem Archivtag gewonnenen Grundkenntnisse sollen helfen, zusammen mit den eigenen IT-Fachleuten nach passenden Lösungen vor Ort zu suchen, allerdings – wie gesagt – nicht unbedingt jeder für sich allein, sondern am besten im Verbund mit ähnlichen oder benachbarten Einrichtungen. Archivfähig und relevant? Untersuchung zur Sicherung der Daten aus dem DDR-Katastersystem „Computergestützte Liegenschaftsdokumentation“ (Colido) Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Zu den Arbeitsmitteln der DDR-Vermessungsverwaltung zählte seit Mitte der 1980er Jahre das so genannte Integrationsregister. Mit diesem aus Karteikarten bestehenden Instrument kamen die Liegenschaftsdienste bei den Räten der Bezirke der Aufgabe nach, ihren Zuständigkeitsbereich neben der Aufzeichnung in Landkarten auch buchmäßig zu erfassen. Vor der Einführung des Integrationsregisters hatten diese Dienststellen jeweils drei unterschiedliche Buchwerke zu pflegen: Das Liegenschaftskataster enthielt eine nach Flurstücken gegliederte Beschreibung des Territoriums unter physisch-geographischen Gesichtspunkten. Das bis 1952 von den Amtsgerichten geführte Grundbuch dokumentierte die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Grundstücken. Und im so genannten Nutzungsgrundbuch wurden diejenigen Flächen erfasst und genauer beschrieben, die unter den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft der Verfügungsgewalt ihrer Eigentümer entzogen worden waren. Hinsichtlich der jeweils zu vermerkenden Angaben wiesen die drei Register erhebliche Überschneidungen auf. Gleichzeitig bestand die Gefahr, dass Fehler bei der Datenaufnahme zu widersprüchlichen Angaben führten. Eine Zusammenführung der Datenhaltung an einer Stelle versprach demgegenüber eine geringere Fehleranfälligkeit und einen Zugewinn an Effizienz. Das Integrationsregister erfüllte diese Anforderungen, indem in einem Datensatz, d. h. in einer Zeile auf der Karteikarte, die zentralen Angaben zu einem Flurstück aus allen drei Registern zusammengeführt wurden. Dabei war die Erstellung des Integrationsregisters in Form von Karteikarten selbst nur eine Vorarbeit zu einem viel weiter reichenden Unternehmen. Wenn beispielsweise die Mitarbeiter des Liegenschaftsdienstes des Bezirks Erfurt 1984 und 1985 in „freiwilliger, bezahlter Freizeittätigkeit“ etwa 1,6 Millionen Datensätze auf solchen Karteikarten verzeichneten, geschah das mit dem Ziel, die Automatisierung der Registerführung vorzubereiten. Die auf Zahlen und Kennziffern reduzierten Angaben zu jedem Flurstück ließen sich anschließend auf Lochkarten übertragen und in ein System zur elektronischen Datenverarbeitung einlesen. Ein solches System befand sich seit den frühen 1980er Jahren im Aufbau. Das Programm trug den Namen „Computergestützte Liegenschaftsdokumentation“ (Colido). Die Speicherung und Pflege der Daten erfolgte landesweit zentral im Datenverarbeitungszentrum Halle/Saale. In den örtlichen Dienststellen der Liegenschaftsdienste, die sich in jedem Landkreis befanden, wurden nur Kopien vorgehalten. Diese hatten zunächst die Form von Mikrofiches. Ende der 1980er Jahre, als die technische Entwicklung weiter fortgeschritten war und in einigen Dienststellen auch Bürocomputer zum Einsatz kamen, stellte das Datenverarbeitungszentrum die Daten auch auf Disketten bereit. Umgekehrt wurde die zentrale Datenbank durch halbjährliche Veränderungsmeldungen 6 aus den Landkreisen nach Halle/Saale aktuell gehalten. Dieses aufwändige Verfahren war aufgrund der Masse an Daten erforderlich. Für Juni 1990 beispielsweise ist die Anzahl von ca. 14 Millionen Datensätzen dokumentiert. Damals war – bis auf die Landeshauptstadt Ost-Berlin – das gesamte Territorium der DDR in der Colido-Datenbank erfasst. Mit der Wiedervereinigung änderten sich die rechtlichen Voraussetzungen für die „registrative Bodendokumentation“. Die Angaben aus dem Nutzungsgrundbuch verloren ihre Relevanz. Die Pflege der Grundbücher wurde in die Amtsgerichte zurückgeführt. Und die katastermäßige Erfassung des Staatsgebiets fiel künftig in die Zuständigkeit neu zu bildender Landesvermessungsverwaltungen. Dort wurde Colido durch das Automatisierte Liegenschaftsbuch ersetzt. In diesem Zusammenhang fanden Bemühungen statt, die auch unter den veränderten rechtlichen Bedingungen gültigen Angaben zu den einzelnen Flurstücken (etwa die Flurstücksnummer) aus dem alten in das neue System zu übertragen. Dieser Prozess war im Freistaat Thüringen Anfang 1993 abgeschlossen. Bis dahin war Colido hier noch im Einsatz. Aus dieser Übergangsphase stammen 76 Dateien mit insgesamt 3.672.521 Datensätzen, die das Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar zur Übernahme angeboten hat. Sie dokumentieren die Flächen von 38 der 40 im Jahr 1990 im Freistaat Thüringen bestehenden Landkreise nach den oben beschriebenen Prinzipien. Ob und wie sie archiviert werden könnten, war Gegenstand der Examensarbeit des Verfassers zum Abschluss seines Archivreferendariats am Weimarer Hauptstaatsarchiv und der Archivschule Marburg. In der Untersuchung wurde mehreren Fragen nachgegangen: Lassen sich die Dateien in der vorliegenden Form überhaupt dauerhaft aufbewahren – Archivfähigkeit? Sind sie ihrem Inhalt nach archivwürdig gemäß § 2, Absatz 2 des Thüringer Archivgesetzes? Wie lassen sich die Daten künftigen Nutzern bereitstellen? Die Ergebnisse der Studie können an dieser Stelle nur holzschnittartig zusammengefasst werden. So ergab eine Umfrage unter den Landesarchiv- und den Vermessungsverwaltungen der neuen Bundesländer, dass der Freistaat Thüringen das einzige Bundesland ist, in dem sich solche Daten überhaupt erhalten haben. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Dateien eine wichtige Ergänzung zu der in den thüringischen Staatsarchiven vorhandenen Überlieferung darstellen. Beispielsweise haben sich in den Staatsarchiven Altenburg und Meiningen sowie im Hauptstaatsarchiv Weimar die Integrationsregister-Karteikarten für eine Anzahl von Landkreisen erhalten. In einigen Beständen finden sich auch Mikrofiches oder Computerausdrucke, die jeweils unterschiedliche Bearbeitungsstände der Datenaufnahme zeigen. Setzt man diese Über- lieferung systematisch zueinander in Beziehung, lassen sich Entwicklungen in der Bodenordnung in Thüringen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahre nachvollziehen. Veranschlagt man die erheblichen Umbruchprozesse in diesem Bereich nach der Wiedervereinigung, wird die Bedeutung der Dateien als wichtige Dokumente der Systemtransformation im Freistaat Thüringen erkennbar. Dabei fällt ein Umstand zusätzlich ins Gewicht: Weil in den Datenbankeinträgen nach der Wiedervereinigung nur Werte geändert wurden, die unter der neuen Rechtslage relevant waren, hat sich in jedem Datensatz ein Rumpf an Angaben erhalten, der die Bodenordnung unter den Bedingungen der Planwirtschaft dokumentiert. Die Colido-Dateien ergänzen die bereits vorhandene analoge Überlieferung in den thüringischen Staatsarchiven aber noch in einer anderen Hinsicht. Als digitale Archivalien lassen sie sich unter Zuhilfenahme entsprechender Programme mit erheblich geringerem Aufwand statistisch auswerten. Das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar hat die Dateien daher als archivwürdig bewertet. Wenn voraussichtlich im Jahr 2016 das Thüringische Elektronische Magazin (ThELMA) den Betrieb aufnimmt, werden die Colido-Dateien dort dauerhaft archiviert. Die Archivfähigkeit der Unterlagen ist bereits gegeben. Die Dateien liegen in einem Format vor, das für die Langzeitspeicherung geeignet ist. Hinsichtlich der Benutzung der Daten ist zu berücksichtigen, dass sie derzeit noch der allgemeinen 30-jährigen Schutzfrist gemäß § 17 des Thüringer Archivgesetzes unterliegen und nur unter Einschränkungen eingesehen werden können. Eine etwaige Bereitstellung der Daten wird vorher mit jeder Nutzerin und jedem Nutzer abgestimmt und ihren bzw. seinen Erfordernissen angepasst. Zur Entschlüsselung einzelner Zahlenwerte und um die Inhalte der einzelnen Datenbankfelder nachvollziehen zu können, steht auch eine entsprechende Dokumentation des Programms Colido bereit. Lutz Bannert, M. A. Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe Literatur: Bickhoff, Nicole/Rehm, Clemens: Das Automatisierte Liegenschaftskataster in Baden- Württemberg, in: Schäfer, Udo/Bickhoff, Nicole (Hg.): Archivierung elektronischer Unterlagen, Stuttgart 1999, S. 131-143. Filthaut, Jörg: Einführung der digitalen Archivierung im Freistaat Thüringen, in: Ders. (Hrsg.): Von der Übernahme zur Benutzung. Aktuelle Entwicklungen in der digitalen Archivierung. 18. Tagung des Arbeitskreises ‚Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen‘ am 11. und 12. März 2014 in Weimar, Weimar 2014, S. 25-29. Hebig, Dieter: Quellenwert und rationelle Erschließung von Katasterund Liegenschaftsschriftgut, in: Archivmitteilungen 34/8 (1984), S. 190-194. Nestler, Bernd: Stand des Liegenschaftswesens in der DDR, in: Allgemeine Vermessungsnachrichten 97/8-9 (1990), S. 281-291. Perchermeier, G./Richter, A./Schmidt, A.: Computergestützte Liegenschaftsdokumentation (COLIDO). Basis für das dezentrale Automatisierte Liegenschaftsbuch (ALB) in Thüringen und Sachsen, in: Zeitschrift für Vermessungswesen 117/2 (1992), S. 123-127. Richter, Andreas: Untersuchungen zu einer automatisierten Liegenschaftsdokumentation, Diss., Dresden [MS] 1991, 163 Seiten. 7 Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Integrationsregister, Gemeinde Rohrberg, S. 1, 1984 (ThHStA Weimar, Katasteramt Heiligenstadt, Wirtschaftskataster) „Dem nach so ist in vnsern vaterlandt von Gott dem almechtigen […] die schuele also verordnet“ Über den Einfluss der Reformation auf das spätmittelalterliche Schulwesen am Beispiel thüringischer Städte – Einblicke in ein Dissertationsprojekt Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Die diesem Werkstattbericht vorangestellten Worte stammen aus der Feder eines Bewerbers, der im Jahre 1553 um das Amt des Supremus, des zweiten Schuldieners neben dem Rektor, an der Schule von Altenburg bat. Seine Ausführungen, mit denen er die Altenburger Lateinschule aus eigener Anschauung lobt, knüpfen an eine mittlerweile fast 30 Jahre lange Tradition an. Vor etlichen Jahren, so schreibt er, habe Gott zur Erhaltung der göttlichen Wahrheit (gemeint ist selbstverständlich die evangelische Lehre) Schulen aufgerichtet, in denen die Kinder zu einem christlichen und frommen, natürlich lutherischen Leben erzogen werden konnten. Der Bewerber sollte nach einem zweiten, erfolgreicheren Bewerbungsversuch die Altenburger Schulgeschichte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schließlich maßgeblich mitprägen. Doch war seine Stimme nur eine unter vielen Gleichgesinnten. Alle bezogen sie sich auf die Schriften Luthers und die daraus resultierende Entwicklung. In so manchen Schriften, angefangen bei der „An den christlichen Adel deutscher Nation“ von 1520, schimpfte der Reformator die Schulen der Klöster und Stifte als „Eselsställe“ und „Teufelsschulen“, in denen die Bibel „müßig unter der Bank im Staub“ liegen müsse. Es sei an der Zeit neue Schulen zu begründen, in denen das Wort Gottes, das Evangelium, im Mittelpunkt stehe. Luthers Mahnungen wurde Folge geleistet und die Reformation der Kirche war schließlich mit einer Neugestaltung des Schulwesens untrennbar verbunden. Wie das vorangestellte Zitat des Altenburger Bewerbers verdeutlicht, ist dies keine Erkenntnis aus der Rückschau. Die Zeitgenossen erkannten das reformatorische Schulwesen als einen Neuanfang, der im wahrsten Sinne des Wortes mittelalterliche Zustände überwand. Auch Luther selbst soll etwa zwei Jahrzehnte nach seinem ersten Appell geäußert haben, dass die Reformation gescheitert wäre, wenn sie nicht durch die Schulmeister und Lehrer mitgetragen worden wäre. Es ist die Aufgabe meines Dissertationsvorhabens, als Bestandteil des an der Friedrich-Schiller-Universität Jena etablierten Forschungsprojektes „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“, diesen hier mit wenigen Sätzen skizzierten „Neuanfang“ am Beispiel der thüringischen Städte nachzuvollziehen. Zu diesem Zweck wurde eine Auswahl von Städten ins Auge gefasst, deren Geschichte bereits die Vielfalt des spätmittelalterlichen Schulwesens dokumentiert. Luthers Urteil erscheint bei einem genaueren Blick auf die vorreformatorischen Zustände einseitig, denn mitnichten wurde der Schulunterricht allerorten unter Ausschluss der Heiligen Schrift gestaltet. Eine Schulordnung der Stadt Saalfeld aus dem Jahr 1458, um nur ein Beispiel zu nennen, fordert einen Unterricht, der den Kindern die Lehre „nach den Erkenntnissen der Evangelien“ nahebringen solle. Inwieweit ist hier die Rede von einem Neuanfang gerechtfertigt? 8 Ein Niedergang des vorreformatorischen Schulwesens? Die Rede vom Neuanfang setzt naturgemäß das Ende der alten Verhältnisse voraus. Im Falle der Schulgeschichtsforschung galt dies lange Zeit als gegeben. Wie viele seiner Lehren wurde auch Luthers Ablehnung des vorreformatorischen Schulwesens von den Menschen geteilt. Die Folge daraus war, dass viele Eltern, die Luthers Worten folgten, ihre Kinder von der Schule nahmen. Oft zitiert wurden die klagenden Worte des Gothaer Reformators Friedrich Myconius, der bei seiner Ankunft in Gotha 1524 die Schulen verlassen und wüst vorfand. Nicht anders verhielt es sich in Altenburg, wo fünf vorreformatorische Schulen während der 1520er Jahre ihr Ende fanden. Luther begrüßte diesen Niedergang, doch forderte er gleichzeitig eine Alternative. In Gotha wie auch in Altenburg und etlichen anderen Städten erwuchsen den Ruinen der alten Schulen neue, die mit Anhängern der lutherischen Lehre besetzt wurden und Luthers Vorstellungen folgend die Reformation unterstützten. Das anfangs angeführte Lob des Altenburger Bewerbers aus der Retrospektive der 1550er Jahre scheint berechtigt, doch verleitet es heute zur Verallgemeinerung. Nicht wenige Gegenbeispiele können dem entgegenwirken. Die Schule der bereits angesprochenen Stadt Saalfeld wurde von der Reformation in ihrer Blüte aufgegriffen. Kein Bruch der Entwicklung wird hier deutlich, kein Niedergang war vom Reformator der Stadt, Caspar Aquila, zu beklagen. Scheinbar selbstständig vollzog die Schule den Übergang zur evangelischen Ausprägung, sodass der Stadtrat sich den ersten reformatorischen Visitatoren gegenüber 1527 einer gut funktionierenden Schule rühmen konnte. Sie unterstützte die Kirche in den „jetzt gewöhnlichen“, also den lutherischen Zeremonien, sei in hohem Maße gefragt und werde sogar von Kindern aus adligen Kreisen besucht. Lediglich fand Aquila eine gewisse Unsicherheit des Unterrichts in der religiösen Lehre zu bemängeln, doch ist dies vor der Veröffentlichung eines katechetischen Leitfadens nicht verwunderlich. Aquila arbeitete diesen Leitfaden noch vor Luthers Katechismen aus und lehrte ihn den Schülern. Unter seiner Beteiligung wurde die Schule aus den spätmittelalterlichen Wurzeln auf den Weg der Reformation gebracht, doch ist die Bezeichnung eines Neuanfangs hier nicht gerechtfertigt. Was ist eine reformatorische Schule? Oder, um anderes zu fragen, wodurch wird eine reformatorische Schule charakterisiert? Im thüringischen Raum und auch darüber hinaus waren zwei Kräfte maßgeblich an der Gestaltung des Schulwesens beteiligt: Martin Luther selbst, der in seinen Schriften seine Vorstellungen ausführlich darlegte, und Philipp Melanchthon, der dessen zum Reformator wurde. Unter seiner Führung erhielten die Schulen nun ihren humanistischen Charakter, der zuvor lediglich ein universitäres Phänomen war, und den er erfolgreich mit der von Luther erwarteten christlichen Ausrichtung zu vereinen wusste. Während der Katechismus und ausgewählte Passagen der Heiligen Schrift ihren festen Platz im Unterrichtskanon erhielten, wurden die in vorreformatorischer Zeit viel genutzten, jedoch praxisfernen Lehrbücher zur sprachlichen Bildung durch die Lektüre der Originale ersetzt. Die lateinische Literatur der Antike trat gleichberechtigt neben die christliche Unterweisung. Die Musik, die einen Hauptschwerpunkt des vorreformatorischen Schulwesens ausmachte, wurde begrenzt, bildete jedoch weiterhin das Verbindungsstück zur Kirche und zum gottesdienstlichen Leben der Stadt. Lehrplan aus dem Jahr 1584 (ThStA Altenburg, Landesregierung, Nr. 4279, Bl. 293r) Vorschläge aufgriff und auf deren Grundlage im Jahr 1528 den ersten für das ernestinische Kursachsen verbindlichen Schulplan aufstellte. Während Luther eine rein religiöse Schule vor Augen hatte, steuerte Melanchthon das humanistische Element bei. Im Mittelpunkt der Schule solle, so Luther, die Bibel stehen, die Bibellektüre, deren Auslegung zum rechten Verständnis und die Erziehung in einer der Auslegung entsprechenden Lebenslehre. Zu diesem Zweck schuf er seine Katechismen. Um darüber hinaus dem Wesen der Bibel möglichst nahe zu kommen, forderte Luther das Studium der drei heiligen Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch. Sie waren der Schlüssel zum Verständnis und sie bildeten letztlich den Schnittpunkt zum Humanismus. Luther, selbst nur wenig humanistisch bewandert, schätzte die Humanisten. Ihnen sei es zu verdanken, so ein von seinen Nachfolgern oft aufgegriffenes Zitat Luthers, dass man binnen dreier Jahre mehr lernen könne, als zuvor in 15 oder 20. Melanchthon hingegen war ein Humanist, bevor er durch die Bekanntschaft zu Luther Melanchthons Ausarbeitungen waren erst der Anfang. Sie stellten lediglich einen Mindeststandard dar, der in den Städten erreicht werden sollte, gerne aber auch überschritten werden konnte. Aus dem Trias der drei heiligen Sprachen erfuhr nur das Lateinische eine verbindliche Vorschrift. Griechisch und Hebräisch wurden zu dieser Zeit noch den Universitäten überlassen. Zahlreiche Zeugnisse aus den thüringischen Stadt- und Staatsarchiven, die es zu entdecken und zu beleuchten gilt, werfen jedoch ein beredtes Licht auf die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte und machen deutlich, dass jener Mindeststandard vielerorts tatsächlich weit überschritten wurde. Der Unterricht im Griechischen entwuchs um die Mitte des Jahrhunderts der lateinischen Lektüre, dazu gesellte sich die eigene dichterische Schöpfung, der einst nur liturgische Schülergesang zur Abhaltung der Gottesdienste steigerte sich, bis viele Schulen über einen beeindruckend leistungsstarken „chorus musicus“ verfügten. Abermals ist es das Beispiel der Stadt Altenburg, das in den 1580er Jahren das Musterbeispiel einer Schule präsentiert, die eine Erziehung zur lutherischen Frömmigkeit mit anspruchsvoller humanistischer Gelehrsamkeit verbindet. Die Abbildung zeigt einen tabellarischen Lehrplan der vierten und fünften und damit der beiden höchsten Klassen aus dem Jahre 1584. Er ist der Forschung bislang unbekannt und steht hier als repräsentatives Beispiel zahlreicher weiterer, noch unbeachtet gebliebener Zeugnisse, die im Rahmen der vorgestellten Dissertation ausgewertet werden sollen. Hier finden sich neben einer vielfältigen sprachlichen und literarischen Ausbildung die Mathematik und selbst der von Luther einst angeregte Hebräischunterricht wieder. Ein Höhepunkt des humanistischen Schulunterrichts war erreicht. Andreas Dietmann, M. A. Jena 9 Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Auf dass „die bluende Iugend nicht vorseumet werde“! Thüringische Intellektuelle als Verfasser von Artikeln über die Sorben in Konversationslexika des 19. Jahrhunderts Auf der Spur von Ernst Woldemar Schellenberg und anderen Autoren Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich die Darstellung der Sorben/Wenden in Konversationslexika des 19. Jahrhunderts – auf den ersten Blick kein thüringisches Thema, wie man denken könnte. Schließlich beläuft sich das heutige Siedlungsgebiet der Sorben mit der Nieder- und Oberlausitz auf Brandenburg und Sachsen. Die Bearbeitung des Projekts zeigt aber schnell, dass in der Kombination der Themenkomplexe „Sorben/Wenden“ und „Konversationslexika des 19. Jahrhunderts“ mehrere Forschungsansätze nach Thüringen führen. Zum einen erstreckte sich das elbslawische Siedlungsgebiet im Mittelalter auch auf den Raum des heutigen Ostthüringens, vornehmlich am rechten Saale-Ufer. Das ist hinlänglich bekannt und auch aufgrund der Orts- und Flurnamen für jedermann leicht nachvollziehbar. Doch auch die von mir ausgewählte Quellengattung hat einen starken thüringischen Bezug: zwei der vier großen, im 19. Jahrhundert wichtigen deutschsprachigen Konversationslexika haben ihren Ursprung auf dem Gebiet des heutigen Freistaats. Für die Bearbeitung des Themenkomplexes habe ich als Quellen hauptsächlich Konversationslexika genutzt, also veröffentlichte Literatur. Diese fand ich vor allem in Universitäts-Bibliotheken; nennenswert sind in diesem Zusammenhang jene in Leipzig, Frankfurt am Main, Göttingen und Paderborn. Da jedoch die Nachschlagewerke mit ihren zahlreichen Bänden sowohl platz- als auch kostenintensiv sind, verfügen die Bibliotheken immer nur über einzelne Auflagen. Daher mussten für eine Bearbeitung aller Auflagen weit mehr Bibliotheken aufgesucht werden. In einem Fall wurde ich sogar nur in einem Fachantiquariat für Lexika fündig, das mich ohne Kaufabsichten meinerseits dennoch freundlich unterstützte. Internet-Konzerne wie Google sowie andere Seiten bieten Digitalisate von Büchern aus dem 19. Jahrhundert an, doch auch hier liegt nur rund die Hälfte der von mir ausgewerteten Lexika vor. Archivalische Quellen stellen für mein Projekt eine Ausnahme dar. Einzig um Hintergrundinformationen über die Verfasser der Lexikon-Artikel zu recherchieren, nutzte ich das Thüringer Staatsarchiv Altenburg sowie das Goetheund Schiller-Archiv in Weimar. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle außerdem auf das Sorbische Kulturarchiv in Bautzen, auf dessen Archivalien ich besonders bei früheren Projekten (z. B. Master-Thesis) zurückgegriffen habe. Hintergrundinformationen zur Quellengattung Konversationslexikon Die Lexika Brockhaus, Meyer, Pierer und Herder trugen den Beinamen „Konversation“, da sie zu eben dieser anregen wollten. Sie hatten nicht den Anspruch, ausgereifte 10 wissenschaftliche Forschung zu vermitteln oder sich auf einen bestimmten Themenkomplex zu spezialisieren (wie z. B. Fach-Enzyklopädien), sondern eine möglichst breite und verständliche Sammlung an Wissen zur Verfügung zu stellen. Ähnlich wie heutzutage das Internet-Lexikon Wikipedia verfügten die vier Konversationslexika im 19. Jahrhundert zusammen genommen für den deutschsprachigen Raum über eine Art Wissens- bzw. Informations-Oligopol. Wer sich zu einem Thema informieren wollte, schlug mit großer Wahrscheinlichkeit in einem der vier Werke nach: Politiker, Journalisten, Prediger, Lehrer usw. Daher ist es naheliegend, möchte man das damalige Sorben-Bild in den Köpfen der Deutschen herausfinden bzw. untersuchen, die passenden Lexikon-Einträge zu analysieren. Als erstes dieser von mir untersuchten Großprojekte kam ab der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Leipzig der Brockhaus auf den Markt. Ab 1824 gab Heinrich August Pierer, zu dieser Zeit noch Mitarbeiter des Brockhaus-Lexikons, in Altenburg sein eigenes Nachschlagewerk heraus. Ab 1840 folgte der gebürtige Gothaer Joseph Meyer, der mit seinem Verlag in Hildburghausen ebenfalls ein Konversationslexikon veröffentlichte. Einzig das Herder-Lexikon, ab 1854 in Freiburg im Breisgau herausgegeben, hat keinen mitteldeutschen Ursprung. Für die Untersuchung von Lexikon-Artikeln (wie auch bei jedem anderen Text) ist es unabdingbar, sich über die jeweiligen Autoren zu informieren. Für Herder liegen hierzu gar keine Informationen vor; für Brockhaus und Meyer lediglich Mitarbeiterlisten, die teilweise über die Bearbeitungsgebiete der jeweiligen Autoren Aufschluss geben. Die potentiellen Verfasser von Lexikon-Artikeln über Sorben/Wenden bei Brockhaus und Meyer lassen sich daher im sächsischen, genauer Leipziger und Oberlausitzer Raum verorten (eine Ausnahme ist hier Joseph Meyer, der nachweislich für die Erstauflage seines Werkes eine Vielzahl der Artikel, besonders mit polnisch-slawischem Bezug, selber verfasst hat). Einzig für das Altenburger Lexikon, den Pierer, sind mittels Kürzeln genaue Autorenangaben vorhanden. Der Einfluss Altenburger Autoren auf das Sorben-Bild des 19. Jahrhunderts Folgende Altenburger Autoren haben sich demnach nachweislich mit den Sorben/Wenden befasst: Heinrich August Pierer, Julius Löbe und Ernst Woldemar Schellenberg. Die Personen Heinrich August Pierer und Julius Löbe sind einigermaßen bekannt und zu ihnen liegt Sekundärliteratur vor. Ernst Woldemar Schellenberg hingegen ist relativ unbekannt – hier ist Archiv-Recherche notwendig. Schellenberg war in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, also zu der Zeit, als er für die zweite Auflage des Pierers seinen Artikel „Wendische Sprache“ verfasste, „Prinzeninstruktor“ am Altenburger Hof. Heute würde man ihn als Privatlehrer bezeichnen. Der Pierer gibt Schellenberg als Fachmann für „slawische, semitische und andere Sprachen“ an; im Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Sachsen-Altenburg wird er als Lehrer der Prinzen Ernst und Moritz genannt. Schellenberg hat vor seiner Anstellung am Altenburger Hof in Jena und Weimar studiert und war als Lehrer in Tallinn, St. Petersburg und Moskau tätig. Ab 1844 lehrte er am Gymnasium in Eisenberg (siehe Programm Eisenberg Gymnasium 1878). Im vom Thüringischen Staatsarchiv Altenburg verwahrten Nachlass von Wüstemann (siehe Archive in Thüringen 2014, S. 23f.) sind Briefe von Schellenberg aus dem Jahre 1843 erhalten. Bei dem Weimarer Schuldirektor und Heimatdichter Ernst Viktor Schellenberg (1827-1896), der unter dem Pseudonym Ernst Veit den Text der Thüringen-Hymne geschrieben hat, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Neffen von Ernst Woldemar Schellenberg. Jedenfalls legt das eine Gedichtsammlung für seinen „theuren Onkel Woldemar Schellenberg“ nahe, die sich im Nachlass Schellenberg im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar befindet. Des Weiteren liegt hier eine kleine Sammlung mit Zeitungsausschnitten (u. a. Nachruf in der Weimarischen Zeitung 1896 und Artikel zum 100. Geburtstag in der Mitteldeutschen Zeitung Erfurt 1927) vor. Aus ihnen geht hervor, dass Ernst Viktor Schellenberg in erster Ehe eine Tochter des slowakischen Dichters Ján Kollár heiratete, der unter anderem durch seine panslawistischen Ideen Aufsehen erregte – ein weiteres Indiz für die Verbindung der Familie Schellenberg mit slawischen Intellektuellen. Ferner steht in den Zeitungsausschnitten geschrieben, dass Universallexikon von Heinrich August Pierer, Altenburg 1842, Bd. 10 Ernst Viktor Schellenberg in Altenburg geboren wurde und nicht, wie heutzutage (Stand: April 2015) im Internet-Lexikon Wikipedia und anderen Online-Quellen nachzulesen ist, in Altenberg im Erzgebirge. Damit wären wir wieder beim Thema Lexika. Aus meiner Untersuchung geht hervor, dass es sich bei einigen Artikeln im Meyer, die sich mit einem sorbischen Thema befassen, um Plagiate der Pierer-Artikel handelt. Auch andere Lexika haben sich wiederum (neben dem Brockhaus) auch an Meyer und Pierer orientiert. Dadurch geht ein großer Teil des deutschen lexikalischen Sorben-Bildes im 19. Jahrhundert auf Altenburger Autoren zurück. Bemerkenswert ist, dass in vielen zeitgenössischen Texten, auch in Brockhaus-Artikeln, über die Sorben immer wieder das Altenburger Land und die Altenburger Bauern als germanisierte Sorben erwähnt werden. Das ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass das Bild über eine Nation von einzelnen Autoren und ihrer Herkunft (bewusst oder versehentlich) beeinflusst werden kann. Cornelius Lehmann, M. A. Kempen am Niederrhein 11 Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Heinrich August Pierer (ThStA Altenburg, Bildersammlung, Nr. 3683) Neue Perspektiven für die Landes- und Regionalgeschichtsforschung in Thüringen „Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens“ in Jena eröffnet Archive in Thüringen 2015 – Beiträge aus Wissenschaft und Forschung Die Verbindung zwischen universitärer Landesgeschichte, Archiven und Geschichtsvereinen hat in Deutschland seit mehr als 150 Jahren eine vielgestaltige leistungsfähige Forschungslandschaft entstehen lassen. Diese gerät zunehmend in Gefahr. Erst kürzlich fiel der traditionsreiche Lehrstuhl für Rheinische Landesgeschichte an der Universität Bonn Sparmaßnahmen zum Opfer und wurde mit dem Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit zusammengelegt. Proteste aus der rheinischen Geschichtskultur änderten daran ebenso wenig wie kritische Reaktionen der überregionalen Presse. Damit wurde eine seit Jahren anhaltende Fehlentwicklung fortgesetzt und verfestigt. Diese führt durch eine falsche und klischeehafte Gegenüberstellung von „internationaler“ oder „globaler“ Geschichte auf der einen, und „regionaler“ Geschichte auf der anderen Seite häufig dazu, dass sich Geschichtswissenschaft und Politik der Ergebnisse landes- und regionalgeschichtlicher Forschung bedienen, aber nicht bereit sind, hier zu investieren. Damit droht die historische Forschung in eine Schieflage zu geraten: Je weniger lokal-, regional- und landesgeschichtliche Forschung möglich ist, desto pauschaler werden Thesen und Aussagen, desto mehr verliert sie an Tiefenschärfe und Differenziertheit. An der Friedrich-Schiller-Universität in Jena konnte zum 1. März 2015 mit der Einrichtung der „Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens“ ein Zeichen gegen diesen Trend gesetzt werden. Damit gibt es in Jena neben der Professur für Thüringische Landesgeschichte, die ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte im Mittelalter und der Frühen Neuzeit setzt, erstmals seit 2007 wieder eine Struktur, die sich in Forschung und Lehre der Landes- und Regionalgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts widmet. Möglich wurde deren Einrichtung v. a. durch das private Engagement von Andreas Lesser aus München, der seit vielen Jahren die thüringische Landesgeschichtsforschung, die landesgeschichtliche Breitenarbeit und insbesondere die Stadtgeschichte Nordhausens finanziell und ideell unterstützt. Der Einrichtung der Forschungsstelle waren zweijährige schwierige Verhandlungen vorausgegangen. Schließlich aber konnte die Forschungsstelle, die nach den ersten drei Jahren evaluiert werden wird und dann zunächst für weitere drei Jahre finanziert ist, am 27. Mai dieses Jahres mit einem Festkolloquium in Jena eröffnet werden. Sie besteht aus einer Stelle für die wissenschaftliche Leitung, die von Privatdozent Dr. Stefan Gerber wahrgenommen wird, und einer Doktorandenstelle, die in der Anlaufphase vorerst als Projektkoordinatorenstelle dient. Zur künftigen Entscheidung über die Doktoranden und zur Evaluation der Forschungsstelle ist ein Beirat gebildet worden, in den neben Andreas Lesser renommierte Landeshistoriker aus Thüringen, Hessen und Kiel berufen wurden. Zur Eröffnung am 27. Mai sprachen die Landeshistoriker Prof. Dr. Bernhard Löffler (Regensburg) und Prof. Dr. 12 Werner Freitag (Münster) über theoretisch-methodische Grundlagen und die Praxis landesgeschichtlichen Arbeitens. Die Aufmerksamkeit der Forschungsstelle wird sich zu Beginn auf die regionale Wirtschafts- und Industrialisierungsgeschichte richten. Noch fehlt eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Thüringens vom 18. bis 20. Jahrhundert, die die gewerbliche und industrielle Entwicklung der verschiedenen Regionen in den Blick nimmt. Es ist ein folgenschweres Desiderat, dass – abgesehen von Forschungen zu wenigen einzelnen Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten – die ökonomische Struktur des thüringischen Raumes vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg noch kaum in aktuellen Fragehorizonten untersucht ist. Deshalb wird sich ein erstes Projekt mit der Entwicklung des Textilgewerbes und der Textilindustrie als zentralem, überregional-europäischen und global agierenden Wirtschaftszweig in Thüringen beschäftigen. Ein Vergleich mit norditalienischen Regionen öffnet das Vorhaben in Richtung einer europäischen Regionalgeschichte. Hierfür kooperiert die Forschungsstelle mit Prof. Dr. Uwe Schirmer und Prof. Dr. Thomas Kroll vom Historischen Institut in Jena. Die Untersuchung der Kleinstaatlichkeit Thüringens bis 1920 stellt ein zweites Interessenfeld dar. Bei der Erforschung kleinstaatlicher Politikfelder neben der kulturellen Prestigepolitik, die viele Querverbindungen zur Diskussion um moderne Staatlichkeit in Geschichts- und Politikwissenschaft der Gegenwart ermöglicht, gibt es ebenfalls beträchtlichen Nachholbedarf. Auch die landesgeschichtlichen Jubiläen 2018/2019 (Revolution und Umbruch in Thüringen, Weimarer Nationalversammlung) und 2020 (Landesgründung) werden die Arbeit bestimmen: Thüringen als politisches Experimentierfeld in der Weimarer Republik, das es zu anderen Innovations- und Reformzentren in Beziehung zu setzen gilt. Der Forschungsbedarf ist auch hier groß: Ansätze, die im zurückliegenden Jahrzehnt entwickelt worden sind, müssen weitergeführt werden, um die Rolle dieses einzigen in der Weimarer Republik neugebildeten Landes und seiner Politik zwischen Innovation und Ideologie in den 1920er Jahren genauer ausleuchten zu können. In der Förderung landesgeschichtlicher Lehre treffen schließlich die Interessen von forschenden Archiven und landesgeschichtlicher Forschung an der Universität zusammen: Weit stärker als bislang müssen Studentinnen und Studenten an landesgeschichtliche Themen und Quellen herangeführt werden. Die Forschungsstelle Jena bietet auch dafür einen guten Ausgangspunkt. PD Dr. Stefan Gerber Friedrich-Schiller-Universität Jena Zum Wintersemester 2014/15 wurden der neue Master- der Ludowinger im Mittelalter bis hin zur Gründung des studiengang „Sammlungsbezogene Wissens- und Kul- Freistaats Thüringen im Jahr 1920 bietet vielfältige Mögturgeschichte“ eröffnet und erstmals auch durch das lichkeiten, sich mit einzelnen Epochen und speziellen Staatsarchiv Gotha Lehrveranstaltungen angeboten. Das Sammlungsbeständen zu beschäftigen. Die vom Staatsinterdisziplinäre Studienprogramm bezieht sich insbe- archiv Gotha angebotenen Lehrveranstaltungen sollen sondere auf die wissenschaftlichen Sammlungen und ausgehend von der Theorie der Verwaltungs- und Rechtshistorischen Bestände der Universität Erfurt und des geschichte in die archivische Praxis einführen und grundForschungs-, Wissens- und Kulturstandorts Gotha. Es legende Tätigkeiten der Archive vermitteln. Es werden ermöglicht eine intensive Beschäftigung mit systemati- Fragen der Archivtheorie und -praxis behandelt sowie an schen und geschichtlichen Aspekten dieser und anderer praktischen Beispielen die Tätigkeit der Archivare erläuSammlungen, der kulturellen Praxis des Sammelns und tert. Dabei geht es um die Themen Überlieferungsbildung, der Sammlungsforschung. Es werden historisches Wissen archivische Erschließung, Einsatz von EDV und elektronisowie Methoden und Konzepte der Historischen Hilfswis- sche Erschließungsprogramme sowie Digitalisierung von senschaften, der Museumspädagogik, des Ausstellungs- Archivgut. Es sollen erste Erfahrungen im Archiv gesamwesens und der Verfassungs- und Verwaltungswissen- melt und theoretisches Wissen in die archivische Praxis schaften vermittelt, welche zum wissenschaftlichen und umgesetzt werden. Ebenso gehört zum Angebot die Einpraktischen Umgang mit Sammlungen befähigen. führung in die Historischen Hilfswissenschaften, um das Ziel des Masterprogramms ist der Erwerb und die Vertie- Rüstzeug für den Umgang mit den Quellen zu erwerben. fung von Kenntnissen und methodischen Fähigkeiten zur Paläographie, Übungen zur Chronologie, Siegelkunde und eigenständigen wissenschaftlichen Erschließung von Fragen zu Genetik und Systematik von Archivalien bilden Zusammenhängen zwischen Sammlungs- und Wissen- die Grundlage für die Arbeit im Archiv und gehören zu den (schaft)sgeschichte seit dem Mittelalter. Zu den polydiszi- Grundfertigkeiten, die im Laufe des Studiums beherrscht plinären Kompetenzen gehören insbesondere das Wissen werden sollen. über die Genese und Entwicklung von Sammlungen von den Kunstkammern der Frühen Neuzeit über die speziali- Dr. Steffen Arndt sierten Darstellungsformen und -medien des 18./19. Jahr- Thüringisches Staatsarchiv Gotha hunderts bis hin zu den Sammlungen der Moderne. Darüber hinaus sollen Einsichten in die Spezifik v. l. n. r. Prof. Dr. Alexander Schunka, Prof. Dr. Susanne Rau, Prof. Dr. Martin Eberle, einzelner Sammlungstypen wie Ar- Prof. Dr. Sebastian Strobl, Prof. Dr. Martin Mulsow, Prof. Dr. Sabine Maier, chive, Museen und wissenschaft- Dr. Steffen Arndt, Dipl.Rest. Karin Kosicki liche Bibliotheken in objektzen- (Foto: Pressestelle der Universität Erfurt) trierter Lehre vermittelt werden. Es werden Expertinnen und Experten ausgebildet, die theoretisch und praktisch mit Sammlungen umgehen und diese für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar machen können. Die Studierenden werden insbesondere auf sammlungsbezogene Forschungen vorbereitet, gleichermaßen aber auch für die wissenschaftliche Mitarbeit in Sammlungen in Museen, Archiven und Bibliotheken sowie in Projekten zur Erschließung und Vermittlung von Sammlungen mit digitalen Medien qualifiziert. Darüber hinaus bereitet der Studiengang auf eine Tätigkeit im Archiv- und Bibliothekswesen vor. Das Staatsarchiv Gotha mit seinen bedeutenden historischen Beständen von der Herrschaft 13 Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung Eröffnung des Master-Studiengangs „Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte“ an der Universität Erfurt Einblicke in die Ausbildung der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste am Staatlichen Berufsschulzentrum in Sondershausen (SBZ) Berufsbild – Ausbildungsberuf in fünf Fachrichtungen Seit dem 1. August 1998 gibt es den Beruf Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste (FaMI). Hinter dieser Berufsbezeichnung verbergen sich Fachkräfte, die in einer dreijährigen dualen Ausbildung zu Informationsspezialisten für fünf verschiedene Fachrichtungen ausgebildet werden. Da die fünf Fachrichtungen Archiv, Bibliothek, Information und Dokumentation, Bildagentur sowie Medizinische Dokumentation neben fachrichtungsspezifischen Besonderheiten zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen, wurde von der Kultusministerkonferenz ein Rahmenlehrplan für die Umsetzung im Berufsschulunterricht geschaffen, in den alle fünf Fachrichtungen integriert sind. Zu den gemeinsamen Hauptaufgaben aller Fachrichtungen gehören: • Beschaff ung und Bearbeitung von Medien und Informationen, • Sicherung von Medienbeständen und sonstigen Informationsträgern, • Recherche in Datenbanken und Datennetzen, • Information, Beratung und Betreuung von Kunden und Nutzern, • Mitwirkung an der Öffentlichkeitsarbeit und am Marketing. Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung Darüber hinaus üben die Fachangestellten für Medienund Informationsdienste fachspezifische Tätigkeiten aus. Die Ausbildung nach dem Fachrichtungsmodell sieht zwei Drittel gemeinsame Qualifikationen in allen fünf Fachrichtungen und ein Drittel spezifische Qualifikationen in der gewählten Fachrichtung vor. Dies hat für die ausbildenden Betriebe zur Folge, umfassende gemeinsame Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Damit wird eine spätere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt unterstützt. Zahlreiche Betriebe ermöglichen ihren Auszubildenden Praktika in unterschiedlichen Einrichtungen mehrerer Fachrichtungen. Einige unterstützen außerdem Praktika im europäischen Ausland, die gemeinsam mit der Berufsschule und dem Business und Innovation Center Nordhausen (BIC) organisiert werden. In Sondershausen wurden von Anfang an bewusst fachrichtungsübergreifende Klassen gebildet. Allen Auszubildenden werden die gleichen Kenntnisse vermittelt, wobei es zahlreiche Möglichkeiten gibt, fachrichtungsbezogene Aufgaben in den Unterricht und die Projekte zu integrieren. Wir haben außerdem festgestellt, dass es für die Auszubildenden interessanter ist, wenn mehrere Fachrichtungen in einer Klasse vertreten sind, da sie ihre Erfahrungen austauschen können und ein besseres Verständnis für die anderen Fachrichtungen bekommen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten und Methoden, die wir als Berufsschule nutzen, um durch spezielle Angebote die im Lehrplan geforderten Kompetenzen zu vermitteln. Im Folgenden werden exemplarisch einige Varianten dargestellt. Projektarbeit – Handlungsorientiertes Aneignen von Kenntnissen und Fertigkeiten Neben einzelnen Projekten in den speziellen Lernfeldgruppen werden in unserer Berufsschule einige fächerübergreifende Projekte durchgeführt. Tradition haben inzwischen die Projektwochen im zweiten und dritten Projektwoche 2010. Schüler des dritten Ausbildungsjahres präsentieren ihre Ergebnisse zum Thema „55 Jahre Thüringische Bibliotheksschule Sondershausen“ im Rahmen des Projektes „Zeitensprünge“ der Stiftung demokratische Jugend in der Aula (Foto: Uwe Kunze) 14 Fremdsprachige Kommunikation und bilingualer Unterricht An berufsbildenden Schulen können Auszubildende an berufsbezogenen Prüfungen zur Zertifizierung ihrer Fremdsprachenkompetenzen teilnehmen. In Thüringen gibt es eine solche berufsbezogene Prüfung für die Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in englischer Sprache. In der Prüfung spiegeln sich die Ausbildungsinhalte wider, die in der Lernfeldgruppe „Fremdsprachige Kommunikation“ in der Berufsschule erworben wurden. Das KMK-Fremdsprachenzertifikat (Zertifikat der Kultusministerkonferenz) in Englisch dient dem Nachweis der Fremdsprachenkompetenz in vier Kompetenzbereichen (Rezeption, Produktion, Mediation und Interaktion) und Projektwoche 2012. Schüler des dritten Ausbildungsjahres arbeiten zum Thema „Marketing und Öffentlichkeitsarbeit“ (Foto: Uwe Kunze) kann auf zwei unterschiedlichen Stufen (B1 und B2 – „Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen“) erworben werden. Die Auszubildenden entscheiden selbst, ob sie an der Prüfung teilnehmen und welche Niveaustufe sie wählen. Durchgeführt werden der schriftliche und mündliche Teil der Prüfung am SBZ Kyff häuserkreis. Die Erfolgsquote liegt bei 98 Prozent. Die Durchführung von bilingualen Modulen im Fachunterricht ist eine gute Möglichkeit, um Englisch als Arbeitssprache berufsbezogen einzusetzen. Bewährt hat sich die Umsetzung im Tandem, wobei Englischlehrkräfte mit Fachlehrern zusammenarbeiten. Bei den FaMIs wird z. B. im dritten Ausbildungsjahr ein Informationsangebot aus dem Internet bilingual präsentiert. Interessierte Auszubildende und Lehrerteams werden bei der Durchführung von Auslandsaufenthalten mit Sprachkursen und Praktika in Informationseinrichtungen aktiv vom Kooperationspartner Europaservice Nordthüringen unterstützt. Gastdozenten im Unterricht Es besteht die Möglichkeit, dass Gastdozenten einige Unterrichtsstunden zu speziellen Themenkomplexen übernehmen. In Absprache mit den Fachlehrern werden Experten angesprochen und eingeladen, einige Unterrichtseinheiten zu übernehmen. In der Fachrichtung Archiv hat sich die Zusammenarbeit mit dem Hauptstaatsarchiv Weimar bewährt. Hier wird insbesondere das Erfassen und Erschließen von Archivalien mit einer speziellen Archivsoftware vermittelt. Lernortkooperation – Fachexkursionen Während der theoretischen Ausbildung steht den Klassen pro Jahr ein Unterrichtstag zur Verfügung, der für Fachexkursionen genutzt werden kann. Gemeinsam mit der Klassenlehrerin entscheiden die Auszubildenden, welche Informationseinrichtungen sie besuchen möchten. Beliebte Ziele sind Archive, Bibliotheken, Museen und andere Institutionen mit Bezug zur Ausbildung. Hierzu gehö- Begrüßung des ersten Ausbildungsjahres am 21.9.2014 in der Aula des SBZ Kyff häuserkreis (Foto: Stefan Bosbach) 15 Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung Ausbildungsjahr, in denen es um das „Erstellen eines Informationsdienstes“ sowie „Marketing und Öffentlichkeitsarbeit“ geht. Im Rahmen dieser Projektwochen haben einzelne Gruppen Beiträge erarbeitet, mit denen sie erfolgreich an Wettbewerben teilgenommen haben und ihre Ergebnisse landes- und bundesweit präsentieren konnten. An der Planung und Durchführung der Projektwochen ist das unterrichtende Lehrerteam beteiligt. Es wird ein gemeinsamer Projektauftrag formuliert, das Erwartungsbild hinsichtlich der Kompetenzen und der Ergebnisse sowie die Bewertung festgelegt. Während des Projektes stehen die Lehrer als Berater zur Verfügung. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens können sich die Auszubildenden ihr Thema selbst wählen und kreativ umsetzen. In Kleingruppen (in der Regel vier Personen) erarbeiten sie selbständig ihre Projektergebnisse. Während der Projektarbeit trainieren die Auszubildenden ihre Methoden- und Lernkompetenz. Sie nutzen moderne Informations- und Kommunikationssysteme, optimieren ihre Kommunikationsfähigkeit und stellen ihre Teamfähigkeit unter Beweis. Sie präsentieren ein gemeinsames Ergebnis und setzen sich aktiv mit ihrer Arbeits- bzw. Vorgehensweise auseinander. Teilnehmer der Bundesfachtagung der FaMI-Lehrer in Sondershausen vom 6.-9.5.2014 (Foto: Uwe Kunze) ren z. B. die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig, das Hauptstaatsarchiv in Weimar, die Außenstelle des BStU in Erfurt, das Stadtarchiv Erfurt, die Thüringer Allgemeine und der MDR. Veranstaltung werden Informationen ausgetauscht und gemeinsame Weiterbildungsangebote wahrgenommen. Lehrer unserer Schule stellen Unterrichtssequenzen vor und Ausbilder der verschiedenen Fachrichtungen stellen ihre Einrichtungen und Tätigkeitsbereiche vor. In Workshops werden gemeinsam Themen diskutiert, die für alle von Interesse sind. Seit vielen Jahren gibt es außerdem ein jährlich stattfindendes bundesweites Treffen der Berufsschullehrer, die Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste unterrichten. Dieser Austausch ist wichtig und interessant, da die Umsetzung des KMK-Rahmenlehrplanes in jedem Bundesland unterschiedlich ist. Verbunden wird dieses Treffen jeweils mit Weiterbildungsangeboten in Zusammenarbeit mit Ausbildungseinrichtungen aller fünf Fachrichtungen sowie Gesprächen in Arbeitsgruppen, in denen es insbesondere um zu vermittelnde Inhalte, Methoden und das Erarbeiten von Unterrichtsmaterialien geht. Kooperation von Berufsschule/n und Ausbildungseinrichtungen Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung Seit der Neuordnung des Berufes arbeiten die Lehrer des SBZ Kyff häuserkreis eng mit den Ausbildern zusammen. Es gibt eine „Arbeitsgruppe Theorie und Praxis“, in der gemeinsam über die Umsetzung der Ausbildungsinhalte diskutiert wird und in der die Verantwortungsbereiche der Ausbildung inhaltlich und organisatorisch abgesprochen werden. Einmal pro Jahr kommen die Ausbilder im September zur Ausbilderberatung nach Sondershausen, um den Kontakt zur Berufsschule zu pflegen. Während dieser zweitägigen Zahl der Auszubildenden von 2000 bis 2015 jeweils im Jahr der Abschlussprüfung entsprechend der gewählten Fachrichtung. Abschlussjahr Fachrichtung Archiv Bibliothek Bildagentur Information u. Dokumentation Medizinische Dokumentation Gesamtzahl 16 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Ges. 0 120 0 10 36 0 6 48 0 5 47 0 4 32 0 4 30 0 1 31 0 5 37 0 4 31 0 5 37 0 11 29 0 15 15 0 5 24 0 9 28 0 6 18 0 4 22 0 94 585 0 0 17 2 5 3 4 2 7 4 0 2 4 3 3 0 4 60 0 120 0 63 0 56 1 58 0 39 0 38 0 34 0 49 0 39 0 42 0 42 0 34 0 32 0 40 1 25 0 30 2 741 Bei den bundesweiten Treffen wurde deutlich, dass die Fachrichtung Bibliothek überwiegt und die anderen Fachrichtungen oftmals mit nur wenigen Auszubildenden vertreten sind. Für die Berufsschulen bedeutet dies, dass fachrichtungsgemischte Klassen dominieren. Sowohl der Austausch mit anderen Berufsschullehrern als auch die Aussagen von Ausbildern haben uns darin bestätigt, den eingeschlagenen Weg mit fachrichtungsübergreifenden Klassen unter Berücksichtigung fachrichtungsspezifischer Besonderheiten fortzusetzen. Entwicklung der Schülerzahlen Im Jahr 2000 hatten erstmals 120 Auszubildende aus allen neuen Bundesländern nicht als Assistenten an Bibliotheken, sondern als Fachangestellte für Medien- und Zahl der Auszubildenden, die sich zurzeit im 1. und 2. Ausbildungsjahr befinden sowie die voraussichtliche Gesamtzahl aller Absolventen von 2000 bis 2017. Abschlussjahr Fachrichtung Archiv Bibliothek Bildagentur Information u. Dokumentation Medizinische Dokumentation Gesamtzahl 2016 2017 Gesamt 2 20 0 3 21 0 5 41 0 2 2 4 0 25 0 28 0 53 Abschlussjahr 2000 - 2017 Fachrichtung Archiv Bibliothek Bildagentur Information u. Dokumentation Medizinische Dokumentation Gesamtzahl insgesamt 99 626 0 Informationsdienste die Prüfung abgelegt. Im Jahr 2001 nahmen einmalig 22 Auszubildende einer dreijährigen Berufsfachschule in den Fachrichtungen Archiv sowie Information und Dokumentation teil. Seit dem Abschlussjahrgang 2004 besuchen überwiegend FaMIs aus Sachsen-Anhalt und Thüringen die Berufsschule in Sondershausen. Die Fachrichtung Information und Dokumentation wird auch für das Bundesland Sachsen unterrichtet. Zu den Ausbildungseinrichtungen der Fachrichtung Archiv gehören insbesondere Staatsarchive, Kreisarchive, Stadtarchive, Universitätsarchive und die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU). Aktuell bilden die Außenstellen des BStU, das Hauptstaatsarchiv Weimar, das Stadtarchiv Köthen und das Universitätsarchiv Halle FaMIs aus. Ausbildungseinrichtungen in der Fachrichtung Information und Dokumentation sind das Stadtarchiv Halle und der MDR. Weitere Informationen zur Berufsschule, zu schulischen Aktivitäten und Fotos – z. B. von der Begrüßung neuer Auszubildender in unserer Aula – finden Sie auf unserer Homepage www.sbz-kyff haeuserkreis.de. Helga Gudacker, M. A. Sondershausen 64 2 791 17 Archive in Thüringen 2015 – Schwerpunkt Ausbildung Staatliches Berufsschulzentrum Kyff häuserkreis – Schulteil 1 (vormals: Thüringische Bibliotheksschule Sondershausen) (Foto: Uwe Kunze) 13. Jahresarbeitstagung des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen mit den Kommunalarchivaren Südwestthüringens Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Die 13. Jahresarbeitstagung des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen mit den Kommunalarchivaren Südwestthüringens fand am 15. April 2015 statt. Ort der Veranstaltung war in diesem Jahr das Stadtarchiv Suhl. Neben Dr. Norbert Moczarski, Silke Hermann, Carolin Baumann, Constanze Siemann und Sabine Keßler, alle vom Thüringischen Staatsarchiv Meiningen, sowie Friederike Peter, Praktikantin im Staatsarchiv, nahmen 19 Kommunalarchivare und Archivfachangestellte aus 15 Stadt- und Kreisarchiven teil. Andrea Walther, Leiterin des Stadtarchivs Suhl, begrüßte die Anwesenden im Auftrag der Stadtverwaltung Suhl und erläuterte kurz den Umstand und die Situation der derzeitigen Unterbringung des Stadtarchivs. Das Suhler Stadtarchiv ist seit 2009 provisorisch in einem ehemaligen Berufsschulgebäude in Suhl-Goldlauter untergebracht. Nach der Fertigstellung des Hauses der Geschichte (früher Haus der Philharmonie am Platz der Deutschen Einheit) soll das Stadtarchiv dort seinen endgültigen Standort finden. Die Baumaßnahmen an diesem Objekt werden jedoch derzeit durch die prekäre Haushaltslage der Stadt Suhl und durch stadtpolitische Unstimmigkeiten verzögert. Im Anschluss an diese Begrüßung hieß auch Herr Dr. Moczarski, amtierender Direktor des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer willkommen und informierte über den Ablauf der Jahresarbeitstagung. Ute Simon (Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden) gab dann einen kurzen Bericht zum 84. Deutschen Archivtag, der Ende September 2014 unter dem Rahmenthema „Neue Wege ins Archiv – Nutzer, Nutzung, Nutzen“ in Magdeburg stattfand. Andrea Walther schilderte den Verlauf der 23. Bundeskonferenz der Kom- munalarchivare (12.-14.11.2014 in Potsdam) zum Thema „Personen- und bevölkerungsgeschichtliche Quellen in Kommunalarchiven“. Nach anschließender kurzer Diskussion berichtete Andrea Keiner (Kreisarchiv Hildburghausen) über die Tagung der Kreisarchivare im Thüringer Landkreistag am 18. März 2015 in Erfurt. Im Anschluss erhielten die Tagungsteilnehmer verschiedene Informationen seitens des Staatsarchivs zur Kenntnis. Silke Hermann berichtete über die pflichtgemäße Rückführung der Personalakten der DDR-Schulämter an die Kommunalarchive, wofür derzeit noch keine schriftlichen Festlegungen getroffen sind. Außerdem erklärte sie kurz die Veränderungen der Homepage des Freistaates Thüringen und der Staatsarchive. Dr. Moczarski erläuterte einige strukturelle Änderungen im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel im Land Thüringen. Er gab auch den momentanen Stand der Onlinestellung von Findmitteln des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen bekannt und verwies auf das derzeit in Aufbau befindliche Digitale Archiv der Thüringischen Staatsarchive bei der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Dort befinden sich bereits einzelne Bestände, die auch abgerufen werden können. Dr. Moczarski lud alle Veranstaltungsteilnehmer zum diesjährigen Tag der offenen Tür mit historischem Buchhof am 13. September 2015 im Archivdepot Suhl ein. Des Weiteren informierte er darüber, dass die Stasiüberprüfungsunterlagen von kommunalen Körperschaften, welche laut § 20 Abs. 3 Stasiunterlagengesetz entweder den Staatsarchiven oder den Kommunalarchiven angeboten werden müssen, auf jeden Fall an die Kommunalarchive übergeben werden sollten, da sich die Thüringischen Teilnehmer der Jahresarbeitstagung der Kommunalarchivare während der Beratung (Foto: Norbert Moczarski) Archivführung durch das provisorische Stadtarchiv Suhl (links Andrea Walther, Leiterin des Stadtarchivs) (Foto: Norbert Moczarski) 18 Staatsarchive einvernehmlich gegen eine Übernahme entschieden haben. Aus aktuellem Anlass verwies Dr. Moczarski auch auf die oftmals fälschlicherweise an die Staatsarchive gerichteten Aktenanbietungen von Wasser- und Abwasserzweckverbänden. Diese Unterlagen müssen auf jeden Fall den Kommunalarchiven angeboten werden. Erneut wurden die beim 2001 in Jena errichteten Registergericht archivierten Registerunterlagen angesprochen, welche aufgrund der Fülle der Unterlagen und Personalmangels wieder an die zuständigen Staatsarchive aufgeteilt wurden. Altregisterunterlagen der ehemaligen Abteilungen Örtliche Versorgungswirtschaft und Landwirtschaft, also LPG-, PGH- und Genossenschaftsregister, sollen in naher Zukunft nach Absprache an die Kommunalarchive zurückgegeben werden. Sabine Keßler gab einen kurzen Überblick über den Bearbeitungsstand der von der Rhenus AG Großbeeren übernommenen Wirtschaftsakten, den zeitlichen Aufwand und die Ankündigung weiterer Lieferungen in der nächsten Zeit. Carolin Baumann informierte anschließend über fehlende einheitliche Richtlinien für die Bewertung von kommunalem Schriftgut. Sie verteilte in diesem Zusammenhang die neue Richtlinie des Innenministeriums über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Verwaltung des Freistaates vom 11.7.2014 als Orientierung, da es darin einige Übereinstimmungen bzw. Überschneidungen für Landes- und kommunales Schriftgut gibt. Auch gab Baumann noch einen aktuellen Stand zur Entwicklung des in Aufbau befindlichen Digitalen Magazins des Freistaats Thüringen (ThELMA – Thüringisches Elektronisches Magazin), welches im Jahr 2016 freigeschaltet werden soll. Im Anschluss an diese Informationen gab es noch einige Fragen seitens der Kommunalarchivare, welche untereinander und mithilfe der Mitarbeiter des Thüringischen Staatsarchivs weitgehend beantwortet werden konnten. Die Jahresarbeitstagung wurde abgerundet mit einer Führung von Andrea Walther durch die Räumlichkeiten, in denen das Stadtarchiv derzeit provisorisch untergebracht ist. Es wurden einige Magazinräume sowie die Archivbibliothek gezeigt. Frau Walther gab dazu interessante Fakten zu einzelnen Beständen und deren Historie bekannt. Anhand einiger Grundrisse erläuterte sie auch die zukünftig geplante Unterbringung im Haus der Geschichte nach dessen Fertigstellung. Die Führung war ein gelungener Abschluss der Tagung und rückblickend kann festgestellt werden, dass es für alle Beteiligten auch in diesem Jahr eine interessante Veranstaltung war, die wieder zur Lösung fachlicher Probleme beigetragen hat. Sabine Keßler Thüringisches Staatsarchiv Meiningen Am 27. April 2015 bereitete sich der Weimarer Notfallverbund in der Gedenkstätte Buchenwald mit einer Übung auf den Katastrophenfall in einer Weimarer Kulturinstitution vor. Damit führte der Notfallverbund bereits die vierte Übung seit seiner Gründung im Jahre 2003 zum Kulturgutschutz durch. Während in der ersten großen Übung im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar im Jahre 2005 die Bergung und Erstversorgung von geschädigtem Archiv- und Bibliotheksgut im Vordergrund stand, übten die Kolleginnen und Kollegen aus den Weimarer Kulturinstitutionen 2009 den Aufbau einer Sandsackschutzmauer am hochwassergefährdeten Bienenmuseum. 2012 schließlich wurden an Hand einer neuerlich unangekündigten Übung der Inhalt und die Nutzung der im Jahr zuvor vom Notfallverbund zusammengestellten und beschaff ten sechs Kulturgutschutzcontainer für die Bewältigung von Notfällen beim Amt für Brand- und Katastrophenschutz vorgestellt. Daneben wurden auch die praktische Handhabung der verschiedenen Arten von Feuerlöschern sowie wiederum die Erstversorgung von Archiv- und Bibliotheksgut durchgeführt. Die diesjährige Übung fand in der Gedenkstätte Buchenwald im ehemaligen Kammergebäude statt. Durch die Schließung der bisherigen Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald konnten Teile der Ausstellungsräume realitätsnah hergerichtet werden, ehe dann die neue Ausstellung vorbereitet wird. Im Mittelpunkt der wiederum unangekündigten Übung stand neben dem Testen der Alarmierungsketten in den Einrichtungen und im Verbund das Bergen und Verpacken von Kulturgut aus Museums- und Ausstellungsräumen. Dabei wurden beispielsweise verschiedene Möglichkeiten des Öff nens von Tisch- oder Wandvitrinen sowie die Möglichkeiten für das Abhängen von Gemälden vorgestellt und geübt. Auch das Verpacken des heterogenen und häufig sperrigen oder fragilen Museumsgutes konnte unter sachkundiger Anleitung selbst durchgeführt werden. An der bereits seit längerem geplanten Übung nahmen etwa 60 Mitarbeiter von zehn im Weimarer Notfallverbund organisierten Kultureinrichtungen teil. Begleitend standen Experten von Polizei und Feuerwehr zur Verfügung. Letztere hatte wiederum die Kulturgutschutzcontainer des Weimarer Notfallverbundes vor Ort gebracht, um so den Teilnehmern deren Inhalt und Nutzung vorstellen zu können. Das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar stellte mit 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das stärkste Kontingent, einschließlich der Spezialisten der Restaurierungswerkstatt, die in Katastrophenfällen besonders wichtig sind. Neben dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar gehören dem Notfallverbund folgende Institutionen an: 19 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Weimarer Notfallverbund übt Bergung von Kulturgut im Katastrophenfall Ein Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar zeigt den Übungsteilnehmern die verschiedenen Möglichkeiten des Hängens und Abnehmens von Gemälden. (Foto: Notfallverbund) Die Vorsitzende des Notfallverbundes, Anke Few, Restauratorin bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, demonstriert das sachgerechte Verpacken von Museumsgut. (Foto: Notfallverbund) Bauhaus Universität Weimar, Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Weimar, Hochschule für Musik „Franz Liszt“, Katholische Kirchengemeinde Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege mit dem Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens, Stadt Weimar (Stadtarchiv Weimar, Stadtmuseum Weimar, Amt für Brand- und Katastrophenschutz/ Rettungsdienst), Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten sowie die Senckenberg Forschungsstation für Quartärpaläontologie Weimar. Volker Graupner Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Nicolaus von Amsdorff Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Wiederentdeckung eines vergessenen Manuskriptbandes Am 14. Mai 2015 jährte sich der Todestag des Reformators Nicolaus von Amsdorff zum 450. Mal. Am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren, besuchte er zunächst die Leipziger Thomasschule und die Leipziger Universität, um dann seine Studien an der neugegründeten Universität in Wittenberg fortzusetzen. Dort erwarb er den akademischen Grad eines Licentiaten der Theologie. Seit 1516 gehörte Nicolaus von Amsdorff zum engeren Freundeskreis Martin Luthers. Er begleitete ihn 1519 zur Leipziger Disputation und 1521 auf den Reichstag von Worms und war in dessen geplante Entführung auf die Wartburg eingeweiht. 1524 ging er nach Magdeburg, um dort gegen den Widerstand des Domkapitels und Teilen des Stadtrates die Reformation einzuführen und zu etablieren. Andere Städte liehen sich den erfolgreichen Reformator gewissermaßen aus, so Goslar und Einbeck. 1542 wurde er auf Drängen des Kurfürsten Johann Friedrich durch Martin Luther im Naumburger Dom zum Bischof von Naumburg-Zeitz ordiniert. Er war der erste und der einzige evangelische Bischof im damaligen Deutschen Reich. Seine Einsetzung zum Bischof gegen den Widerstand des Naumburger und Zeitzer Domkapitels stellte einen klaren Rechtsbruch dar und so sah 20 sich Nicolaus von Amsdorff in seinem Amt vielfältigen Anfeindungen ausgesetzt. Seit Ende des Schmalkaldischen Krieges lebte Nicolaus von Amsdorff – nun als „Exul“, wie er sich selbst bezeichnete – zunächst in Weimar und Gotha am Ernestinischen Hof. 1550 ging er nach Magdeburg, kehrte aber 1552 nach Thüringen zurück. Seinen letzten Wohnsitz hatte er in Eisenach, wo er bis zu seinem Tod das Amt eines Generalsuperintendenten innehatte. Hat er auch schon in seiner ersten Magdeburger Zeit (15241542) eine Fülle polemischer Schriften veröffentlicht, so nahm er diese Arbeit nach dem Schmalkaldischen Krieg wieder auf. Er verfasste eine unübersehbare Menge von Streitschriften, mit denen er sich in die Auseinandersetzungen der lutherischen Theologen einmischte. Die Folge war, dass er sich mit fast allen ehemaligen Weggefährten Martin Luthers zerstritt, mit Philipp Melanchthon, Justus Menius, Johannes Bugenhagen u. a. m. Er befürchtete, die reine lutherische Lehre könne aufgeweicht und verfälscht werden. So verstand er sich als berufener Verwalter des theologischen Erbes Martin Luthers. In Konkurrenz zur Wittenberger gab er die Jenaer Ausgabe von Luthers Werken mit anderen Theologen heraus, überwachte bei 21 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Visitationen in Thüringen die Rechtgläubigkeit der Pfarrer und Schulmeister und schrieb eine Fülle von theologischen Polemiken, von denen nicht alle veröffentlicht wurden. Nach seinem Tod wurde der Nachlass Nicolaus von Amsdorffs verstreut. Heute findet sich der Hauptteil seiner Handschriften im Hauptstaatsarchiv Weimar, gesammelt in fünf umfangreichen Foliobänden, die Autographen und zeitgenössische Kopien seiner Schriften enthalten. Ein Nachlassband befindet sich im Lutherhaus in Wittenberg. Weitere Handschriften besitzen die Forschungsbibliothek Gotha und die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Nun ist ein bislang vergessener Band mit Handschriften Nicolaus von Amsdorffs bei der Katalogisierung der Eisenacher Ministerialbibliothek wieder aufgetaucht. Diese umfangreiche Bibliothek mit Büchern aus dem 15. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte 2014 als Depositum in das neue Landeskirchenarchiv Eisenach. Wie der Band mit den Amsdorff-Handschriften in die ehemalige Ministerialbibliothek gekommen ist, kann nicht mehr geklärt werden. Die in ihm gesammelten Manuskripte sind vermutlich nach dem Tode Nicolaus von Amsdorffs in Eisenach verblieben. Als Sebastian Khymäus die Ministerialbibliothek 1596 anlegte, wird er dieser die Handschriften zugeordnet haben. Auf dem Einbanddeckel ist noch sehr schwach eine handschriftliche Notiz aus dem 16. Jahrhundert zu erkennen, die vermutlich so zu lesen ist: Geschriebene Collectanea Amsdorffij. Der am Ende des 19. Jahrhunderts gedruckte „Katalog zur geistlichen Ministerial = Bibliothek zu Eisenach“ führt auf S. 26 den Handschriftenband unter „b. Symbolik und Apologetik. Fol. auf: Amsdorf, Collectanea. (Manuskript)“. Im 19. Jahrhundert sind die Manuskripte neu gebunden worden, wobei man Nicolaus von Amsdorff: Beginn der Exzerpte zum Propheten Joel aus „ENARRATIO D. offenbar das alte Einbandmaterial, MARTINI LVTHERI IN TRES PROPHETAS“. Bl. 200r eine Pergamenthandschrift aus dem (Landeskirchenarchiv Eisenach, Ministerialbibliothek, DepGK00037) 15. Jahrhundert, wieder verwendete. Dabei wurden mehrere Bögen und Blätter vertauscht, so dass viele der Schriften zerteilt Fassungen und Abschriften in dem Wittenberger und den wurden. Weimarer Amsdorff-Nachlassbänden. Zwei seiner SchrifDer Eisenacher Handschriftenband enthält 23 Schriften ten liegen hier nicht als Autographen, sondern in zeitgeund Fragmente. Drei der in ihm gesammelten Schriften nössischen Abschriften vor. Eine Schrift stammt nicht von sind 1562 im Druck erschienen. Sie liegen hier als ei- ihm. Es handelt sich um die Abschrift einer Predigt Martin genhändige Entwürfe vor. Die anderen sind von ihm nie Luthers aus dem Jahr 1537, die Nicolaus von Amsdorff für veröffentlicht worden. Von einigen existieren weitere den eigenen Gebrauch angefertigt hat. Bis auf seine Exzerpte aus Martin Luthers Auslegung der Kleinen Propheten Joel und Amos sind alle anderen Schriften Polemiken, in denen sich Nicolaus von Amsdorff mit seinen Gegnern auseinandersetzt und klare lutherische Positionen in den theologischen Streitigkeiten bezieht, die nach 1547 einsetzten. Ausgangspunkt war das so genannte Augsburger Interim von 1548, mit dem Kaiser Karl V. die Einigkeit in der Kirche im Deutschen Reich wieder herstellen wollte. Es wurde der Grund für eine Fülle von Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, besonders unter den Lutherischen Theologen, die sich darüber stritten, in welchem Maß und Rahmen man auf seine Forderungen eingehen kann oder ob man es strikt ablehnen soll. Letztere Position vertrat Nicolaus von Amsdorff, was auch die im Eisenacher Handschriftenband gesammelten Schriften dokumentieren. Da nur sehr wenige Schriften Nicolaus von Amsdorffs in neuerer Zeit im Druck erschienen sind, ist man im Landeskirchenarchiv Eisenach bemüht, diese bemerkenswerte Quelle der Reformationsgeschichte durch eine Edition einem größeren Leserkreis bekannt zu machen. Die gut lesbare Handschrift ist transkribiert worden, worauf eine eingehende Kommentierung folgt, die diese Schriften erschließen und in ihrem historischen Kontext einordnen und erklären soll. Dr. Hagen Jäger Landeskirchenarchiv Eisenach Übergabe von umfangreichen Kartenwerken der DDR an das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar Anfang März dieses Jahres übergab das Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar umfangreiche Kartenwerke, die vor allem in den Vorgängerbehörden ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts und vereinzelt bis 1993 – dann bereits im damaligen Thüringer Landesver- Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven messungsamt – entstanden sind. Es handelt sich dabei um topographische Karten, die die Landesfläche des heutigen Freistaates Thüringen in den Maßstäben 1 : 10.000, 1 : 25.000, 1 : 50.000, 1 : 100.000 und 1 : 200.000 abdecken. Einzelne Stadtkarten sind auch im Maßstab 1 : 5.000 überliefert. Die Übergabe umfasst 1.497 Kartenmappen. Die Ablage der Karten erfolgte entsprechend der einzelnen Kartenblätter nach der üblichen hierarchischen Nomenklatur (Kartennummer), die auch als Signatur übernommen wurde. Entsprechende Übersichten zu den Kartennomenklaturen im Zusammenhang mit der abgebildeten Erdoberfläche liegen vor. Für jedes Kartenblatt sind in der Mappe noch sämtliche Entstehungsstufen und kartographischen Vorarbeiten vom Entstehungsnachweis und dem topographischen Aufnahmeoriginal bis hin zu dem zum Zeitpunkt der Schließung der Mappen aktuell herausgegebenem Kartenblatt überliefert. Darunter befinden sich auch Filme, Folien und weitere für die Kartenherstellung notwendige Arbeitsunterlagen und Zwischenergebnisse. Für Kartenblätter im Maßstab 1 : 10.000 wurden gesonderte Mappen angelegt, wohingegen für die anderen Maßstäbe häufig mehrere Kartennummern mit deren Gesamtüberlieferung in einer Kartenmappe zusammengefasst sind. Jedes Kartenblatt ist grundsätzlich sowohl in einer Ausgabe Staat (AS) oder Ausgabe Sicherheit als Topographische Karte M-32-23-C-c-3 (Göllingen), Ausgabe Staat (AS) im Maßstab 1 : 10.000 von 1964 (Aufnahme 1961, Herausgegeben 1963) (ThHStA Weimar, Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation) 22 auch in einer Ausgabe Volkswirtschaft (AV) erschienen. Die topographischen Karten (AS) wurden ursprünglich von der Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen (VVK) des Ministeriums des Innern und dem Militärtopographischen Dienst (MTD) des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR gemeinsam erarbeitet und herausgegeben. Später ging diese Aufgabe allein auf den MTD über. Die als Vertrauliche Verschlusssache (VVS) eingestuften Karten wurden mit dem seit Mitte der 1970er Jahre nachweisbaren Kürzel (AS) charakterisiert. In den schriftlichen Originalquellen nicht aufgelöst und auch nicht als Aufdruck auf den Karten nachweisbar wird es aber gemeinhin mit Ausgabe Staat oder Ausgabe Sicherheit aufgelöst. Die topographischen Karten (AV) wurden von den topographischen Karten (AS) abgeleitet. Sie unterscheiden sich vor allem durch das System der Blattbezeichnung (Nomenklatur), die geodätische Grundlage, den reduzierten Karteninhalt und durch die Ausgabevarianten. Die Blattnamen beider Ausgaben sind im Allgemeinen identisch. Das Kartenwerk (AV) stand seit der Mitte der 1960er Jahre für volkseigene Betriebe und Wissenschaftsinstitutionen zur Verfügung. Die einzelnen Karten waren als Vertrauliche Dienstsache (VD) eingestuft. Während die AS die Realität adäquat widerspiegelt, gibt die AV vor allem das Grenzgebiet zur Bundesrepublik Deutschland bzw. militärisch relevante Gebiete verzerrt oder gar nicht wieder. Gegenüber den heutigen im Landesamt für Vermessung und Geoinformation herausgegebenen topographischen Karten unterscheidet sich die DDR-Überlieferung für den Betrachter in erster Linie hinsichtlich der Art der Kartennummer (Nomenklatur) und vor allem auch durch einen anderen Blattschnitt. Für jede Auflage eines Kartenblattes existiert eine Excel-Tabelle, die den Inhalt dazu in der jeweiligen Mappe beschreibt und die Metadaten wiedergibt. In den nächsten Monaten sollen diese knapp 5.000 einzelnen Dateien als eigener Bestand mit einer entsprechenden Klassifikation in die Archivdatenbank AUGIAS-Archiv 8.3 importiert werden. Topographische Karten beider Ausgaben ab den späten 1970er Jahren bis in die frühen 1990er Jahre befinden sich bereits in der Kartensammlung unseres Archivs. Für die übliche Benutzung zur Heimat- und Ortsgeschichte oder zur Landschaftsentwicklung werden diese Stücke auch weiterhin primär herangezogen. Für Themen zur wissenschaftlichen historischen Kartographie oder zum Vermessungswesen in der DDR wird dagegen die hier angezeigte umfassende Übernahme unbedingt mit einbezogen und ausgewertet werden müssen. Volker Graupner Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar 23 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Topographische Geländebeschreibung für das Kartenblatt M-32-23-C-c-3 (Göllingen) von 1961 (ThHStA Weimar, Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation) Stadtgeschichte wird lebendig Archiv erhält Nachlass der Unternehmerfamilie Adami Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Um ein Stück Eisenacher Firmengeschichte reicher ist seit dem 6. Mai 2015 das Eisenacher Stadtarchiv. Volker Adami überreichte den Nachlass der ehemaligen Seifensiederei Adami und des dazugehörigen Ladengeschäftes in der Querstraße an Dr. Reinhold Brunner (Leiter des Amtes für Bildung). Volker Adami, 1941 in Eisenach geboren, ist der Sohn des letzten Eigentümers Hermann Adami. Volker Adami hat selbst als Jugendlicher im Geschäft seines Vaters mitgearbeitet. Der Weihnachtsverkauf gehörte ebenso dazu wie das obligatorische Putzen des Firmenautos oder das Reinigen des Hofes. Gegründet wurde die Seifensiederei Adami am 29. April 1848. Vier Generationen führten das Eisenacher Unternehmen, bis es 1972 verstaatlicht wurde. „Jede Generation hatte ihre eigenen Dokumente“, so Volker Adami. Dazu gehören unter anderem Soldbücher, Militärpässe, Presseartikel, Fotos und Postkarten aus den Jahren 1900 bis 1920. Gesellenbriefe und Urkunden – alles Originaldokumente – vervollständigen den Nachlass. Auch ein kleines Notizbuch ist dabei. Es gehörte dem Großvater von Volker Adami und enthält eine Auflistung aller Fliegeralarme und Bombenangriffe auf Eisenach im Zweiten Weltkrieg. Für das Stadtarchiv sind diese wirtschaftsgeschichtlichen Zeugnisse sehr wertvoll. Vielen Eisenachern ist das Ladengeschäft in der Querstraße noch bekannt. Der Nachlass dokumentiert ein Stück Eisenacher Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Dazu wollte Volker Adami mit seiner Schenkung einen Beitrag leisten und als gebürtiger Eisenacher der Stadt ein Stück ihrer eigenen Geschichte zurückgeben. Er hat alle Unterlagen gesichtet, sortiert, sie anschließend in vier Ordnern zusammengefasst und die wichtigsten Unterlagen bereits digitalisiert. Im Eisenacher Stadtarchiv lagern derzeit zwölf Bestände ehemaliger mittelständischer Eisenacher Unternehmen. Die Bestände befinden sich in den Räumen des ehemaligen O2, dem heutigen Automobilbaumuseum. Dr. Reinhold Brunner Amt für Bildung, Eisenach 24 Die Übergabe des Nachlasses am 6.5.2015. V. r. n. l. Klaudius Kabus, stellv. Abteilungsleiter Stadtarchiv, Volker Adami, Reinhold Brunner, Leiter des Amtes für Bildung der Stadt Eisenach. (Foto: Pressestelle der Stadt Eisenach) Teil des Nachlasses: Der Lehrbrief für den Seifensiedergesellen Carl Albert Adami vom 7. April 1866. (StA Eisenach, 40.2.39 NL Adami) „Das Richtige richtig machen.“ Ein DFG-Retrokonversionsprojekt im Stadtarchiv Nordhausen Erschließungsschübe Die erste erschließungspraktische Bemühung um den Urkundenbestand nach Ende der Reichsfreiheit 1802 stellte eine handschriftliche Gesamtaufnahme der Urkunden durch Ernst Günther Förstemann zwischen 1832 und 1841 dar. 1858 schloss er ein „Verzeichnis der Handschriften und Urkunden des Archives“ ab. Zwischen 1890 und 1893 ordnete Paul Oßwald ehrenamtlich die Urkunden der Signaturgruppe I, verpackte sie zudem in Umschläge, die er mit Regesten und Datierungen beschriftete und in speziellen Holzschüben ablegte. Klassifiziert wurde in 45 Gruppen nach Aussteller, Typ, Provenienz oder Sachbetreff. Fast durchweg war in jedem Umschlag nur eine Urkunde vorhanden. Stadtarchivar Hermann Heineck fertigte 1893 bis 1930 eine fünfbändige Regestensammlung zu Teilbestand I an, die nach 1930 mehrfach überarbeitet wurde. Daraus wurden 1936 und 1939 durch die zeitgleich promovierenden Regionalhistoriker Günter Linke und Gerhard Meißner zwei Nordhäuser Urkundenbücher erarbeitet, die bis jetzt einziges Publikationsmittel waren. Für Teilbestand III liegt eine vermutlich in den 1950er Jahren erstellte handschriftliche Loseblattsammlung vor. Beide – großenteils gut zu lesenden – handschriftlichen Regesten wurden Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre maschinenschriftlich von Archivleiterin Gusta Eggers auf Karteikarten konvertiert. Bei der Erstellung wurden die Orts- und Personennamen der Vorlage unverändert übernommen, aber auch Kürzungen und Veränderungen vorgenommen. Im Ergebnis deckten sich seither die Findmittel keineswegs zu hundert Prozent, boten divergierende Lesarten und Signaturvergabemuster, abweichende Datierungen und unterschiedliche Nähe zum Original. Bestandserhaltung optimieren Um die Urkunden selbst zu erhalten und sie qualitätsvoller zugänglich zu machen, waren seit 2012 unter dem Titel „Kellerkinder“ systematische Maßnahmen zugunsten der Bestandserhaltung und Erschließung ergriffen worden, die bis zum geplanten Abschluss im Jahr 2016 aus seit 2012 eingeworbenen KEK-Projekt- und Spendenmitteln fortgesetzt werden (KEK – Koordinierungsstelle für die Erhaltung schriftlichen Kulturguts). Dabei werden die Urkunden durch eine ehrenamtliche Mitarbeiterin aus den teilweise stark beschädigten Tüten entnommen und in Umschläge, Mappen oder Taschen gemäß DIN/ISO 16245 verpackt und die Siegel mit zertifizierten Schutzhüllen versehen. Die neuen Verpackungen werden mit Ausstellungsort, Datierung und Kurzregesten in Tusche etikettiert. Weiterhin werden die Urkunden kaiserlicher, päpstlicher oder vergleichbar relevanter Provenienz nach Maßgabe verfügbarer Spenden- oder Projektmittel durch einen Fachrestaurator plangelegt, in Stülpdeckelkartons aus Feinwellekarton gemäß ISO 16245 umgepackt und ihre Siegel fixiert. Die historischen Umschläge werden vor Vernichtung kopiert, eine Auswahl für Dokumentationszwecke aufbewahrt. Ziel musste es aber auch sein, die Informationen der bisher nur in z. T. gefährdeter Papierform vorliegenden handund maschinenschriftlichen Findmittel in eine Datenbank archivischer Standardsoftware zu übertragen, damit sie online für Recherchen zur Verfügung stünden. Dafür wurde im Frühjahr 2013 mit substantieller Unterstützung der Marburger Koordinationsstelle, Herrn Torben Lindemann, eine DFG-Retrokonversionsförderung beantragt und Ende 2013 eine anteilige Projektförderung – mit Programmpauschale 5.559,60 € – bewilligt. DFG-Retrokonversion 2014-2015 Ziel des DFG-Projektes war es, die Online-Stellung der ausgewählten historischen Findmittel im regionalen Archivportal www.archive-in-thueringen.de und möglichst auch in einer eigenen Online-Präsentation der Stadt Nordhausen (www.nordhausen.de) zu realisieren. Damit soll langfristig die Einstellung von ca. 10 Prozent Origi25 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Das Stadtarchiv Nordhausen verfügt über eine bedeutsame Urkundensammlung, bei der nach Dr. Hartmut Webers Diktum aus dem Jahr 1992 nicht nur das “Richtige“, sondern dies auch möglichst „richtig“ gemacht werden musste. Denn die Urkundensammlung ist für die Erforschung der Geschichte Nordhausens als Reichsstadt (1220-1802) und darüber hinaus für die mitteldeutsche Geschichte von wesentlicher Bedeutung, was durch die insgesamt miserable Überlieferungssituation zusätzlich herausgehoben wird: Trotz Auslagerung von Archivalien wurden bei schweren Luftangriffen im April 1945 etwa 75 Prozent des damaligen Archivbestands zerstört oder gingen bei anschließenden Plünderungen verloren. Nur der Urkundenbestand ist fast vollständig erhalten geblieben. Eine Revision im Jahre 1946 soll lediglich den Verlust von 16 Signaturen ergeben haben. Außerdem hatte das Stadtarchiv nach 1945 keine Urkunden an Staatsarchive abgeben müssen, wodurch eine selten intakte Sammlung erhalten blieb. Die Archivalien datieren aus den Jahren 1158 bis 1810 bzw. 1474 bis 1850. Nach der 2015 auch im Archivportal Thüringen bereitgestellten Beständeneugliederung umfasste der Bestand 1.1. Urkundensammlung bei Beginn der DFG-Projektplanung Anfang 2013 2.590 Verzeichnungseinheiten (VE), die in zwei Teilbeständen (I Urkunden über/aus Nordhausen und III Urkunden für Nordhäuser Gesellen etc. anderer Aussteller) überliefert sind. Die Bestandserhaltungssituation 2012 war bedauernswert, die Erschließungslage veraltet und z. T. verwirrend. oben: Praktikantin Annette Birkenholz am Magazinarbeitstisch, 2015 (Foto: M. Schmidt) rechts: Neuverpackung von plangelegten Urkunden, 2013 (Foto: W.G. Theilemann) unten: Historische Urkundenschutzhülle, Anfang 1890er Jahre (Foto: W.G. Theilemann) Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven 26 Seit Mai 2015 sind die Erschließungsinformationen im Archivportal Thüringen komplett online zugänglich. Insgesamt liegen in Teilbestand I mithin 2.440 Datensätze vor, in Teilbestand III 213, bezogen auf die gesamte Urkundensammlung handelt es sich um 2.653 Datensätze. Die genaue Zahl der tatsächlich vorhandenen und benutzbaren Urkunden ist schwerer zu bestimmen, da weiterhin mehrere Urkunden in einer Verzeichnungseinheit zusammengefasst sein können. Mit dem DFG-Projekt ist es gelungen, drei bislang in größtenteils analoger, veralteter Form (Karteikarten, Zettelkatalog) vorliegende, z. T. sehr verschiedene Findmittelversionen des Urkundenbestands vollständig in eine Datenbankfassung zu konvertieren und fristgemäß nach www.archive-in-thueringen.de importieren zu können. Ein Mehrwert ergab sich dadurch, dass die teilweise erheblich voneinander abweichenden und bislang über mehrere Findmittel verteilten Informationen zusammengeführt, verglichen und auf ihre Qualität und überlieferungsgeschichtliche Entstehung hin überprüft wurden. Außerdem wurden die Vorteile der verschiedenen Findmittel, ihre Verständlichkeit bzw. Ausführlichkeit, kombiniert. Damit kann in diesem Recherchemittel seit Mai 2015 der erste Bestand des Stadtarchivs auf Findbuchebene umfassend durchsucht werden. Nacharbeiten in Zusammenarbeit mit den Portalmoderatoren stehen freilich noch aus. Infolge von Haushaltssperren sowie einer gegenwärtig vorläufigen Haushaltsführung der Stadtverwaltung Nordhausen konnte eine Online-Bereitstellung unter www.nordhausen.de leider nicht realisiert werden. Nebeneffekte: Bestandserhaltungsdaten und Nachverzeichnung Teilweise konnten projektbegleitend noch wichtige Arbeitsschritte durchgeführt werden, die über die Retrokonversion hinausgehen, aber den Erfolg des Projektes ausbauten. Durch die Erhebung aktueller Informationen zum Erhaltungszustand und die Aufnahme unverzeichneter Urkunden wurde ein Informationsgewinn erarbeitet. Ziel des Retrokonversionsprogramms war es ja nicht nur, die vorhandenen Inhaltsangaben zu übernehmen, sondern sie an die heutigen Verfahren bei der Recherche anzupassen und nutzerfreundlich zu gestalten. Dabei waren Veränderungen und Verbesserungen gegenüber Machbarkeit, Kenntnissen und Zeitaufwand abzuwägen. Zum Abschluss des DFG-Projekts konnten noch 14 Archivalien, die sich seit 1991 unbearbeitet in der Urkundensammlung befanden, in die Urkundendatenbank eingearbeitet werden. Partner und Ergebnispräsentation Kooperationspartner des Projektes waren von 2014 bis 2015 nach entsprechender Ausschreibung die Firma ArchivInForm Potsdam, die den erheblichen Fremdanteil aufgrund von Scans der Regestenbände lieferte, die FH Potsdam sowie die Software-Firma AUGIAS. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, auch bei einigen sachoder technikbedingten Komplikationen. Allerdings waren die Schwierigkeiten bei Export und Einspeisung ins Portal erheblicher als erwartet. Die Partner, drei ehrenamtliche MitarbeiterInnen und eine Praktikantin, haben unter Koordination der Archivleitung den Projekterfolg fristgemäß sichergestellt. Ohne die Unterstützung aller vor Ort hätte das ambitionierte Projekt nicht realisiert werden können. Seitens der Stadtverwaltung erfolgte wichtige Unterstützung durch die EDV-Abteilung in Zusammenarbeit mit AUGIAS und die Bereitstellung einer Praxissemestervergütung. Im Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit wurde das Unternehmen über die GEPRIS-Datenbank der DFG sowie durch kurze Mitteilungen in der Quartalsschrift des Stadtarchivs Nordhausen und in der lokalen Presse bekanntgemacht. Eine ausführliche Projektbeschreibung wird in „Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen“ Ende 2015 erscheinen. Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines Pressegesprächs am 29. Mai 2015 vorgestellt. Für das Stadtarchiv war dieses erste DFG-Projekt zugleich das erste reguläre Erschließungs- bzw. Retrokonversionsprojekt überhaupt, daher auch Prüfstein für eine zeitgemäße Professionalisierung, wenn nur Haushaltslage, administrative und archivbauliche Rahmenbedingungen dies erlaubten. Annette Birkenholz FH Potsdam Dr. Wolfram G. Theilemann Stadtarchiv Nordhausen 27 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven nalreproduktionen des Bestandes unter www.monasterium.net vorbereitet werden. Der Eigenanteil an der Retrokonversion wurde von eigenem Personal im Archiv, namentlich der Semesterpraktikantin Annette Birkenholz (FH Potsdam, Studiengang Archiv B.A., 6. Semester) übernommen. Sie arbeitete im Projekt von August 2014 bis Januar 2015 und sicherte darüber hinaus maßgeblich den Gesamterfolg. Eingesetzt wurden die seit den späten 1990er Jahren im Stadtarchiv eingeführte Standardsoftware AUGIAS-Archiv (Version 8.3) und als Austauschformat der XML-Standard EAD. Die Datensätze umfassen sämtliche von H. Heineck, G. Eggers oder Dritten registrierten VE, unabhängig davon, ob die Urkunden tatsächlich noch vorhanden oder bereits durch Kriegseinwirkungen oder andere Schädigungen verloren sind. Die Anzahl der nach Projektabschluss vorliegenden Datensätze übertriff t die zu Beginn ermittelten 2.590 VE, was u. a. daran liegt, dass manche VE mehrere, durch Kleinbuchstaben unterschiedene Signaturen umfassten, die bei der Retrokonversion in einzelne Datensätze separiert wurden. Nach bisherigem Stand der Überprüfung werden lediglich 21 Urkunden vermisst. Eine komplette Bestandsrevision ist vorgesehen, konnte aber nicht im Projektzeitraum durchgeführt werden. Andererseits wird damit über das Retrokonversionsziel hinaus für die Benutzer eine für das Stichjahr 1945 fast vollständig rekonstruierte Überlieferungssituation sichtbar. Diese ist nun über Parallelüberlieferungen, Editionen o. ä. auswertbar, zumal dank des dem seit 2012 vorliegenden „Spezialinventar(s) von Quellen zur Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen in auswärtigen Archiven“ von Dr. P. Kuhlbrodt. Große und wertvolle Schenkung Familienarchiv Fuchs im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden Um viele Schätze reicher wurde das Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden vor kurzem, als Prof. Dr. med. Thomas Fuchs aus Göttingen sein umfangreiches Familienarchiv übergab. Dabei handelt es sich um ca. 20 Archivkartons mit Zeitungen, Stammbäumen, Testamenten, Gelegenheitsgedichten, Briefen und Tagebüchern aus vier Jahrhunderten. Die Familie geht auf den um das Jahr 1630 in Brotterode geborenen Handelsmann und Gerichtsschöpfen Jakob Fuchs senior zurück. Weitere Vorfahren sind der ebenso in Brotterode geborene Johann Nicolaus Fuchs (1766) und dessen Söhne Caspar Friedrich (1807) und Gottlieb Adolph (1803). Dr. Caspar Friedrich Fuchs war später Kreisarzt in Schmalkalden und veröffentlichte 1848 zusammen mit Bergrat Caspar Friedrich Danz die „Physisch-medizinische Topographie des Kreises Schmalkalden“. Sein Bruder Gottlieb Adolph Fuchs, ein direkter Vorfahre von Thomas Fuchs, zog ebenfalls nach Schmalkalden und führte hier auf der Salzbrücke/Ecke Stillergasse das Handelshaus „Gottlieb Adolph Fuchs“. Verheiratet war er mit Amalie Luise geb. Sanner, deren Mutter wiederum war eine geborene Merkel und so kommt es, dass in diesem Nachlass nicht nur Dokumente der Familie Fuchs zu finden sind, sondern auch zahlreiche Dokumente der angeheirateten Familien Merkel, Clemen, Happich, Sanner, Ziegler u. a. Der Nachlass spiegelt das Leben eines wohlhabenden Familienverbandes vom 17. bis zum 19. Jahrhundert wider, wie man es sich besser nicht wünschen könnte. Sämtlicher privater und dienstlicher Schriftverkehr scheint erhalten geblieben zu sein. Die zum Nachlass gehörenden Sammlungen von Mineralien und Werkzeugen des Handelshauses Adolph Fuchs wurden an das Museum Neue Hütte weitergegeben. Auf die Archivmitarbeiterinnen wartet jetzt eine interessante Arbeit, sicher wird bei der Erschließung der Schriftstücke noch manche Entdeckung gemacht werden. Ute Simon Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden Prof. Dr. Thomas Fuchs (2. v. l.) aus Göttingen übergab anlässlich eines Familientreffens das Familienarchiv Fuchs dem Stadtund Kreisarchiv Schmalkalden. Mit im Bild: Ehefrau, Sohn und Tochter sowie die Brüder Andreas und Werner Fuchs mit ihren Ehefrauen. (Foto: Ute Simon) Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven 28 Im Heft 2/2007 der „Archive in Thüringen“ wurde darüber berichtet, dass es dem Thüringischen Staatsarchiv Meiningen gelungen war, die Nachlässe von zwei bekannten Ilmenauer Professoren zu übernehmen. Das betraf zum einen den langjährigen Rektor der Technischen Hochschule Ilmenau, Gerhard Linnemann (1930-2001), und zum anderen Dagmar Hülsenberg (*1940), die zudem in der Endphase der DDR Präsidentin der Kammer der Technik war, der Ingenieursorganisation der DDR. Bei der Übernahme von Nachlässen kürzlich verstorbener bzw. von Vorlässen noch lebender Persönlichkeiten gibt es zunächst meist keine vollständige Übernahme der Unterlagen. Häufig bleibt man mit dem Eigentümer im Prof. Dr. Nikolaus Benjamin Richter Gespräch und versucht sicherzustellen, Prof. Dr. Hartmut Hoff mann (Privatsammlung) dass auch die weiteren Teile des Nach- (ThStA Meiningen, Nachlass Hartmut lasses den Weg in das Archiv finden. So Hoff mann, Nr. 12) konnte das Staatsarchiv im Juni 2015 den nunmehr letzten und vierten Teil des Nachlasses von Prof. Dr. Gerhard Linnemann über- Veterinärmedizinischen Hochschule in Sofia. 1963 pronehmen, darunter auch seine künstlerischen Arbeiten. movierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Der gesamte Bestand umfasst jetzt 1,8 lfm. Doktor der Veterinärmedizin und war dort bis 1969 tätig. Mit Prof. Dr. Dagmar Hülsenberg, die wissenschaftlich In den 1960er Jahren erhielt er in Leipzig eine Zusatzausnoch sehr aktiv ist, wurde im Juli 2014 in einem länge- bildung auf dem Gebiet der Tropenveterinärmedizin und ren Gespräch vereinbart, 2016/2017 auch den dritten, leistete danach drei Jahre Entwicklungshilfe in Tansania. persönlichen Teil ihres Nachlasses zu übernehmen. Der 1974, mit 38 Jahren, wurde er von der Akademie der LandNachlass des Pädagogikwissenschaftlers und langjäh- wirtschaftswissenschaften der DDR zum Professor berurigen Direktors des Institutes für Lehrerbildung Meinin- fen. Zu dieser Zeit forschte er bereits im Friedrich-Loeffgen, Prof. Dr. Harty Möller (1929-2011), im Umfang von ler-Institut auf der Ostseeinsel Riems (heute Bundesfor2,4 lfm konnte dagegen bereits im Jahre 2011 übernom- schungsinstitut für Tiergesundheit) an der Produktion men werden. Im Jahr 2005 hatte es dazu Vorgespräche von Virusimpfstoffen. Zu seinem Spezialgebiet, Tierseumit Prof. Möller gegeben, so dass den Angehörigen die chenbekämpfung, hielt er zahlreiche Vorlesungen an inEntscheidung zur Übergabe des Nachlasses nicht schwer und ausländischen Hochschulen in Khartum, Havanna, fiel. 2014 konnte der Bestand mit Augias 8.2 erschlossen Plovdiv, Minsk, Mukteswar (Indien), Berlin und Leipzig und veröffentlichte Bücher. Nach 1981 arbeitete er im Inwerden. Auf zwei Professorennachlässe soll hier näher eingegan- stitut für Impfstoffe Dessau und im Staatlichen Veterinärgen werden. Im Jahr 2012 erfuhr das Staatsarchiv Mei- medizinischen Prüfungsinstitut Berlin. ningen vom Tod des Berliner Veterinärwissenschaftlers, Als dieses Institut nach 1990 aufgelöst wurde, war er 53 Prof. Dr. Hartmut Hoff mann. Hoff mann war am 31. Dezem- Jahre alt. Eine seinen Qualifikationen entsprechende Stelber 1936 in Metzels bei Meiningen geboren worden und le fand er erst im Herbst 1991 bei einem der weltweit fühhatte in den letzten Jahren seines Lebens im verstärkten renden Unternehmen für Tierarzneiherstellung, TAD PharMaße die Mundart seiner engeren Heimat erforscht. In ma GmbH Cuxhaven. Seine Tätigkeit auf dem Gebiet der den 1990er Jahren führten ihn Recherchen dazu auch in veterinärmedizinischen Impfstoff produktion führte ihn das Thüringische Staatsarchiv Meiningen. In den 1970er in zahlreiche Länder, wie zum Beispiel in die USA, nach und 1980er Jahren gehörte Hartmut Hoff mann zu den pro- Jordanien, Syrien und in die Türkei. Insgesamt verbrachte filiertesten Veterinärwissenschaftlern der DDR. Nach sei- er 13 Jahre seines Berufslebens im Ausland und konnte nem Abitur 1954 am Meininger Henfling-Gymnasium bzw. sich in 10 Sprachen verständigen. Nach seinem Eintritt an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität Halle in den Ruhestand 2001 konzentrierte Hoff mann seine studierte er von 1955 bis 1960 Veterinärmedizin an der Forschungen und Aktivitäten auf das Spezialgebiet Bie29 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven Übernahme weiterer Professorennachlässe in das Thüringische Staatsarchiv Meiningen Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven nengesundheit und arbeitete hier in zahlreichen Gremien mit. Hartmut Hoff mann starb an seinem 75. Geburtstag am 31. Dezember 2011 in seinem Heimatort Metzels. Dank des Entgegenkommens seiner Tochter, Kerstin Hoger aus Berlin, übernahm das Thüringische Staatsarchiv Meiningen 2012 in zwei Teilen den 2,5 lfm umfassenden Nachlass von Prof. Dr. Hartmut Hoff mann als Depositum. Der Bestand, der auch heimatgeschichtliche Forschungen über Metzels enthält, wurde im Frühjahr 2014 erschlossen und steht somit nach Abstimmung mit der Familie zur Benutzung zur Verfügung. Ein wenig anders gestaltete sich die Übernahme des Nachlasses des Astronomen und Meteorologen Prof. Dr. Nikolaus B. Richter. Im Zusammenhang mit einer Anfrage zum Direktor der Sternwarte Sonneberg, Prof. Dr. Cuno Hoff meister (1892-1968), wurde man auch auf dessen langjährigen Stellvertreter und späteren Direktor des Karl-Schwarzschild-Observatoriums in Tautenburg bei Jena, Nikolaus Benjamin Richter, aufmerksam. Ende des Jahres 2012 wandte sich das Staatsarchiv Meiningen deshalb an den in Dessau lebenden Sohn mit der Frage nach der möglichen Übernahme des väterlichen Nachlasses. Dieser signalisierte Zustimmung, bat jedoch um Verständnis, dass er wegen der Arbeit an einer umfangreichen Biografie seines Vaters die Unterlagen noch längere Zeit benötigen werde. Nach Fertigstellung des Manuskriptes meldete sich Matthias Richter im Sommer 2014 und erklärte seine Bereitschaft, den Nachlass des Vaters zu übergeben. Da er jedoch ein ausführliches Verzeichnis in Form einer Einzelblattverzeichnung selbst erstellen wollte, wurde der Nachlass im Umfang von 1 lfm nach Klärung aller Modalitäten erst im März 2015 als Depositum nach Meiningen übergeben. Trotz seines geringen Umfangs besticht der Nachlass vor allem durch seine Authentizität und die Dichte des Materials. Nikolaus Benjamin Richter wurde am 5. Februar 1910 in Neustädtel (Schneeberg) geboren und besuchte in Schneeberg von 1916 bis 1920 die Volksschule und von 1920 bis 1929 das Staatsrealgymnasium, wo er sein Abitur mit dem Prädikat „sehr gut“ ablegte. Bereits 1928 hatte Richter als Schüler Kontakt zu Prof. Cuno Hoff meister in Sonneberg aufgenommen. Dieser riet ihm zu einem Studium der Mathematik, Astronomie, Physik und Meteorologie an der Universität Göttingen. 1930 wechselte er an die Uni Leipzig. Nach erfolgreichem Studium promovierte er 1934 zum Doktor der Philosophie. Um in Observatorien zu arbeiten, war er schon 1933 mit Hoff meister nach Südamerika und England gereist. 1947 erhielt er in der Sternwarte Sonneberg eine Anstellung als Observator, nachdem er Hoff meister dort bereits 1937/38 während dessen Reise nach Südafrika vertreten hatte. Während des Zweiten Weltkrieges war er als ziviler Angestellter zum Wehrdienst eingezogen worden und als Astronavigator auf den Kriegsschauplätzen in Afrika und in der Ukraine im Einsatz. Nach seiner Anstellung in Sonneberg intensivierte Richter seine Forschungen zu den Himmelskörpern, die ihn bis nach China und Libyen führten. Am 1. April 1960 übernahm er die Leitung des renommierten Karl-Schwarzschild-Observatoriums in Tautenburg bei Jena und stieg endgültig in den Kreis der führenden deutschen Astronomen auf. Seine exzellenten Leistungen auf dem Gebiet der Astronomie wurden 1966 mit der Ernennung zum Professor gewürdigt. Allerdings führten die politischen Verhältnisse in der DDR zu einer starken Beschränkung seiner Reisetätigkeit und somit auch zu einer eingeschränkten wissenschaftlichen Kommunikation. 1975 trat Richter in den Ruhestand, arbeitete aber in zahleichen internationalen Gremien weiter. Als Rentner wurden ihm wieder öfter Reisen außerhalb des Landes erlaubt, allerdings erkrankte er 1978 ernsthaft und starb am 26. November 1980. Sein Sohn, Matthias Richter, hat dieses interessante und ungewöhnliche Forscherleben in einer 248 Seiten umfassenden, persönlichen Biografie nachgezeichnet und 2015 unter dem Titel: Nikolaus Benjamin Richter. Astronom, Meteorologe, Geograph, Maler und Vater – Biographie und Dokumentation im Eigenverlag veröffentlicht. Dr. Norbert Moczarski Thüringisches Staatsarchiv Meiningen „Tausende persönliche Zeilen werden für die Zukunft bewahrt“ Vorlass Dieter Gleisberg im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg Unter diesem Titel berichtete die Osterländer Volkszeitung in einem größeren Artikel anlässlich der Übergabe wertvoller Künstlerbriefe an das Staatsarchiv Altenburg. Der Kunsthistoriker Dr. Dieter Gleisberg, ehemals Direktor des Leipziger Museums für Bildende Künste und des hiesigen Lindenau-Museums, schenkte dem Staatsarchiv Anfang des Jahres in einer ersten Abgabe etwa 900 Briefe und Postkarten von mehr als 250 Kulturschaffenden, mit denen er teilweise seit Jahrzehnten korrespondierte. Schrittweise wird Gleisberg zudem Manuskripte zu Re30 den und Vorträgen, Lebensdokumente wie Urkunden und Zeugnisse zur beruflichen und politischen Entwicklung und Ehrungen, Fotografien sowie Belegexemplare seiner kunstwissenschaftlichen Publikationen übergeben. Unter den bereits dem Staatsarchiv übergebenen Dokumenten, also den Korrespondenzen, finden sich Namen wie Fritz Cremer, Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübke sowie zahlreiche weitere Maler, Grafiker, Literaten und Kunsthistoriker. Umfassend ist die Korrespondenz mit Conrad Felixmüller (1897-1977) sowie dessen Frau und dem Sohn Titus, einem Architekten. Felixmüller, der Expressionist und Maler der Neuen Sachlichkeit, schrieb sich seit 1961 mit Gleisberg, sodass hier ein 190 Seiten starker Korrespondenzband entstanden ist. Sind von einigen Künstlern und Kulturschaffenden nur handschriftliche Briefe überliefert, machen den Reiz der Sammlung vor allem aber auch die vielen grafischen Originalkunstwerke zeitgenössischer Künstler mit persönlichen Widmungen aus. Viele Briefe an Gleisberg enthalten kleine oder auch größere Zeichnungen, Karikaturen und Grafiken – sei es zur Illustration von Glückwunsch- oder Weihnachtskarten, als ganzseitige kleine Kunstwerke oder in Form von Randzeichnungen auf Briefen. Einige schöne Zeichnungen und kommentierte Drucke finden sich beispielsweise von dem gebürtigem Altenburger Gerhard Vontra (1920-2010). Dieser war Pressezeichner bei über 20 Zeitungen und illustrierte mehr als 50 Bücher in seinem typischen Stil. Die Arbeiten des Zeichners und Karikaturisten sind nicht nur auf dem Darß, wo Vontra lange lebte und auch starb, sehr bekannt. Für die Benutzung des Bestandes finden die Bestimmungen des Thüringer Archivgesetzes sowie die Verordnung über die Benutzung der Staatsarchive Anwendung. Aufgrund der künstlerischen Anteile des Bestandes wird der Beachtung des Urheberrechtsgesetzes besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Dr. Jörg Müller Thüringisches Staatsarchiv Altenburg 31 Archive in Thüringen 2015 – Arbeitsberichte aus den Archiven (ThStA Altenburg, Vorlass Dieter Gleisberg, Nr. 8) „Kulturweg der Vögte“ Deutsch-tschechische Gemeinsamkeiten Am 24. März dieses Jahres wurde im großen Saal des Rathauses der Stadt Eger (Cheb) der Bildband „Das historische Vogtland – neu entdecken“, zweisprachig deutsch-tschechisch, der Öffentlichkeit präsentiert. Zugleich eröff nete man die dazugehörige Wanderausstellung, die für einige Wochen im Rathausfoyer gezeigt wurde und schaltete die Internetseite zum „Kulturweg der Vögte“ (www.kulturweg-der-voegte.eu) frei. Anwesend waren u. a. Bürgermeister und Landräte bzw. deren Vertreter aus dem westböhmischen Kreis Karlsbad, dem sächsischen Vogtlandkreis, dem thüringischen Landkreis Greiz und dem Saale-Orla-Kreis, Projektpartner sowie interessierte Vereine und Personen aus der Tschechischen Republik, Thüringen, Sachsen und Bayern. Damit wurde das Pilotprojekt zum so genannten „Kulturweg der Vög- te“ erfolgreich abgeschlossen. Initiiert vom Verein „Dialog mit Böhmen“ aus Greiz, gefördert als „Ziel3-Projekt“ der Europäischen Union – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung: Investition in Ihre Zukunft – unterstützt von der EUREGIO EGRENSIS Arbeitsgemeinschaft Sachsen/Thüringen, dem Historischen Archiv des Vogtlandkreises, der Technischen Universität Chemnitz, dem Staatlichen Archiv Eger und nicht zuletzt unter tatkräftiger Mithilfe des Thüringischen Staatsarchivs Greiz wurde damit ein länderübergreifendes Kulturprojekt ins Leben gerufen, das seinesgleichen sucht. Die bei derartigen Gelegenheiten üblichen Grußworte und Ansprachen nahmen Bezug auf die belastete Vergangenheit, traumatische Erinnerungen und verliehen der Hoff nung Ausdruck, dass kulturelle Zusammenarbeit, Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Ausschnitt aus dem Stammbaum der böhmischen Adelsfamilie Z Roupova (ThStA Greiz, Hausarchive Obergreiz und Untergreiz, Nr. 124) 32 33 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen die sich der gemeinsamen Wurzeln und der Zeiten des friedlichen gegenseitigen Austausches und Nutzens erinnert, dem künftigen Zusammenleben in Europa dienlich wären. Dies umso mehr, als die Abgrenzungen und Einseitigkeiten, die der Kalte Krieg mit sich gebracht hatte, viel Nachhol- und Aufarbeitungsbedarf hinterlassen haben. Das zeigt sich vielfach immer noch im Vergleich zum Stand der nachbarlichen Beziehungen, wie er in den westlichen Grenzregionen der Bundesrepublik erreicht wurde. In Thüringen wird im Gegensatz zu beispielsweise Bayern oder Sachsen derartiger grenzüberschreitender Vergangenheit eher selten gedacht. Glaubt man sich hier von der Geschich- Karte des Vogtlandes, 17. Jh. te nicht betroffen, weil es (ThStA Greiz, Kartensammlung, F.6.-027) keine direkte Grenze gibt oder gibt man sich wirklich mit den so genannten Innovationen, die angeblich aus Das Vogtland ist heute geteilt, sein südlicher Teil gehört Thüringen hervorgegangen seien, zufrieden, wie es das zum Bundesland Sachsen, der nördliche zu Thüringen, zur Zeit bzw. in Kürze zu erwartende forcierte Gedenken was jedoch dem ausgeprägten Regionalbewusstsein an Reformation, „Nationalversammlung“ oder einzelne kaum Abbruch tut. Genauere Kenntnisse der speziellen Künstler vermuten lässt? Derartige Einschränkung scha- Landesgeschichte sind dennoch nicht allzu weit verbreidet der geschichtswissenschaftlichen Forschung wahr- tet. Kaum einer weiß, dass es eine Landesherrschaft der scheinlich mehr als es der kurzfristige Nutzen für die Vögte ohne den Schutz und Einfluss der Böhmischen Selbstdarstellung einzelner Städte rechtfertigen mag. Krone kaum hätte geben können, wofür jedoch ein hoher Das Bundesland Thüringen ist eine Gründung des 20. Preis zu zahlen war, zu dem auch die andauernde Teilung Jahrhunderts und verfügt deshalb nicht über eine eigen- gehört. ständige politische Vergangenheit, die den Gegenstand Die eingangs erwähnte Initiative greift die Jahrhunderte der Landesgeschichte bilden könnte. Stattdessen sind langen, engen Verbindungen zwischen dem Vogtland und die ehemaligen Staaten und Dynastien zu betrachten, mit dem böhmischen Nachbarland auf und versucht, diese denen sich in vielen Fällen ein auff älliger Regionalismus als Teil einer gemeinsamen europäischen Geschichte beverbindet. Das gilt auch und ganz besonders für das Vogt- wusst zu machen. land, das einen relativ großen kompakten Raum bildet, Jene Verbindungen weisen bis in die Zeit der ersten der sich in vielerlei Hinsicht vom thüringischen Kernland böhmischen Königsdynastie, der Přzemysliden zurück, unterscheidet. die im 13. Jahrhundert versuchten, ihren damals ohnehin Der Name Vogtland geht auf die mit dem mittelalterlichen weitreichenden Einfluss nördlich des Erzgebirges auch Landesausbau verbundene Herrscherdynastie der Vögte auf das Vogtland auszudehnen. Umgekehrt gelangten die von Weida, Plauen und Gera zurück. Im nördlichen Teil Vögte im Auftrag der deutschen Könige und Kaiser immer hatte sich staatliche Selbständigkeit in Form der reußi- wieder zu hohen Ämtern in den umliegenden Reichslänschen Fürstentümer, der jüngeren Linie der Vögte von dern, wie dem Pleißenland oder dem Egerland. Alle VerPlauen, bis 1918 gehalten. suche, sich hier eine Machtbasis zu schaffen, scheiterten Das Vogtland gehörte nicht zum thüringischen Altsiedel- jedoch am wachsenden Übergewicht der großen Fürsten land, wurde erst seit dem 12. Jahrhundert nach damals und der böhmischen Könige. Schließlich blieb den Vögmodernen Gesichtspunkten erschlossen und stand zu- ten oder Herren von Weida, Gera, Plauen und den Reunächst der königlichen Zentralgewalt näher, ehe es unter ßen, wie sie sich nach dem Rückzug des Reiches aus der den Einfluss der regionalen Herrscherdynastien kam. Sei- Region nannten, nur noch die Auftragung ihrer Lehen an ne Lage in und zwischen Thüringen, Sachsen, Bayern und jene übrig. Böhmen machte es bereits früh aus strategischer Sicht Der Luxemburger Karl IV., Kaiser und böhmischer König, interessant. gliederte schließlich das südliche Vogtland den Ländern der Böhmischen Krone ein. Den aus ihren Stammlanden verdrängten Herren von Plauen gelang in Böhmen ein spektakulärer Aufstieg. Der Kaiser belehnte sie mit der Burggrafschaft Meißen, im Dienst der böhmischen Könige bekleideten sie hohe Ämter, was sie im 16. Jahrhundert zu Gegenspielern der böhmischen Ständeopposition machte. Nach dem politischen Zusammenbruch der wettinischen Ernestiner als ehemalig sächsische Kurfürsten infolge des Schmalkaldischen Krieges gelang es den Herren von Plauen, das Vogtland als böhmisches Reichsafterlehen im Verband des Alten Reiches in Form eines weitgehend selbstständigen Fürstentums neu zu verankern. Während das südliche Vogtland schließlich an das albertinische Kurfürstentum Sachsen kam, konnten die Reußen nach Aussterben aller anderen Linien das nördliche Vogtland zurückgewinnen. Der Schutz und die Garantie der Böhmischen Krone für die Reichslehen der Reußen bewährten sich im Österreichischen Erbfolgekrieg, als sich Maria Theresia weigerte, die Lehnsfolge an Kursachsen abzutreten. Treue zum Haus Habsburg hielt Reuß älterer Linie schließlich 1866, als Preußen gegen den Deutschen Bund Krieg führte. Unter den im Thüringischen Staatsarchiv Greiz verwahrten Quellen befinden sich somit zahlreiche Dokumente zur böhmisch-vogtländischen Geschichte. Auf dieses zum Teil unbekannte Material überregional und international aufmerksam zu machen und die Zusammenarbeit mit Archiven ähnlicher Überlieferung zu intensivieren, wäre ein wichtiges Ergebnis des „Kulturwegs der Vögte“. Die Unterstützung derartiger Projekte verspricht im Gegensatz zu mancher Leuchtturmfinanzierung vielfältigen und nachhaltigen Nutzen für eine ganze Region. Hagen Rüster Thüringisches Staatsarchiv Greiz Bericht zur Podiumsdiskussion „Rübermachen“ um jeden Preis? Die Ausreisegruppe „Weißer Kreis“ in Jena Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Von 1973 bis 1975 fanden die Verhandlungen der ersten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki statt. Ihr Ziel war, die friedliche Koexistenz in Europa durch eine Entspannungspolitik zwischen den USA und der Sowjetunion zu sichern. Mit der am 1. August 1975 auch von Erich Honecker unterzeichv. l. n. r.: Heidelore Rutz, Christian Hermann, Monika Lembke, Dietrich Lembke (Foto: Katharina Kempken) 34 neten „Schlussakte von Helsinki“ wurden erste Ergebnisse besiegelt. Im sogenannten „Korb 3“ wurden die Wahrung, die Einhaltung und der Ausbau der Menschenrechte festgeschrieben. Inwieweit der KSZE-Prozess und dessen Schlussakte oppositionelle Bewegungen in der DDR sowie in Mittel- und Osteuropa beeinflussten, untersucht das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ (ThürAZ) in seiner diesjährigen Veranstaltungsreihe. Das Thema lautet „Opposition und Menschenrechte nach der Schlussakte von Helsinki 1975: Wirkungen des KSZE-Prozesses im östlichen Europa und in der DDR“. In der DDR diente die Schlussakte von Helsinki mit dem darin bekräftigten Recht auf Freizügigkeit nicht nur Ausreisewilligen zur Legitimation ihrer Antragsstellung, sondern auch basiskirchlichen Kreisen als Diskussionsgrundlage der fehlenden Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit in der DDR. So entwarf 1977 eine ökumenische Gruppe in Naumburg das sogenannte „Querfurter Papier“, das die kritische Auseinandersetzung der Kirche mit dem sozialistischen Verständnis von Menschenrechten forderte. Auch in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten bildeten sich neue oppositionelle Gruppen wie die „Charta 77“ in der Tschechoslowakei, „KOR“ oder „Solidarność“ in Polen, die Menschenrechtsverletzungen öffentlich kritisierten und sich für die konsequente Umsetzung der in der Akte zugesicherten Rechte einsetzten. Welche Handlungsspielräume und -strategien ergaben sich aus dem Abschluss- wurde Herr Lembke fristlos aus seinem Dienstverhältnis als wissenschaftlicher Assistent an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena entlassen. Auch Dietrich Rutz wurde vom Ober- zum Assistenzarzt degradiert. Die Demütigung in der Schule des Sohnes der Lembkes führte schließlich sogar zu dessen Suizid. Das System der DDR erschien, vor allem der Familie Lembke, als nicht mehr reformierbar und ein Leben darin wurde, insbesondere nach den letzten Ereignissen, als unmöglich empfunden. Dennoch suchten die Zeitzeugen, insbesondere da sie als Familien die DDR verlassen wollten, einen sicheren Weg der Ausreise. Deshalb kam für alle Podiumsgäste eine Republikflucht nie in Frage. Der „Weiße Kreis“ als öffentliche, aber dennoch passive und somit „hart an der [rechtlichen] Grenze“ (Dietrich Lembke) agierende Form des Protests schien ihnen deshalb die beste Möglichkeit zu sein, eine Ausreise zu erwirken. Nach ersten Treffen des „Weißen Kreises“ bekam die Protestaktion durch die mediale Berichterstattung in der BRD breite Aufmerksamkeit und wurde auch in großen Teilen der DDR bekannt. So stieg die Teilnehmerzahl von anfänglich knapp 30 auf 200 Personen und Ausreisewillige aus verschiedenen Städten und Regionen der DDR reisten nach Jena, um an den Schweigedemonstrationen teilzunehmen. Die Teilnahme hatte unterschiedliche Folgen. Nach Konfrontation mit der Staatssicherheit und angedrohter Zwangsräumung ihrer Wohnung konnte Familie Lembke ausreisen. Bis dahin durften sie nicht mehr öffentlich aktiv werden und an Schweigekreisen teilnehmen. Heidelore und Dietrich Rutz jedoch wurden verhaftet und von ihren Kindern getrennt. Erst nach mehrmonatiger Haft in der MfS-Untersuchungshaftanstalt „Lindenstraße“ und dem Frauengefängnis Hoheneck wurden beide schließlich von der BRD freigekauft, sodass die Familie ausreisen konnte. Der „Weiße Kreis“ war eine Form des Protestes, um die Ausreise der Beteiligten zu erwirken. Er zielte nicht auf Änderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR. Ob die Beteiligten sich selbst als „Opposition“ begriffen, wurde unterschiedlich betrachtet. Monika und Dietrich Lembke sahen sich aufgrund ihres widerständigen Verhaltens gegen das staatliche System der DDR klar als Oppositionelle, die auch andere Gruppen beeinflussten. Die Einordnung des MfS als „feindlich-negative Kräfte“ lehnten sie jedoch entschieden ab. Heidelore Rutz empfand sich nie als Teil einer „Opposition“, sondern lediglich als Bürgerin, die eine sichere Möglichkeit der Ausreise suchte. Generell hatte der „Weiße Kreis“ Auswirkungen auf die gesamte DDR. Weiße Fahnen, Wimpel an Autos und Fenstern oder weiße Kleidung wurden bald als das verbindende Symbol der Ausreisebewegung verstanden. Die Podiumsdiskussion gab einen aufschlussreichen Einblick in den Umgang des DDR-Systems mit ausreisewilligen Bürgern. Die Aktivität in der Zweckgemeinschaft „Weißer Kreis“ hatte für die Teilnehmer zum Teil gravierende Auswirkungen, die die politische Härte unterstreichen, mit der der Staatsapparat dem „Ausbluten“ der DDR vorzubeugen und die Macht zu erhalten suchte. Sebastian Hakelberg Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ 35 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen dokument der KSZE für die unterschiedlichen Gruppen? Wie nahmen die Staatsoberhäupter der Sowjetunion und der DDR die Wirkung der Akte auf oppositionelle Bewegungen in ihrem jeweiligen Einflussbereich wahr? Diesen Fragen geht das ThürAZ anhand von wissenschaftlichen Vorträgen, Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen und einer szenischen Lesung nach. Am 18. Juni fand eine Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen des „Weißen Kreises“ statt, der 1983 in Jena gegründet worden war. Im „Weißen Kreis“ hatten ausreisewillige Bürger, die sich durch weiße Kleidung kenntlich machten, versucht, durch stillen Protest ihre Ausreise in die Bundesrepublik zu erwirken. Obwohl durch die Schlussakte von Helsinki auch den Bürgern der DDR theoretisch die freie Wahl des Wohnortes zustand, wurden Anträge auf ständige Ausreise in der Regel abgelehnt und waren bis 1983 sogar illegal. Die Teilnehmer versammelten sich ab dem 18. Juni 1983 jeden Samstag auf dem Platz der Kosmonauten (heute Eichplatz) öffentlich stumm nebeneinanderstehend, um mit diesem passiven Protest für ihr Recht auf Ausreise einzutreten. Eingeladen waren zwei Mitbegründer des Kreises, Monika und Dietrich Lembke, und eine ehemalige Teilnehmerin desselben, Heidelore Rutz. Moderiert wurde die Veranstaltung „‚Rübermachen‘ um jeden Preis? Die Ausreisegruppe ‚Weißer Kreis‘ in Jena“ von Christian Hermann. Es sollte geklärt werden, worin die Motivationen der Gäste für einen Ausreiseantrag bestanden und welche Folgen dieser für ihr Leben in der DDR hatte. Wie beeinflusste die KSZE-Schlussakte das Verhalten der Ausreisewilligen? Wie kam es zur Gründung des „Weißen Kreises“ und mit welchen Auswirkungen konnten die Teilnehmer konfrontiert werden? Warum wurde gerade diese Form des Protestes gewählt? Letztlich sollte auch besprochen werden, inwiefern sich die Gäste als Teil der Oppositionsbewegung in der DDR empfanden. Eine Motivation für die Ausreiseanträge stellte der empfundene Zwang dar, ein Leben mit „zwei Gesichtern“ führen zu müssen. Der Widerspruch zwischen politischer Propaganda und gesellschaftspolitischer Realität wurde ebenso als Grund genannt wie die Unterdrückung, der sich die Gäste durch öffentlich geäußerte Anschauungen oder kirchliches Engagement ausgesetzt sahen. So plante die christlich geprägte Familie Rutz schon lange, die DDR zu verlassen, da aufgrund ihrer Konfession ihre Kinder deutlich schlechtere Bildungs- und Berufschancen hatten. Die Reaktion der Gäste auf die Möglichkeit, die Akte als Argumentationshilfe gegenüber den Behörden zu nutzen, war gespalten. Herr und Frau Lembke wussten zwar von der Schlussakte, wollten zu jener Zeit aber noch nicht ausreisen. Für sie war die Entscheidung, die DDR zu verlassen, ein langer Prozess. Familie Rutz hingegen berief sich in ihren beiden Ausreiseanträgen auf die Schlussakte. Trotzdem wurden diese von staatlicher Seite mit der Berufung auf die Wichtigkeit der Arzttätigkeit von Dietrich Rutz abgelehnt. Antragsteller gerieten ins Visier der Staatsgewalt und konnten Ziel gesellschaftlicher Ächtung werden. Die Zeitzeugen betonten hier, dass eine soziale Ausgrenzung, etwa durch Kollegen oder Freunde, nicht stattfand. Sie erhielten von ihnen vor allem moralische Unterstützung. Allerdings nahm die staatliche Repression stark zu. So Die Wartburg im Blick Begegnung der süddeutschen Kirchenarchivare in Eisenach Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Tagungsprogramm im Zeichen des Reformationsjubiläums Mitteldeutschland, mitteldeutsche Kirche und Eisenacher Archiv auf dem Weg ins Jahr 2017 Das vor einem Jahr in Betrieb genommene neue Gebäude des thüringischen Landeskirchenarchivs liegt in einer Gegend Eisenachs, von der aus die Wartburg kaum zu sehen ist. Um diesen Standortmangel zu korrigieren, hatten die seinerzeit mit dem Umbau beauftragten Architekten die ehemalige Wehrmachtskaserne auf öffentlich präsentierten Entwurfszeichnungen stets in eine fiktive Sichtachse zur Wartburg gelegt. Ein solch engagiertes „Zurechtrücken“ vermisster Wirklichkeit findet seinen Grund wohl darin, dass für Außenstehende erst im Blick auf die symbolträchtige Silhouette der Wartburg Eisenach und Kirche miteinander verschmelzen. Dafür steht als Gewährsmann Junker Jörg, vertrauter als Martin Luther. Die mit aufwändigem Jubiläum weltweit bedachte Erinnerung an Luthers Wirken vor 500 Jahren prägte in weiten Teilen das diesjährige Arbeitstreffen der süddeutschen Kirchenarchivare, das am 29. und 30. Juni 2015 im Landeskirchenarchiv Eisenach stattfand. Es führte dreißig Archivare sowie Mitarbeiter aus landeskirchlichen Archiven unterhalb der geografischen Linie Düsseldorf-Dresden zum Fachgespräch zusammen und hieß dabei auch Gäste aus Kiel und Berlin willkommen. Im Freistaat Thüringen bekennen sich nach Angaben des statistischen Bundesamtes weniger als 25 Prozent der Bevölkerung zum Christentum. In Sachsen-Anhalt, das mit weiten Gebieten ebenso wie Thüringen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gehört, sind es weniger als 15 Prozent, in großen Städten beider Bundesländer liegt die Kirchenmitgliedschaft im einstelligen Bereich. Zentrale Stätten der Reformationsgeschichte wie Wittenberg, Mansfeld, Eisleben, Erfurt und Eisenach liegen inmitten eines stark säkularisierten Bevölkerungsumfeldes. Der Name Luther steht hier noch am stärksten als Marke innerhalb kulturtouristischer Programme. Die komplexe Bedeutung der durch Martin Luther in Gang gebrachten historischen Umwälzungen ist dagegen in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dessen ungeachtet bietet das ausgefächerte kulturelle Luther-Event-Management wichtige Anknüpfungspunkte für den Ausbau der Vernetzungsstruktur, die auch kirchliche und kulturelle Institutionen mit einbezieht, deren Fokus stärker auf die inhaltliche Bedeutung reformationsgeschichtlichen Erinnerns fällt. Über inhaltliche Schwerpunkte und auszubauende Netzstrukturen informierte der zweite Beratungstag. Dazu stellte die Projektmanagerin der EKM für die Lutherdekade, Dr. Christiane Schulz, wichtige Ziele und Stationen landeskirchlicher Arbeit auf dem Weg zum Reformationsjubiläum vor. Die besondere Herausforderung läge darin, durch eine kirchliche Öffentlichkeitskampagne das Werden und Wollen der Reformation in die heterogene, überwiegend konfessionslose Umwelt zu transferieren und dabei auf die Kommunikation seiner inhaltlichen Impulse nicht zu verzichten. Die langfristig angelegte Berührung mit reformationsgeschichtlichen Themen hat seit dem Jahr 2008 – dem Beginn der „Lutherdekade“ zu einer spürbaren öffentlichen Sensibilisierung für das nahende Jubiläum geführt. Die Reformationsdekade ist durchaus kein Fremdwort mehr und hat mit der gut angenommenen Wort-Bild-Marke: „Luther 2017 Am Anfang war das Wort“ ein stimmiges Corporate Design. Daneben sei aus landeskirchlicher Sicht insbesondere der Bildungsauftrag für ihre eigenen Gruppen und Kreise zu stärken. Christenlehre- und Konfirmandengruppen, Junge Gemeinden, Gesprächskreise, Chöre und auch die Gottesdienstgemeinde sollen hineingenommen werden in die Frage nach ihrer eigenen evangelischen Herkunft. Besonderes Interesse galt einer von Frau Dr. Schulz im letzten Jahr herausgegebenen Handreichung für Kirchengemeinden, die Anleitung gibt, wie man den jeweiligen lokalen reformatorischen Wurzeln auf der Grundlage von Quellen auf die Spur kommt. In diesem Zusammenhang werden Archive als Quellenwahrer und methodenkompetente Partner gebraucht und auch namentlich benannt. Eisenach als Lutherstätte Bereits die Hausführung, in der Archivleiterin Dr. Hannelore Schneider das Baukonzept und die Magazinbestände vorstellte, führte direkt in die Thematik. Museologe Burkhardt Breitsprecher präsentierte bei dieser Gelegenheit die von der Stiftung Lutherhaus hier untergebrachten Bestände des Deutschen Pfarrhausarchives. Als Mitarbeiter des Lutherhauses, das am 26. September 2015 am Eisenacher Lutherplatz neu eröff net wird, erläuterte er kurz die Neukonzeption seines Dienstortes und gab einen Vorgeschmack auf dieses große Ereignis. Im anschließenden Vortrag rief Stadtarchivar Dr. Reinhold Brunner – zugleich städtischer Beauftragter für die Lutherdekade – all jene Eisenacher Stätten auf, die quellengestützt oder durch andere Formen kollektiven Erinnerns mit dem Lebensweg des Reformators verbunden sind. In der Reihe dieser Erinnerungsorte nimmt natürlich die Wartburg als UNESCO-Welterbe zu Recht den vordersten Platz ein. Schließlich besuchten die Tagungsteilnehmer mit der Georgenkirche einen authentischen Lutherort. Der ehemalige Leiter des Landeskirchenarchivs und passionierte Kirchenhistoriker, Pfr. i. R. Dr. Wolfgang Schenk, entfaltete die historisch gewachsene Bedeutung dieses besonderen Kirchenraumes, der mit seiner reichen Ausstattung u. a. davon erzählt, dass hier Jahrhunderte vor Martin Luthers Predigt schon Elisabeth von Thüringen getraut und nach ihm Johann Sebastian Bach getauft wurden. 36 Viel Reformationsbewegtheit außen und weniger innen Wie die Regionen ganz praktisch mit auf den Weg genommen werden sollen, zeigte der Jenaer Superintendent Sebastian Neuß. Um möglichst viele Menschen am Deutschen Evangelischen Kirchentag im Jubiläumsjahr zu beteiligen, wurde die Idee vom „Kirchentag auf dem Weg“ entwickelt. Neben Berlin und Wittenberg wird es in zwei Jahren auch auf dem Gebiet der EKM in Halle/Eisleben, Magdeburg, Jena/Weimar und Erfurt sowie in Dessau (Anhaltische Landeskirche) und Leipzig (Landeskirche Sachsen) Kirchentage mit regionalen Schwerpunkten geben. Der zentrale Abschlussgottesdienst am 28. Mai 2017 soll dann mit allen Mitwirkenden und Gästen auf den Elbwiesen vor den Toren Wittenbergs gefeiert werden. Das „protestantische Rom“ erwartet schätzungsweise 300.000 Menschen zu diesem Ereignis. In deutlich begrenzteren Größenordnungen wird aus der Perspektive des Landeskirchenarchivs beobachtet, geplant und gehandelt. Dass die organisatorische Bewegtheit in der Reformationsdekade nicht von einer inneren begleitet wird, ist nüchtern zu konstatieren. Im Landeskirchenarchiv ist keine Zunahme an thematischen Bearbeitungen, Nutzeranfragen oder betreuten Forschungsarbeiten zu verzeichnen. Auch die im Mai 2014 in Weimar explizit mit diesem Anliegen abgehaltene Archivpädagogenkonferenz (Bericht dazu in „Archive in Thüringen“, 2014, S. 42-44) führte in Eisenach bislang zu keinem besseren Ergebnis. Ein Merkzeichen setzt die Forschung aus dem eigenen Haus. Pfarrer Dr. Hagen Jäger arbeitet seit zwei Jahren an einem aus der Bibliothek der Eisenacher Georgenkirche stammenden Handschriftenband mit Texten des mitteldeutschen Reformators und Lutherfreundes Nikolaus von Amsdorf (1483-1565). Bei den meisten darin enthaltenen theologischen Erörterungen und Auseinandersetzungen des streitbaren Amsdorf mit seinen Zeitgenossen handelt es sich um bisher ungedruckte Schriften. Sie sollen Aufnahme in die Publikationsreihe der Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und lutherischen Orthodoxie finden und bis zum Reformationsjubiläum darin erscheinen (siehe S. 21f. dieses Heftes). Auf ein weithin akzeptiertes und mittlerweile deutschlandweit bekanntes Forschungsergebnis aus reformationsgeschichtlichen Quellen wies Archivarin Christina Neuß hin. Die von der Frauenarbeit der EKM initiierte Wanderausstellung „Frauen der Reformation in der Region“ (www. frauenarbeit-ekm.de) zeigt auf Roll-Ups zwölf Frauen aus dem Mutterland der Reformation. „Patinnen“ aus der Gegenwart präsentieren auf Grundlage eigener Recherchen ein Ergebnis, mit dem Leben und Kontext der „Ahnin“ anschaulich werden, vertieft durch Informationen zur sozialund geistesgeschichtlichen Situation im 16. Jahrhundert. Frauen wie Felicitas von Selmnitz (1488-1558), Anna von Mansfeld (1490-1559) oder Magdalena von Staupitz (um 1485-1548) treten dank dieser Ausstellung aus ihrem Jahrhunderte währenden Schattendasein heraus und erhalten eine ihrer Lebensleistung angemessene Würdigung und 37 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Dr. Wolfgang Schenk führt durch die Georgenkirche (Foto: Axel Schneider) dies in der Region, aus der sie stammen. Ein solcher Zugewinn an überlieferungsgestützter Identität bereichert das Leben in Kommunen und Kirchengemeinden. Die Ausstellung erlebt seit ihrer ersten Station am Reformationstag 2012 in der Marktkirche Halle (Saale) einen nicht nachlassenden deutschlandweiten Zuspruch. Der Katalog hat nach mehreren Neuauflagen inzwischen auch eine englische und schwedische Übersetzung erfahren. Ein Ausstellungspendant tourt mittlerweile durch Schweden. Die Ausleihwünsche greifen ununterbrochen bis in das Jahr 2018. Auch im Landeskirchenarchiv Eisenach war die Ausstellung vom 31. August bis 25. September 2015 zu sehen. ARCHION: Ein Portal ins digitale Zeitalter Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Der Erfolg der reformatorischen Bewegung wurde wesentlich von der damals jungen Erfindung des Buchdrucks unterstützt. Ob die heutigen Kirchen am „Ende des Gutenbergzeitalters“ (McLuhan) vorhandene Kommunikationswege mit ähnlicher Effizienz beschreiten können, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch fraglich. Die im Herbst 2014 in Dresden abgehaltene Synode der EKD hat sich vor diesem Hintergrund mit den Chancen der „Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“ befasst. Das Kirchenbuchportal ARCHION (www.archion.de) stellt eine Möglichkeit dar, Kirche in modernen Medien zu begegnen. Mit ihm sollen schrittweise Zugänge zu digitalisierten Daten von insgesamt 200.000 Kirchenbüchern auf dem Gebiet der EKD für genealogische Forschungen bereitgestellt werden. Um die Arbeit dieses am 20. März 2015 freigeschalteten Portals vorzustellen, waren der Geschäftsführer von ARCHION, Harald Müller-Baur (Stuttgart), sowie die maßgeblich an der Entwicklung des Portals beteiligten Archivarinnen Dr. Gabriele Stüber (Speyer) und Dr. Bettina Wischhöfer (Kassel) angereist. Sie informierten über erste Nutzererfahrungen, Zahlen und Entwicklungen sowie über die Erwartungen an künftige Teilnehmer. Im Vordergrund stehen dabei die Kirchenbuchbestände der EKM, die mit ihren mehr als 60.000 Kirchenbüchern zu den größeren Landeskirchen gehört. Angesichts des starken öffentlichen Interesses werden die Gespräche darüber, ob und wie die ressourcenintensive Portal-Beteiligung angesichts des breiten Spektrums anstehender archivischer Aufgaben ansteht, auch in der EKM ehrlich geführt werden müssen. Wege hinter die digitale Zeit sind freilich für keine Landeskirche mehr denkbar. Arbeit ohne Lobby und Dachmarke: Vom Schattendasein der Archivpflege Einen völlig unspektakulären elektronischen Weg zu hilfreichen Daten gibt es in Sachen Archivpflege schon seit längerer Zeit über die Homepage des Eisenacher Landeskirchenarchivs (www.landeskirchenarchiv-eisenach.de/ archivpflege). Allerdings halten sich die Zugriffe bislang im überschaubaren Rahmen. Die Eisenacher Archivare stellten fest, dass bereits der Begriff „Archivpflege“ außerhalb der Fachwelt „übersetzt“ werden müsse. Archivpflege sei – darin gäbe es eine strukturelle Parallele zur Altenpflege – wichtig, politisch gewollt, doch mit Blick 38 auf die Fülle der Aufgaben finanziell und personell völlig unzureichend ausgestattet. Diese wichtige bestandserhaltende Kernaufgabe brauche daher dringend ein administrativ gewolltes und gestärktes Image. Die Aktualisierung der in der EKM noch gültigen Dienstanweisungen für Archivpfleger aus den Jahren 1955 und 1963 steht vor ihrem Abschluss und weist in eine neue Richtung. Die nahezu ausschließliche Verankerung dieser Tätigkeit im ehrenamtlichen Bereich wird auf Dauer kaum ausreichen, da neue Raumordnungen innerhalb der EKM riesige Verwaltungseinheiten für geschäftsführende Pfarrer und Gemeindekirchenräte schaffen, in denen die Pflege der vielen Einzelarchive nur am Rande geleistet werden kann. Eine Unterstützung durch hauptamtlich eingesetzte Betreuer, Berater oder Archivare scheint auf lange Sicht in einigen Landstrichen der EKM unumgänglich. Weiterhin unverzichtbar sind Fortbildungen für alle Archivmitarbeiter. Erwähnt seien die jährlichen Arbeitsberatungen der kirchenkreislichen Archivpfleger der EKM, die, für alle Interessierten offen, regelmäßig von Magdeburg und Eisenach aus organisiert werden. Daneben werden jährlich, ebenfalls von beiden landeskirchlichen Archiven verantwortet, in Tabarz und Magdeburg Schulungen angeboten, in denen das nötige praktische und theoretische Rüstzeug für die Bewältigung der vielfältigen Arbeit im Pfarrarchiv angeboten wird. Netzwerke in den Kommunen, attraktive Öffentlichkeitsarbeit und, wenn nötig, auch unorthodoxe Finanzierungsmodelle werden langfristig nötig sein, um jene Überlieferung dauerhaft zu sichern, die seit Luthers Zeit auf uns gekommen ist. Bes(ch)wingter Abschluss Am Ende der zweitägigen Beratung stand ein Besuch im „Internationalen Archiv für Jazz und populäre Musik der Lippmann und Rau-Stiftung“, kurz: Jazz-Archiv, im Eisenacher Palmental. Dass sich in der Geburtsstadt Johann Sebastian Bachs ein solches Archiv findet, vermag seine Verehrer nicht wirklich zu verwundern, erkennen sie doch in der Klangwelt des großen Meisters reiche Anstöße zum Improvisieren. Durch das ehrenamtlich betriebene Archiv führte Daniel Eckenfelder. Er kann mittlerweile auf etwa 80.000 Tonträger, 60.000 Bücher und Zeitschriften sowie noch einmal so viele Fotografien verweisen. Das inzwischen in der internationalen Musikszene bekannte Museum ist mit einem 700 Quadratmeter großen Raumangebot in der alten Eisenacher Mälzerei viel zu klein. Es wird in absehbarer Zeit darum einen Neubau für diese musikgeschichtlich einzigartigen Quellen geben. Als Ideengeber dafür konnte kein Geringerer als der weltberühmte Schweizer Architekt Peter Zumthor (u. a. Kunsthaus Bregenz, Kunstmuseum Kolumba Köln) gewonnen werden. Wünschen wir diesem Neubau, dass man von dort sogar die Wartburg sehen kann. Christina Neuß, M. A. Landeskirchenarchiv Eisenach Schülerprojekt des Stadtarchivs und des Salinen- und Heimatmuseums Bad Sulza Schülerinnen bei der Projektarbeit (Foto: Bernhard Heinzelmann) und Inventarlisten herangezogen und für die Erfassung bearbeitet. Neben der Übertragung der Textdateien wurde eine ergänzende Fotodokumentation angelegt und in die Datenbank mit aufgenommen. Die Datenbank ist Kern der Projektarbeit, um nach Abschluss des Projektvorhabens den multimedialen Zugang zu den Archivquellen und Museumsexponaten zu ermöglichen. Der direkte Kontakt mit den historischen Quellen, das Heranführen an die archivalischen Materialien und den vergegenständlichten Sachzeugen der Geschichte war für die Projektteilnehmer absolutes Neuland. Das reflektierte vor allem ihr Verständnis zum Projektvorhaben und die Herangehensweise an die im Stadtarchiv und Stadtmuseum verwahrten historischen Werte. Diese Erfahrungen potenziert die Bemühungen des Stadtarchivs Bad Sulza, stärker als Kooperationspartner für Schulen und andere Bildungseinrichtungen mit didaktischen Möglichkeiten und Angeboten zu agieren. Die Entwicklung von projektbezogenen Modulen soll dabei die Herangehensweise an die historischen Archivquellen und musealen Sachzeugen der Geschichte erleichtern. Das Verhältnis von Lernen, Forschen und Entdecken war zwischen den Kooperationspartnern so zu gestalten, dass das Arbeiten in den außerschulischen Lernorten Archiv und Museum für die Projektteilnehmer attraktiv und spannend war und letztlich auf ein nachhaltiges Erlebnis zielte. Die Ergebnisse der Projektarbeit werden im Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza von den Projektteilnehmern öffentlich vorgestellt und verteidigt. Bernhard Heinzelmann Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza 39 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Das Stadtarchiv Bad Sulza hat in Zusammenarbeit mit dem städtischen Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza im Sommer 2014 erstmals ein Schülerprojekt mit Schülern der 9. Klasse der Staatlichen Regelschule („Toskana-Schule“) Bad Sulza ins Leben gerufen und fachwissenschaftlich begleitet. Grundlage des Projektvorhabens war ein zwischen der Stadtverwaltung Bad Sulza und der Regelschule abgeschlossener Kooperationsvertrag, der Aufgaben und Pflichten, Inhalt und Projektdauer beinhaltet. Zielstellung des Projektes war die Erfassung, Inventarisierung und Erforschung von Exponaten des Stadtmuseums auf der Grundlage von Archivalien des Stadtarchivs und des Stadtmuseums. Das Projekt war somit archivund zugleich museumspädagogisch ausgerichtet, um den Schülern den Zugang zu beiden außerschulischen Lernorten anbieten zu können. Somit war den Projektteilnehmern der direkte Kontakt zu den authentischen Dokumenten und Exponaten im Stadtarchiv und im Stadtmuseum ermöglicht worden. Das archivpädagogische Angebot des Stadtarchivs Bad Sulza, das hier erstmals praktiziert wurde, will vor allem als ein Mittel der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verstanden sein, um den Schülern auf diese besondere Weise Einblicke in die Geschichte ihrer Stadt und damit ihrer eigenen Lebenswelt zu vermitteln. Stadtarchiv und Stadtmuseum sehen darin einen wichtigen Bestandteil ihres kultur-, informations- und bildungspolitischen Auftrages. Der Schwerpunkt der methodischen Herangehensweise an das Projektthema war auf ein eigenständiges forschendes Lernen und selbstständiges Arbeiten ausgerichtet. Innerhalb des Gesamtthemas war den Projektteilnehmern ein besonderes Aufgabengebiet übertragen worden, das zwar thematisch auf das Projektziel ausgerichtet war, aber selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten von den Projektteilnehmern forderte. Archiv- und museumsfachliche Arbeit waren hier zu koordinieren und modulübergreifend in Übereinstimmung zu bringen. Für die direkte Projektarbeit im Stadtarchiv und Stadtmuseum stand den Schülern ein gutes halbes Jahr zur Verfügung. Konsultations- und Arbeitsort war das Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza. Hier trafen sich die Schüler wöchentlich einmal zu ihren Projektarbeiten und Informationskonsultationen. Betreuung gaben eine Fachpädagogin der Bad Sulzaer Regelschule und ein Mitarbeiter des Stadtarchivs. Für das Projekt standen den Teilnehmern moderne PC-, Dokumentations-, Repro- und Fototechnik zur Verfügung. Sie war mit Unterstützung des Freistaates Thüringen eigens für dieses und für weitere geplante Projekt- und Kooperationsvorhaben angeschaff t worden. Die Digitalisierung der inventarisierten Museumsexponate, ihre elektronische Speicherung und Verwaltung in Text und Bild auf einer Datenbank war eine der Aufgaben der Projektgruppe. Hierzu wurden diesbezügliche Archivalien in Form von Archivakten, Karteikarten Von Mauern, Toren, Pforten und Gräben Altenburger Grundschüler entdecken ihre Stadt Ausgangslage Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Im Heimat- und Sachkundeunterricht an Thüringer Grundschulen ist für die Klassenstufe 3 mit dem Thema „Meine Heimatstadt früher“ ein Projekt fest verankert, dass Kinder dieses Alters durchaus faszinieren kann. Vor allem dann, wenn man konkrete Einrichtungen – wie Stadtmauer, Stadttore und sonstige Befestigungsanlangen – aus der eigenen Stadt zum Anlass nimmt, um dem Leben in einer mittelalterlichen Gemeinschaft näher zu kommen. Diesen Versuch unternehmen auch die Altenburger Grundschullehrer mit jeder dritten Klasse erneut. Allerdings nutzen die wenigsten von ihnen tatsächlich regionales Anschauungsmaterial, so dass die Informationen in der Regel sehr allgemein bleiben und ein interessantes Projektthema in der Belanglosigkeit zu verpuffen droht. Diesen Umstand nahmen die Mitarbeiter des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg zum Anlass, um ein erstes eigenes Angebot für Grundschulklassen zu erarbeiten. Die Quellenlage war bekannt, überschaubar und deshalb für Grundschüler gut zu fassen. So existieren in der Bildersammlung des Archivs farbige Abbildungen aller fünf Stadttore aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Diese stammen vom Hofwagner Carl Christian Schadewitz, der als Wort- und Bildchronist durch Altenburg zog und unter anderem den Zustand der Stadttore kurz vor ihrem Abriss darstellte. Weiterhin verfügt das Staatsarchiv über die so genannten Barrikadenbilder. Diese zeigen die Barrikaden am Burgtor, am Teichtor und am Schmöllnschen Tor, die zwischen dem 18. und 20. Juni 1848 errichtet worden waren, als sich in einer beispiellosen Aktion 15.000 Altenburger Bürger und Bauern des Umlandes zusammenschlossen und bewaff neten, um das Eindringen von 1.800 sächsischen Soldaten in die Stadt zu verhindern. Auf der ältesten Gesamtansicht der Stadt Altenburg – einem Merianstich aus dem Jahre 1603 – ist der Verlauf der Stadtmauer deutlich zu erkennen. Historische Stadtpläne sind in der Karten- und Plansammlung überliefert. Zusätzliche Informationen, Daten und Fakten liefern die heimatgeschichtlichen Beiträge in Büchern, Zeitschriften und Kalendern. Die größte Herausforderung für die Archivare bestand nun darin, mit Hilfe der beschriebenen Dokumente eine wirklich kindgerechte, interessante und erlebnisreiche Veranstaltung zu erarbeiten, in der die Schüler selbst aktiv werden können. Ein neues Angebot Entstanden ist nach einer mehrmonatigen Vorbereitungszeit ein ausgesprochen attraktives Angebot, das aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil findet im Seminarraum des Staatsarchivs Altenburg statt, der dafür bestens ausgestattet ist. In der Mitte des Raums erwartet die Kinder in 40 einer Größe von 1,60 m x 2,50 m ein auf Kunststoff aufgezogener Stadtplan aus dem Jahre 1858. Der Merianstich aus dem Jahre 1603 ist bereits auf das Whiteboard projiziert. Gemeinsam betrachten die Kinder die alte Ansicht. Wer sich traut, darf ein Gebäude, das er wiederzuerkennen glaubt, farbig im Bild markieren. Außerdem spüren die Schüler dem Verlauf der Stadtmauer nach, markieren Türme und sichtbare Tore, vergleichen Bekanntes mit Unbekanntem. Danach erhalten die Kinder Ausdrucke eines Stadtplans, in denen der Verlauf der Stadtmauer bereits eingetragen ist. Einige Freiwillige versuchen nun, die Informationen auf den großen Stadtplan zu übertragen und die Stadtmauer mit sandfarbenen Styroporsteinen nachzubauen. Erst jetzt wird klar, wie klein die ursprüngliche Stadt eigentlich war, dass bekannte Gebäude wie das Schloss oder Areale wie der Große und der Kleine Teich gar nicht zum Stadtgebiet gehört haben und dass die meisten Kinder außerhalb des eigentlichen Stadtkerns wohnen. Im Anschluss betrachtet die Gruppe den Stadtplan genauer und erfährt, dass viele der heutigen Straßennamen immer noch aus der Zeit herrühren, als Altenburg von einer Stadtmauer umgeben war und dass man sogar deren Verlauf ablesen kann. So heißt noch heute die von Westen in die Stadt führende Straße genau bis zum Standpunkt des früheren Johannistores Johannisvorstadt und danach Johannisstraße. Mit der Schmöllnschen Vorstadt und der Teichvorstadt verhält es sich ebenso. Ebenfalls auf Styroporsteinen sind die Stadttore nachgebildet worden, die weitere Schüler in die Mauer einsetzen. Als sehr knifflig empfinden Schüler und Lehrer die Zuordnung der einzelnen Tore in das heutige Stadtbild. Dazu wurden vorab die Standorte der früheren Stadttore fotografiert. Die heutige Ansicht und die farbige Abbildung aus der Bildersammlung können meist nur in Gemeinschaftsarbeit in Übereinstimmung gebracht werden. Mit diesem Wissen ausgerüstet, das sich die Kinder aktiv und in Eigenregie angeeignet haben, startet die Gruppe nun zum historischen Stadtrundgang. Dieser soll am Standort des früheren Burgtors beginnen und entlang der Stadtmauer von einem Stadttor zum nächsten führen. Da allerdings von der ursprünglich 2.050 Meter langen und ca. 8 Meter hohen Stadtmauer mit ihren 5 Toren nur sehr wenig erhalten geblieben ist, musste ein Weg gefunden werden, die Strecke dennoch interessant zu gestalten. So entstand die Idee für ein Fotosuchspiel. Alle bis heute erhalten gebliebenen Mauerreste – und seien sie noch so klein – waren im Vorfeld des Stadtrundgangs fotografiert worden, ebenso alle Standorte der früheren Tore und die beiden letzten Wachtürme. Die Fotos jeweils einer Etappe wurden zusammen in einem Umschlag aufbewahrt. Zu Beginn des Stadtrundgangs werden die nummerierten Umschläge verteilt und immer ein Kind darf nun die gesamte Gruppe von einem zum nächsten Etappenziel führen und sollte dabei möglichst alle Stadtmauerreste von den Fotos in der Realität wiederfinden. An den Standorten der früheren Tore, auf dem alten Markt und an einer besonderen Stelle der Stadtmauer gibt es kurze Informationen, die stets reichlich bebildert sind. Das Bildmaterial dafür trägt die Archivarin in einer großen Klappmappe bei sich. Ein günstig gelegener Spielplatz auf der Mitte der Strecke lädt zu einer Frühstücks- und Spielpause ein. Dort können die Kinder neue Kraft tanken. Das Angebot des Staatsarchivs Altenburg besteht erst seit Juni dieses Jahres. Bislang haben drei Veranstaltungen stattgefunden. Die beteiligten Archivare waren vom Interesse, der Aufmerksamkeit und der Wissbegierde der Kinder sehr positiv beeindruckt. Die Kinder waren begeistert, dass sie selbst aktiv werden konnten und davon, wieviel Neues sie aus ihrer Heimatstadt erfahren haben. Beim Suchspiel nach den Fotos wurde der kind- liche Ehrgeiz angeregt, aber auch Teamarbeit gefördert, denn kaum einer konnte den Weg ohne Hilfe von anderen finden. Aus Sicht des Archivs haben sich alle gedanklichen, finanziellen und arbeitszeitlichen Vorleistungen durchaus gelohnt. Entstanden ist ein nachhaltiges Angebot, das auf absehbare Zeit immer wieder ohne Aufwand reaktiviert werden kann und sicher auch im kommenden Schuljahr von den neuen dritten Klassen gut angenommen werden wird. Im neuen Flyer, der die archivpädagogischen Angebote des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg zusammenfasst und an alle Schulen versendet wurde, sowie in den regelmäßigen Infobriefen das Hauses ist die Veranstaltung bereits offensiv beworben worden. Erläuterungen an der Stadtmauer (Foto: Heike Grimm) Gruppenarbeit im Seminarraum (Foto: Heike Grimm) Doris Schilling Thüringisches Staatsarchiv Altenburg 41 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Gruppenarbeit im Seminarraum (Foto: Heike Grimm) Sonderausstellung des Kreisarchivs Schmalkalden-Meiningen zum Ersten Weltkrieg Geschichte und Theater im Doppelpack Die Sonderausstellung „Der Erste Weltkrieg 1914-1918 – wiederentdeckte Archivalien und Sachzeugnisse aus Meiningen und anderen Orten des Herzogtums Sachsen-Meiningen“ im Saal des Landratsamtes war mit drei interessanten generationenübergreifenden Theaterinszenierungen verbunden. Das stieß beim Publikum auf eine sehr gute Resonanz. In der Zeit vom 26. Oktober bis 13. November 2014 wurden etwa 1.000 Besucher erreicht. Themen der Sonderausstellung wurden im Historienspiel „1914 – Vorahnungen im Herzogtum Sachsen-Meiningen“ aufgegriffen. Engagierte Laiendarsteller des Südthüringer Amateurtheater e. V. Obermaßfeld-Grimmenthal erinnerten an die Situation am Vorabend des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges in Meiningen. Das zweite Projekt „Echo des Krieges“ unter der Leitung und Regie von Elke Büchner aus Meiningen zeigte mit den Mitteln des Theaters – insbesondere des Schauspiels, der Bewegung und des Tanzes –, was Krieg bedeutet und welche Wunden Kriege hinterlassen. Die gestische Performance in zwölf Bildern zog die Besucher im Saal in ihren Bann. Filme und Gespräche Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Innerhalb der Ausstellung waren u. a. zwei Dokumentarfilme auf einer Großleinwand zu sehen. Dabei handelte es sich um den ersten Dokumentarfilm der Filmgeschichte zur Offensive an der Westfront im Jahr 1916. Zum Thema „Krieg – einst und heute“ gab es zwischen den Ausstellungsbesuchern gerade im Bereich der Ausstellungstafeln interessante und emotionale Gespräche. Das Thema Blick in den Bereich der Sonderausstellung (Foto: Tom Pleiner) 42 Angelika Hoyer (rechts) im Gespräch mit den Leihgeberinnen Helga Scholz und Erika Schmidt aus Einhausen (Foto: Tom Pleiner) Krieg und die Folgen ist so aktuell wie nie. Unzählige Bürger, die mit ihren Leihgaben und Schenkungen diese Ausstellung ermöglicht haben, waren besondere Gäste innerhalb der Veranstaltungen. Mit großer Freude, entdeckten sie ihre Dokumente, Fotos bzw. Sachzeugnisse. Ausstellungsabschluss und erneute Schenkungen und Ankäufe Aufgrund des großen Interesses war die Sonderausstellung bis zum 30. Dezember 2014 im Landratsamt verlängert worden. Im Anschluss wurden ca. 80 Prozent aller Leihgaben, welche 58 Bürger des Landkreises dem Archiv zur Vorbereitung der Sonderausstellung übergeben hatten, von den jeweiligen Eigentümern wieder abgeholt. Bei der Rückgabe der Dokumente, Fotos und Sachzeugnisse brachten alle Leihgeber ihre Freude über die gelungene Sonderausstellung zum Ausdruck. Fast alle 30 Leihgaben bzw. 38 Schenkungen unterschiedlichen Umfangs konnten auf Schautafeln, in Dokumentationen und Ausstellungsvitrinen präsentiert werden. Im Ergebnis wurde diese Ausstellung durch die Vielzahl der Übergaben eine Ausstellung „der Bürger für die Bürger des Landkreises“. Im Vorfeld der Rückgabe fragte Frau Hoyer alle Leihgeber, ob sie sich vorstellen könnten, das eine oder andere interessante Exponat dem Kreisarchiv als Dauerleihgabe oder Schenkung zu überlassen. Die Resonanz war unerwartet groß. Tatsächlich entschieden sich 18 Personen, Teile ihrer Leihgaben als Dauerleihgabe oder Schenkung im Kreisarchiv zu belassen. Ein häufiges Argument: „Hier ist alles in guten Händen, ein Ort, an dem es für die zukünftigen Generationen einen Sinn erhält“. Selbst während und nach der Sonderausstellung gingen noch Schenkungen an das Kreisarchiv über. Drei weitere Ankäufe von besonderen Sachzeugnissen wurden u. a. durch das Kreisarchiv in den letzten Tagen getätigt. Bis Oktober dieses Jahres sind auf Grund der weiteren Aktualität der Thematik noch sechs Ausstellungsvitrinen für einige Wochen im Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen im Landratsamt, Haus 3, Obertshäuser Platz 1, zu besichtigen. Ein herzlicher Dank ging an alle Spender, die die wichtige Arbeit der Kriegsgräberfürsorge unterstützten. Bisher gingen im Zuge der Sonderausstellung Spenden in Höhe von 217,90 € ein. Wanderausstellung Das heißt, die Tafeln in der Größe von 1,50 m x 1,20 m sind auf fahrbaren Ständern befestigt und können kostenlos ausgeliehen werden. Die Mitarbeiter des Kreisarchivs Schmalkalden-Meiningen hoffen sehr, dass diese Dokumentation historische Bildungsarbeit leistet, denn diese ist notweniger denn je. Es gilt, mit „Geschichte und Geschichten“ auch heute an das zu erinnern, was Konflikte und Kriege hinterlassen. Die Tafeln erzählen aus der Stadt Meiningen und anderen Orten des Herzogtums Sachsen-Meiningen, also aus unserer unmittelbaren Umgebung. Interessenten können sich bei der Kreisarchivarin, Frau Hoyer, melden (Tel. 03693 485300 oder E-Mail: [email protected]). Die 22 Ausstellungstafeln der Sonderausstellung haben ab Januar 2015 schon mehrere Interessenten gefunden. Angelika Hoyer Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen Ausstellung des Stadtarchivs Eisenach Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Vom 26. September bis zum 15. November 2015 zeigt des Stadtarchiv Eisenach aus Anlass des 25. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung eine Ausstellung mit dem Titel „grau in grau – Visionen und Wirklichkeit“. Ausgehend von den Visionen, die die Nachkriegszeit im Hinblick auf die künftige Entwicklung Eisenachs hervorbrachten, eingebettet in Aufnahmen der späteren Lebenswirklichkeit der Menschen in dieser Stadt und vor dem Hintergrund stetig wachsender Umweltprobleme, dokumentieren die Bilder der Ausstellung die signifikanten Wandlungen in einem Stadtbild, das seit den 1980er Jahren von zunehmendem Verfall geprägt war. Gegenüber gestellt werden aktuelle Fotografien, die die bauliche Entwicklung der letzten 25 Jahre verdeutlichen sollen. Die bewusste Konfrontation im Sinne eines „Schwarz-Bunt-Kontrastes“ soll dabei einerseits den Diskurs, einen Dialog der Eisenacher mit ihrer Stadt provozieren, andererseits dem Stadtgast ermöglichen, die Entwicklung Eisenachs in den letzten 25 Jahren virtuell nachzuempfinden. Die Ausstellung ist im Marstall des Stadtschlosses am Markt zu sehen. Sie basiert vor allem auf den Bildbeständen des Stadtarchivs Eisenach. Auf Initiative des damaligen Bauamtes hatte ein semi-professioneller Fotograf in den 1980er Jahren das Stadtbild dokumentiert. Aus dieser Bildserie hoff te man seinerzeit, bauliche und planerische Notwendigkeiten ableiten und begründen zu können. Dr. Reinhold Brunner Amt für Bildung, Eisenach 43 Historische Stadtrundgänge in Auma Eine Möglichkeit zur Inszenierung archivalischer Quellen Einleitung Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Ursprünglich wurde die Vermittlung der Stadtgeschichte in Form eines Historischen Stadtrundgangs durch die Kleinstadt Auma als ein besonderer Programmpunkt der Festwoche anlässlich der 675. Wiederkehr der Verleihung des Stadtrechts im Jahr 2006 ins Leben gerufen. Die geistigen Eltern dieser Präsentationsform historischer Ereignisse, Personen, Legenden und Erzählungen ihrer Heimatstadt sind das inzwischen in Kirschkau beheimatete Lehrerehepaar Ute und Wolfgang Hieb. Als klare Intention dieses Vorhabens formulierte Ute Hieb dabei von Anfang an „eine aufgelockerte Stadtführung anzubieten. Also mehr, als dass ein Mensch vor einer Gruppe stehe und etwas referiere“. Da Frau Hieb in Zusammenarbeit mit der damaligen Stadtarchivarin Ella Werner (1923-2013) und einigen weiteren Heimatforschern im Zuge des Stadtjubiläums 2006 an der Erstellung der Festschrift mitwirkte, förderte das Autorenteam zahlreiche spannende, teilweise auch längst in Vergessenheit geratene Facetten der Stadtgeschichte zutage. Während des Verfassens des Bandes „675 Jahre Auma – Geschichte und Geschichten einer Stadt“ kam Ute Hieb schließlich auf die Idee, einige besonders markante Begebenheiten des städtischen Lebens und die zugehörigen Protagonisten mit ihren in den Quellen geschilderten charakteristischen Eigenschaften zum Leben zu erwecken. Dieser erste Historische Stadtrundgang am 31. August 2006 war als eine einmalige Veranstaltung geplant, doch rasch hatte das Ehepaar Hieb eine so große Zahl an belehrenden, gleichsam aber auch amüsanten Episoden zusammengetragen, dass eine Auswahl schier unmöglich erschien, ohne interessante Details der Stadtgeschichte ausklammern zu müssen. Aufgrund der großen Resonanz bereits dieses ersten Stadtrundgangs mit mehr als 800 Besuchern, beschlossen die Organisatoren, diese Veranstaltung im jährlichen Rhythmus fortzusetzen. Quellengrundlage, Drehbuchgestaltung und Umsetzung Die Quellengrundlage für das chronologische Gerüst eines jeden Historischen Stadtrundgangs durch Auma bildet die im Stadtarchiv Auma-Weidatal verwahrte Tageszeitung aus der Zeit vor genau einhundert Jahren. Da in diesem Zeitraum die „Ostthüringer Zeitung“ und ihre Vorläuferblätter in Auma verlegt und gedruckt wurden, lassen sich darin in fast jeder einzelnen Ausgabe Nachrichten über das Geschehen in der ostthüringischen Kleinstadt ausfindig machen. Der jeweilige Jahrgang der Aumaer OTZ, die nicht in Verbindung mit der heutigen gleichnamigen Tageszeitung steht, bildet einen ergiebigen Quellenfundus, aus welchem Ute Hieb manche längst der Vergessenheit anheim gefallende Begebenheit für 44 das Drehbuch ihrer Stadtrundgänge schöpft. Diese grobe Zeitungschronologie wird durch weitere archivalische Quellen wie die städtische Chronik, die Überlieferung der Stadtverwaltung sowie mit archivierten Egodokumenten aus der jeweiligen Zeit konkretisiert und ausgeschmückt. Die über den Zeitungsbestand hinausgehenden Archivrecherchen werden vom Stadtarchiv Auma-Weidatal übernommen und der Drehbuchautorin unentgeltlich zugearbeitet. Neben dem lokalhistorischen Schwerpunkt werden in den Stadtrundgängen des Öfteren auch Themen von nationaler und internationaler Bedeutung aufgegriffen. Beispielsweise war zum siebten Historischen Stadtrundgang im Jahr 2012 extra Friedrich der Große (1712-1786) mittels einer Zeitmaschine angereist, um im Jahr seines 300. Geburtstages einerseits über die Einführung der Kartoffel in den deutschen Territorien zu sprechen und andererseits auch an die kurze Phase der Zugehörigkeit Aumas zum preußischen Staat (Mai-November 1815) zu erinnern. Der sächsische Kurfürst August der Starke (1670-1733) kam im Stadtrundgang des Jahres 2010 zu Wort und berichtete reumütig von der Legende, wie er einstmals aus purem Übermut in den Turmknopf der Aumaer Liebfrauenkirche geschossen haben soll. Zum Abschied verwies er auf die unter seiner Herrschaft initiierte Landesvermessung und dankte den Bürgern der Stadt dafür, dass die während seiner Regierungszeit im Jahr 1722 aufgestellte kursächsische Postmeilensäule auf dem Markt nach der Restaurierung im Jahr 2006 in fast noch schöneren Farben als damals erstrahlt. Annerose Barnikow als Großherzogin Feodora von Sachsen-Weimar-Eisenach (1890-1972) und weitere Darsteller beim neunten Historischen Stadtrundgang (StA Auma-Weidatal, Fotosammlung Historische Stadtrundgänge, Nr. 421) Auch der französische Kaiser Napoleon Bonaparte (17691821) besuchte Auma nach seiner Übernachtung in den Oktobertagen des Jahres 1806 im damaligen Haus des Akziseninspektors Hase am Markt 200 Jahre später nochmals, um sich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die den Einwohnern durch Einquartierungen, Plünderungen, Versorgungsleistungen und finanzielle Aufwendungen während der Durchzüge seiner Truppen durch Auma entstanden waren. Wie diese skizzierten Drehbuchepisoden verdeutlicht haben dürften, bauen die während des jeweiligen Stadtrundgangs erzählten Geschichten auf real verbrieften Geschehnissen, aber auch legendenhaften Überlieferungen auf. Diese jeweils schauspielerisch umgesetzten Situationen werden allerdings zur Erhöhung des Unterhaltungswertes für die Zuschauer nicht nur kritisch in den Blick genommen, sondern auch im Rahmen der künstlerischen Freiheit humoristisch ausgestaltet. Dieser Spagat zwischen Phantasie und Realität stellt stets eine große Herausforderung dar, soll der Historische Stadtrundgang doch einerseits wahre Geschichten vermitteln, welche die Besuchenden zum Lernen aus der Geschichte animieren sollen. Zum anderen soll das Dargestellte aber auch nicht langweilen, denn die Rundgänge durch das Aumaer Stadtgebiet erstrecken sich meist über zwei bis drei Stunden. In diesem Sinn wird den Laiendarstellern einiges an schauspielerischem Talent abgefordert. Damit die schauspielerischen Sequenzen dem Publikum authentisch vermittelt werden können, tragen die Mitwirkenden natürlich auch zeitgenössische Kleidung. Die Kosten für den Kostümverleih trägt die Stadt Auma-Weidatal. Wie die Bezeichnung Stadtrundgang bereits erwarten lässt, werden die Episoden aus der Aumaischen Geschichte an verschiedenen Orten der Stadt nachgespielt. Pro Rundgang werden in der Regel fünf bis acht Stationen ausgewählt, an denen sich eine möglichst große Anzahl an Menschen versammeln kann. Zur Unterstützung des Abwechslungsreichtums an den einzelnen Stationen des Historischen Stadtrundgangs werden nicht nur die Unterhaltungen der eingebundenen Personen präsentiert. Je nach Thema des Rundgangs führten die Aumaer Kindergartenkinder ein kleines Theaterstück auf und auch der einstige Schulbrand wurde bereits mit zeitgemäßer Feuerwehrausrüstung und einer historischen Wasserspritze nachgeahmt. Im Jahr des 100. Rathausjubiläums wurde eine historische Stadtratssitzung abgehalten. Des Weiteren wurde die letzte öffentliche Hinrichtung in Auma im Jahre 1819 schauspielerisch nachgestellt. Traditionelle Handwerke werden durch Vorführungen der jeweils charakteristischen Tätigkeiten des Berufszweiges eingebunden. Bis zu 30 Personen verschiedenen Alters sind aktiv in die Dialogszenen involviert. Zählt man alle an der Organisation und Durchführung des jährlichen Historischen Stadtrundgangs beteiligten Personen aus den lokalen Vereinen, Schulen, Kindergärten, Kirchen, von Firmen und auch der Stadtverwaltung mit, dürften an jedem Stadtrundgang wohl über einhundert Personen mitwirken. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass sich alle Beteiligten ehrenamtlich an den Vorbereitungen, den vier bis fünf Proben des Stadtrundgangs und dessen Realisierung engagieren. Die Lokalpresse berichtete bisher von jedem Historischen Stadtrundgang durch Auma mit begeisterten Kommenta45 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Gruppenfoto der Akteure des neunten Historischen Stadtrundgangs 2015 auf dem Bahnhofsvorplatz Aumas mit Ute Hieb (fünfte Person von links in der mittleren Reihe) (Foto: Thoralf Hieb) Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen ren, wie zum Beispiel der OTZ-Redakteur Steffen Beikirch, welcher unter der Überschrift „Auma ganz engagiert“ anlässlich des vierten Rundgangs 2009 informierte: „Rund 30 Akteure verschiedenen Alters gestalteten am Freitagabend den vierten Stadtspaziergang zu einem unvergesslichen Erlebnis aus. Zweieinhalb Stunden boten sie kostenlos (!) Stadtgeschichte live – auf humorvolle und informative Art. Alle agierten dabei genauso uneigennützig wie die Erfinder dieses Events – das pensionierte Lehrerehepaar Ute und Wolfgang Hieb. Einfach „aus Spaß an der Freude“ haben die zwei 67-Jährigen diesen spannenden Geschichtsexkurs auf die Beine gestellt.“ Ähnlich fiel auch die Bewertung des fünften Stadtrundgangs 2010 durch Heidi Henze (ebenfalls OTZ) aus: „Ist ein historischer Spaziergang durch Auma anberaumt, dann scheint die ganze Stadt auf den Beinen. […] Durch die Kleinstadt zog eine wahre Völkerwanderung. Hunderte Interessierte mit Polizei- und Feuerwehreskorte zogen von einem zum anderen Schauplatz der Stadtgeschichte und überall erwarteten sie historische Begebenheiten, die von Laien neckisch vorgetragen und teilweise sogar gespielt wurden.“ Da jedoch nicht alle Einwohner den teilweise beschwerlichen Weg durch das hügelige Stadtgebiet meistern können, treten die Darsteller des Historischen Stadtrundgangs zu einem späteren Zeitpunkt nochmals im Bürgerraum der Stadt Auma-Weidatal auf und bieten den Interessierten die einstudierten Stücke sowie Bilder vom vorangegangenen Rundgang dar. Auma-Weidatal käuflich erworben werden und soll die Leser vorab mit den Themen der einzelnen Haltepunkte des Rundgangs vertraut machen. Während des Historischen Stadtrundgangs werden schließlich von in historischen Kostümen gekleideten Zeitungsjungen Exemplare der „Ostthüringer Zeitung“ verkauft. Diese beinhalten historische Annoncen und Beiträge, die in der im Stadtarchiv verwahrten Originalausgabe der Aumaer OTZ des jeweils vor einhundert Jahren erschienenen Jahrgangs zu lesen waren. Ein letztes Element in der Gestaltung des Stadtrundgangs stellt das Kassieren von Wegzoll an einer zu diesem Zweck in den Stadtrundgang integrierten Zollschranke dar. Der Verkauf der Zollscheine stellt in diesem Kontext eine gute Möglichkeit dar, die ungefähre Zahl der Besucher zu erfassen. Die Plakate, die Begleithefte, die Stadtrundgangsausgaben der „Ostthüringer Zeitung“ sowie die Zollscheine werden von der Stadtverwaltung Auma-Weidatal kostenlos gedruckt. Die Einnahmen aus dem Verkauf werden von den Mitwirkenden des Historischen Stadtrundgangs einesteils zur Deckung der über den Kostümverleih hinaus anfallenden Kosten genutzt. Der andere Teil des Gewinns wird wohltätigen Zwecken gespendet – in diesem Jahr beispielsweise zur Restaurierung der in der hiesigen Liebfrauenkirche angebrachten Erinnerungstafel an die Aumaer Opfer der beiden Weltkriege. Wesentliche Elemente jedes Historischen Stadtrundgangs durch Auma Meist zieht sich ein übergeordnetes Thema als roter Faden durch den Rundgang. Im laufenden Jahr 2015 war es die Erinnerung an die beiden Weltkriege und die daraus resultierenden Folgen für die Menschen in der Stadt. Eingebunden werden darüber hinaus auch andere, im jeweiligen Jahr zu begehende Jubiläen von Denkmälern, Bauwerken oder Einrichtungen im Stadtbild. Auch aktuelle Vereinsfeste oder längst in Vergessenheit geratene Vereine aus der Geschichte Aumas werden der Bevölkerung nahegebracht. Am Ende eines jeden Stadtrundgangs steht dabei stets ein kleiner kultureller Höhepunkt. Als beispielsweise im letzten Jahr der 50. Jahrestag der Vereinsgründung des Aumaer Schalmeienmusikzugs gefeiert wurde, fand der Rundgang seinen Ausklang mit einem Konzert dieses Vereins am Eichplatz. In diesem Jahr, in dem der Förderverein der Aumaer Liebfrauenkirche auf eine 15-jährige Vereinsgeschichte zurückblicken kann, endete der Rundgang in der Stadtkirche mit einem Konzert des lokalen Ökumenischen Kirchenchors. Es existieren also mannigfaltige Themenansätze, mit denen man sich dem im Jahr 1237 ersterwähnten Ort Auma nähern kann. Auch für die Zukunft finden sich noch genügend archivierte Geschichten, die der interessierten Öffentlichkeit auf diese Weise unterhaltend und lehrreich zur Kenntnis gebracht werden können. Die Vorbereitungen zu jedem Historischen Stadtrundgang in Auma umfassen weit mehr Elemente als die Planung der entsprechenden Route durch das Stadtgebiet und das Verfassen des Drehbuches mit den Dialogen der historischen Persönlichkeiten an den einzelnen Stationen der Stadtgeschichte. Im Vorfeld werden Presseartikel lanciert, um für die Veranstaltung zu werben und um Interessenten zu signalisieren, dass jede Art der freiwilligen Mitarbeit jederzeit willkommen ist. Zudem müssen Absprachen mit der Polizei, der Feuerwehr und dem städtischen Ordnungsamt wegen des geplanten Verlaufs des Rundganges getroffen werden. Plakate und Flyer zur Information der Bürger werden gestaltet, gedruckt und verteilt. Darüber hinaus konzipiert das Ehepaar Hieb zur Thematik jedes Historischen Stadtrundgangs ein meist zwischen 20 und 30 Seiten umfassendes Begleitheft im DIN-A5Format. Dieses besteht aus einem Vorwort mit kurzen Erläuterung der Intentionen des betreffenden Rundgangs und seinen zu erwartenden Höhepunkten, einem Stadtplan mit den einzelnen Stationen in ihrer chronologischen Reihenfolge sowie historischen Informationen zu den einzelnen Standorten. Die geschichtlichen Abhandlungen stützen sich, wie oben schon geschildert, großteilig auf Archivquellen und werden vielfach durch Abbildungen aus den Foto-, Bilder-, Karten- und Plakatsammlungen des Stadtarchivs Auma-Weidatal illustriert. Dieses Begleitheft kann bereits Wochen vor jedem Stadtrundgang an zentralen Einkaufsstellen und im Rathaus der Stadt 46 Inhalte der Stadtrundgänge 2006 bis 2015 Resümee Der jährlich in der Kleinstadt Auma veranstaltete Historische Stadtrundgang leistet einen enormen Beitrag zur Aufarbeitung der Stadtgeschichte und vor allem zur Begeisterung für manche längst vergessene Facette der Au- Zeitungsjungen verkaufen die Sonderausgabe der „Ostthüringer Zeitung“ zum Historischen Stadtrundgang des Jahres 2012 (Foto: Tobias Schubert, OTZ) maischen Geschichte. Somit stellen die Stadtrundgänge in der oben skizzierten Form gleichsam eine ungewöhnliche, aber dennoch wirkungsvolle Werbung für die lokalen archivalischen Quellen dar. Nicht selten schöpfen Besucher des Historischen Stadtrundgangs aus den dargebotenen Geschichten die Motivation, die eine oder andere Begebenheit im Archiv selbst näher zu unterDeckblatt der Sonderausgabe der „Ostthüringer Zeitung“ anlässlich suchen. Und längst des Historischen Stadtrundgangs dient das Stadtarchiv im Jahr 2015 dadurch auch für Firmen-, Vereins- und Institutionsjubiläen als zentraler Ansprechpartner in Auma. Resümierend lässt sich für die Historischen Stadtrundgänge durch Auma konstatieren, dass diese die Stadtgeschichte in Form von ausgewählten, künstlerisch gestalteten Sequenzen „aus den Akten auf die Bühne“ bringen – so der Buchtitel von Sigrid Dauks. Ohne die Freiwilligkeit zur Zusammenarbeit sowie die große Einsatzbereitschaft aller ehrenamtlich Engagierten und allen voran die Kreativität des Ehepaares Hieb wäre die Umsetzung dieser Veranstaltungen allerdings nicht möglich. Abschließen und bündeln sollen die Erläuterungen zu den Historischen Stadtrundgängen in der Kleinstadt Auma die Worte des OTZ-Redakteurs Jens Voigt, der über die von rund 600 Teilnehmer(innen) besuchte Veranstaltung des Jahres 2008 schrieb: „Hier legen sich Menschen, wohlgemerkt in ihrer Freizeit und ohne Gage, nötigenfalls bis zum Vokal-Versagen ins Zeug, um ihren Nachbarn und Gästen fröhliche und im besten Sinne unterhaltsame Stunden zu bereiten, von denen jene noch sprechen werden, wenn die Erinnerung ans letzte Profi-„Event“ längst ins Nebelgrab des Vergessens gesunken ist. […] Dieses Programm, dessen Aufwand sich bestenfalls erahnen lässt, muss den Aumaern erst mal jemand nachmachen.“ Christel Gäbler Stadtarchiv Auma-Weidatal Literatur Sigrid Dauks, „Aus den Akten auf die Bühne“. Inszenierungen in der archivischen Bildungsarbeit (= Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit; Bd. 2), Berlin 2010. Ute Hieb: „Vertraut den neuen Wegen“. Begleitheft zum 9. Historischen Stadtrundgang in Auma am 08. Mai 2015, Auma 2015. Ute Hieb: „Ostthüringer Zeitung“ – Kriegswirren in Auma. Begleitheft zum 8. Historischen Stadtrundgang am 23. Mai 2014, Auma 2014. Stadt Auma (Hrsg.): 675 Jahre Auma. Geschichte und Geschichten einer Stadt, Auma 2006. Lokalausgaben der Ostthüringer Zeitung vom 5.9.2008, 21.9.2009, 23.8.2010, 21.5.2014, 26.5.2014, 23.4.2015, 11.5.2015. 47 Archive in Thüringen 2015 – Öffentlichkeitsarbeit und Fachtagungen Besucher des neunten Historischen Stadtrundgangs 2015 durch Auma auf dem Weg vom ehemaligen Kraftwerksareal in Richtung Pfarrteich (StA Auma-Weidatal, Fotosammlung Historische Stadtrundgänge, Nr. 437) 150 Jahre wissenschaftlich betreutes Stadtarchiv Erfurt 150 Jahre Stadtarchiv Erfurt? Wo doch die ältesten Dokumente im Stadtarchiv Erfurt aus dem 12. Jahrhundert stammen? Ja, denn am 23. September 1864 fasste die Stadtverordnetenversammlung den Beschluss, ein angemessenes Honorar für die Ordnung des Archivs zu bewilligen. Bereits zu Beginn des Folgejahres nahm der erste hauptamtliche Stadtarchivar Erfurts, Heinrich Beyer, seine Tätigkeit auf. Seit dieser Zeit ist das Archiv zu einem wirklichen Gedächtnisort, auch zu einem Beweisort, einem Evidenzort geworden. Ein solch funktionierendes Archiv war in Erfurt schon immer Wunsch und Notwendigkeit gewesen, aber die Bemühungen darum setzten stets nur in dem Moment ein, wenn die Notwendigkeit wieder einmal sehr dringlich war. Dies war vor allem dann der Fall, wenn es um Auseinandersetzungen mit dem Mainzer Stadtherren ging und man Nachweise für vergangenes Geschehen brauchte. Dann fühlte man den Wunsch nach einem im Darstellung des Erfurter Rathauses mit Rathausturm, 17. Jh (StA Erfurt, 6-0/9A1- 1) Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor 48 guten Zustand befindlichen Wissensbehälter so intensiv, dass man sich der Pflege des Archivs zuwandte. War die konkrete Situation vorüber, wurde auch der Wunsch nach einem wohl behüteten und geordneten Archiv wieder kleiner und schließlich durch mächtigere Wünsche überdeckt. Das Archiv geriet erneut in Vergessenheit. Bis man sich – nun auch auf Drängen der Aufsichtsbehörden und der Öffentlichkeit – entschied, dem Archiv dauernde Fürsorge zu schenken und es dadurch zu einem permanent funktionierenden Wissensort werden zu lassen. Ohne Schriftlichkeit hätte man gar keines Archivs bedurft. Aber eine solche setzt mit der Existenz eines selbständigen Rates, einer selbständigen Stadtverwaltung in Erfurt im 13. Jahrhundert ganz verstärkt ein. Archiviert wurde aus juristischen, aber auch aus politisch-administrativen Gründen: Archivieren war die Bedingung für politische Ei- Archivar Heinrich Beyer (1806-1886) (StA Erfurt, 6-0/19J- 17) darf es nicht gebrechen an den nöthigen Hülffsmitteln, nämlich an den Urkunden, die des Staates Recht beweisen und in einem wohl eingerichteten Archiv verwahrlich aufbehalten werden. Denn ein ordentliches und wohl eingerichtetes, auch mit nutzbaren Urkunden angefülltes Archiv ist das politische Arsenal, darinn man die moralischen Kugeln so lange verwahrt, bis man solche nöthig hat, [...] um die Rechte des Staates gegen die Anstrengungen aller anderen (contra omnia aliorum molimina) defendieren zu können [...]“. Als Folge der kurmainzischen Herrschaft sind Teile des städtischen Archivs in staatliche Verwahrung gelangt. Sie werden bis heute im Landeshauptarchiv Magdeburg verwahrt. Die Übernahme des alten unbetreuten Ratsarchivs durch die preußische Regierung und die Gründung des betreuten Stadtarchivs im 19. Jahrhundert fielen zusammen mit einem Bedeutungswandel der Institution. Durch die veränderten politisch-administrativen und juristischen Verhältnisse seit Beginn des 19. Jahrhunderts verlor ein Großteil der Schriftlichkeit seine Bedeutung für die städtische Verwaltung, war unnütz geworden, als Beweis nicht mehr zu gebrauchen. Wohl kamen ständig neue, auch rechtserhebliche Dokumente aus der Registratur dazu, aber die alten Unterlagen, deren Information für die Verwaltung nicht mehr notwendig schien, waren in Gefahr. Der preußischen Staatsspitze war dies bewusst. Angeregt durch Friedrich Schlegels Memorandum zur Erhaltung der Bau- und Kunstdenkmäler von 1815 nahm der preußische 49 Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor genständigkeit, denn nur durch sorgfältiges Aufbewahren von schriftlichen Vereinbarungen konnte man sich vor den immer wiederholten Machtansprüchen des Erzbischofs von Mainz bewahren. Der Nachweis der erlangten Unabhängigkeiten, der erworbenen Besitztümer, der gewonnenen Rechte und Privilegien war grundlegend für das neue Selbstverwaltungsorgan Erfurter Rat in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Aber erst mit dem Bau des Rathauses und dem Bau des mit vier Meter dicken Mauern ungeheuer sicheren Rathausturms taucht der Ort, die Institution Archiv in der Erfurter Geschichte auf: 1330. Fast 500 Jahre lang bewahrte der Turm das Archiv und das Geld der Stadt treulich – und möglicherweise ist der gewaltige Rathausturm eigens für die Unterbringung des Archivs gebaut worden. Der steinerne Turm bot Schutz vor den großen mittelalterlichen Gefahren Feuer, Wasser, Krieg und Ungeziefer. In der Mauer gab es nur wenige Öff nungen, die mit nicht brennbaren eisernen Türen und Fensterläden verschlossen waren. Mehrere, unterschiedliche Schlösser und die Verteilung der Schlüssel auf mehrere Personen sorgten für zusätzlichen Schutz. Diese Praxis ist seit 1481 schriftlich belegt. Aber ein Archiv einzurichten ist das eine, es langfristig funktionstüchtig und nützlich zu halten, etwas ganz anderes. Ohne dauerhafte Zuwendung und kontinuierliche Pflege sind Archive schnell wirkungslos. Und so konnte es dazu kommen, dass Erfurt manche Verträge zu eigenen Ungunsten abschließen musste, z. B. 1515, als die schriftlichen Beweise der eigenen Rechtssituation nicht aufgefunden werden konnten. Im Fall von 1515 ließ der Vertragspartner Erzbischof Albrecht aber zu, dass eine Einschränkung in den Vertrag eingefügt wurde: nämlich, „wenn die Erfurter über kurz oder lang das gesuchte Privileg finden würden, dass alsdann der Vertrag nichtig sein würde“. Die gesuchte Verschreibung des Erzbischofs Adolph aus dem Jahr 1463 wurde tatsächlich gefunden. „Des war der Rat froh“ – heißt es in der Chronik dazu, und man bemühte sich anlässlich dessen wohl wieder einmal, das wachsende Archiv zu erschließen. Das erste überlieferte Findbuch, ein Urkundenrepertorium, stammt aus dem Jahr 1484. Eine nächste Ordnung und Verzeichnung des Archivs begann 1591. Auch dieses Findbuch gibt es noch: 140 nummerierte Kästlein, Schachteln, Schächtlein und Lädlein nahm das Urkundenarchiv nun auf. Diese Schachteln wurden in einem Findbuch beschrieben – in nummerischer Reihenfolge mit den jeweils darin befindlichen, systematisch geordneten Dokumenten: Inhaltsangabe, Datierung, Signatur, Lagerort. Das Findbuch genügt durchaus noch heutigen Anforderungen an eine einfache Erschließung und wäre für eine erfolgreiche Recherche geeignet. Ein solch evidentes (Verwaltungs)Archiv, das Nachweise über alles Wesentliche und Wichtige in einem Gemeinwesen enthält, benötigt auch derjenige, der sich dieses Gemeinwesen aneignen will. Das ist dreimal geschehen, 1664, 1802 und 1806. Jeweils als eine der ersten Amtshandlungen wurde das Archiv versiegelt und übernommen. Denn welche Macht man mit einem wohl geordneten Archiv besitzt, dessen waren sich u. a. die Mainzer (1664) im Klaren. Der kurmainzische Regierungsrat Mosel von Alenstein schreibt 1732: „Wer aber für einen Staat die Feder führen will und solche zu führen geschickt ist, dem Staat den Schutz erhaltenswerter und bedeutungsvoller historischer Altertümer in sein Aufgabenfeld auf. Diese Fürsorge betraf nicht nur bauliche Denkmäler sondern auch die schriftlichen Quellen. Denn als solche wurden nun die ältesten archivischen Dokumente betrachtet – wohl hatten sie keinen konkreten praktischen Wert mehr für die Verwaltung, jedoch bis heute anhaltenden Wert für die historische Forschung. In diesem Zusammenhang ließ man sich unermüdlich berichten, wie die Situation in den Archiven des Landes war, ob ausreichend Sorge getragen würde für das historische Schriftgut und welche Fortschritte die Erschließung machte. Nun war das Archiv nicht mehr nur eine Angelegenheit der Stadt Erfurt. Ab 1820 musste die Stadt immer wieder Rechenschaft über den Zustand des Archivs ablegen, über die Verwahrung der geschichtlichen Altertümer und die Zugänglichkeit zum Archiv. Die Stadt musste die archivischen Findmittel (Repertorien) einreichen und Mitarbeiter des zuständigen preußischen Staatsarchivs prüften, ob sie geeignet und ausreichend seien. Nachdem der preußische Staatskanzler von Hardenberg 1822 eine erste Benutzungsordnung für die preußischen Staatsarchive erlassen hatte, geriet man unter einen weiteren Druck. Jeder, der durch Bildung und Kenntnisse fähig sei und der einen nützlichen Zweck dartun könne, war fortan berechtigt, das Archiv zu benutzen. Zwar war eine uneingeschränkte Benutzung nur für Archivalien vor 1500 möglich – eine 300-jährige Schutzfrist – aber immerhin. Jedoch die Erfurter Stadtverwaltung, die sich auch mit dem Abbruch ihres mittelalterlichen Rathauses über zahllos ergangene Anordnungen der preußischen Regierung hinweggesetzt hatte, reagierte auch in der Archivfrage nur zaudernd. So blieb der Stadtrat Karl Herrmann, der eifrig an der Stadtgeschichte und an der Benutzung des Archivs interessiert war, lange Zeit der einzige, der sich um die Öff nung des Archivs bemühte. Er beklagte dies offen: „Unsere Stadt gehört bisher zu denjenigen älteren Städten Deutschlands, die kein besonderes, unter der Obhut der Stadtbehörden stehendes städtisches Archiv besitzen. Ich will es offen aussprechen, dass Verwaltungsbeamte anderer Städte, mit denen ich in Verbindung gekommen bin, ihre Verwunderung darüber nicht unterdrücken konnten, dass eine Stadt wie Erfurt, welche schon in den frühesten Zeiten von Bedeutung war und im Mittelalter den größten Städten Deutschlands beigezählt wurde, kein städtisches Archiv besitzt“. Die ständigen Aufforderungen der preußischen Regierung, der Druck aus der historischen Forschung und nicht zuletzt die Anstrengungen des 1863 gegründeten Geschichtsvereins führten endlich zum Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 23. September 1864, für die abermalige Ordnung des Archivs ein angemessenes Honorar zu bewilligen. In diesem Jahr kann die Umsetzung dieses Beschlusses, der ein dauerhaft durch Archivare betreutes Stadtarchiv Erfurt zur Folge hatte, zum 150. Mal gefeiert werden. Dr. Antje Bauer Stadtarchiv Erfurt Archiv der Moderne – Bauhaus-Universität Weimar Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Universitätsarchiv und Sammlung für Architektur, Bauingenieurwesen, Kunst und Design Das Archiv der Moderne ist eine zentrale, beim Rektorat angebundene Einrichtung der Bauhaus-Universität, in der 2006 das Universitätsarchiv und die Sammlungen für Architektur, Bauingenieurwesen, Kunst und Design zusammengefasst wurden. Das Sammlungsprofil, das die Aktenbestände ergänzt, richtet sich an der Historie der Hochschule aus, die mit ihrer Wiederbegründung 1946 und ihrer Neuformierung 1990 in der Struktur auf die Wurzeln ihrer Vorgänger (Kunst, Design, Architektur) zurückgreift und diese um die Komponenten der Technikwissenschaften (1954) und der Medien (1996) erweiterte. Universitätsarchiv Das Universitätsarchiv wurde 1959 an der damaligen Hochschule für Architektur und Bauwesen eingerichtet. Die Aktenbestände beginnen mit der Wiedereröff nung der Hochschule 1946 als Staatliche Hochschule für Baukunst und Bildende Künste und erstrecken sich bis zur Gegenwart. Das Universitätsarchiv ist End- und Verwaltungsarchiv zugleich. Eine Plansammlung studentischer Entwürfe 50 Vorlehre bei Prof. Peter Keler, 1946/47 (Archiv der Moderne, Universitätsarchiv, Sign. FS/1/125) und der Kunstgewerbeschule am Lehrstuhl für Theorie und Geschichte der Architektur begonnen. Eine Kustodie zur Betreuung und Sicherung des Kulturguts an der Hochschule wurde 1986 eingerichtet. In diesen Bestand wurde auch die historisch gewachsene Sammlung aufgenommen und als Altbestand erfasst. Derzeit [Stand 2014] umfasst die Kunstsammlung etwa 1.150 Werke. Genauer sind dies etwa 400 Zeichnungen und Grafiken, 120 Gemälde, 125 Plastiken, etwa 40 Münzen bzw. Medaillen, knapp 20 Installationen aber auch einzelne Objekte, Möbel und Reproduktionen. Arbeiten aus der Zeit, als es ein kurzzeitiges Bestreben gab, die Bauhaus-Idee nach 1945 in Weimar wieder aufleben zu lassen, sind mit Lehrer- und Schülerarbeiten aus der Abteilung Bildende Kunst dokumentiert. Architektursammlung und Abschlussarbeiten sowie eine umfangreiche Fotosammlung zur Hochschulgeschichte runden das Spektrum der Archivalien ab. Mit Blick auf das Bauhausjubiläum 2019 wird zurzeit die Fotodokumentation zu den internationalen Bauhaus-Kolloquien digitalisiert und es erfolgen die Vorarbeiten für ein Spezialrepertorium zur Bauhausforschung in der DDR. Die Einrichtung einer Kommission zur Erforschung des Bauhauses 1961, die Bauaufnahme des Dessauer Bauhausgebäudes 1964, die Eröff nung einer Dauerausstellung im Haus am Horn 1973, das 1. Bauhaus-Kolloquium 1976 aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Bauhauses Dessau und die Einrichtung des Wissenschaftlich kulturellen Zentrums in Dessau 1977 sind nur einige Ereignisse, die die Hochschule in Weimar als Nukleus und Motor der Bauhausforschung in der DDR auszeichnen. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der DDR-Architektur und der Architektenausbildung in Weimar. Die Hochschule für Architektur und Bauwesen war neben der Dresdner Hochschule und der Kunsthochschule Weißensee eine der drei Ausbildungsstätten für Architektur in der DDR. Mit Gründung der Sektion Gebietsplanung und Städtebau oblag der Weimarer Hochschule ab 1969 als erster Institution die Fachausbildung für Stadtplanung. Zudem war die Nachwuchs- und Forschungsförderung der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar direkt mit der Bauakademie Berlin und dem Bauministerium der DDR verflochten, deren personelle Besetzung sich wiedeFlächenbildung durch Linien, grafische Übung, Margaretha Reichardt, 1927 (Archiv der Moderne, Architektursammlung, Sign. N/59/80.4) Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Räumliches Metalltragwerk Typ Weimar - Arbeitsgruppe Baukonstruktionen, s/w-Fotografie, 1969 (Archiv der Moderne, Universitätsarchiv, Sign. FS/1/397) Kunstsammlung Die Sammlung von Kunstgut geht auf die 1960er Jahre zurück. Anfänglich wurde mit dem Aufbau einer Sammlung zu Sachzeugnissen des Staatlichen Bauhauses Weimar Schlafende, Plastik von Richard Engelmann, um 1908 (Archiv der Moderne, Kunstsammlung, Inv.-Nr. 488,03, Foto: Tobias Adam) 51 Internationaler Städtebau- und Architekturwettbewerb Wohnbezirkszentrum Lütten-Klein Rostock, Zeichnung, Entwurfskollektiv am Lehrstuhl Wohn- und Gesellschaftsbauten, 1965 (Archiv der Moderne, Architektursammlung, Sign. N/52/84.22) Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor rum größtenteils aus der Weimarer Hochschule speiste; viele Absolventen wurden zudem leitende Stadt- und Bezirksarchitekten. Seit Gründung der Sammlung im Oktober 2004 sind ihr wertvolle Nachlässe und Privatarchive ehemaliger Studierender, dem wissenschaftlichen Personal, mit ihr verbundener Personen sowie ehemaliger, aber auch aktuell ausscheidender Professorinnen und Professoren zugegangen. Momentan ist das Archiv der Moderne die einzige Institution in Thüringen, die systematisch zum Gegenstand der Architektur- und Ingenieurbaukunst sammelt und archiviert. Ihre Intention ist es, eine möglichst geschlossene Sammlung jüngerer Architektur- und Stadtplanungsgeschichte nach 1945 als auch der Ingenieurs- und Architektenausbildung in der DDR anzulegen. Ein weiterer Sammlungsbestand geht auf übernommene Sammlungen aus den Professuren zurück. Dazu gehören Teilnachlässe und Sammlungen zum Bauhaus und der Bauhochschule, darunter z. B. der Teilnachlass von Hannes Meyer und Margaretha Reichardt, die Bauhausalben und die Teilnachlässe mehrerer Baugewerkenschüler. Momentan sind 52 architekturbezogene Sammlungen und Nachlässe verzeichnet, darunter der von Ernst Neufert. An dieser Stelle verbinden sich Archivalien des Universitätsarchivs mit Objekten aus der Sammlung zu einem verdichteten Überlieferungsbereich. Designsammlung Der Nachlass des 1951 gegründeten Instituts für Innengestaltung bildet den größten Teil der Designsammlung. Der Formgestalter Horst Michel leitete das Institut für Innengestaltung an der Hochschule in Weimar von 1951 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1970. Bereits im Wintersemester 1946 begann er mit dem Unterricht und der Ausbildung von Industrieformgestaltern. 1951 gelang ihm die Umwandlung seines Lehrstuhls zu einem Forschungs- und 52 Salzstreuer, Entwurf Horst Michel, ca. 1960, Porzellan (Archiv der Moderne, Designsammlung, Inv.-Nr. IG 0008, Foto: Marlen Kopper) Entwicklungsinstitut, das Institut itut für industrielle Formgebung, das 1953 in Institut für Innengestaltaltung umbenannt wurde. Die qualitative und formale Verbesserung von G Gebrauchsgütern b h ü war Aufgabe des Instituts für Innengestaltung. Auf diesem Gebiet war es die erste Einrichtung in der DDR, deren vielfältige Aufgaben von Entwürfen für regionale und kunsthandwerkliche Hersteller bis hin zu Aufträgen für staatliche Betriebe bei der Produktgestaltung und Produktion von Sitzmöbeln, Öfen, Fliesen, Teppichen sowie Bau- und Möbelbeschlägen in der gesamten DDR reichten. Der Kernbestand umfasst 250 Einzelobjekte, dazu gehören Gebrauchsgegenstände wie Möbel, Keramiken, Glasvasen, Trinkgläser, Porzellanservices, Vasen, Kerzenständer, Spielzeuge, etc. Hinzu kommen eine ca. 15.000 Stück umfassende Sammlung von Fotos, Dias, Negativen und Druckerzeugnissen sowie ca. 20 lfm Zeichnungen und Webproben zu Stoffentwürfen. Bis 2011 war diese Sammlung der Professur für Geschichte und Theorie des Designs angegliedert und wurde vor allem für wissenschaftliche Zwecke genutzt und bewahrt. Momentan erfolgt durch das Archiv der Moderne eine Erstinventarisierung der Objekte in Abgleich zu einer Datenbank, in der 1.700 Objekte und Entwürfe verzeichnet sind, die am Institut für Innengestaltung entworfen wurden. Dr. Christiane Wolf Archiv der Moderne Behalten Sie ruhig Ihre Daten sind sicher! s an! Sprechen Sie un Digitale Langzeitarchivierung von startext Handhabbare Lösungen für die Praxis 3 OAIS-konform 3 Herstellerunabhängig 3 Benutzerfreundlich 3 Sofort einsetzbar 3 Konfigurierbarer Ingest-Workflow Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor 3 Intelligenter DIP-Creator 3 Kostengünstig 3 Sicher 3 Einfach 3 Begleitende Beratung und Schulung inklusive Tel: +49(0)2 28-9 59 96-0 Fax: +49(0)2 28-9 59 96-66 [email protected] www.startext.de 53 Ein Verwaltungsgebäude mit Geschichte 120 Jahre Lindenaustraße 9 in Altenburg Das Kreisarchiv des Landkreises Altenburger Land ist im Hauptgebäude des Landratsamtes untergebracht. Dieses Gebäude feiert in diesem Jahr sein 120-jähriges Bestehen – ein guter Anlass, um die wechselvolle Geschichte des Hauses einmal näher zu beleuchten: So war das Gebäude zunächst Herzogliches Ministerial- und Landschaftsgebäude, dann Staatsministerium, ab 1923 Kreisdirektion, später Thüringisches Kreisamt und Behördenhaus, 1939 Landratsamt und Behördenhaus. 1945 bezog die Sowjetische Militärverwaltung und 1950 die Kreisverwaltung (später Rat des Kreises Altenburg) das Gebäude. 1990 wurde es durch eine Verwaltungsreform Sitz des Landratsamtes Altenburg (ab 1994 Altenburger Land). Die Ausstellung Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Das Kreisarchiv wurde damit beauftragt, zum Jubiläum eine Ausstellung zu erarbeiten. Bereits in der Vergangenheit wurden am „Tag des offenen Denkmals“ oder zum „Tag der Archive“ Führungen durch das Gebäude angeboten. Leider standen für die Ausstellung keine zusätzlichen finanziellen Mittel oder Personal zur Verfügung, so dass nur mit vorhandenen Materialien (Bilderrahmen und Vitrinen) und Möglichkeiten (Scanner und Kopierer) gearbeitet werden konnte. Dabei war die Ausstellung durch die Kreisarchivarin in Teilzeit neben der laufenden Tätigkeit zu erarbeiten. Zunächst wurden bereits vorhandene Texte und Bilder, welche zum 100-jährigen Jubiläum entstanden waren, auf Richtigkeit und Aktualität überprüft. Vor allem die damalige Verwendung von Fotos und Kopien war nicht mehr zeitgemäß. Außerdem wurden die Zeittafel zur Gebäudegeschichte weitergeschrieben und bestehende Lücken (Landräte, Vorsitzende Rat des Kreises und frühere Behörden) durch Aktenrecherchen ergänzt. Durch freundliche Unterstützung des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg konnten für die Ausstellung Fotos aus der Bauzeit und frühe Gebäudeansichten für die Ausstellung verwendet werden. Umfangreiche Bauzeichnungen aus verschiedenen Epochen liegen im Kreisarchiv vor und fanden in einer kleinen Auswahl Verwendung, wobei jedoch insbesondere Großformate aufgrund der Ausstellungsgegebenheiten nicht im Original gezeigt werden können. Der Ausstellungsraum im Lichthof des Landratsamtes war während der Öff nungszeiten für jedermann ohne Aufsicht zugänglich. Ergänzt wurden die Papierexponate durch Ausstellungsstücke aus der zeitgeschichtlichen Sammlung des Kreisarchivs (z. B. historische Telefone, Stempel) sowie Gesetzblätter, Bücher und Aktenbände. Zur Ausstellungseröff nung durch die Landrätin am frühen Nachmittag des 20. Mai 2015 waren neben der Öffentlichkeit auch ausdrücklich die Behördenmitarbeiter eingeladen. 54 Vom Kreisheimatpfleger und Mundartdichter Wido Hertzsch wurde eigens zu diesem Anlass ein Gedicht in Altenburger Mundart vorgetragen. Bereits zum 100-jährigen Jubiläum waren von ihm Verse zum „Altenburger Fürstenrundgang“ verfasst worden, worin die im Lichthof befindlichen Fürstenbildnisse des Altenburger Herzoghauses vorgestellt werden. Zum Gebäude Das Gebäude des heutigen Landratsamtes wurde 1892 bis 1895 als Herzogliches Ministerial- und Landschaftsgebäude unter der Bauleitung von Alfred Hermann Wanckel (1855-1925) erbaut. Als damaliger Baudirektor im Herzogtum Sachsen-Altenburg zeichnet Wanckel auch für weitere bekannte Bauten in der Stadt Altenburg (Herzogin-Agnes-Gedächtniskirche, Mauritianum, Bismarckturm) und im Landkreis verantwortlich. Nach seiner Pensionierung hatte er im Auftrag des Landeskirchenrats als Kunst- und Bauwart der neuen Thüringer evangelischen Volkskirche 1.500 Kirchen und 800 Pfarrhäuser zu betreuen. Im Juli des Jahres 1892 wurde der erste Spatenstich getan und schon im Spätsommer 1893 war das Dachwerk gerichtet, welches mit einem Hebefest am 9. September 1893 gefeiert wurde. Nach Beendigung des aufwendigen Innenausbaus wurde das Gebäude am 3. Mai 1895 eingeweiht. Am Bau waren rund 190 Personen beteiligt. Das Landschafts- und Ministerialgebäude ist eine großzügige Vierflügelanlage, die sich in langgestreckter Rechteckform von der Lindenaustraße in die Tiefe des hängigen Grundstücks erstreckt. Der Gebäudekomplex ist im historischen Sinne überwiegend nach Formen der italienischen Hochrenaissance ausgeführt. Der Baumeister Wanckel selbst schreibt 1898 zum Gebäude folgendes: „Die Mauern sind vom untersten Bankett an bis zum Hauptsims von Ziegeln in Kalkmörtel hergestellt. Zementmörtel war auch bei den stärkst belasteten Mauertheilen wegen der ausgezeichneten Güte des Altenburger Graukalkes unnötig. Die Hausteinarchitektur ist angeblendet. Das Dach ist zum größten Theile mit Saarbrückener Falzziegeln, nur über dem Landschaftssaal mit Lehestner Schablonenschiefer auf Latten mit Kupferhaken eingedeckt. […] Die Vorhalle ist ganz in Stuck mit niedrigem Sockel aus Donaukalkstein hergestellt. Freitreppen, Rampen und die große Haupttreppe sind von Fichtelgebirgsgranit (feinkörniges Material aus Selb), die Balustrade der letzteren von Untersberger Marmor ausgeführt, während die Nebentreppen von Eisen konstruiert und mit Eichenholz belegt sind. Die Fenster des Landschaftssaales, des Sitzungszimmers und verschiedener Glasverschläge sind mit farbiger Bleiverglasung versehen. […] Die Zimmer für die Räthe sind tapeziert und mit einfachen Deckenverzierungen in Leimfarbe versehen, die Kanzleiräume sind nur in Leimfarbe gestrichen. Die Nebenräume der Landschaft (Kommissionszimmer, Tribüne, pp.) sind mit Holzpaneel versehen. Die Fenster sind nicht als Kastenfenster, sondern mit doppelter Verglasung eingerichtet, wobei die innere Scheibe in besonderen schmalen Eichenrahmen sitzt u. zum Zwecke des Putzens besonders geöff net werden kann. Die Thüren sind aus astreinem polnischem Kiefernholz hergestellt und nur lasiert, Beschläge aus Bronce. […] Die Beleuchtung ist durchgehend elektrisch im Anschluss an die hier bestehende Zentrale.“ (Quelle: Thüringisches Staatsarchiv Altenburg, Bauamt Altenburg, Nr. 476 a) Der Landschaftssaal ist mit einer Größe von 18 m x 12 m der am prächtigsten ausgestattete und größte Raum im Gebäude. Er liegt quer an der Südseite des Hauses und erstreckt sich in einer Höhe von zehn Metern über zwei Etagen. Nach dem Lichthof zu befindet sich in der zweiten Etage die Tribüne für das Publikum, an den Seiten hinter verschiebbaren Fenstern die herzogliche Loge und die Loge für die Ministerialbeamten. Im Saal fanden ab 1895 die Sitzungen der „Landschaft“, der Volksvertretung im Herzogtum Sachsen-Altenburg, statt. Im Laufe der Zeit wurde der Landschaftssaal unterschiedlich genutzt, bis hin zum Speisesaal. In der heutigen Zeit finden hier Kreistagssitzungen sowie Festveranstaltungen, Konzerte und Tagungen statt. Dank dem Verständnis vergangener Generationen erlitt der Saal keine baulichen Eingriffe. Kurz vor den Feierlichkeiten zum 100. Jubiläum (3. bis 5. Mai 1995) wurde die Restaurierung im gesamten Gebäude abgeschlossen. Im selben Jahr erhielt der Landschaftssaal eine neue Bestuhlung. Auf die eigentliche Bedeutung des Saales verweisen die Wappen auf den Wandfeldern zwischen den Bleiglasfenstern. Es sind die Städtewappen des Ostkreises und des Westkreises des Herzogtums Sachsen-Altenburg, das große Landeswappen und das sächsische Rautenwappen (kleines Landeswappen), die die Wände bzw. den Raum schmücken. Der Lichthof Der Lichthof als Zentrum des Baues steigt mit durchbrochenen und reich verzierten Wänden zu der flachen Glaskuppel empor, welche dem Lichthof eine überaus helle Ausstrahlung verleiht. Zu den oberen Räumen führt eine aus der Vorhalle aufsteigende offene Treppe hinauf. Einen besonderen Akzent setzt der Fußboden des Lichthofs. Für die Arbeiten am Fußboden war die Firma Scharvogel aus Leipzig unter Vertrag, ein Fabriklager von Villeroy & Boch aus Mettlach, erkennbar an einer Fliese auf der Eingangsseite. Noch heute kann die ursprüngliche Ausführung des Fußbodens im Lichthof und in den Seitengängen bewundert werden. Ein weiteres Schmuckelement bilden die originell ornamentierten Schlusssteine. Die Motive dieser Ornamente stellen die wichtigsten landwirtschaftlichen und gewerblichen Zweige des damaligen Herzogtums dar: Gartenbau, Forst- und Landwirtschaft, Kartoffelanbau, Maschinenbau, Bergbau, Braugewerbe, Hopfenanbau, Jagd. Ausstellungseröff nung am 20.5.2015 im Lichthof des Landratsamtsgebäudes (Foto: Tom Kleinfeld) Eine akustische Besonderheit ist die Uhr mit Schlagwerk, welche auch heute noch die Viertelstunden und Stunden schlägt. Zwischen den Bogenöff nungen im oberen Teil des Lichthofs befinden sich 16 Porträts, durch den Leipziger Kirchen- und Dekorationsmaler Richard Schultz auf Goldgrund in grünem Bronzeton gemalt. Sie stellen die sächsischen Kurfürsten bis 1547 und die Herzöge von Sachsen-Altenburg sowie Sachsen-Gotha-Altenburg dar. Die Bilder sind Anfang der 1950er Jahre überstrichen worden, so dass an diesen Stellen leere Flächen entstanden waren. Durch Hinweise und Aktenrecherche konnten die Bildnisse anlässlich des 100-jahrigen Jubiläums 1995 freigelegt werden. Möge dieses besonders schöne, historische Gebäude noch lange Sitz der Kreisverwaltung und des Kreisarchivs sein und weiterhin mit Rücksicht auf seine besonders erhaltenswerte Architektur und Ausstattung genutzt werden. Kerstin Scheiding Kreisarchiv Altenburger Land 55 Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Der Landschaftssaal Vom „Geheimen Archiv“ zum Perthes-Forum Das Thüringische Staatsarchiv Gotha erhält ein neues Gebäude Nach 371 Jahren hat das Staatsarchiv Gotha das Schloss Friedenstein verlassen und ist mit seinem Gesamtbestand von 10.000 lfm Akten, 60.000 Karten, 9.000 Urkunden, 12.000 Büchern und über 400 lfm Zeitungen, Zeitschriften und Drucksachen in das so genannte Perthes-Forum umgezogen. Zwei Umzugsunternehmen haben in knapp fünf Wochen mit 200 LKW-Ladungen das Archivgut und in zwei weiteren Wochen die Büros, Werkstätten, den Lesesaal und das Filmmagazin an den neuen Standort verbracht. Die Kollegen des Hauses haben wochenlang selbst Hand angelegt, keine Mühen und körperlichen Anstrengungen gescheut und noch einmal 15 LKW be- und entladen. Die vorbereitenden Kartonierungsarbeiten dauerten etwa vier Jahre und umfassten über 90 Prozent des Gesamtbestandes. Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Leider musste das neue Haus gegen jeden archivarischen Sachverstand bereits vor seiner endgültigen Fertigstellung bezogen werden, so dass es in den ersten Wochen zu erheblichen Problemen bei der Sicherheits- und Klimatechnik kam. Obwohl das Archiv im Gothaer Schloss Friedenstein mit seinen reichen Beständen große Flächen in verschiedenen Flügeln und Etagen des Schlosses eingenommen hatte, war sein Herz das „Geheime Archiv“. Auch im neuen Haus belegt es einen gesondert gesicherten Magazinraum. Im Geheimen Archiv werden seit den Zeiten Ernsts des Frommen jene Akten und Urkunden aufbewahrt, die die Arbeit der herzoglichen Verwaltung über mehrere Jahrhunderte dokumentieren. Schon beim Bau der Schlossanlage war man sich der Bedeutung der Institution Archiv bewusst. Kaum ein anderer Raum als der des ursprünglichen Archivs hat stärkere Außenmauern und massivere Metalltüren. Die Ausstattung mit Regalen, Schränken und Truhen aus der Erbauungszeit des Schlosses, die größtenteils erhalten ist, findet sich im deutschsprachigen Raum nur äußerst selten. Die Einrichtung des Geheimen Archivs ist damit als ursprüngliche Ausstattung Bestandteil des Denkmalensembles und verbleibt deshalb im Schloss. Der Ursprung des heutigen Staatsarchivs ist eng verbunden mit der 1640/1641 erfolgten Gründung des Herzogtums Gotha. Nach Übernahme der Urkunden, Amtsbücher und Akten aus dem Ernestinischen Gesamtarchiv in Weimar für das Gebiet des neuen Herzogtums, einschließlich der dort gelegenen ehemaligen Klöster, wurden diese wohl zuerst im Rathaus aufgestellt. Hier residierte auch der erste Herzog, Ernst der Fromme, bis zur Fertigstellung des Schlosses Friedenstein. Das in den Bauplänen bereits von 1643 vorgesehene „Archivgewölbe“ konnte zwischen 1646 und 1649 bezogen werden. Der Herzog überwachte persönlich dessen Einrichtung und schuf auch die erste Stelle eines hauptamtlichen Archivars. Trotz dieser 56 Wertschätzung erlebte die Einrichtung eine wechselvolle Geschichte. So schreibt ein Archivar vor rund 150 Jahren an seinen Vorgesetzten: „[…] das Zimmer des geheimen Archivs ist dermaßen unrein, dass die Spinnen in zahlreicher Menge, und sogar ein kleiner Vogel – das Nest nebst Ei befindet sich noch auf einem Actenconvolut – Wohnung darin gemacht haben“. Heute ist es klinisch rein und mit einer Sprühnebellöschanlage ausgestattet. Nach der Gründung des Landes Thüringen wurde das bisherige Archiv ab 1921 als Thüringisches Staatsarchiv Gotha, das seit 1926 dem Direktor der Thüringischen Staatsarchive in Weimar unterstellt war, fortgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen noch die umfangreichen Archivbestände der preußischen Behörden des 1816 gebildeten Regierungsbezirks Erfurt hinzu. Die Akten der kurmainzischen Vorgängerbehörden befinden sich allerdings noch bis heute im Landesarchiv Sachsen-Anhalt. Das Gothaer Archiv wurde 1951 in Landesarchiv, 1965 in Historisches Staatsarchiv umbenannt und seit 1976 als Außenstelle Gotha des früheren Staatsarchivs Weimar geführt. Seit 1994 ist es unter dem alten Namen Thüringisches Staatsarchiv Gotha wieder eine eigenständige Landesbehörde. Für die Zeit vor 1918/1920 erstreckt sich die historische Zuständigkeit auf das Herzogtum Gotha und dessen Vorgängerterritorien. Im 1920 gegründeten Land Thüringen war das Staatsarchiv Gotha für staatliche Mittel- und Unterbehörden (einschließlich der Kreisverwaltungsbehörden) in den Landkreisen Gotha und Eisenach zuständig. Mit Auflösung des Preußischen Regierungsbezirkes Erfurt wurden dessen Akten ebenfalls nach Gotha überführt. Nach 1952 war es im Rahmen der Archivorganisation der DDR nur noch historisches Archiv ohne eigenen Sprengel. Erst seit 1990 besitzt das Staatsarchiv Gotha wieder die Zuständigkeit für rund 50 mittlere und untere Landesbehörden und für regional wirkende nachgeordnete Behörden des Bundes mit Sitz in den Landkreisen Gotha, Eichsfeldkreis (Verwaltungssitz Heiligenstadt) und Unstrut-Hainich-Kreis (Verwaltungssitz Mühlhausen). Dazu gehören beispielsweise Staatsanwaltschaft, Landgericht, Amtsgerichte, Arbeits- und Finanzämter, Landespolizeiinspektionen, Katasterämter, Landwirtschaftsamt, Straßenbauamt und Schulen. Der zeitliche Umfang erstreckt sich vom ältesten echten Dokument aus dem Jahre 1092 bis zu den aktuellen Übernahmen aus den Registraturen der in der Region ansässigen Landes- und Bundesbehörden. Es verwahrt Papstund Kaiserurkunden, Verwaltungsakten, Briefe und amtliche Schreiben von Ludwig XVI. von Frankreich, Friedrich dem Großen, Napoleon, Goethe, Bismarck bis hin zu modernen Datenträgern, wie Videos und Tonbändern. Besondere Bedeutung kommt den Beständen des 19. Jahrhunderts zu, da hier Schriftwechsel und Verwaltungsak- ten des ehemals regierenden Hauses Sachsen-Coburg und Gotha mit seinen umfangreichen Familienbeziehungen zum europäischen Hochadel verwahrt werden, deren Korrespondenzen von Russland über Indien bis Mexiko und Brasilien reichen. Auszug aus Schloss Friedenstein (Foto: Sandra Scheer) Bauherr, sondern zum überwiegenden Teil jeweils anteilig durch EU-, Bundes- und Landesmittel finanziert. Da das Objekt im Innenstadtbereich direkt am Schlosspark liegt und denkmalgeschützt ist, waren besondere bauliche Maßnahmen an der Fassade und im Außenbereich nötig. Zur Klimastabilisierung wurden etwa alle Magazinfenster zugemauert. Durch die räumliche Nähe zwischen den drei Nutzern können zahlreiche Synergieeffekte und damit Kostenersparnisse erreicht werden. So ist zum Beispiel an eine gemeinsame Klimatisierung, ein Sicherheits- und Schließsystem, gemeinsame Treppenzugänge, Fahrstühle, Parkplätze und natürlich die Haustechnik, wie Heizung, Wasser und Telekommunikation gedacht worden. Geldgeber von Bund und Land, Bauherr Stadt, Nutzer, Architekten und Fachplaner waren ständig bemüht, einen Konsens zwischen den fachlichen Anforderungen, den finanziellen Möglichkeiten und den räumlichen Unzulänglichkeiten herzustellen und sie haben optimiert, was in ihren Kräften stand. Auch wenn die Standards für Archivbauten weitestgehend klar formuliert sind, wird Blick in einen neuen Magazinraum (Foto: Sandra Scheer) 57 Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Dieser Schatz befindet sich nun in dem von der Stadt Gotha erworbenen Areal der ehemaligen Geografischen Anstalt von Justus Perthes, später VEB Hermann Haack. Es handelt sich um einen Komplex mehrerer Gebäude, der einen ganzen Straßenzug umfasst und dessen Bausubstanz teilweise bis 1856 zurückreicht. Das so genannte Perthes-Forum beherbergt nun Depots und Werkstätten für die Museen der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, für die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt und für das komplette Staatsarchiv. Die erstgenannten beiden Einrichtungen erhielten Erweiterungsflächen für ihre Sammlungen. So zum Beispiel für die Kartografische Sammlung von Perthes (Karten, Bibliothek, Archiv), die einen Speziallesesaal und Werkstätten erhielt und weitere Depots für die Gemäldesammlung und die naturkundlich-geologische Sammlung der Museen. Der Hauptteil der Magazin- und Arbeitsräume der Bibliothek und die Ausstellungsbereiche der Museen verbleiben aber weiterhin im Schloss Friedenstein oder im neu rekonstruierten „Herzoglichen Museum“. Anders verhält es sich mit dem Staatsarchiv. Dieses verlagerte seinen Bestand und alle Büro- und Werkstattbereiche einschließlich Lesesaal und Ausstellungsfläche vollständig in das neue Gebäude. Nach mehreren Machbarkeitsstudien und Masterplänen für die Sanierung des Schlosses Friedenstein und der anschließenden neuen Raumkonzeption war klar, dass eine moderne, zukunftsorientierte und vollständige Unterbringung aller Bereiche des Archivs im Schloss nicht ohne Abstriche an der Funktionalität möglich ist. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, das Archiv komplett und nicht nur mit Teilbereichen außerhalb des historischen Refugiums unterzubringen. Dieser Entscheidungsprozess ging einher mit einem zähen Ringen um Standorte, Etagen und Räume und ist keinem Beteiligten leicht gefallen. Das Ergebnis wird nur einem einzigen Zweck dienen – der dauerhaften und sicheren Archivierung einzigartiger Dokumente, unabhängig von persönlichen Ressentiments. Die im Schloss verlassenen Räume übernehmen nach deren Sanierung die Museumsstiftung und die Forschungsbibliothek. Mit dem Aus- und Erweiterungsbau des Perthes-Forums hat das Staatsarchiv erstmalig stabile klimatische Verhältnisse in allen Räumen erhalten, für die wertvollsten Bestände eine Sprühnebellöschanlage und modern und funktional eingerichtete Büro- und Arbeitsräume. Als Archiv der „kurzen Wege“ konzipiert, sind alle Funktionen so eng wie möglich miteinander verbunden. Klimatisierung, durchgängig kompakte Rollregalanlagen, größere und komfortablere Ausstellungs-, Vortrags- und Benutzerbereiche, getrennte Werkstattbereiche, ein klimatisiertes Filmmagazin, Benutzerparkplätze, barrierefreier Zugang und ein gesonderter Aktenfahrstuhl sind nur einige Kenngrößen dieses Investitionsvorhabens. Durch die maßgebliche Beteiligung der Museumsstiftung und der Universität Erfurt wurde das Gesamtprojekt nicht nur durch die Stadt Gotha als Gebäudeeigentümer und Chemnitz und Berlin werden durch den engen finanziellen Rahmen und die unterschiedliche Auslegung der Bau- und Verwaltungsvorschriften von Bund und Land verursacht. Eklatante Ausstattungsunterschiede werden dem fachkundigen Betrachter insbesondere im Vergleich des Gothaer Projektes mit den Archivneubauten in Weimar (Hauptstaatsarchiv und Goethe- und Schiller-Archiv) auff allen. Justus-Perthes-Str. 5 (Foto: Sandra Scheer) Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor dieser Bau nicht allen Ansprüchen gerecht. Den Gegebenheiten der Kubatur der vorgegebenen Altbausubstanz – nur ein Teil wurde als wirklicher Neubau errichtet – ist es geschuldet, dass es Rampen und vereinzelt Schwellen gibt, Fahrstühle zum Ausgleich von altem und neuem Etagenniveau erforderlich sind oder Arbeitsräume vergittert werden müssen oder größer sein könnten. Aber die meisten Unzulänglichkeiten, Qualitäts- und Mengenminderungen sowie Standardverluste gegenüber fast gleichzeitigen Archivbauten in Weimar, Dresden, Magdeburg, Mit dem ersten Spatenstich begann für das Staatsarchiv Gotha eine neue Epoche. Allerdings bedurfte nicht alles, was zurückgelassen wurde, unbedingt der Erneuerung. Kosten senkend auf das ganze Bauvorhaben hat sich ausgewirkt, dass fast 90 Prozent des vorhandenen Mobiliars und der Ausstattung an Geräten und Technik vom alten Standort in das Perthes-Forum umgesetzt werden konnten. Es bleibt zu bekräftigen, dass wesentliche Modernisierungen, Erweiterungen und Optimierungen in den Arbeitsabläufen und der Raumfunktionalität nur an einem neuen Standort ermöglicht werden konnten. Im Schloss gab es keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten. Künftige Anforderungen in Bezug auf Akten- und Datenübernahmen und die Gewährleistung der Dienstleistungsfunktionen des Archivs werden künftig besser und langfristig planbar zu realisieren sein. Und nicht zu vergessen ist, dass dadurch die einmalige Chance besteht, Schloss Friedenstein im Interesse der verbleibenden Nutzer und der angegriffenen Gebäudesubstanz denkmalgerecht komplex zu sanieren. Über 2.000 m² werden im Schloss durch den Auszug des Staatsarchivs frei, sind aber stark sanierungsbedürftig, bevor sie etwa hälftig den Museen und der Bibliothek zur künftigen Nutzung übertragen werden bzw. durch die Schlösserstiftung selbst genutzt werden könnten. Nutzerseitig ist auf jeden Fall angedacht, den Raum des historischen Geheimen Archivs mit seiner Originalausstattung als „Archivmuseum“ zu erhalten und der Öffentlichkeit im Rahmen von Führungen und Sonderausstellungen zugänglich zu machen. Lutz Schilling Thüringisches Staatsarchiv Gotha Den drei künftigen Mietern werden durch den Landtagspräsidenten und den Kulturminister die Schlüssel übergeben (Foto: Sandra Scheer) 58 Zum 8. Juni 2015 lud das Thüringische Staatsarchiv Meiningen die 19 Landtagsabgeordneten Südwestthüringens zu einer Informationsveranstaltung ein, um auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen und die Aufgaben und Arbeitsweise des Staatsarchivs vorzustellen. Diese Form einer Informationsveranstaltung wurde erstmalig gewählt, um parlamentarische Entscheidungsträger gezielt in die Räumlichkeiten des Staatsarchivs zu holen, was mit Abstrichen auch gelang. Der amtierende Direktor Dr. Norbert Moczarski konnte die Landtagsabgeordneten Kristin Floßmann (CDU), Ina Leukefeld (Die Linke), Ronald Hande (Die Linke) sowie Holger Auerswald, persönlicher Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten Steffen Harzer (Die Linke), begrüßen. Einige Landtagsabgeordnete hatten ihr Kommen zwar zugesagt, dann aber wegen anderer dringender Termine kurzfristig absagen müssen. Die zweieinhalbstündige Informationsveranstaltung wurde von Dr. Nobert Moczarski, Katharina Witter und Carolin Baumann vorbereitet und durchgeführt. Mit einer Einführungspräsentation im Lesesaal des Staatsarchivs wurden kurz die thüringische Archivlandschaft und die Aufgaben staatlicher Archive vorgestellt und die Zuständigkeit und das Benutzerspektrum erläutert. Darüber hinaus wurden die Anforderungen des Informationszeitalters an die Archive aufgezeigt. Doch das zentrale Ziel der Veranstaltung bestand darin, die Landtagsabgeordneten auf die drängenden Probleme, insbesondere auf die prekäre Raumsituation in Meiningen und in der Außenstelle Suhl, aufmerksam zu machen sowie die Abgeordneten bei der Lösung dieser Probleme um Unterstützung zu bitten. In einem Rückblick führte Dr. Moczarski ihnen zunächst Archivalienpräsentation im Kartenraum während der Führung der Landtagsabgeordneten (Foto: Constanze Siemann) die Bemühungen und Planungen der letzten 20 Jahre vor Augen, deren Realisierung jedoch immer wieder scheiterte. Dazu gehört auch das bereits weit fortgeschrittene Neubauprojekt in der Marienstraße 4/5 in Meiningen in den Jahren 2000/2001. Während die seit 1990 andauernde beengte Situation in den Verwaltungsräumen im Bibrabau sich durch einen möglichen Auszug der Musikschule Meiningen im oberen Geschoss entspannen könnte, ist das Staatsarchiv bereits seit längerer Zeit auch hinsichtlich seiner Magazinkapazitäten an seine Grenzen gestoßen. Die Tatsache, dass Archive immer auch Leerflächen benötigen, ist gerade in Zeiten angespannter Haushaltskassen nur schwer zu vermitteln. Umso erfreulicher waren aber das gezeigte Verständnis der Abgeordneten und die Einsicht, dass das beste Provisorium für die auf Ewigkeit angelegten Archive eben keine Lösung sein kann. Weiterhin wurde – wenn auch in visionärer Absicht – auf leerstehende Gebäude in Meiningen aufmerksam gemacht, um zu vermitteln, dass es durchaus Alternativen zu den derzeitigen Standorten im Meininger Schloss und im ehemaligen Gefängnis in Suhl gibt. Hingewiesen wurden beispielsweise auf das Landgerichtsgebäude in der Leipziger Straße und den Neubau (2000) des ehemaligen Bundesbankgebäudes gegenüber dem Justizzentrum in der Meininger Kasernenstraße, der bereits seit 2011 leer steht und einer Weiternutzung harrt. Realistischer erscheint jedoch der Aus- bzw. Umbau der so genannten Schotthallen (bis 1989 erbaut), welche bereits 2011 dem Staatsarchiv von der Stadt Meiningen als Magazinflächen angeboten wurden. Doch auch hier herrscht aufgrund abgelehnter Fördermittel inzwischen Stillstand. Dennoch wurden die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten dieser Schotthallen vorgestellt und mit den Gästen diskutiert. Dr. Moczarski appellierte an die Gäste, diesen Stillstand endlich zu beenden und die Prozesse zur Weiterentwicklung des Staatsarchivs wieder anzustoßen, da das Thüringische Staatsarchiv Meiningen bereits jetzt seiner gesetzlich festgeschriebenen Aufgabe, permanent archivwürdige Akten aus 54 Landesbehörden und 3 Bundesbehörden zu übernehmen nur noch sehr eingeschränkt nachkommen kann. So können derzeit nur noch kleine vorhandene Lücken in den Magazinbereichen Meiningen und Suhl gefüllt werden, bis 2016 endgültig alle Übernahmen gestoppt werden müssen. Die Landtagsabgeordneten erkannten auch, dass nur ein Auszug der Musikschule aus dem zweiten Obergeschoss des Bibrabaus und die damit verbundene Vergrößerung der Funktionsräume für die Verwaltung die Arbeitsbedingungen für die Belegschaft und für die Besucher des Archivs verbessern würden. Dabei sind es auf den ersten Blick nur Kleinigkeiten, die sowohl für die Mitarbeiter aber vor allem auch für die Nutzer des Staatsarchivs ungünstig sind. Zu nennen seien an dieser Stelle ein fehlender 59 Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote Besuch von Landtagsabgeordneten im Staatsarchiv Meiningen – ein Hilferuf Aufenthaltsraum für Nutzer, fehlende Abtrennungen zwischen Lesesaal und Filmleseraum, ein fehlender Vortragsraum oder die völlig unzureichenden Sanitäranlagen. Auch die Verwaltungsräume selbst sind hinsichtlich ihrer Größe und Nutzung unzureichend. Hinzu kommen die beengten Magazinräume mit den zu hohen Regalen und die Verteilung der Räume über mehrere separate Zugänge im ganzen Schloss. Die Arbeitsbedingungen gestalten sich äußerst schwierig, da auf den langen Wegen, die häufig über Treppen führen, das Archivgut nur mit der Hand transportiert werden kann. Dem vorwiegend beschreibenden Teil der Veranstaltung folgte dann ein ausgiebiger Rundgang durch fast alle Archivmagazine. Den Gästen wurde anhand einer Archivalienauswahl die Bedeutung und Vielschichtigkeit des Archivguts veranschaulicht und von diesen auch interessiert wahrgenommen. Die Abgeordneten konnten die zu- vor angesprochenen Probleme mit eigenen Augen sehen. Die bereits im Eingangsgespräch geführten Diskussionen wurden bei der Führung intensiv fortgesetzt. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass durchaus auch Verwunderung und Entsetzen über die vorherrschenden Zustände geäußert wurde. Insgesamt konnte die Veranstaltung sicher einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und die Landtagsabgeordneten sensibilisieren. Es bleibt zu hoffen, dass die gewonnenen Eindrücke nicht so schnell vergessen werden und vielleicht in entsprechende Planungsprozesse und Entscheidungen münden. Das Thüringische Staatsarchiv Meiningen beabsichtigt, diese Informationsveranstaltung 2016 in der Außenstelle Suhl zu wiederholen. Carolin Baumann, M. A. Thüringisches Staatsarchiv Meiningen ThELMA auf der CeBIT 2015 präsentiert Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote Auf der CeBIT 2015 wurde im Rahmen der Präsentation Thüringens auf dem Gemeinschaftsstand des IT-Planungsrates das Projekt Digitales Magazin des Freistaats Thüringen präsentiert (ThELMA – Thüringisches Elektronisches Magazin). Schwerpunkt war Montag, der 16. März 2015, an dem auch ein Vortrag zum Bühnenprogramm des IT-Planungsrates beigesteuert wurde. Der IT-Planungsrat ist ein aus allen Ländern und dem Bund zusammengesetztes Gremium mit der Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Informationstechnik zu koordinieren, IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards festzulegen sowie übergreifende Projekte im Bereich E-Government zu steuern. Der Thüringen-Stand thematisierte 2015 die E-Government-Initiativen des Landes sowie das Projekt zur Ein- führung einer branchenspezifischen Softwarelösung für ein Digitales Magazin zur fachgerechten und revisionssicheren Archivierung genuin digitaler Daten (z. B. E-Akten, Daten aus Fachverfahren, Geodaten, Netzressourcen) im Freistaat Thüringen. Die Mannschaft auf dem Thüringen-Stand am ersten Tag der CeBIT 2015, v. l. Jörg Filthaut, Konrad Meckel (beide ThHStAW), Dennis Gollard (TFM), Silvio Müller (TLRZ) (Foto: Kathrin Zeiger) Fachvortrag zur digitalen Archivierung im Rahmen des Bühnenprogramms des IT-Planungsrates, Jörg Filthaut mit Ausführungen zu den analogen und digitalen Archivguttypen (Foto: Kathrin Zeiger) 60 Jörg Filthaut Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Weitere Informationen zum Projekt unter: http://www. thueringen.de/th1/tsk/kultur/staatsarchive/fachinformationen/digital/projekt/index.aspx Presseerklärung des Thüringer Finanzministeriums zur CeBIT 2015 unter: http://www.thueringen.de/th5/tfm/ aktuell/ai/83439/index.aspx Ministerpräsident Bodo Ramelow besucht das Staatsarchiv Gotha Im Rahmen seiner „Landesbereisung“ hat Ministerpräsident Bodo Ramelow als erste Station Gotha gewählt und neben weiteren wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen in der Stadt am 30. März dieses Jahres das Staatsarchiv besucht. In seinem 45-minütigen Rundgang wurde ihm durch den Direktor der Einrichtung das Staatsarchiv, dessen Geschichte und die Hauptaufgaben der Staatsarchive erläutert. Ein Schwerpunkt war die Präsentation der neuen Sonderausstellung, an Hand derer er einen Überblick über die wichtigsten Bestände des Archivs erhielt. Insbesondere wurde auf die umfangreiche Quellenlage auf Grund der weltumspannenden dynastischen Beziehungen des ehemaligen Herzogshauses von Sachsen-Coburg und Gotha und die Zuständigkeit für den preußischen Regierungsbezirk Erfurt eingegangen. Ministerpräsident Ramelow und Oberbürgermeister Kreuch in der Ausstellung (Foto: Sandra Scheer) Ministerpräsident Bodo Ramelow mit Aktenreff (Foto: Sandra Scheer) Bei einer abschließenden kleinen Diskussion im Kreise der ihn begleitenden Landtagsabgeordneten, des Oberbürgermeisters von Gotha, Knut Kreuch, und der Mitarbeiter des Staatsarchivs gab es einen Meinungsaustausch zu Folgen der Verwaltungsstrukturreform für die Archive, Vor- und Nachteile von Digitalisierungsprojekten und die Struktur der Thüringer Archivlandschaft. In einer sehr entspannten Atmosphäre konnte der Ministerpräsident somit einen ersten Archivstandort kennenlernen, besonders unter dem Aspekt bedeutend, dass nach der neuen Ressortzuständigkeit die Thüringischen Staatsarchive direkt der Staatskanzlei zugeordnet sind. Der Direktor des Staatsarchivs bedankte sich ausdrücklich zum Abschluss des Rundgangs für die Wertschätzung, die der Besuch des Ministerpräsidenten für die Mitarbeiter der Einrichtung zum Ausdruck gebracht hat und für die getätigten Investitionen des Landes. Er verband dies mit der Bitte um weitere Unterstützung auch der anderen Archivstandorte und Beibehaltung der bisherigen Personalkapazitäten. Lutz Schilling Thüringisches Staatsarchiv Gotha 61 Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote Im anschließenden Rundgang durch die neuen Räume im Perthes-Forum konnten der neue moderne Lesesaal, das spezielle Kartenmagazin, das alte „Geheime Archiv“ mit modernster Sicherungs- und Brandbekämpfungstechnik und die neuen Büro- und Arbeitsräume besichtigt werden. Kunst am Bau Queen Victoria beehrt das historische Treppenhaus des Staatsarchivs Gotha im Perthes-Forum Archive in Thüringen 2015 – Mitteilungen und Angebote Im historischen Treppenhaus des Staatsarchivs Gotha wurde in den gegebenen Nischen eine reizvolle Urkunden-Installation angebracht, die dem Besucher schon beim Eintreten die engen Verbindungen zum britischen Königshaus verdeutlichen soll. Bei der dort verwendeten Urkunde handelt es sich um die Ernennung von Prinz Alfred zum Duke of Edinburgh durch Queen Victoria im Jahr 1866. Prinz Alfred wurde am 6. August 1844 als viertes Kind von Königin Victoria von Großbritannien und Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha auf Schloss Windsor geboren. Da mit seinem älteren Bruder Edward die englische Thronfolge bereits gesichert war, kam Alfred die Rolle des Nachfolgers seines kinderlosen Onkels, Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha zu. Er wuchs in England auf und sprach von allen seinen Geschwistern am schlechtesten Deutsch. Trotzdem akzeptierte er diese Entscheidung. Eine eindeutige Regelung dazu erfolgte spätestens mit Verabschiedung des Staatsgrundgesetzes vom 3. Mai 1852. Alfred studierte an den Universitäten Edinburgh und Bonn Philosophie und Naturwissenschaften und absolvierte außerdem, seinen Neigungen entsprechend, eine Ausbildung bei der Royal Navy. Mit 14 Jahren als Seekadett angefangen, stieg er im Laufe der Jahre zum Großadmiral auf, dem höchsten Rang in der britischen Flotte. Am 24. Mai 1866, dem Tag ihres 47. Geburtstages, verlieh Königin Victoria von Großbritannien und Irland ihrem Sohn Alfred mit dieser prachtvollen Urkunde die Titel und Würden eines Earl of Ulster, Earl of Kent und Duke of Edinburgh. Damit erwarb er gleichzeitig das Anrecht auf einen Sitz im britischen Oberhaus. Alle Titel wurden in der britischen Geschichte z. T. mehrmals verliehen, der des Duke of Edinburgh seit 1726 jedoch insgesamt nur viermal. Er erlosch nach dem Tode Herzog Alfreds und erst am 20. (Foto: Sandra Scheer) November 1947, einen Tag vor seiner Hochzeit erhielt ihn der Ehemann von Königin Elisabeth II., Prinz Philip Mountbatten. Herzog Alfred war seit 1874 mit der russischen Zarentochter Maria Alexandrowna verheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor – vier Töchter und ein Sohn. Nach dem Tod seines Onkels, Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha, hatte Alfred 1893 die Regierung übernommen. Auch die Nachfolge schien gesichert, bis im Jahre 1899 der einzige Sohn freiwillig aus dem Leben schied. Alfred war zutiefst erschüttert. Trotzdem wurden von ihm, inzwischen selbst durch eine unheilbare Krankheit gezeichnet, Staatsräson und eine zeitnahe Regelung der Nachfolge erwartet. Es gelang ihm noch, alle notwendigen Regelungen selbst vorzunehmen, bevor er am 30. Juli des darauffolgenden Jahres starb. Dr. Steffen Arndt Thüringisches Staatsarchiv Gotha Tagungsband erschienen Seit 1997 beschäftigen sich Archivare aller Archivsparten in Deutschland, der Schweiz und Österreich im Arbeitskreis „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Archiven“ mit dieser Herausforderung. Rechtzeitig vor Jahresende ist der Band erschienen, der alle Beiträge der im Frühjahr 2014 in Weimar stattgefundenen 18. Tagung in ausführlicher schriftlicher Form versammelt und damit ein aktuelles Spiegelbild zum Stand der digitalen Archivierung in der Fachwelt darstellt. Der Tagungsband ist nicht im Buchhandel zu erwerben. Der Bezug ist auf Anfrage beim Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar unter [email protected] möglich. Jörg Filthaut Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar 62 Martin Luther und die Reformation Martin Luther kann in seiner Wirkung mit Jesus verglichen werden – nur, dass sein Wirken das Ende der den europäischen Kontinent umspannenden christlichen Religion einleitete, das mit der Aufklärung und den Ideen von Immanuel Kant über die Unmöglichkeit eines Gottesbeweises seinen Schlusspunkt fand. Der Weltenerschütterer Luther fand einen Kontinent vor, der bereits durch die Ideen des Humanismus und der Renaissance mit der Hinwendung zum Erbe der antiken Welt für die Reformation vorbereitet war – allenfalls der Funke fehlte, um das Zunderholz auflodern zu lassen. Dass die Humanisten um Luther, genannt sei nur Philipp Melanchthon, selbst durch ihre kritischen Übersetzungen der antiken Autoren diesen Weg bereiteten, kündet auch von ihren wissenschaftlichen Verdiensten. Der Buchdruck machte das neue Wissen unaufhaltbar – wie eine Flut ergossen sich die Ideen der Antike, die den Menschen in den Mittelpunkt aller Dinge gestellt hatten, über den Kontinent. Oder wie es der italienische Humanist Giovanni Pico della Mirandola in seiner 1486 verfassten Schrift de hominis dignitate unübertroffen formulierte: „Gott spricht zu Adam: Wir haben dich weder als einen Himmlischen noch als einen Irdischen, weder als einen Sterblichen noch als einen Unsterblichen geschaffen, damit du als dein eigener, völlig frei entscheidender Bildner und Gestalter dir selbst die Form bestimmst, in der du zu leben wünschest. Es steht dir frei, in die Unterwelt des Viehs zu entarten. Es steht dir ebenso frei, in die höhere Welt des Göttlichen dich durch den Entschluß deines eigenen Geistes zu erheben.“ Nun hätten diese Ideen nicht eine solche Wirkungsmacht entfalten können, schließlich hatten schon vorher Männer wie John Wyclif Kirchenreformen gefordert, wenn die Papstkirche nicht selbst zutiefst in ihren Grundlagen erschüttert gewesen wäre. Die Amtsführung der Renaissancepäpste war berüchtigt, erinnert sei an das Wort von Leo X., der nach seiner Wahl sagte: „Da Gott Uns das Papsttum verliehen hat, so laßt es Uns denn genießen.“ Der schwunghafte Ablasshandel und der kirchliche Ämterkauf auf jeder Ebene tat ihr Übriges – so wurde besagter Leo X. bereits mit 14 Jahren zum Kardinal ernannt. Ebenso vereinigte Kardinal Albrecht von Brandenburg, der durch seinen Beauftragten Johann Tetzel einen sagenhaften Ablasshandel betreiben ließ, kirchenrechtswidrig die Bistümer Mainz, Magdeburg und Halberstadt auf seine Person. Hinzu kam die sprichwörtliche Dummheit – gleichsam sub omnibus canonibus – des einfachen Klerus, die in den Dunkelmännerbriefen der Erfurter Humanisten an den Pranger gestellt wurde. Insofern war die katholische Amtskirche reif wie ein fauler Apfel – quasi Fallobst im durch Martin Luther entfachten Sturm. Wie erschütternd die Zustände gerade in der ländlichen Amtskirche waren, zeigen dann auch die zahlreichen Visitationsprotokolle, die die Reformatoren im Auftrage ihrer Landesherren anfertigten. Nicht nur die praktischen Grundlagen der Amtsführung standen in der Kritik, auch die religiösen Fundamente waren brüchig geworden. Die Reformatoren kritisierten die Reliquienverehrung, die Praxis des Abendmahls und den Zölibat als nicht bibelgerecht. Dass Martin Luther mit einer quellenkritischen Bibelübersetzung in die deutsche Sprache während seiner Gefangenschaft auf der Wartburg nicht nur das Fundament für das Verständnis der Heiligen Schrift überhaupt legte, sondern überhaupt die deutsche Sprache durch seine Metaphern (sein Scherflein beitragen – damit ist eine Erfurter Scheidemünze gemeint – oder einen Denkzettel verpassen) erst prägte und ausbilden half, gehört zu seinen wissenschaftlichen Großtaten. Oder wie Jacob Grimm meinte: „Man darf das Neuhochdeutsche in der Tat als den protestantischen Dialekt bezeichnen.“ Luthers Anfänge liegen in Mitteldeutschland, hier verbreiteten sich seine Ideen besonders rasch. Zum einen, weil bedeutende Universitäten wie in Leipzig, Wittenberg und Erfurt – und später in Jena und Marburg – mit ihren humanistischen Spitzengelehrten als Katalysatoren wirkten. Zum anderen, weil die reiche Städtelandschaft in Mitteldeutschland ebenso wirkmächtige Ausstrahlungspunkte bildete. Zum dritten, weil die Reformatoren in den Wettinern ein Fürstengeschlecht fanden, das mächtig genug war, sie gerade in den gefahrvollen ersten Jahren wirkungsvoll zu unterstützen und zu beschützen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass gerade in den mitteldeutschen Archiven, ob nun in staatlicher oder kommunaler Trägerschaft, ein reicher Fundus an Archivalien zu Tätigkeit und Leben von Martin Luther und seiner Mitstreiter und Freunde zu finden ist. Der Luther-Kalender 2015 präsentiert die inhaltlichen und optischen Zimelien dieser Reformationslandschaft: von Magdeburg bis Coburg und von Marburg bis Altenburg – und wie so oft ist das Ergebnis weit mehr als die Summe der Einzelbeiträge. Dr. Steffen Arndt Thüringisches Staatsarchiv Gotha 63 Archive in Thüringen 2015 – Archiveinrichtungen stellen sich vor Kalender mitteldeutscher Archive 2015 erschienen Mit Papier und andern getreulich umbzugehen Ein Streifzug durch 1000 Jahre Thüringer Geschichte Buchankündigung des Staatsarchivs Gotha Archive in Thüringen 2015 – Neuerscheinungen Das Thüringische Staatsarchiv Gotha wird im Jahr 2015 nach über 350 Jahren im Schloss Friedenstein in das neue Archivdomizil Perthes-Forum umziehen. Dieser Umzug, der von Bund und Land mit 18 Mio. € Baumitteln für das Gesamtvorhaben ermöglicht wurde, war dringend notwendig, da die Klima- und Arbeitsbedingungen im Schloss der Bestandserhaltung höchst abträglich waren. Schon allein die Höhe der Bausumme bezeugt, wie hoch der kulturelle und geschichtliche Wert der Gothaer Sammlungen eingestuft werden. Der Ursprung des Archivs in Gotha ist eng verbunden mit der 1640/1641 erfolgten Gründung des Herzogtums Gotha. Nach Übernahme der Urkunden, u. a. für die Klöster Reinhardsbrunn, Georgenthal und Ichtershausen, von Amtsbüchern und Akten für das Gebiet des neuen Herzogtums wurde in Gotha das Archivgewölbe in Schloss Friedenstein erbaut. Bereits in den Bauplänen von 1643 war dieses Archivgewölbe vorgesehen, das dann zwischen 1646 und 1649 bezogen werden konnte. Der Herzog überwachte persönlich dessen Einrichtung. Mit der Gründung des Herzogtums Gotha errichtete Ernst der Fromme einen protestantischen Musterstaat, der für seine Staatsreform, aber auch für seine Schulen und Bildungsstätten berühmt war und zum Vorbild für die Reformen protestantischer Staaten wurde, z. B. Preußens unter Friedrich Wilhelm I. Gleichzeitig entstand in Gotha die Keimzelle dessen, was im 18. Jahrhundert als barocker Hof weite Ausstrahlung in Europa erreichte, den Vergleich mit Paris standhalten konnte, und Philosophen(könige) wie Voltaire und Friedrich den Großen anzog. Die Förderung von Kunst und Wissenschaft fand ihren Ausdruck nicht nur in den wissenschaftlichen Sammlungen, sondern auch in der Begründung ganzer Wissenschaftsrichtungen wie der Äthiopistik, der Astronomie oder der Geographie. Ein Beispiel: die Astronomie in Gotha hatte einen so hohen Ruf, dass die britische Admiralität die Berechnungen für ihre Navigationskarten und -tabellen hier erstellen ließ. Heute werden im Staatsarchiv Gotha 9.100 Urkunden, 9.200 lfm Akten und 64.000 Karten von der Gründung der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, der kulturellen barocken Glanzzeit des Herzogtums Sachsen-Gotha im 18. Jahrhundert, der preußische Geschichte der Stadt Erfurt, des Wiederaufstiegs des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gothas durch die Heirat Prinz Alberts mit Queen Victoria bis hin zum Ersten Weltkrieg und der Gründung des Volksstaates Gotha verwahrt. Das Staatsarchiv Gotha sichert damit bedeutende Zeugnisse des ernestinischen Erbes in Thüringen von der Gründungsurkunde des Klosters Reinhardsbrunn aus dem Jahr 1092, über eine Kaiserurkunde Friedrich Barbarossas für das Kloster Ichtershausen 1179, eine Papstbreve Leos X. an Kurfürst 64 Friedrich den Weisen zum Kampf gegen Martin Luther von 1518, den Briefwechsel von Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha mit Friedrich dem Großen 1756 bis 1767 bis hin zur Sammlung von diplomatischen Grußadressen an Prinz Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha, Sohn von Queen Victoria, auf seinen Reisen durch das britische Empire. Die positive Zäsur des Umzugs nimmt das Staatsarchiv Gotha zum Anlass, die Archivschätze gedruckt und kommentiert vorzulegen. Diese Publikation soll die neue Ausstellung zur Eröff nung wirkungsvoll ergänzen und bei der offiziellen Neueröff nung des Perthes-Forums im Oktober präsentiert werden. Ebenso wird eine positive Langzeitwirkung dieser Publikationsart erhoff t. Da ja die gedruckten Archivschätze nie veralten, liegt hier nicht nur ein Katalog kultureller Spitzenstücke vor, sondern auch eine Argumentationshilfe in Richtung Verwaltung und Politik. Die Publikation entsteht in Zusammenarbeit mit dem Historischen Verein für Schwarzburg, Hohenlohe und Gleichen. Zum einen, weil von dort die technische und logistische Unterstützung erfolgt, zum anderen, weil sich im Staatsarchiv Gotha die Adelsarchive der Grafen von Gleichen bzw. Fürsten von Hohenlohe befinden, aus denen bedeutende Stücke, z. B. die Ersterwähnung des Erfurter Rats im Jahr 1217, die Archivschätze bereichern werden. Der Band ist ab Oktober 2015 beim Staatsarchiv Gotha und im Buchhandel für 29,95 € erhältlich. Dr. Steffen Arndt Thüringisches Staatsarchiv Gotha Infobrief des Thüringischen Staatsarchivs Altenburg Titelseite des Flyers Lernen Forschen Entdecken – im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg Retrokonversion der Schönbergischen Sammlung bald abgeschlossen (Foto: Jörg Müller) Archivales verdeutlicht – Rubrik „Archivalienkunde“. So konnte auf die umfangreiche Plakatsammlung sowie die bedeutenden Altenburger Flurkarten der ersten Landesvermessung aufmerksam gemacht werden. Schließlich sind die zwischen 1787 und 1845 angefertigten systematischen Landesvermessungskarten des Altenburger Ost- und Westkreises nach der Vernichtung der Weimarer Flurkarten die ältesten einheitlichen Katasterblätter Thüringens. In „Archivterminologie“ wird jeweils ein archivischer Fachbegriff allgemein verständlich erklärt – etwa das Erschließen oder der Archivsprengel. Schließlich wird in „Veranstaltungshinweise“ auf eigene Veranstaltungen – wie im September auf das Programm des Hauses zum Tag des offenen Denkmals – oder die monatlich stattfindenden Abendvorträge der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes aufmerksam gemacht. Die Infobriefe werden an die thüringischen Staatsarchive, an regionale Kommunalarchive, Altenburger Kultureinrichtungen, die abgebenden Behörden des Staatsarchivs Altenburg, an die Altenburger Stadtverwaltung und hiesigen Medien sowie an die umliegenden Universitäten in Jena und Leipzig versendet. Auf der Homepage des Staatsarchivs Altenburg (www.thueringen.de/staatsarchive/altenburg) kann zudem jedermann in der Rubrik „Infobrief“ diesen abonnieren. Dr. Jörg Müller Thüringisches Staatsarchiv Altenburg 65 Archive in Thüringen 2015 – Neuerscheinungen Seit März dieses Jahres versendet das Thüringische Staatsarchiv Altenburg vierteljährlich per E-Mail einen Infobrief, mit dem über die Arbeit des Archivs informiert werden soll. Ziele sind die stärkere Wahrnehmung des Staatsarchivs als moderner Dienstleister und insbesondere auch, das Haus vermehrt als Bildungseinrichtung im allgemeinen Bewusstsein von Stadt und Region zu verankern. Das Altenburger Staatsarchiv verwahrt die schriftlichen Hinterlassenschaften des ehemaligen Fürstentums, späteren Herzogtums und Freistaates Sachsen-Altenburg von den Anfängen bis 1920 sowie des Landkreises Altenburg bis 1952. Seit 1990 ist es für die Aktenüberlieferung der im Landkreis Altenburger Land angesiedelten nachgeordneten Landes- und Bundesbehörden zuständig. Der Infobrief berichtet in den wiederkehrenden Rubriken „Aktuelles“ und „Aus der Benutzung“ regelmäßig über Neuigkeiten und stellt interessante Benutzungen vor. So wurde über den Erwerb der Korrespondenzen des ehemaligen Direktors des Leipziger Museums für Bildende Künste und des hiesigen Lindenau-Museums Dr. Dieter Gleisberg ebenso berichtet (siehe S. 30f. dieses Heftes), wie über den Entwurf eines Faltblatts, das an die Altenburger Schulen und Gymnasien verschickt wurde, um hervorzuheben, wie das Staatsarchiv als außerschulischer Lernort den Unterricht bereichern kann. Zudem konnte über die sehr gut aufgenommenen historischen Stadtrundgänge mit Altenburger Grundschülern informiert werden (siehe S. 42f. dieses Heftes). Des Weiteren werden in „Arbeit an den Beständen“ solche Arbeiten erläutert – etwa den Fortgang der Retrokonversion des bedeutenden Bestands Schönbergische Sammlung, die von dem Staatsmann Hans Dietrich von Schönberg (1632-1682) angelegt wurde. Die 135 Bände dieses Bestands beinhalten Akten, Briefe und Urkundenabschriften zur Reichs-, Landes-, Orts- und Adelsgeschichte – mithin viele wertvolle Quellen zur thüringischen und insgesamt mitteldeutschen Landesgeschichte. Bis Jahresende sollen alle Bände in Augias und anschließend in einem Online-Findbuch im Archivportal Thüringen recherchierbar sein. Zudem wird die Vielfalt der Altenburger Bestände anhand eines vorgestellten Personalnachrichten Hinweise für Autoren Impressum Eingestellt Archivassessorin Katrin Wenzel, M. A. beim Kreisarchiv Saalfeld-Rudolstadt (1.10.2014), Übernahme der Archivleitung (1.1.2015). 1. Herausgegeben im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Julia Becker beim Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste (FaMI) in Teilzeit (1.10.2014). 2. Jennifer Hergert beim Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden als Fachangestellte für Medien-und Informationsdienste (FaMI) in Teilzeit (1.10.2014). 3. Sandra Thiel beim Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste (FaMI), Fachrichtung Bibliothek (1.1.2015). Dipl.-Historikerin Andrea Wittkampf beim Bistumsarchiv Erfurt (1.2.2015). Ernannt Ute Simon beim Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden zur Amtsinspektorin (1.7.2012). 4. Ausgeschieden Henrike Hoff beim Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar (31.12.2014). In den Ruhestand getreten Archivangestellte Erika Heilgeist beim Stadt-und Kreisarchiv Schmalkalden (31.8.2014). 5. Archivangestellte Barbara Beuthe beim Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt (31.12.2014). 6. Archivar Wolfgang Ledig beim Bistumsarchiv Erfurt (31.1.2015). Archive in Thüringen 2015 Das Mitteilungsblatt „Archive in Thüringen“ richtet sich sowohl an Facharchivare aller Sparten, an Historiker und Benutzer als auch an ablieferungspflichtige Behörden, Medien und den interessierten Laien. Texte aus allen Bereichen der archivarischen Arbeit, der wissenschaftlichen Forschung und der Verwaltung sind willkommen und können jeder Zeit bei der Redaktion im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg eingereicht werden. Die Einsendung der Beiträge erfolgt per E-Mail. Zur Illustration sind Abbildungen und Fotografien ausdrücklich erwünscht. Diese sollten entweder als E-Mail-Anhang oder auf CD eingereicht werden und müssen mit einer Bildunterschrift und einem Quellennachweis versehen sein. Bitte achten Sie darauf, dass die eingesandten Bilder hochauflösend mit mind. 300 dpi aufgenommen sind. Die Länge des Textes sollte bei einer Einzelseite mit 2 Abbildungen 3.900 Zeichen (einschl. Leerzeichen), ohne Abbildungen 5.500 und bei deiner Doppelseite mit 4 Abbildungen) 8.000 Zeichen nicht überschreiten (grobe Orientierung). Die Redaktion behält sich bei Bedarf sinnwahrende Kürzungen und geringe sprachliche Überarbeitungen vor. Bei größeren Veränderungen am Text erfolgt eine Rücksprache mit dem Autor. Um eine klare Strukturierung des Textes – unter anderem durch das Einfügen von Zwischenüberschriften – wird gebeten. Bitte verzichten Sie auf allgemein nicht geläufige Fachbegriffe ebenso wie auf Fußnoten. Hinweise auf Literatur, weiterführende Informationen und Internetangebote werden an das Ende des Textes gestellt. Redaktionsschluss 30. Juni 2015 Verantwortliche Redaktion Doris Schilling, Dr. Jörg Müller (beide Thüringisches Staatsarchiv Altenburg) Satzherstellung und Druck Druckhaus Borna Autoren dieses Heftes Dr. Steffen Arndt (ThStA Gotha), Lutz Bannert, M. A. (Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe), Dr. Antje Bauer (StA Erfurt), Carolin Baumann, M. A. (ThStA Meiningen), Annette Birkenholz (FH Potsdam), Dr. Reinhold Brunner (Amt für Bildung, Eisenach), Andreas Dietmann, M. A. (Jena), Jörg Filthaut (ThHStA Weimar), Christel Gäbler (StA Auma-Weidatal), PD Dr. Stefan Gerber (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Volker Graupner (ThHStA Weimar), Helga Gudacker, M.A. (Sondershausen), Sebastian Hakelberg (Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“), Bernhard Heinzelmann (Salinen- und Heimatmuseum Bad Sulza), Angelika Hoyer (Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen), Dr. Hagen Jäger (Landeskirchenarchiv Eisenach), Sabine Keßler (ThStA Meiningen), Cornelius Lehmann, M. A. (Kempen am Niederrhein), Dr. Norbert Moczarski (ThStA Meiningen), Dr. Jörg Müller (ThStA Altenburg), Christina Neuß, M. A. (Landeskirchenarchiv Eisenach), Dr. Jens Riederer (StA Weimar), Hagen Rüster (ThStA Greiz), Kerstin Scheiding (Kreisarchiv Altenburger Land), Doris Schilling (ThStA Altenburg), Lutz Schilling (ThStA Gotha), Ute Simon (Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden), Dr. Wolfram G. Theilemann (StA Nordhausen), Dr. Christiane Wolf (Archiv der Moderne) Einsendeschluss: 30. Juni 2016 Abbildung Titelseite Kunst am Bau, Mitteltrakt des Perthes-Forums Gotha (Foto: Sandra Scheer) Die Beiträge sind im Internet nachzulesen unter www.thueringen.de/th1/tsk/kultur/ staatsarchive/veroeffentlichungen 66 Praxisorientierte Lösungen für Ihr Archiv ist in guten Händen! s an! Sprechen Sie un Die moderne Software für Archive 3 Benutzerfreundlich und intuitiv bedienbar 3 Konfigurierbare Erschließungsmasken 3 Standardkonform: ISDIAH, ISAD(G), EAD, METS, SAFT 3 Eigenes OAIS-Modul, Schnittstelle zu DA-NRW und DIMAG 3 DMS-Anbindung, offene Schnittstellen 3 Vollständige XML-Datenhaltung und Unicode Unterstützung 3 Kostengünstiges Einsteigermodell 3 Begleitende Beratung und Schulung 3 Datenmigration inklusive Tel: +49(0)2 28-9 59 96-0 Fax: +49(0)2 28-9 59 96-66 [email protected] www.startext.de www.thueringen.de Herausgegeben im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Archivpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen in Verbindung mit dem Landesverband Thüringen im VdA Der Archivpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen in Verbindung mit dem Landesverband Thüringen im VdA wird jährlich ausgelobt. Sein Anliegen ist die Förderung des breit gefächerten Archivwesens im Freistaat Thüringen durch eine Prämierung herausragender Leistungen, die von öffentlichen Archiven im Sinne des Thüringer Archivgesetzes erbracht worden sind. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird vergeben für: • kreative und innovative Projekte insbesondere zur Übernahme und Erfassung von Archivgut, seiner Sicherung und Erhaltung, z. B. durch Konservierung, Restaurierung, Verfilmung oder Digitalisierung, • den Neuaufbau, die Modernisierung oder auch Übernahme eines Archivs, wobei dessen Zugang für die öffentliche Benutzung und eine anhaltende archivfachliche Betreuung (Archivpflege) vorausgesetzt werden, • herausragende wissenschaftliche Publikationen zum Archivwesen und zur Archivgeschichte Thüringens, • den Einsatz und die Weiterentwicklung neuer Technologien und Methoden in der Archivpraxis. • besondere Leistungen zur Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung von Archiven (Öffentlichkeitsarbeit). Der Preis wird nur für abgeschlossene Projekte vergeben. Vorschläge für die Verleihung des Archivpreises der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen in Verbindung mit dem Landesverband Thüringen im VdA sind mit einer Begründung bis zum 31. März 2016 zu senden an den VdA - Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. Landesverband Thüringen Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen Landesverband Thüringen im VdA Herrn Dr. Jens Riederer Stadtarchiv Weimar Kleine Teichgasse 6 99423 Weimar Mail: [email protected] Die schriftlichen Vorschläge können entweder formlos oder mittels eines Formulars eingereicht werden, das auf der Homepage des Landesverbandes unter www.vda.lvthueringen.archiv.net/ verfügbar ist.
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