2 Vorwort: „Damals war’s“ in Magdeburg Wie die Generationen der Elbestädter den Begriff „damals“ immer wieder neu erfinden Von Karl-Heinz Kaiser M it dem Begriff „Damals“ gehen die Generationen unterschiedlich um. Willi Schwabes „Rumpelkammer“, ein TV-Straßenfeger der 1960er-Jahre, beleuchtete Ereignisse und Kino-Filme der Dreißiger- und Vierzigerjahre. Die Eltern der heute 65-Jährigen vergossen Tränen der Rührung. Wer nun die seit 1995 im MDR ausgestrahlte TV-Sendung „Damals war’s“ verfolgt, bemerkt es schnell: Moderator Hartmut Schulze Gerlach, in den 70ern als „Muck“ am Schlagerhimmel präsent, macht in seiner Zeitreise in die Vergangenheit immer häuÿ ger in den 60ern und 70ern Station. Er gelangt damit ins „Damals“ der Schwabe-Zeit-Kinder, die zur Zeit des kauzigen Mimen die Begeisterung der Eltern nicht so recht teilten. Mit der Magdeburger Heimatgeschichte verhält es sich in dem Punkt etwa genau so. Das „Damals“ ist heute für viele anders. Zwar gehören der Vorkriegsgeneration die Erinnerungen und Fotos von der untergegangenen Metropole Mitteldeutschlands zum Lebenselixier. Schon mit größerem Abstand, mitunter mit schmerzlichem Bedauern und mahnendem Gedenken, blickt die nächste Generation der Elbestädter darauf zurück. Sie hat ihr eigenes von Kindheit und persönlicher Entwicklung geprägtes „Damals“. Erinnerungen selbst an den Alltag, heute teils exotisch anzumuten, werden wach: Auch das Baden in der Elbe und die Wollhandkrabben gehören dazu, aber auch Persönlichkeiten wie Täve Schur, die Fefÿ s von Fahlberg-List, die Begeisterung für die Neubauwohnung, die Spaziergänge in den Stadtpark über die alte Hubbrücke. Zum Beispiel zum Pressefest. Oder zur Messe in den Hallen an der Hyparschale. Zu Anfang sagte der Magdeburger statt Hyparschale noch Hyperschale, im Sinne von Hyper-/Supermodern. Was es auch war. Und wer heute einen Abstecher in die Umgebung der Breitscheidstraße macht und den Herrenkrug-Villenkomplex noch „mitnimmt“, dem wird wieder bewusst, dass es sich hier zu DDR-Zeiten um eine Sperrzone handelte. Fest in der Hand der Sowjetischen Militärs, die bis 1992 in Deutschland stationiert waren. Sieger, Befreier, Besatzer. Letztere hinterließen geschundene Kulturbauten und Natur. Alles im Wandel: Das damalige Gesellschaftshaus im Klosterbergarten wurde Haus der Pioniere im „Pionierpark“ und ist wieder Gesellschaftshaus. Was es zu seiner Eröffnung war. Nur heute auch wieder anders. Die Volkbäder zum Beispiel, wo man seit der Jahrhundertwende auch zu DDR-Zeiten mangels eigenem Bad für fünfzig Pfennig zum Duschen oder ins Wannenbad ging. An manchen dieser Bauten existiert nur noch die bewusst erhaltene Inschrift an der Fassade. Diese 2. Beilage des General-Anzeigers unter dem Titel „Damals und Heute“ stellt eine Mischung von all dem dar. Schwerpunkt ist jedoch die Zeit von 1945 bis 1989 und das Heute, der Status quo im Jahr 2015. Was Rückblicke in noch frühere Zeiten einschließt. Flussbadeanstalten und der Mordfall „Katerbow“ Die letzte Badeanstalt am Fluss schloss bald nach dem gewaltsamen Tod seines Besitzers N ostalgiker schwärmen: Vor 1945 hatte es an der Elbe insgesamt elf private beziehungsweise öffentliche Badeanstalten gegeben. Flussbaden war angesagt, das Wasser war so sauber, dass sich sogar Lachs und Stör wohlfühlten. Sechs dieser Bäder befanden sich im Strom. Das in Fermersleben gehörte Fährmann Paul Michaelis, der den Raddampfer „Gustav Zeuner „gekauft und zur Umkleide umfunktioniert hatte. Die „Nordtsche Badeanstalt“ lag an der Fähre in Buckau, ganz in der Nähe die Suhrsche Badeanstalt (wechselte häuÿ g ihren Standort). Unweit davon hatte das Militär seine „Badeanstalt der Magdeburger Pioniere“ etabliert. Das Städtische Strandbad befand sich am Herrenkrug, und in Höhe der Neustadt schließlich die „Winzerlingsche Badeanstalt“. In der Alten Elbe ging es für Badelustige munter weiter: Südlich der Seestraße lud die „Magdeburger Riviera“ ein, außerdem gab es das „Strandbad am Wasserfall“, weiter nördlich „Ostende“. Unterhalb der heutigen Anna-Ebert-Brücke lag mit „Katerbow“ eine der bekanntesten Elb-Badeanstalten Magdeburgs. Elbbaden lag voll im Trend. Selbst die sandigen Flussbereiche an den Buhnen zwischen Westerhüsen und Hohenwarte lockten an den Wochenenden unzählige Sonnenanbeter und Badefreunde. Doch auch schon in den 20er- und 30er-Jahren begann der Niedergang der Flussbadeanstalten, weil das Wasser infolge der bedenkenlosen industriellen Einleitung immer stärker belastet war. Viele Magdeburger zogen die Konsequenzen, wählten als Alternative die Ehle. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele der Badeanstalten zerstört. In der Nachkriegszeit kam es jedoch kurzzeitig zur Verbesserung der Wasserqualität, und einige Badeanstalten hatten wieder Hochkonjunktur. Eine davon ragte dabei heraus: Katerbow. gust Wilhelm Francke in Zusammenarbeit mit Generalmajor Ernst von Pfuel für 1.484 Taler und 14 Silbergroschen entstanden und am 12. Juni 1826 eröffnet worden. Die Badeanstalt ging als eine der ersten städtischen Flussbadeanstalten in Deutschland in die Geschichte ein. Erst 1852 erwarben die als Bademeister tätigen Brüder Karl und Gustav Adolf Katerbow die Badeanstalt, benannten sie in „Katerbowsche Badeanstalt“ um und modernisierten sie, schufen geschlossene Umkleidekabinen, boten Restaurantbetrieb. Zurück zur Nachkriegszeit: Am 21. Juni 1951 feierte das Bad sein 125-jähriges Bestehen. Aber das Aus kam schon drei Jahre später. Schuld daran war nicht nur die erneut einsetzende Verschmutzung der Elbe. Der damalige Besitzer ÿ el einem Verbrechen zum Opfer. Der eingeheiratete Mann namens Wernicke wurde ermordet. Diese Tragödie gab schließlich den Ausschlag, die Einrichtung zu schließen. Das Grundstück soll verkauft worden, die Witwe nach Berlin gezogen sein. Das wird im Forum allgemeine Geschichte der Stadt berichtet. Das endgültige Aus für das Flussbaden kam im Jahr 1954 Katerbow war die letzte verbliebene Flussbadeanstalt in Magdeburg. Die Ära des legalen Elbbadens war für immer zu Ende, so jedenfalls hatte es lange Zeit den Anschein. Genährt wurde die Auffassung durch die extreme Verschmutzung des Flusses bis 1989 vor allem durch Einleitungen im Oberlauf. Das Elbbaden war auch in der Suhrschen StrombadeDie Skeptiker hatten sich getäuscht. anstalt möglich. Ein Generalmajor setzte sich für das Baden im Fluss ein Sie war zwar bei einem Luftangriff auf die Lange Brücke (heutige Anna-Ebert-Brücke) schwer beschädigt worden, es konnte aber ein notdürftiger Badebetrieb fortgesetzt werden. Diese Badeanstalt hatte eine bemerkenswerte Geschichte, war sie doch Magdeburger waren auch zu DDR-Zeiten ein badelustiges Völkchen, an der Elbe, an Badeauf Initiative von Oberbürgermeister Au- seen oder in den Freibädern. IMPRESSUM Damals & Heute Magdeburg im Wandel der Zeiten Trägerauflage: 122.324 (zuletzt gemeldet) Die Sonderbeilage „Damals & Heute - Magdeburg im Wandel der Zeiten“ erscheint am 01.07.2015 kostenlos für alle erreichbaren Haushalte im Verbreitungsgebiet. Verlag: Magdeburger Verlags- und Druckhaus GmbH, Bahnhofstraße 17 • 39104 Magdeburg Tel.: 03 91-59 99- 3 42 V.i.S.d.P.: Uwe Bade Anzeigen: Carola Korzenek Druck: Media Print Barleben GmbH, Verlagsstraße • 39137 Barleben Anzeigenpreisliste Nr. 25, gültig ab 1. Januar 2015 Quellenangabe: Titelgestaltung: Daniel Jagieniak; historische Fotos: Privatarchive von Dr. Heiko Schmietendorf und Karl-Heinz Kaiser, Wieland Schulze, Fredy Fröschki, Sammlung Hannelore und Dr. Kurt Schmidt; weitere Fotos: Karl-Heinz Kaiser, „aktion musik“, Dirk Krull, MWG; Texte: Karl-Heinz Kaiser Vom Verlag gestaltete Anzeigen/Texte dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung übernommen werden. Veröffentlichungen müssen nicht immer mit der Redaktion übereinstimmen. 3 Am 12. Juli wird wieder in der Elbe gebadet Flussbadeanstalten sind Geschichte, das Baden im Fluss dank „Pro Elbe“ aber nicht A m 12. Juli 2015 ist in Magdeburg wieder Elbbadetag. Veranstalter „Pro Elbe“ steckt mitten in den Vorbereitungen. Man habe zum Glück eine Agentur gewinnen können, die Unterstützung gebe, sagte Dr. Angela Stephan, Sprecherin der Bürgerinitiative. Seit 2001, als die seit Jahrzehnten eingeleiteten Chemikalien wieder aus dem Fluss herausgespült worden waren und Lachs und Stör sich angesiedelt hatten, organisiert „Pro Elbe“ den Badetag. Das offizielle Elbbaden steht mit dem Niedergang der letzten Flussbadeanstalt „Katerbow“ in den 1950er Jahren nicht mehr auf der städtischen Agenda. Es ist somit auch verboten – zu groß sind die Gefahren für ein wildes Baden im Fluss. Einzig die Bürgerinitiative hat den erlaubten Sprung in die Elbe wieder aufs Tapet gebracht. Zwischen 11 und 17 Uhr werden am 12. Juli am Flussarm unter der Pylonbrücke am Wasserfall die Gäste erwartet. Organisiert, bewacht und bezahlt aus Spenden und von Sponsoren sind es 2015 wieder Firmen wie SWM oder Sparkasse, die das bunte Programm rundherum auf der Wiese am Flussufer ermöglichen. Dazu gehört ein Planschbecken für Kinder, die nicht im Fluss baden wollen. Zahlreiche Infos-Stände und spezieller Imbiss laden auch die zuschauenden „Nichtschwimmer“ ein. hement ihre Interessen. „Dieses Thema steht neben dem Baden im Mittelpunkt an unseren Informationsständen und -tafeln beim diesjährigen Elbebadetag“, erklärt die Organisatorin. Ab 14 Uhr ist an dem zweiten Sonntag im Juli der Sprung in den Fluss erlaubt. Hochrangige Gäste aus der Stadtverwaltung haben sich angesagt, gleichfalls die Magdeburger Jungfrau. Ob sie gar nicht zimperlich in Hinblick auf die sich wieder im Fluss ausbreitenden Wollhandkrabben ist, wird sich erweisen. Angela Stephan aber sieht an diesen Stellen Dr. Angela Stephan ist seit überhaupt keine Probleme der ersten Stunde die Orga- für den Badespaß. nisatorin des Elbe- Badetags. Man hoffe jedoch auf mehr öffentliche Unterstützung für Mit dem Badetag am 50 das populäre Fest, sagt der Meter breiten alten Elbarm Veranstalter „Pro Elbe“. Er habe man ein „kleines, feines sichert alles vorschriftsmäBadefest mit ökologischem ßig und sorgfältig ab. 2013 Hintergrund“ etablieren hat „Pro Elbe“ zum eigenen können, freut sich Dr. Angela Bedauern erstmals seit 2001 Stephan. Die Bürgerinitiative einen Badetag gestrichen. will die Liebe zum Fluss wei- Das Hochwasser hatte inter ausprägen sowie seinen direkt einen Strich durch naturnahen Zustand und die die Rechnung gemacht. Es Wasserqualität erhalten. Sie gab zum geplanten Termin lehnt einen weiteren Ausbau noch keine Informationen Der Elbe-Badetag ist ein Magnet für zahlreiche Badenixen des großen Stroms ab. zur Schadstoffbelastung der und Zuschauer. Angela Stephan sitzt ge- Elbe. Zudem seien die Promeinsam mit Ines Brunar bleme der Betroffenen des und Jutta Röseler im öffent- Hochwassers noch zu groß lichen Gremium, das beim gewesen, um an ein fröhBundesverkehrsminister liches Baden zu denken, beEinfluss in ihrem Sinne auf gründete Angela Stephan das entstehende Gesamt- damals auch in der Presse konzept Elbe nehmen will. und versprach, die Tradition Ein demokratischer Akt. Ver- 2014 fortzuführen. fechter des Elbausbaus und Sie und ihre ehrenamtder Wirtschaftsschifffahrt lichen Mitstreiter haben vertreten dort gleichfalls ve- Wort gehalten. Im Flussarm macht das Baden sichtlich Spaß. 4 Badekultur für minderbemittelte Schichten Magdeburg stand in der Volksbadbewegung mit an der Spitze / Nutzung noch in den 1960er Jahren V olksbäder waren in den Nachkriegsjahren noch gefragte Einrichtungen. Nach den Kriegszerstörungen zählen nicht nur die unteren Schichten, für die die Bäder im 19. beziehungsweise Anfang des 20. Jahrhunderts eingerichtet worden waren, sondern auch andere Kreise zu den Besuchern. Das erste Volksbad eröffnete in Magdeburg 1888 in der Großen Schulstraße. Der Magistrat hatte beschlossen, in allen Stadtteilen solche Bäder einzurichten. Das galt zu der Zeit als eine herausragende kommunale Leistung. Bequem ausgestattet und preiswert sollen sie minderbemittelten Schichten Zugang zur Badekultur ermöglichen. Das war eine zeitgemäße und überfällige Aufgabe, um hygienische Lebensbedingungen im von Wohnungsnot geprägten Industriezentrum Magdeburg zu gewährleisten. In dem 1895 eröffneten Volksbad Buckau, in der Karl-Schmidt-Straße, standen in der Männerabteilung 16 Brausen und sechs Wannen bereit. Das Frauenbad hatte nur fünf Brausen und sechs Wan- nen. Es war stark frequentiert, auch in den 1960er Jahren. War der Andrang allzu groß, öffnete der Bademeister „seine“ acht Reserve-Duschzellen im Keller, schildern Zeitzeugen. Das Gröninger Bad wurde am 13. Oktober 1927 eröffnet. Es wurde vom Architekten des Neuen Bauens, Johannes Göderitz, entworfen. In späterer DDR-Zeit befand sich hier die Bäder- und Physiotherapieabteilung der Poliklinik Südost. Das Volksbad Südost diente dann auch als Vorbild für das später entstandene Volksbad Sudenburg und die Stadthalle Magdeburg. Im März 1940 war der Bau von einem Hochwasser betroffen. Städtische Bäder gab es zum Beispiel auch in der Rötgerstraße, im Lemsdorfer Weg und in der Feldstraße. Als in den 1970er und 1980er Jahren in immer mehr Wohnungen Duschwannen standen, verloren Volksbäder zunehmend ihre Funktion. Jedoch waren längst nicht alle Haushalte mit Badewanne oder Dusche ausgestattet. Selbst als das Wohnungsbauprogramm zum Tragen kam, gab es noch viele Deÿ zite. Waren 1971 von 1.000 Wohnungen nur 671 mit Innentoilette und 469 mit Bad/Dusche ausgestattet, beliefen sich die Zahlen 1981 schon auf 818 und 723. 1984 waren je 1.000 Wohnungen 845 mit Innentoilette und 763 mit Bad/ Dusche ausgerüstet. Es bestand weiterhin Nachholbedarf, der Wunsch der Bevölkerung nach modernen Wohnungen wurde immer stärker. Die Volksbäder waren dagegen längst aus der Mode gekommen. Das Volksbad Buckau wurde bis in die spätere DDR-Zeit genutzt, dann jedoch wie die anderen Häusern ebenfalls geschlossen. Im Gröninger Bad spielte „Tokio Hotel“ Volksbäder in Buckau und Salbke werden heute kulturell belebt N och ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit: Zu den damals acht (Elb-) Badeanstalten in Magdeburg kam im Mai 1888 Zuwachs der besonderen Art - das erste Städtische Volksbad wurde in der Schulstraße eröffnet. Am 15. November 1895 folgte in Buckau das Volksbad in der damaligen Feldstraße (heute Karl-Schmidt-Straße). Nach römischen Vorbild wurde eine Bibliothek für Badegäste eingerichtet. Beide Aufschriften sind noch heute am Gebäude zu lesen. Bis in die 1960er Jahre wurde dort geduscht und gebadet. Das Haus wurde dann leergezogen, weil bald niemand mehr gekommen war. Es wurde, wie die anderen Volksbäder als solche geschlossen beziehungswei- se umgenutzt. In Buckau gab BaubeCon als Sanierungsträger die Erneuerung der Fassade in Auftrag, das Innere wurde modernisiert, ein Fahrstuhl eingebaut. 1996 zog die Stadtteilbibliothek in das Kulturdenkmal ein, verblieb dort bis 2003. Das ehemalige Volksbad wurde am 28. Februar 1997 Soziokulturelles Zentrum und am 3. Januar 2006 von der Fraueninitiative Magdeburg e.V. in freier Trägerschaft übernommen. Geboten wird stadtteilbezogene sowie gesamtstädtische Bildungs-, Beratungsund Kulturarbeit. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich in anderen ehemaligen Volksbädern. Im Lemsdorfer Weg 2325 wurde das Kinder- und Jungendzentrum „Magnet“ etabliert. Neben einem „Offenen-Tür-Bereich“ gibt es hier im ehemaligen Sudenburger Volksbad einen Computer- und einen Kreativbereich. guter Griff gewesen sein. 1994 wurde das Haus umgebaut. Seitdem finden Musikkonzerte unterschiedlicher Stilrichtungen statt. „Jährlich kommen zu uns um die 6.000 Besucher zu den vielVom Kulturverein fältigsten Veranstaltungen“, Vereinsgeschäfts„aktion musik“ bis erzählt führer Gregor Schienezur Physiotherapie mann. Überwiegend sind es Jugendliche und Kinder, Beispielhaft steht in die hier ihre Freizeit gestalSalbke das Gröninger Bad. ten können. Ausgeprägt im Es wird seit seinem Umbau Haus ist die musikalische als Veranstaltungszentrum Nachwuchsförderung. Hier vor allem für Konzerte ge- wurden auch Stars „gebonutzt. In der Zeit der DDR ren“. Bekannteste frühere befand sich im Gröninger Nutzerin des Zentrums war Bad die Bäder- und Physio- die Band „Tokio Hotel“. 2003 therapieabteilung der Po- trat sie hier noch unter dem liklinik Südost. Nach der Namen „Devilish“ auf. Heute Wende übergab die Stadt gibt es hier drei Veranstal1992 das Gebäude am Salb- tungsräume - der „Liveclub“ ker Platz an den Verein mit 200 Plätzen, der Saal mit „aktion musik“. Es sollte ein 80 Plätzen und das Café mit 60 Plätze. Außerdem steht eine Theaterbühne für freie Theatergruppen zur Verfügung. Großen Erfolg hatte von Beginn an das 1913 eröffnete Augusta-Bad als zweigeschossige „Dampfbad Anstalt“ im Hinterhaus der Halberstädter Straße 122. Es war behaglich eingerichtet, mehrere Wannen waren voneinander abgetrennt in den Räumlichkeiten platziert. Der Schriftzug Augusta-Bad ziert noch heute die Gebäudefassade. Ein dort ansässiges Gesundheitszentrum hat den in Sudenburg traditionsbehafteten Namen übernommen. Den Hintergrund für die Bezeichnung an der Fassade kennen immer weniger Bewohner, selbst die in der Halberstädter Straße. Während im Gröninger Bad heutzutage viel Musik erklingt, hier ein Schnappschuss vom Kinderprojekt „Musik und Film“, ist ins Augusta-Bad eine Physiotherapie eingezogen. Nur noch der Schriftzug erinnert an das populäre Dampfbad. 5 6 7 Kein Dach über dem Kopf: Elbestädter in Not... Wohnungsbau hatte Vorrang / Nur die wertvollsten alten Gebäude wurden gerettet D ie Schreckensbilanz am Ende des verheerenden Zweiten Weltkrieges war einmalig in der Geschichte Magdeburgs: Von den 106.733 Wohnungen der einst als Metropole Mitteldeutschlands gerühmten Stadt waren 40.674 vollständig vernichtet, 34.000 teils erheblich beschädigt. Fast 70 Prozent des gesamten Wohnraumes sind somit nicht mehr bewohnbar. 60.000 evakuierte Magdeburger in der Umgebung der Stadt konnten erst einmal nicht in ihre Heimatstadt zurückkehren. 190.000 sollen zeitweise obdachlos gewesen sein. Die reguläre Einwohnerzahl ging auf 90.000 zurück – von einst 336.000. Nach Kriegsende am 8. Mai 1945 stand zunächst die groߘ ächige Enttrümmerung an der Tagesordnung. Von Stein-auf-Stein bis zur Plattenbauweise Parallel dazu musste unverzüglich begonnen werden, Ersatz für den zerstörten Wohnraum zu schaffen. Schon 1946 wurde ein städtisches Neubauamt gebildet. Mit den ersten neuen Ziegelbauten begann es ofÿ ziell 1951 am „Bärbogen“, und Anfang der 70er Jahre war die Innenstadt im Wesentlichen so aufgebaut worden, wie sie sich bis 1990 präsentierte. 1954 wurden die ersten Wohnungen in den sogenannten „Stalinbauten“ (Architektur des so genannten Sozialistischen Klassizismus) am Zentralen Platz bezogen. Der 12. September 1953 galt schon vorher gleichfalls als ein Meilenstein: Richtfest für den Neubaukomplex Neue Neustadt. In der Schmidtstraße, Morgenstraße, Hamburger Straße und in der Nachtweide entstanden die ersten Neubauten. Beim Wiederaufbau spiegelte sich die gesamte Entwicklung des industriellen Wohnungsbaus nach dem Krieg wider. Begonnen wurde nach der althergebrachten Stein-auf-Stein-Methode, erste Ziegelbauten entstanden, dann gab es in der Neustadt oder an der Nordfront die Großblock-Bauweise und schließlich die Plattenbauweise mit geschosshohen Wandplatten, die in den Neubaugebieten am Stadtrand ihren Höhepunkt fanden. Schon frühzeitig bedeutsam war der Genossenschaftliche Wohnungsbau, der in Magdeburg bereits seit der Jahrhundertwende zur Blüte kam. Am 18. Juni 1954 gründete sich mit der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) „Karl Liebknecht“ die erste Wohnungsbaugenossenschaft nach dem Krieg. Es folgen die „AWG Georgij Dimitroff“ und „ Karl-Marx“. Genossenschaften bauten viele Wohnungen 1957 gab es in Magdeburg 14 Genossenschaften. Sie vollzogen unter den herrschenden sozialistischen Bedingungen eine nicht immer gewollte Zentralisierung, später in den 1970er Jahren begann die Phase der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften (GWG). Bis 1989 waren in der Stadt nach Zusammenschlüssen von kleineren die GWG „Frieden“ (Hauptsitz Klewitzstraße 14), „Gartenstadt Kolonie Reform“ (Asternweg 1), „Heimstätten“ (F. Naumann-Straße 5), „Südost“ (Alt Fermersleben 91) und „Süd“ (Paul-Schreiber-Straße 14) vertreten. Außerdem gab es die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG) „Ernst Thälmann“ (Schilfbreite 37), „Post-EnergieStarkstrom“ (Karl-Marx-Straße 6), „Otto von Guericke“ (Stendaler Straße 8a) sowie „7. Oktober“ (Peter-Paul-Straße 33). Der Anteil genossenschaftlicher Wohnungsneubauten erreichte über 50 Prozent im Vergleich zu den volkseigenen Wohnungsneubauten. Die „ArbeiterWohnungsbau-Genossenschaft“ des Karl-Liebknecht-Werkes baute zwischen 1955 und 1956 südlich der Planetensiedlung die „Karl-Liebknecht-Siedlung“, eine zweigeschossige Reihensiedlung mit etwa 360 Wohnungen. 1960 errichteten allein die GWG Frieden, Aufbau und Heimstätten in der Jakobstraße insgesamt 500 Wohnungen, 1961 den Komplex Faßlochsberg. Die Genossenschaften legten trotz komplizierter wirtschaftlicher Lage und ruinösem Mietzins insbesondere vor 1970, aber auch danach vielfältige Aktivitäten zur Linderung der Wohnungsnot an den Tag. Bis 1973 baute der volkseigene Wohnungsbau seinen Anteil auf 85 Prozent aus. Die neuen großen Wohngebiete entstanden. Der genossenschaftliche Wohnungsbau spielte jedoch bis 1989 zwar eine geringere, aber zuverlässige Rolle. Wenn es sich zeitlich richtig gefügte, dann lag bei manchen Familien die Zuweisung für die langersehnte Neubauwohnung auf dem Gabentisch unterm Weihnachtsbaum. Dieses Papier hätte sogar eine Trabi-Auslieferung getoppt. Vor allem, wenn man in einer Bruchbude mit Toilette auf dem Flur oder gar dem Plumpsklo auf dem Hof wohnte. An Badewanne oder Dusche war da gar nicht zu denken. Ab den 1970 Jahren war Entspannung in Sicht – das Wohnungsbauprogramm als Zentrum der Damals war eine groߘ ächige Enttrümmerung notwendig, da der Krieg die Innenstadt nahezu ausgelöscht hatte. Sozialpolitischen Maßnahmen von Partei und Regierung der DDR beschlossen. Auch in Magdeburg ging es zügig voran. Die Entwicklung der Neubaugebiete wur- de von den Magdeburgern mit Spannung, und überall, in der Straßenbahn und am wie ein Krimi der gerade aufgelegten Biertisch und natürlich in der Zeitung im TV-Serie „Polizeiruf 110“, verfolgt. Insbe- Gespräch... Weiter auf Seite 8. sondere die „sechs Großen“ waren immer 8 ... bis einige ihr Traumhaus selber bauten Warum das Abenteuer Hausbau in den 70er Jahren gefährlicher als ein Testflug mit einer MIG gewesen sein soll Weiter von Seite 7. In der Schilfbreite hatte es schon früh den stadtweiten Startschuss gegeben. Schon um 1953 mit ersten Ziegelbauten und 1966 bis 1977 hatten hier die Bauleute das Sagen. Das Wohngebiet war auf 3.200 Wohnungen bemessen, bis 1989 hatten hier um die 7.000 Menschen ein neues Zuhause gefunden. Einbezogen wurde die Leipziger Chaussee mit Straßenbahntrasse und den sogenannten Zwischenbauten. Sie enthielten Dienstleistungs- und Versorgungseinrichtungen, angefangen vom „Café Odett“ über Arztpraxen bis zur Buchhandlung Rawolle. Es dominierten Fünf- und ZehnGeschosser sowie drei Hochhäuser mit 16 Etagen, Kindergärten, Jugendklub und Schule. Das Wohngebiet, auf Gartenland erbaut, galt als gut erschlossen, die Ziehharmonika-Kaufhalle gehört bis Mitte der 1970er-Jahre zum Alltag. Elbstädter setzten Hoffnung in sechs Neubaugebiete Reform war das zweite große Wohngebiet im Süden. Noch bis 1971 wurde hier auf 60 Hektar der „Hundertmorgenbreite“ Landwirtschaft betrieben. 1972 wurde das Wohngebiet Neu-Reform gestartet. Schon 1974 war es mit 5.000 Wohnungen in fünfbis zehngeschossigen Plattenbauten im Wesentlichen fertiggestellt, der Komplex bestach auch später durch sein Zentrum Bauarbeiter auf den lagernden Platten für die Wohnbauten an der Leipziger Straße im Wohngebiet Schilfbreite. mit großer Gaststätte („Kosmos“) und vielen konzentrierten Dienstleistern. Am 15. Februar 1973 wurde der Grundstein für das Neubaugebiet MagdeburgNord am Westufer des Neustädter Sees gelegt. Es soll mit rund 11.000 Wohnungen der bis dahin größte Komplex werden. Schon wenige Jahre später wurde der Kom- plex, der vom Magdeburger Ring sowohl erschlossen als auch durchschnitten wurde, in zwei Gebiete geteilt. Das östlich des Rings gelegene Gebiet wurde Neustädter See, das westlich der Tangente Kannenstieg genannt. Bis 1983 wurden hier insgesamt 11.100 Wohnungen gebaut. 1977 begann der Bau des Neubaugebiets Neustädter Feld. Bis 1983 entstanden hier 5.000 Wohnungen. Die bereits bestehende kleine Einfamilienhaussiedlung In den Meerwellen wurde vom Neubaugebiet umschlossen. Annähernd 20.000 Menschen wohnten im Stadtteil. Am 13. Februar 1981 schließlich war die ofÿ zielle Grundsteinlegung für den Neubaukomplex Olvenstedt, dem bis heute größten in Magdeburg. 14.000 Wohnungen lautete damals die Zielstellung. Der letzte und dritte Bauabschnitt wurde während der Wendezeit fertiggestellt, so das Stadtteilzentrum Olven 1. Mit dem Bau Neu Olvenstedts sollte auch die direkte Anbindung des eingemeindeten Dorfes Olvenstedt an die Bezirkshauptstadt erfolgen. Allerdings hatten die alten Bewohner und die neuen Anwohner bis Mitte der 1980er Jahre mit fehlender Infrastruktur und unausgebauten Straßen zu kämpfen. Ende der achtziger Jahre jedoch hatte sich das neue Stadtgebiet zu einem der modernsten in der DDR gemausert. 1989 lebten etwa 30.000 Menschen in Neu Olvenstedt. Nur wenige wagten den Bau eines Eigenheims In Magdeburg wurden zwischen 1976 und 1980 genau 14.965 Neubauwohnungen gebaut. In dieser Zahl versteckten sich auch 488 Eigenheime. Keine berauschende Größe, doch der Eingeweihte weiß: Der Eigenheimbau zu DDR-Zeiten war ein viel spannenderes Abenteuer als heute. Ein gewisser Ralf Keul beschrieb das so: Ein Hausbau sei für ungeübte Bauherren viel gefährlicher als ein Test° ug mit einer MIG. Denn der Testpilot weiß, was er da macht. Dieser Ralf Keul übrigens ist der „Baulöwe“ aus dem DEFA-Film von 1980. Der hat mit Magdeburg eine Menge zu tun. Denn erstens wurde Keul vom berühmten Elbestädter Rolf Herricht verkörpert, der im Film zahllose Schwierigkeiten als Bauherr eines Eigenheims zu überwinden hatte. Und zweitens lauerte auch in Magdeburg Gefährdungspotenzial à la Ralf Keul. Es erwischte jene, denen es wie Herricht/Keul an Erfahrung und handwerklichem Geschick und vor allem an Vitamin B, also Beziehungen fehlte. Außerdem an Westmark. Ohne all das war ein Haus etwa so schwer hochzuziehen wie ein Achttausender zu besteigen. Vor allem wegen des Mangels an Baustoffen aller Art. Baumaterial war kontingentiert und musste somit aus allen nur möglichen Quellen gezogen werden. Sehr oft heimlich aus den volkseigenen Betrieben. Hin und wieder half die Brigade. Manchmal nur für einen Kasten Bier. Als Ende der 1970er Jahre der Eigenheimbau für Kinderreiche forciert wurde, wurde es den Betrieben zur Au° age gemacht, mit Material zu helfen. Jetzt ganz legal. Da ergatterte der Kollege einen seit Jahren lagernden nutzlosen Eisenträger, den er gut für seinen Bau gebrauchen konnte. Der Verband der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) war, warum auch immer, eine Quelle für Zement. Nicht nur für die Gartenlaube. Ein Trabi mit Hänger, schlicht „Klauÿ x“ genannt, war die „halbe Miete“ fürs Eigenheim. Damit konnte man von den Dörfern, also von weit her, Zement erstehen. Tauschware war dabei gefragt: Spargel gegen Zement, Räucheraal gegen Mauersteine. Man bot Fliesen und suchte einen Türsturz. In den Zeitungen blühte im Annoncenteil der Tauschmarkt. Eigenheimbauer schlossen sich zu Zweckgemeinschaften zusammen: Da besorgte einer eine Baumaschinen, damit man das Fundament für die Garage ausheben konnte. Ein Bewohner aus dem Nahrstedter Weg, an dem in den 1970er Jahren Flächen für den Eigenheimbau freigegeben wurden, gab zu Protokoll: „Das begann hier mit zwei Meter hoch gewachsener Melde und anderem Bewuchs. Gemeinsam mit den Mitstreitern beim Bau der Häuserzeile haben wir erst mal aus Colbitz einen Häcksler geholt und das Unkraut beseitigt. Irgendwer hatte dorthin Beziehungen. Von solchen Kontakten hing ja damals viel ab, ob es beim Bau voranging oder nicht...“ Richtig fein raus war der, der über Westgeld verfügte. Die harte Währung öffnete überall Tür und Tor und der Handwerker kam oft auch viel schneller als gewöhnlich. Herricht/Keul hatte es nicht, obwohl er bekannter Künstler war. Zumindest im Film war dies so. Man sollte unbedingt klarstellen: Natürlich überwog der Geschosswohnungsbau zahlenmäßig haushoch auch in Magdeburg. Doch Eigenheimbau war nicht völlig gestrichen. Gebaut wurde im Vergleich zu den 1990er Jahren jedoch in bescheidenem und leicht „steigendem Maße“: 1971 bis 1975 entstanden 342 Einfamilienhäuser, 1981 bis 1985 genau 377 Eigenheime. In Summe wurden zwischen 1971 und 1985 insgesamt 1.209 Häuschen errichtet – von unerfahrenen „Baulöwen“ und von Vitamin-B-Trägern. 9 Der Stadtumbau ist in vollem Gange Wohnungsbaugenossenschaften in der Innenstadt aktiv / verstärkter Rückbau E ine Wohnungsbaugenossenschaft (WG) mit eigener „Sparkasse“ auf dem Alten Markt, auf der heute von 3.000 Sparern 60 Millionen Einlagen liegen – das sucht weithin in SachsenAnhalt seinesgleichen. Die MWG-Wohnungsgenossenschaft Magdeburg hat damit vor gut vier Jahren ein nicht alltägliches Betätigungsfeld eröffnet. Vor allem aber hat sich diese Genossenschaft mit ihrem alltäglichen Geschäft in Magdeburg Ansehen erworben. Von 1990 bis heute hat sie rund 430 Millionen Euro in die Komplettsanierung des damaligen Bestands von 10.972 Wohnungen investiert. Gegenwärtig stehen für sie an der Seite von Hauptinvestor Wobau millionenschwere Bauaktivitäten am südlichen Breiten Weg zwischen Danzstraße, Keplerstraße und Leibnizstraße auf der Tagesordnung. Der Abriss der verschlissenen DDR-Bauten ist inzwischen praktisch abgeschlossen, ein modernes Wohn- und GeschäftshausQuartier soll errichtet werden. Die MWG baut die Häuser Breiter Weg 261 und 262. Außer Wohnungen sind auch Gewerbeeinheiten im Untergeschoss entlang des Breiten Weges vorgesehen. Auch ein grüner Innenhof zur Leibnizstraße mit Pflanzwällen ist angedacht. Der Komplex soll den Breiten Weg weiter beleben und die Leibnizstraße mit solider Bebauung als „Tor zum Dom“ ausprägen. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass hier mit der WG „Otto von Guericke“ noch eine weitere Genossenschaft am Ball ist. „Wir werden auf den Grundstücken Nummer 263 und 264 analog zu Wobau und MWG bauen“, sagte Vorstand Karin Grasse. Sie schätzt, dass zu Jah- resende Baurecht bestehen wird, 2016 könne es losgehen. In Magdeburg ist der genossenschaftliche Neubau offensichtlich weiter im Aufwind. Allein die MWG hat in der Vergangenheit rund 36,5 Millionen Euro in den Neubau von fast 300 Wohnungen investiert. Die prosperierende GWG Reform errichtete Häuser in der Regierungsstraße und hat dort unlängst einen großen Wohnund Geschäftskomplex mit Parkgarage neu eröffnet. In der Innenstadt war auch die WG „Otto von Guericke“ schon vor Jahren mit dem Neubau am Fürstenwall 18 aktiv. Insgesamt gibt es zur Zeit in der Landeshauptstadt acht Wohnungsgenossenschaften mit einen Gesamtbestand von 35.000 Wohnungen und rund 44.000 Mitgliedern. Vor zwölf Jahren haben diese einen außergewöhnlichen Schritt vollzogen: Sie bildeten eine Arbeitsgemeinschaft, die den Genossenschaftsgedanken weiter vertiefen und dem Wohnungsmarkt Alternativen mit sozialem Vorzeichen bieten will. Man trete aber laut Karin Grasse auch geschlossen bei Verhandlungen, wie derzeit mit den SWM zur Wärmelieferung, auf, um gute Konditionen für die Mitglieder zu erzielen. Theoretisch zwar Konkurrenten, arbeitet man zunehmend zusammen. Auch der Rückbau ist in Magdeburg ein großes Thema Vor wenigen Jahren wäre überhaupt nicht daran zu denken gewesen, dass unter Umständen Neu-Olvenstedt irgendwann den Rekordstatus von Ottersleben als Eigenheimbaugebiet gefähr- den könnte. Aber in Magdeburgs gewaltigster Neubausiedlung der 1980er Jahre werden auch gegenwärtig an allen Ecken und Kanten neue Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäuser hochgezogen. Auf Abrissflächen. Der Stadtumbau Ost greift vehement. Zwischen Gersten- und Weizengrund standen etwa seit 1984 zahlreiche Plattenbauten. Bis vor wenigen Jahren zu viel Beton, erzählte eine Spaziergängerin. Sie bewohnt eine der Geschosswohnungen, profitiert von dem Abriss. Hier sei jetzt viel mehr Grün, und übrigens sei es ruhiger als in manchem Eigenheimgebiet, sagt sie zufrieden. Wenige hundert Meter entfernt wachsen auf Abrissflächen mehrere Dutzend Eigenheime heran. Meist sind die Grundstücke noch in der individuellen Gestaltung. An der St.-Josef-Straße ist die räumliche Situation etwas anders. An der einen Seite der Straße stehen die alten Mehrgeschosser, auf der anderen, wo sich die 1986/1991 errichtete Katholische Pfarrei-Kirche befindet, wurden Eigenheime errichtet. An anderen Stellen sind obere Geschosse von Häusern abgetragen, der Bestand in Reihenhäuser umfunktioniert worden. Die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (Wobau) realisierte schon vor Jahren im Neustädter Feld in der Resewitzstraße 1-12 und der Othrichstraße 3544 den teilweisen Rückbau von fünfgeschossigen Plattenbauten. Drei Etagen der Plattenbauten vom Typ P2 wurden abgetragen, so dass aus ehemals 220 Wohnungen 44 großzügig geschnittene Wohnungen in Reihenhäusern entstanden sind. Die durchschnittliche Wohnflä- Der südliche Breite Weg konnte bis zur Danzstraße zunehmend belebt werden. Jetzt soll schrittweise der Anschluss bis zum Hasselbachplatz durch neue Wohn- und Geschäftshäuser geschaffen werden. Die MWG hat dafür ganz genaue Vorstellungen. che der neu entstandenen und 2013 wurden 67,2 MillioWohnungen beträgt 121 Qua- nen Euro als Fördermittel von dratmeter. Bund und Land bewilligt. Förderschwerpunkt ist mit 57,7 12.000 Wohnungen Prozent der Rückbau. WichErfolg der Strategie: sind in letzten Jahren tiger Die wirtschaftlich geradezu abgerissen worden tödliche Leerstandsquote sank bis 2013 um 8,3 Prozent. In Magdeburg wird der 74.000 Wohnungen sind laut Stadtumbau schon seit 2001 Angaben des Bauministerikonzeptionell betrieben. In ums in Sachsen-Anhalt mit einem Programm sind seit- Hilfe des Förderprogramms dem als Fördergebiete die „Stadtumbau Ost“ in den verAltstadt, Leipziger Straße, gangenen zwölf Jahren abgeNeu Olvenstedt, Neustadt, rissen worden. Die StadtverNeustädter Feld, Nord, Re- waltung Magdeburg verweist form, Rothensee, Stadtfeld, auf insgesamt rund 12.000 Sudenburg, Südost sowie Wohnungen, die vor allem mit Plattenbauten am StadtWerder/Cracau/Brückfeld ausgewiesen. Zwischen 2002 rand abgetragen wurden. 10 Westtagente verhinderte Verkehrskollaps Bau des Magdeburger Rings als größtes Straßenprojekt in der Geschichte Magdeburgs startete 1970 V ermerkt ist es zwar nirgendwo so, aber der Bau des Magdeburger Rings dürfte das größte, in sich geschlossene innerstädtische Straßenbau-Projekt in der Geschichte Magdeburgs gewesen sein. Und das nicht nur der Ausdehnung wegen – die je Richtung zweispurige Umgehungsstraße ist über 14 Kilometer lang – sondern auch wegen der zukunftsweisenden Strategie. Denn sicher ist: Die Stadt würde ohne den Ring – auch Tangente, Westtangente, manchmal Stadtautobahn genannt – heute in der Auto˜ ut ersticken. Verkehrskollaps hieß dafür das Modewort zur Wendezeit und in den gesamten 1990er-Jahren. Innenstadt sollte durch vier Tangenten entlastet werden Das gigantische Projekt wurde zu DDRZeiten begonnen und im Wesentlichen vollendet, in der Nachwendezeit jedoch erheblich komplettiert. Schon Ende der 1960er Jahre hatte es in Magdeburg Überlegungen zur Neuordnung der akuten und vor allem der zu erwartenden Autoströme gegeben. Es entstand ein Verkehrskonzept, das den Durchgangsverkehr an vier Tangenten um die Innenstadt herum führen sollte. Die Idee dafür wurde nach der Deutschen Einheit wieder aufgelegt und die Verwirklichung als City-Ring forciert. Der Verkehr sollte auf vier Tangenten (unter anderem Schleinufer) um die Innenstadt umgelenkt werden. Das Gesamtvorhaben wurde und wird trotz der viereckigen Form als „City-Ring“ bezeichnet. Am stärksten ausgebaut von dem damals angedachten Tangenten-Projekt ist die westliche Tangente, der Magdeburger Ring. Gestartet wurde sein Bau 1970. Es handelte sich dabei um eine Aufgabe aus der Direktive zum Fünf-Jahrplan der DDR. Magdeburg bekam wie Schwerin (Obotritenring) ein gutes Stück vom großen Kuchen ab. Leider nicht genug. Gebaut wurde in mehreren Abschnitten, das erste Teilstück vom Norden der Stadt aus bis in die Halberstädter Straße wurde 1974 freigegeben. Komplett fertiggestellt mitsamt Autobahnanschluss wurde die Tangente 1975. Zahlreiche Gebäude und auch Gärten mussten weichen. Die Sache hatte bei aller Freude einen Haken: Nach Bauende war die Stadtautobahn noch nicht vollständig kreuzungsfrei. Auch an der Mittagstraße und Lorenzweg/Münchenhofstraße gab es noch Ampelkreuzungen, im Grunde undenkbar für eine Schnellstraße. Es fehlten die Brückenbauwerke und weitere Rampen, ganz einfach aus ÿ nanziellen Gründen, erinnerte sich Werner Kaleschky, der damalige Chef der Stadtdirektion Straßenwesen, als Zeitzeuge in einem Buch über den Magdeburger DDRAlltag. Der Straßenbauexperte hatte seine größte beru˜ iche Herausforderung bis zur politischen Wende mit der Wahrnehmung der städtischen Auftraggeberfunk- tion beim Bau des Magdeburger Rings absolviert. Später wurde er Magdeburgs bis dato erfolgreichster Baudezernent. Übrigens wird in unterschiedlichen Quellen zur Bezeichnung Magdeburger Ring re˜ ektiert. Meist ist die Bezeichnung „Ring“ von historischen Gegebenheiten abgeleitet. Bereits im 19. Jahrhundert nämlich existierte eine Ringstraße, quasi als frühe Ortsumgehung westlich der Festungsanlagen. Die seit den 1970er Jahren teils durch den Magdeburger Ring (und Eisenbahnlinien) durchschnittenen alten Trassen tragen im Namen noch immer die Endung ...ring, so der Sachsenring, Adelheidring, Editharing, Kaiser-Otto-ring und Hohenstaufenring. Dass der Bau des Magdeburger Rings zu DDR-Zeiten eher eine Zukunftsaufgabe war, zeigt auch eine Statistik aus dem Jahr 1985. Nach dieser belief sich der Kfz-Bestand im Magdeburg auf damals 53.000 Stück. Heute passieren allein den Magdeburger Ring täglich mindestens 70.000 Fahrzeuge. Die Brücke an der Albert-Vater-Straße entsteht. So sah der Bau des Magdeburger Rings in den 1970er Jahren im Norden aus. Als einer der wichtigsten Protagonisten des Ringbaus dieser Zeit gilt Werner Kaleschky, damaliger Chef der Stadtrektion Straßenwesen. 11 Mehr Sicherheit auf der Stadtautobahn Bedeutendste innerstädtische Verkehrsader verfügt über 28 Auf- und 30 Abfahrten D ie um ein halbes Jahr verspätete Eröffnung der neuen Auffahrt am Lemsdorfer Weg hatten die Magdeburger wegen der Vorteile bald verziehen. Seit April dieses Jahres können aus Richtung Norden kommende Autofahrer vom Ring aus auf den Lemsdorfer Weg abfahren, den direkten Weg zu den Uniklinikums-Parkplätzen nehmen oder in die Schilfbreite weiterfahren. Gleichfalls kann in Richtung Süden aufgefahren werden. 1,7 Millionen Euro wurden für das Projekt ausgegeben. Herkömmliche Stahlkonstruktionen werden ersetzt cherweise auch BrummiMautflüchter von den Autobahnen. Rund 70.000 Autos rollen täglich über diese Trasse vorbei an der Innenstadt. An den nunmehr 16 Anschlüssen an den Innenstadtverkehr stehen genau 28 Auf- und 30 Abfahrten zur Verfügung. Außerdem gibt es im Ringverlauf zwölf Brücken, davon sind fünf Fußgänger- und Fahrradbrücken. Mit dem Lemsdorfer Weg wurde die vorerst letzte Ringauffahrt gebaut. Für eine jedoch gebe es technische Pläne. Sie soll an der B1, etwa in Höhe des Baudezernats, entstehen. Dort sollen Autos aus Olvenstedt als Rechtsabbieger auf die Schnellstraße in Richtung Nord auffahren können. Derzeit muss vor der Eisenbahnbrücke an der Ampel noch links abgebogen werden, was den Verkehrsfluss auf der B1 behindert. Ein Bau dieserAuffahrt aber stehe in sehr weiter Ferne, betonte Gebhardt. Im Verkehrskonzept führt die „Westtangente“ kein Eigenleben. Sie ist vielmehr leistungsfähigster Bestandteil des kompletten CityRings als wichtigstes Element der innerstädtischen Infrastruktur. Die weiteren Tangenten sind City-Ring Der Ring im Norden mit Beton-Mittelstreifen. Für den Nord (Walther-Rathenau- Ausbau und Erhalt der Schnellstraße ist Tiefbauamtschef Straße B1), City-Ring Ost Thorsten Gebhardt mit seinen Mitarbeitern zuständig. (Schleinufer, Steubenallee) und City-Ring Süd (Am Fuchsberg). Viele Jahre hat es gedauert, bis das erforderliche (Förder-)Geld für den nunmehr 16. Ringanschluss zur Verfügung stand. Tiefbauamtsleiter Thorsten Gebhardt erklärte, dass an markanten Stellen weiter saniert oder modernisiert werde. Das betrifft den Bereich auf der Damaschkeplatzbrücke im nächsten Jahr. Die laufende Instandhaltung nehme gleichfalls einen wichtigen Platz ein. Ab 2019, nach Abschluss großer Projekte wie CityTunnel und Strombrückenverlängerung, ist die Fahrbahnerneuerung ab Damaschkeplatz bis zur Wiener Straße vorgesehen. In jüngster Zeit wurde vor allem im Norden neuer Schutz aus Beton auf den Mittelstreifen installiert. Der Betonaufbau ersetzt die fili- Mit der Westtangente eng verknüpft ist das Schleinufer. Es graneren Stahlplanken, er ist Bestandteil des City-Rings. ist für Ästheten gelinde gesagt „gewöhnungsbedürftig“. Laut Gebhardt aber sei das so auf Schnellstraßen vorgeschrieben, wenn der Mittelstreifen eine bestimmte Breite unterschreitet. Das ist beim Ring der Fall. Die neuen Vorrichtungen sollen wirksamer sein, mehr Sicherheit bringen. Gebhardt kündigte weiteren Austausch der Stahlplanken an. Allerdings nur dann, wenn Strecken grundhaft ausgebaut werden, ansonsten haben die alten Bestandsschutz. In weiter Zukunft ist eine weitere Auffahrt geplant Der 1975 fertiggestellte Magdeburger Ring nimmt bei durchgehendem Tempo 80 neben dem innerstädtischen auch den überörtlichen Durchgangsverkehr auf, darunter bedauerli- 12 Blick auf das damalige Schlachthofgelände vor dem Zweiten Weltkrieg. Dank Preußen-Erlass zum zentralen Schlachthof Warum das Jahrhundert-Bauensemble an der heutigen Liebknechtstraße entstand D ass er hier einen Jahrhundertbau erweitert, das hatte der angesehene Stadtbaurat Johannes Göderitz wohl in kühnsten Träumen nicht vermutet, als er 1926 die bereits bestehende Betriebsstätte vergrößern ließ. Erweitert allerdings wurde aus guten Grund: Die im Jahr 1893 eröffnete Anlage im Bereich der heutigen Liebknechtstraße 35 konnte nicht den Bedarf der zahlenmäßig weiter gewachsenen Bevölkerung Magdeburgs erfüllen. Immerhin: 1925 lebten laut ofÿ zieller Statistik schon 293.959 Männer und Frauen in der Stadt. Der bereits vor der Jahrhundertwende eingerichtete Zentrale Schlachthof war, was heute weniger bekannt ist, hygienischen Umständen geschuldet. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nämlich wurde in Magdeburg intensiv die Hausschlach- tung betrieben. Wegen der problematischen hygienischen Verhältnisse hatte die Verwaltung bereits 1863 die Errichtung eines städtischen Schlachthofes ins Auge gefasst. Der verminderte Raum in der durch den Festungsgürtel eingeschnürten Altstadt erschwerte die Suche nach einem geeigneten Standort. Die preußischen Schlachthausgesetze und die Erlasse von 1868 und 1881 forcierten das auf Eis gelegte Vorhaben. Schlachthauszwang war nun per Gesetz angesagt. Da auch noch die Rayonsbestimmungen der Festung, die nur leichte Bauten zuließen, gelockert wurden, wurde für den Bau des Schlachthofes ein elf Hektar großes städtisches Grundstück vor den Festungsanlagen ausgewählt. Baubeginn war 1889, die Pläne hatten Stadtbaurat Otto Peters und Stadtbauinspektor Reinhard Beer vorgelegt. Eröff- net wurde am 29. Mai 1893. Dieser Zentrale Schlachthof bestand, teils zwar unter einem anderen Namen, bis in die 1990er Jahre, also rund 100 Jahre. Schweineÿ lets gab es nur unter dem Ladentisch Zu DDR-Zeiten war der Schlachthof in der Liebknechtstraße 35 einer der wichtigsten Faktoren für die Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch- und Wurstwaren. Es war längst volkseigen geworden, ÿ rmierte als VEB, später Fleischkombinat mit Stammbetrieb in der Liebknechtstraße. Die Exportabteilung Lebendvieh befand sich am Torplatz 2. Das Kombinat versorgte teils auch Produktionsgenossenschaften des Fleischerhandwerks mit Rohmaterial. Einen Industrieladen in Magdeburg unterhielt der „Schlachthof“ am Alten Markt 2. Die Fleischversorgung war zwischen 1949 und 1989 durch Engpässe immer wieder gestört. Besonderheiten wie Schweineÿ lets gab es nur unterm Ladentisch. Trotzdem wurde Fleisch auch aus Magdeburg in die Bundesrepublik zwecks Devisenbeschaffung geliefert. Das großzügige Bauensemble wurde aufgrund fehlender Baukapazitätenmit mit der Zeit zusehends marode. In der Gründungsphase hatte es im Wesentlichen aus soliden gelben Ziegelbauten mit Stahldachkonstruktionen und dezent historisierenden Fassaden bestanden. Göderitz schuf dann ab 1926 Gebäude, die dem modernen und für Magdeburg typischen Neuen Bauen mit den entsprechenden Formen und Materialien entsprachen. Dazu gehörte auch Stahlbeton. Es entstanden diverse Anbauten, ein Kohlebunker und Beamtenwohnhäuser in der Schlachthofstraße sowie ein Kühlhaus. Von den soliden Bauten zehrten alle Nachfolger, auch der damalige VEB. Nach Einstellung des Schlachtbetriebs nach der politischen Wende, als die Konkurrenz der alten Länder den Schlachthofbetrieb uneffektiv machte, wurden Gebäude zunächst an neue Nutzer vermietet. Später wurde das Gesamtensemble überplant, ein moderner Einkaufs- und Gewerbekomplex entstand. Mastvieh-Ausstellung auf dem Schlachthof: Von diesem Ereignis schickte man auch mal eine Postkarte. 13 Alte Gebäude werden „schick hergerichtet“ Kita und Wohnungen: Wie ein 100-jähriger Komplex weiter belebt werden soll B ei der weiteren Bebauung des Schlachthofareals zwischen Liebknechtstraße und „Kaufland“ ist offenbar Einigung erzielt worden. Wie Jürgen Canehl von der Bürgerinitiative Stadtfeld erklärte, habe man bisherige Bedenken ad acta gelegt, weil Investor Saller Gewerbebau aus Weimar statt großflächigem Handel nun lediglich reduziert Gewerbe ansiedeln wird. Absoluter Schwerpunkt auf der rund 40.000 Quadratmeter großen Fläche sei der Wohnungsbau, bestätigte SallerProjektleiter Andreas Barth auf Nachfrage. Er gab zudem Details der neuen Planung bekannt. Insgesamt soll eine zweistellige Millionensumme investiert werden. In 17 ansprechend gestalteten neu zu bauenden Häusern sollen 130 Wohnungen entstehen. Außerdem sind in einem weiteren Komplex bis zu 150 sogenannte ServiceWohnungen vorgesehen, in denen „betreutes Wohnen“ möglich ist. Dem Projektleiter zufolge sollen auch die „denkmalgeschützten Objekte saniert und schick hergerichtet“ werden. In der Derzeit wird in der Schlachthofstraße auch Der Kau˜ and-Bereich stellte eine Initialwieder ˜ eißig gebaut. zündung für die Belebung des Geländes dar. ehemaligen Viehbörse ist eine Kita, im Rinder-Etagenstall ist Gewerbe geplant. Hintergrund: 2011 und 2013 hatte es Streit um den alten Schlachthof gegeben, weil neben Wohnungen großflächig auch Handel und Dienstleistungen etabliert werden sollten. Die Bürgerinitiative hatte Existenzschwierigkeiten für die traditionellen Einkaufsstätten an der Großen Diesdorfer gesehen. Die Bedenken sind jetzt ausgeräumt, hieß es von beiden Seiten. Bei der Neuentwicklung des 1990 stillgelegten 100 Jahre alten Schlachthofkomplex hatte es zeitweilig Stillstand gegeben. Einige Gebäude wurden nach der Wende an neue Nutzer vermietet. Andere Komplexe verfielen. „Der seit 1999 rechtsverbindliche Bebauungsplan setzt fünf- bis sechsgeschossigen Wohnungsbau sowie gewerbliche Nutzung fest“, erklärt Rathaus-Pressesprecher Michael Reif. Nach einem Gesamtkonzept einer Münchener Projektie- rungsgesellschaft zusammen mit der Stadt wurden Ende der 1990er Jahre auch das alte Labor und das Verwaltungsgebäude zu modernen Büros, die Schweineställe zu Werkstätten umgestaltet. Die nachfolgende Ansiedlung von „Kaufland“ (2004) in der einstigen Schweinemarkthalle, ermöglicht durch eine B-Planänderung, belebte das Gebiet stark. An der Straßenfront Liebknechtstraße waren zunächst Wohnraumausstatter etabliert. Sie gaben wegen zu geringem Absatz auf. Danach zog ein Bio-Lebensmittel-Anbieter ein. Jetzt ist Bewegung in die Neuentwicklung des Schlachthofes gekommen. Ein weiterer Investor, die Magdeburger ImmoCap Fonds GmbH, lässt ein erstes von insgesamt fünf Appartementhäusern an den Glacisanlagen an der Schlachthofstraße errichten. Hier standen einst die Kühlhäuser. Sie brannten 1998 ab. Die Rauchentwicklung war damals so groß, dass sich angrenzende Gebiete verdunkelten. Die Weimarer GmbH indes hat für sein Eingangs beschriebenes Großprojekt positive Signale von der Stadt erhalten. Sie will starten, sobald es grünes Licht gibt. Außerdem wird laut Michael Reif derzeit noch für eine Fläche östlich der WilhelmKobelt-Straße der B-Plan geändert, um Baurecht für Wohnungen sowie für Gewerbe entlang der Liebknechtstraße zu schaffen. Außerdem liegen für weitere Flächen Anträge zur Einleitung von B-Planverfahren vor, hieß es aus dem Rathaus. 14 Von Dürkop-Ungeheuer und Fisch im Maul Die Eingemeindung des größten Dorfes Deutschlands brachte bessere Verkehrsanbindung und Wasserversorgung N icht nur der Fisch im Maul des Otters im Gemeindewappen macht schon immer die Besonderheit des Ortes aus. Ende des 19. Jahrhundert schmückte sich Ottersleben mit dem Attribut „größtes Dorf Deutschlands“. Zu Magdeburg hatte es immer eine besondere Afÿ nität. 937 nämlich schenkte Kaiser Otto I. dem Magdeburger Mauritiuskloster unter anderem die Dörfer Liemuntesdorf (Lemsdorf) und Otteresleba samt 100 höriger Familien. Diese seit Urzeiten bestehende Zusammengehörigkeit wurde sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Eingemeindung der Großgemeinde nach Magdeburg zementiert. Schon lange war dieser Schritt mit der dynamischen Industrialisierung Magdeburgs herangereift. 1910 fuhren oder gingen zirka 2.000 Industriearbeiter von Ottersleben zur Arbeit nach Magdeburg. Die drei Dörfer Groß-Ottersleben, KleinOttersleben und Benneckenbeck, die seit 1921 eine Gemeinde bildeten, zählten zu dieser Zeit insgesamt zirka 10.000 Einwohner, heißt es in der Ottersleber Chronik. Am 25. Juli 1952 schließlich wurde GroßOttersleben mit damals 15.683 Einwohnern in die Stadt Magdeburg als neuer Stadtteil Südwest eingegliedert. Ob das damals mit wehenden Fahnen geschah, ist in den amtlichen Unterlagen nicht extra vermerkt. Fakt aber ist, dass halb Otters- Früher hatte Ottersleben eine eigene Zeitung. leben auf den Beinen war, als am 25. Oktober 1953 die modernste O-Bus-Linie der DDR eingeweiht wurde. Der Eichplatz als Haltepunkt war mit Fahnen geschmückt. Waren die Ottersleber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts meist noch zu Fuß oder per Rad nach Magdeburg gepilgert, hatten das Pferd gesattelt, den Pferdeomnibus genommen und vor dem 1. Weltkrieg auch schon malden Dürkop-Autobus bestiegen, so stand ihnen nunmehr wieder eine zeitgemäße Verkehrsverbindung zur Verfügung. Im O-Bus, der stadtweit bis 1970 sein verkehrliches Zwischenspiel auch zur Zufriedenheit der Ottersleber führte und Magdeburg und Ottersleben wei- ter zusammenwachsen ließ, sollen die alten Ottersleber noch über den Dürkop-Autobus gescherzt haben. Das eisenbereifte Gefährt war lärmend unter anderem durch Frankefelde über das Kopfsteinp° aster gedonnert und ließ manches Haus in seinen Grundfesten erschüttern. Zu den weiteren Vorteilen der Eingemeindung gehörte der Anschluss an die Magdeburger Wasserversorgung. Das Hünengrab Ottersleben zählte zu den Naturdenkmalen, wofür sich auch die Alt-Magdeburger interessierten. Das Großsteingrab war schon in vergangenen Jahrhunderten weitestgehend zerstört worden, für den Bordsteinbau im Dorf. Einzig ein Steinbeil blieb erhalten und beÿ ndet sich jetzt im Museum. Das Hünengrab war stets Schafweide (Anger), wurde aber im 20. Jahrhundert im Westteil ackerbaulich genutzt. Im Zweiten Weltkrieg war auf dem Hügel eine Flakbatterie stationiert. Dabei fanden viele Jugendliche den Tod, die zum Kriegsende die vorrückenden Amerikaner noch aufhalten sollten. Nach dem Krieg wurde das Hünengrab zu einer „wilden Müllkippe“. 1971 entrümpelten Mitglieder der Jagdgesellschaft Magdeburg-Südwest, einige Naturschutzhelfer und Imker das Gelände und gestalteten es in den folgenden Jahren zu einem Feldgehölz um, so dass der Hügel heute kaum noch zu erkennen ist. Ab 1953 fuhr der O-Bus als Stromabnehmer. 15 (Liebes-)Lied über den Stadtteil Ottersleben Südwest präsentiert sich heute sehr selbstbewusst mit solider Infrastruktur K aum ein Stadtteil Magdeburgs hat bis heute so viel Zuwachs an Bewohnern erzielt wie Ottersleben, zu DDR-Zeiten Stadtteil Südwest. Die Statistik weist das mit nüchternen Zahlen so aus: „Heute leben hier auf einer Fläche von 16,5292 Quadratkilometern 10.542 Menschen. Das ist der Stand vom 31. Dezember 2014 und stellte eine wesentliche Erhöhung zu früheren Zeiten (DDR-Zeit, Beginn der 1990er Jahre) dar.“ Als wichtigste Ursache werden von amtlicher Seite die entstandenen neuen Eigenheimsiedlungen genannt. Dazu zählen Sonnenanger, Frankefelde, Auf den Höhen, der Bereich nahe St. Maria Hilf, Birnengarten sowie Neubaustandorte als Lückenschluss im Inneren. Die Stadtplanung hatte hier gezielt eingewirkt, um vergleichsweise preisgünstige Siedlungsplätzen für bauwillige Magdeburger zu schaffen und so dem enormen Abwanderungstrend in der Zeit nach der Wende entgegenzuwirken. Wer glaubt, dass hier der Bauboom vorbei ist, der hat sich offenbar getäuscht. An der Königstraße Richtung Börde Park beispielsweise wächst jetzt ein weiteres neues Eigenheimgebiet heran. 18 moderne Häuser im Baustil der 2010 Jahre sind im Entstehen. Das Baugebiet, das noch weiter erschlossen wird, ist eine einstige Pferdekoppel der LPG. Der Run auf den Stadtteil hat nicht nur mit seiner Lage und seinem teils erhaltenen dörflichen Charakters zu tun, sondern auch mit seiner infrastrukturellen Entwicklung. Die Straßen sind heute in teils sehr gutem Zustand, mit Abstrichen im Inneren. Der Magdeburger Ring und die A14 befinden sich in der Nähe, die Handels- und Gewerbeeinrichtungen im Siemensring, kleinere Firmen im Inneren bis hin zum Computerladen an der Ecke Schäferstraße bieten Service. Leider hat der aus Altersgründen geschlossene Blumenladen am Eichplatz noch keinen Nachfolger gefunden. In und um Ottersleben haben sich Arztpraxen niedergelassen, vom Allgemeinmediziner über Internisten und HNOArzt. Zwei Apotheken gibt es an der Halberstädter Straße, eine Sparkasse, Lebensmitteldiscounter; und an der fließenden Stadtteilgrenze zu Sudenburg hat sich mit Kaufland ein großer Supermarkt etabliert, neuerdings auch die Filiale einer Drogeriekette. Nicht weit ist es zudem zum Börde Park mit den zahlreichen Geschäften. Zum fünf Kilometer ent- In Ottersleben sind zahlreiche neue Wohnsiedlung entstanden, beispielsweise Birnengarten (oben) und Auf den Höhen. fernten Stadtzentrum und in die belebte Halberstädter Straße fahren Straßenbahn und Bus. Ottersleben hat außerdem eine solide und funktionierende gesellschaftliche Infrastruktur. Der Heimatverein erinnert an die Traditionen und organisiert Heimatfeste. Der Verein „Bürger für Ottersleben“ mischt sich erfolgreich ein in die öffentlichen Belange. Auf sein Konto kommen unter anderem die Ortsumgehung zur Deponie Hängelsberge, die Umgestaltung des Eichplatzes sowie die Errichtung eines heimatkundlichen Rundwegs. Übrigens hat Ottersleben sogar ein eigenes Stadtteillied. Schöpferin Alma Weimann drückt allein in den nachfolgenden zwei von insgesamt sechs Strophen liebenswürdig aus, was immer mehr Ottersleber über ihren Stadtteil denken. Kindergarten 1, 2, 3; Kinderkrippe gleich dabei. Kinder könn’ zur Schule gehen - hier bei uns in Ottersleben. Fleischerei und Bäckerladen; Lebensmittel leicht zu haben. Handwerk, Autos, Landwirtschaft - hier wird wirklich was geschafft. 16 Sogar Hollands Gärtner kamen in die Glashäuser VEG Gewächshausanlagen Nord war bis 1989 hochmoderner Betrieb und wurde trotzdem abgewickelt F olgende Nachricht aus Magdeburg war dem „Neuen Deutschland“ vom 5. Januar 1985 sogar ein Platz auf Seite 1 wert: Mit dem Ausbringen junger Salatp˜ anzen begannen in dieser Woche die Gärtnerinnen im VEG Gewächshausanlagen Magdeburg-Nord. Vier Glashäuser von insgesamt 46 am Rande der Elbestadt sollen in den kommenden Tagen mit rund 200.000 P˜ anzen bestellt werden. Erntebeginn für das Gemüse ist Mitte März. Im Jahr 1985 war der VEG Gewächshausanlagen an der Lerchenwuhne in seine wirtschaftliche Blütezeit gelangt. Um die 46 beheizten Glashäuser kümmerten sich professionell insgesamt über 300 Mitarbeiter – von der Aussaat beziehungsweise Bep˜ anzung bis zur Ernte. Fast 100 davon waren Lehrlinge, sagt der Elbestädter Norbert Zalewski (67). Er gehört zu jenen Mitarbeitern, die nach der Wende bis zum Damals vor der Wende: Arbeiten in den Gewächshäusern bitteren Ende im großen Gartenbaubetrieb in Nord. verblieben waren. dernen Ausstattung“, versichert Garten- wurden“, berichtet der Gartenbauexperte. bauingenieur Zaleweski, und glaubt sicher: Die für damalige Begriffe gewaltige Anlage Tomaten und „Dem Konkurrenzdruck wären wir gewach- war Ende der 1970 beziehungsweise Anfang Gurken und die sen gewesen. Zwar nicht mehr mit 300, der 1980 konzipiert, gebaut und kompletneue Konkurrenz aber mit 50 bis 60 Mitarbeitern allemal.“ tiert worden die größte im gesamten BeEs war in den 1980er-Jahren kennzeich- zirk Magdeburg. Sie nahm komplett jene Dass die Häuser dicht gemacht wurden, nend und geradezu sensationell, dass Fläche ein, auf der heute gleichfalls ein mit war für Zalewski und viele seiner Kollegen die im Gewächshausanbau gewieften Superlativen versehenes Gebäude steht: der damals Folge eine verfehlte Treuhandpo- Holländer nach Magdeburg kamen und Einkaufskomplex Flora-Park, größter in litik. Zwar habe die Konkurrenz aus den sich über die Anbaumethoden in den Sachsen-Anhalt, einer der ausgedehntesten alten Bundesländern und den Nachbar- Glashäusern informiert hatten. „Wir in ganz Deutschland. ländern wie Holland oder Spanien schon hatten damals Tomaten und Gurken auf Die 46 Glashäuser in Nord, damals in den Startlöchern gestanden, „aber wir speziellen Substratmatten herangezo- einmalig zwischen Arendsee und Zerbst, hatten eine Anlage mit einer hochmo- gen, womit bedeutende Erfolge erzielt galten als zuverlässiger Garant für die Ver- Norbert Zalewski, bis nach der Wende Mitarbeiter in den Gewächshäusern, hat das Gelände skizziert. sorgung. Wenngleich das Angebot in Magdeburger Geschäften zu wünschen übrig ließen. Angebaut wurde hauptsächlich Gemüse, vor allem Gurken, Tomaten und Paprika, vieles davon ging nach Berlin. Des Weiteren zog die Belegschaft Schnittblumen wie Nelken und Chrysanthemen heran. Fast eine Million Gemüsejungp˜ anzen wurden außerdem pro Saison kultiviert, für den Eigenanbau und für andere Einrichtungen bis hin nach Berlin. Zaleweski bedauert die Entwicklung. Der Gemüseanbau nach „Magdeburger Art“ wurde sogar patentiert. Im öffentlichen Patentregister vom 14. August 1991 sein ein Verfahren und eine Anlage zur Aufbereitung von Mineralwollematten angegeben. Als Inhaber wird das VEG Gewächshausanlage Magdeburg Nord, 39124 Magdeburg, genannt, als Erÿ nder Berthold Danker. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Norbert Zalewski bereits selbstständig gemacht und betrieb eine Friedhofsgärtnerei. Heute ist er im Ruhestand, ist unter anderem ehrenamtlicher Vorsitzender im Berufsverband. In den Flora-Park geht er gern einkaufen. Trotzdem befällt ihn dabei immer ein bisschen Wehmut. Kauf- statt Gewächshaus Einkaufszentrum Flora-Park wird modernisiert W o noch bis in die frühen 1990er Jahre die 46 großzügigen Anlagen des VEG Gewächshausanlagen MagdeburgNord standen und unter Glas begehrtes und zu DDRZeiten äußerst rares Frühgemüse herangezogen wurde, erinnert nichts mehr an diesen Zweck. Nur Eingeweihte wissen noch, dass der Spargelhof in der Nähe, das Gebäude mit der AutoscheibenReparaturwerkstatt sowie weitere, teils marode Häuser und Grundstücke an der Straße einst als Wirtschaftsgebäude zum Gewächshausbetrieb gehörten. Auf dem Gelände eben dieses nach der Wende abgewickelten VEG Gewächshausanlagen-Nord befindet sich der Flora-Park Magdeburg. Unübersehbar. Mit rund 79.000 Quadratmeter ist er das flächengrößte überdachte Shoppingcenter Sachsen-Anhalts. Jährlich besuchen rund fünf Millionen Besucher den Einkaufspark. Trotz Umbaus im laufenden Betrieb haben 60 Fachgeschäfte, Bistros, Cafés und Dienstleister weiterhin geöffnet. Nach dem Umbau sollen es wieder über 90 Geschäfte aus unterschiedlichsten Branchen sein. Laut einem VolksstimmeBericht vom 16. März 2015 werden 25 Millionen Euro investiert. Der Bauausschuss des Stadtrats hat das Vorhaben bestätigt. Demnach werden dem Flora-Park insgesamt 24.000 Quadratmeter „Zentren relevanter Einzelhandel“ zugestanden, jedoch nicht mehr, um dem Innenstadthandel nicht zu schaden. Genehmigt wurde, innerhalb dieser Begrenzung die Warengruppe „Schuhe, Bekleidung und Zubehör“ um 1.486 Quadratmeter zu erweitern. Centermanager Toni Pérez Morell zu den Umbaumaßnahmen: Inzwischen sei der Abriss und Umbau einer Teilfläche des ehemaligen Baumarktes am nördlichen Eingang in vollem Gange. Toom hatte sich von diesem Standort zurückgezogen. Auf der Fläche des ehemaligen Wintergartens für Zimmerpflanzen werde Aldi etabliert, erklärte er. Bis Herbst soll der Bau in diesem Bereich abgeschlossen sein. Während der gegenwärtigen Bauphase ist der Zugang auch von diesem Eingangsbereich aus möglich. „Die 3.000 kostenlosen Parkplatzflächen sind von den gegenwärtigen Umbauten im Inneren des Centers nicht betroffen“, betonte der Centermanager. In der Mall selbst in Richtung Medimax und Spielwarenanbieter Toys“R“Us wird hinter Staubschutzwänden ebenfalls fleißig gearbeitet. „Hier werden im Bereich des ehemaligen Baumarktes kleinere Ladenflächen für die neuen Mieter entstehen“, sagt Pérez Morell. Außerdem solle ein für Magdeburg neues Einzelhandelskonzept für Top-Marken und Designermode umgesetzt werden. Geplant sei zudem, Accessoires und Schuhe sowie Wohn-Accessoires mit bis zu 60 Prozent Rabatt anzubieten. Insgesamt wird es beim „bunten Mix“ an Warenangeboten bleiben, dies versprechen aushängende Informationen des Hauses. Der erste Bauabschnitt soll bis Jahresende abgeschlossen werden. 17 Nur die Pioniereisenbahn fehlte zum Glück Aus dem Gesellschaftshaus im Klosterbergegarten wurde 1950 das erste Haus der Pioniere in Sachsen-Anhalt D as Gesellschaftshaus im Klosterbergegarten, dem ersten Volkspark Deutschlands, hat auch eine wechselvolle jüngere Geschichte. Nach 1945 wurde es zunächst als Ofÿ zierskasino der sowjetischen Armee genutzt. 1949 übernahm das Ministerium für Volksbildung der DDR das Gebäude. Warum dies, rätselten seinerzeit Verantwortliche. Das „Neue Deutschland“, Zentralorgan des ZK der SED, „enthüllte“ am 3. Dezember 1949: Als Haus der Jungen Pioniere wird jetzt das weitläuÿ ge Gebäude des Klosterbergegartens in Magdeburg ausgebaut. Die Stadtverordneten bewilligten einen Betrag von 180.000 DM für die Umbauten und die Ausstattung dieses Hauses, das in Sachsen-Anhalt das erste Pionierhaus sein wird“. DM übrigens hieß die damalige Währung in der gerade gegründeten DDR (7.Oktober 1949). Die Zentrale in Berlin hatte seine besonderen Pläne nach dem Motto „Paläste den Kindern“ gestrickt und damit zugleich einen wirksamen propagandistischen Schachzug getätigt. In anderen Städten waren enteignete Gebäude gleichfalls in Pionierhäuser umfunktioniert worden. In Haldensleben, so erinnert sich ein Magdeburger, der dort auf Stippvisite bei Verwandten war, hatte eine große Villa als Domizil der Pionierorganisation gedient. Dorthin ging es, mit dem blauen Halstuch geschmückt, voller Erwartungen. Man wurde kaum einmal enttäuscht. Dort hatten viele ihre erste Begegnung mit Meister Nadelöhr im Fernseher, der einen Bildschirm in Postkartengröße besaß. Im Magdeburger Haus und im Park gab es das auch, es konnte getobt werden. Jedoch hatte es noch sechs Monate von der Ankündigung in der Zeitung im Jahr 1949 bis zur Eröffnung des Pionierhauses in Magdeburg gedauert: Am 1. Juni 1950 wurde das Schinkelsche Gesellschaftshaus neu eingeweiht. Kinder im Sinne der sozialistischen Ideologie erziehen Zum Verständnis: Die Pionierorganisation wurde am 13. Dezember 1948 als sozialistische Massenorganisation für Kinder der Klassenstufen 1 bis 7 gegründet. Seit 1952 trug sie den Namen „Ernst Thälmann“. Das Ziel bestand darin, die Kinder im Sinne der sozialistischen Ideologie zu erziehen. Die „Gebote der Jungponiere“ waren auf kollektive Treue zum Arbeiterstaat gerich- tet, enthielten auch allgemeine humanistische Grundsätze: die Eltern zu lieben, ° eißig und ordentlich zu lernen, einander zu helfen. Übrigens auch, den Körper sauber zu halten. Eltern, die in Konfrontation zum Staat standen, sahen das natürlich von einer anderen Warte. Das Magdeburger Pionierhaus war dennoch bei vielen Kindern durchaus beliebt. Sie besuchten dort die zahlreichen Arbeitsgemeinschaften. Vielen Dingen konnte in den AG nachgegangen werden, wovon man in der Straße, in der man wohnte, nicht mal träumen konnte. Lediglich die strikte Disziplin, die von den Elbröwern hier manchmal abverlangt wurde, schmälerte die Freude mitunter erheblich. Bald stand der gesamte Park im Zeichen der Kinderorganisation: Dieser wurde in Pionierpark umbenannt, ein großes Transparent hing am Eingang. Im Jahr 1966 wurde sogar ein Verkehrsgarten angelegt. Seit 1971 trug das Pionierhaus den Namen „Hermann Matern“. Die Pioniereisenbahn jedoch, die allem noch die Krone aufgesetzt hätte, fuhr in den Park mit dem Pionierhaus nicht. Man hatte wohl daran gedacht, sie hier zu etablieren. Aber dafür reichte der Platz nicht aus. Die Der Name Hermann Matern wurde dem Pionierhaus 1971 Bahn zuckelte durch den Rotehornpark. verliehen. Hier liegt heute viel mehr „Musike drin“ Domizil für Telemann-Zentrum und Räume für Konzerte und Familienfeiern A ls 2005 nach abgeschlossener Sanierung des Gartensaals als letzter Bauabschnitt das Gesellschaftshaus im Klosterbergegarten komplett wiedereröffnet war, schrieb eine Magdeburger Zeitung bildhaft: „Nicht nur der hohen Kosten wegen steckt im alten Gesellschaftshaus am Klosterbergegarten Musike drin. Denn seit 2003 werden wieder Konzerte im bereits damals restaurierten prächtigen Schinkelsaal gegeben. Und seit einigen Wochen erfüllen nun auch den bislang eingerüsteten zweiten Gebäudeabschnitt Klänge klassischer Ohrwürmer – u. a. bei Veranstaltungen im Rahmen der Konzertanrechte.“ Rund 9,6 Millionen Euro hatte damals die Stadt in das historische Gebäude investiert, an dem der große Schinkel mitgewirkt hatte. Wegen der gewaltigen Summe mussten die Arbeiten auf sechs Jahre verteilt werden. Schritt für Schritt sollte aber nun beste Magdeburger Musikkultur vom restaurierten Gebäudekomplex an der Schönebecker Straße Besitz ergreifen. Die Stadt habe Wort gehalten, sagte Carsten Gerth, Projektleiter für Sonderveranstaltungen im Gesellschaftshaus. Im Haus steckt sogar, um im obigen Bild zu bleiben, noch viel mehr Musike drin als damals. Das Telemann-Zentrum hat sich etabliert, seine wissenschaftliche Bibliothek und das Archiv mit den Spezialsammlungen sind Anlaufpunkt für Wissenschaftler aus aller Welt. Der Landesverband für Musikschulen hat Büros belegt und nutzt auch Säle und Kabinette für Konzerte oder Wettbewerbe. Seit über zehn Jahren finden die Telemann-Festtage im Haus statt. Auch das Sinfonieorchester Magdeburger Musikfreunde hat hier sein Domizil. Im Haus proben zudem die Mitglieder des Cantamus-Chores Magdeburg. Genauso aber bestimmen öffentliche Konzerte für die Magdeburger das Profil des Hauses. Das war von Anbeginn an so vorgesehen, als die Sanierungspläne für den aus Pionierhaus-Zeiten (1950 bis 1989) baulich stark vernachlässigten Gebäudekomplex diskutiert wurden. Neben dem Schinkelsaal, dem Gartensaal und dem Kleinen Saal stehen heute drei weitere Salons für vielfältige Veranstaltungen einschließlich Vorträge, Lesungen und Ausstellungen zur Verfügung. Das Gesellschaftshaus sei eben ein Haus für die Gesellschaft, versichert Carsten Gerth. Seinen Auskünften zufolge fanden allein im Vorjahr 93 Konzertveranstaltungen im Gesellschaftshaus Das Gesellschaftshaus ist heute Konzertort und TelemannZentrum. Carsten Gerth ist als Projektleiter für Sonderveranstaltungen verantwortlich. und in der zugehörigen Konzerthalle im Kloster statt. Zusätzlich wurden von 73 zahlenden Interessenten an 158 Tagen Räume des Ge- sellschaftshauses genutzt – für Kongresse, Kolloquien, Hochzeits- und andere Familienfeiern, die hier gleichfalls möglich sind. 18 „Paul und Paula“ und andere Kino-Straßenfeger Magdeburg und der Kintopp – von 17 nach 1945 wiedereröffnete Häusern blieben sieben bis zur Wende I m Zweiten Weltkrieg waren viele der bis dahin auf die stattliche Zahl von 33 angewachsenen Lichtspieltheater zerstört oder erheblich beschädigt worden. Nach 1945 konnten nur 17 Häuser wieder instand gesetzt und eröffnet werden. Filme wie „Alarm im Zirkus“, „Affäre Bluhm“ und „Karola Lamberti“ eroberten die Herzen der älteren Magdeburger, der „Stille Don“ und „Die Kraniche ziehen“ wurden ebenfalls akzeptiert. Die jüngsten Elbestädter waren dagegen begeistert von den russischen Märchenÿ lmen, vom „Zauberkorn“ oder dem „Unsterblichen Koschtschei“, sahen aber eine zeitlang noch Filme wie die „Reise nach Bamberg“. Experimente mit einer Kinobar am Alten Markt In den 60er-Jahren nahm die Zahl der Lichtspieltheater weiter ab, die TV-Konkurrenz als das neue „Pantoffelkino“ war eine der Ursachen. Laut Kinowiki existierten 1977 mit der Eröffnung des Studiokinos am Moritzplatz insgesamt nur noch sieben Filmtheater, die bis zur Wende weiter in Betrieb waren. Das Kinointeresse glich zahlenmäßig einer Berg- und Talfahrt und war natürlich auch zu der Zeit abhängig vom Angebot. DEFA-Filme wie die „Legende von Paul und Paula“ oder „Anton der Zauberer“ waren Zuschauermagnete. Auch wurde experimentiert und modernisiert, um die Besuchergunst zu gewinnen. Im Theater des Friedens auf dem Alten Markt entstand eine erste Kino-Bar. Dort wurde auch während der Vorstellung serviert. Als in den 1980er Jahren wieder einige westliche Straßenfeger wie „Dirty Dancing“ und sogar ein Star-Trek-Film mit Spock und Kirk gezeigt wurden, waren die Häuser voll. Die wesentlichen ab 1945 bespielten, jedoch teils wenige Jahre später wieder geschlossenen Kinos in Magdeburg waren: die Apollo-Lichtspiele (Olympia-Theater) in der Wittenberger Straße (eröffnet 1910, geschlossen 1960); die Elbe-Lichtspiele, Karl-SchmidtStraße 7 (1911 bis 1960er Jahre); Hansa-Lichtspiele Ottersleben, Alt-Ottersleben 26 (bis in die 1950er Jahre); die Kammer-Lichtspiele Ottersleben, Richard-Debny-Straße (1925 bis 1960er Jahre); Linden-Lichtspiele Diesdorf, Alt-Diesdorf 7, (1936-1960er Jahre). Die Oli-Lichtspiele (Lichtspiele Stadtfeld), Olvenstedter Straße 25, gab es seit 1936, das Theater der Freundschaft, Brauschweiger Straße, ab 1926, das Palast-Theater (U.T.-Palast) Buckau, Schönebecker Straße 94b seit 1926 und im Roxy-Filmtheater, Bandwirker Straße 1 ° immerte es bis 1961 über die Leinwand. 1950 hatte das RAW (Reichsbahn-Ausbesserungswerk) sogar ein Werkkino mit 500 Plätzen eröffnet. In Rothensee gab es die gleichnamigen Lichtspiele in der Krugstraße 2a von 1950 bis in die 1970er-Jahre, die Süd-Lichtspiele, Leipziger Straße 23, existierten von 1937 bis in die 1960er-Jahre. In Alt-Westerhüsen 15 waren die Süd-Ost Lichtspiele bis in die 1970er-Jahre etabliert und Am Moritzplatz 1a seit 1926 das Filmkunsttheater „Marktschlößchen“, dann Studio-Kino. Zu den größten und bekanntesten Kinos zählte das Theater des Friedens (gegründet 1926 als Deulig-Palast), Alter Markt 8. Bis 1950 gab es in der Braunschweiger Straße auch die Thalia-Lichtspiele, die Turmpark- Lichtspiele, Fermersleben/Alt Salbke, luden von 1948 bis in die 1970er Jahre ein, die Volkslichtspiele, Halberstädter Str. 59, von 1945 bis 1950. Und schließlich ° immerten noch im Wibo-Theater Buckau, Porsestraße 19, von 1945 bis 1950 unzählige Streifen – von alten Ufa-Schinken bis hin zu Russenÿ lmen. 1991 wurden die noch bestehenden sieben Kinos von der Treuhandgesellschaft an die Ufa Theater AG verkauft. So sah es um 1930 vor dem heutigen CinemaxX aus. Das Theater des Friedens am Alten Markt war zu DDR-Zeiten eines der bekanntesten Kinos der Stadt. 19 Großes Hoffen auf „007“ und Luke Skywalker Auch Magdeburger Kinos erwarten 2015 wieder steigende Zuschauerzahlen G ute und schlechte Nachrichten von der Filmförderungsanstalt (FFA): Laut ihren Angaben konnten die deutschen Kinos im Jahr 2013 Bruttoeinnahmen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro erzielen. Die Anzahl der Besucher lag bei rund 129,7 Millionen. 2014 war mit 121,7 Millionen Besuchern ein spürbarer Rückgang zu verzeichnen. Allerdings schaut die Branche schon wieder hoffnungsvoll auf 2015, prognostiziert ein bis zu 15-prozentiges Besucherplus. Grund: Keine FußballWM, „Star Wars“-Protagonist Luke Skywalker und „007“ kehren auf die Leinwand zu- rück. „Fuck ju Göhte 2“ sowie die Verfilmung des SkandalBestsellers „Fifty Shades of Grey“ sind ebenfalls vertreten. Wird sich das auch in Magdeburg durchschlagen? Die Kinobetreiber hoffen es. Tatsache ist, dass Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt eine Reihe guter Möglichkeiten zur Rezeption von Filmkunst vieler Art bietet – angefangen in den hollywoodlastigen Multiplex-Kinos bis hin zu Nischen- beziehungsweise Studiokinos. Und bislang auch in Freilichtkinos, so beim SWM-Kinosommer. Das größte Magdeburger Kino mit neun Sälen und 2.694 Plätzen wurde am 25. Oktober 1996 eröffnet. Es ist die Niederlassung der CinemaxX-Kinokette im City Carré. Sie ist ausgestattet mit moderner 3D-Technik. Zwischen 171 und 620 Plätze bieten die einzelnen Kinosäle auf zwei Ebenen. In Tiefgeschossen werden für Kinobesucher kostenfreie Parkplätze angeboten. und 369 Sitzplätze. Mit insgesamt 2.219 Plätzen rangiert es in der Landeshauptstadt als zweitgrößtes Kino. Kostenfreie Parkplätze gibt es direkt vor dem Kino. Als so etwas wie ein Geheimtipp für bewusste Hollywood-Abstinenzler gilt das Studiokino am Moritzplatz in der Neuen Neustadt mit 160 Plätzen. Auch das benachVielfalt durch barte Kino im Moritzhof ist Multiplexe und Anlaufpunkt für Kinofreunde Programmkinos abseits des Mainstreams. Eine Sonderstellung nehmen Ein zweites Multiplex- in dieser Sparte die ehemaKino wurde im Gewerbege- ligen Scala-Lichtspiele in der biet Pfahlberg als „CineStar Halberstädter Straße ein. - Der Filmpalast“ errichtet, Das Filmtheater wird von der gleichfalls auf 3-D-Filme Kirche betrieben. zugeschnitten. Die neun KiJahrelang in positiven nosäle fassen zwischen 142 Schlagzeilen war der Erhalt der Oli-Lichtspiele in der Olvenstedter Straße durch Professor Wolfgang Heckmann. Der unternehmenslustige Hochschulprofessor und Kinofan hat aus dem populären Kino, das für immer geschlossene werden sollte, bis heute eine kulturelle Hochburg in Stadtfeld gemacht. Der Kinosaal fasst 200 Plätze. Hier werden Filmklassiker auch aus DDR-Zeit Die heutigen Oli-Lichtspiele sind das Kult-Kino an der Olvenstedter Straße. Daneben beÿ ndet sich der ebenfalls traditionelle Dehnes Hof. Das City Carré am Hauptbahnhof beherbergt das Kino der Kette CinemaxX. Foto: Klimek gezeigt, es gehen genauso Musikevents, Lesungen und Talks über die Bühne. Als Kinos verschwunden sind nach der Wende unter anderem das Theater des Friedens, hier meldete die IHK Besitzansprüche an. In das Palast-Theater in Buckau ist ein Discounter eingezogen, die ehemaligen Kinos in der Braunschweiger und Pettenkoferstraße sind Tierfutter-Paradiese geworden. Eine im wahrsten Sinne des Wortes filmreife Vorstellung lieferten übrigens vor einigen Jahren Sicherheitskräfte von Warner Bros. In mehreren Kinos Deutschlands, darunter in einem der modernen Magdeburger Häuser, überwachten Sicherheitskräfte die Zuschauer mit Nachtsichtgeräten. Sie wollten damit das illegale Mitfilmen für spätere Raubkopien von einem neuen „Harry Potter“-Film verhindern. Durch Raubkopien gehen der Kinoindustrie pro Jahr bis zu 300 Millionen Euro verloren, hieß es damals. Erwischt wurde in Magdeburg aber niemand. 20 Über die Hubbrücke zum Schwof im Stadtpark Der Umbau der einstigen Drehbrücke und der Bedeutungswandel in der Nachkriegszeit D eÿ niert wird die Hubbrücke Magdeburg als eine eingleisige Eisenbahnbrücke und als eine der ältesten und längsten Hubbrücken Europas. Die 220 Meter lange Überführung, auch Buckauer-Eisenbahnbrücke genannt, überspannt 200 Meter oberhalb des Domfelsens in einem Winkel von 62 Grad die Stromelbe. Das technische Meisterwerk und heutige Denkmal wurde beim Bau der Eisenbahnstrecke Potsdam–Magdeburg von der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft in den Jahren 1846/47 errichtet – damals noch als Drehbrücke. Nach der Inbetriebnahme des Magdeburger Hauptbahnhofs 1873 wurde sie Teil der Bahnstrecke Biederitz– Magdeburg-Buckau. Für Magdeburg und deren Einwohner war und ist das Bauwerk jedoch viel mehr als ein technisches Meisterwerk. Schon und vor allem zu DDR-Zeiten. Das hatte einen ganz praktischen Grund: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die in „letzter Sekunde“ erfolgte Sprengung der Sternbrücke am 16. April 1945 eine enorme Lücke gerissen. Der Übergang in den Stadtpark war nicht mehr möglich, Fähren schafften wenig. Bald besaß die reparierte Hubbrücke als südlichste Magdeburger Elbbrücke außer für den Bahnverkehr potenziell auch große Bedeutung als Fußgängerzugang zum Rotehornpark. Auf die Rotehorninsel zog es bald wieder zahlreiche Elbestädter, die Erholung im Park suchten oder die, als die kriegszerstörte Stadthalle wiedereröffnet war, dort Tanz- und andere Veranstaltungen aufsuchten. Im Jahr 1957, so Zeitzeuge, Ingenieur und Magdeburg-Kenner Dieter H. Michel, wurde die Brücke entsprechend hergerichtet und auch für den Fußgängerverkehr freigegeben. Zeitweilig wurde gar ein extra Personenwagen hinter einer kleinen Lok über die Flussüberführung geschickt. Die Brücke ist mehr als ein technisches Meisterwerk Die Brücke mauserte sich zu einem der wichtigsten Zugänge auf die Werderinsel. Den weiten Umweg über die alte provisorische und seit 1965 neue Strombrücke und über den Stadtmarsch konnte man sich ersparen. Parallel dazu wurde sie bis in die Wendezeit auch noch als Eisenbahnbrücke genutzt. Bei Hochwasser gab es, wie schon früher, Probleme. Hintergrund: Die Drehbrücke war schon lange ein Hindernis für den Schiffsverkehr. 1876 wurden die ersten Umbauten vorgenommen, mehrere Pfeiler entfernt. 1893 begann dann der Umbau zur reinen Hubbrücke, 1933/34 wurde sie abermals, in ihre jetzige Form, umgebaut. Dabei wurde das anhebbare Mitteljoch auf 90 Meter verbreitert, die Hubhöhe stieg auf 2,87 Meter. Nun konnten auch die inzwischen größeren Schiffe bei Hochwasser weiterfahren. Aber das war auch nur bei hochgezogenen Hubteil möglich. Blick über den Elbbahnhof auf die Hubbrücke um 1960. Im Hintergrund ist zudem die Vorlandbrücke der gesprengten Sternbrücke erkennbar. Für Fußgänger, Radler und Zugverkehr war die Brücke gesperrt. In der Zeitung wurde das bekannt gegeben, damit sich Aus° ügler darauf einrichten konnten. Der Güterverkehr und Fußgänger sowie Radler teilten sich den Elbübergang. Eine Zugfahrt wurde rotblinkend signa- lisiert, das Betreten war dann verboten. Doch manchmal passierte das, was ein anderer Zeitzeuge berichtete: „Die Lok zuckelte gellend pfeifend hinter einem Fahrradfahrer her, der sich von den Haltsignalen für den Fußgänger- und Fahrradverkehr nicht vom Befahren der Brücke hatte abhalten lassen.“ Kam der ABV, dann gab‘s gewaltigen Ärger. Nach einem Defekt am Hubteil fuhr die Bahn selbiges 1998 für immer hoch. Erst 2002 wurde ein Kompromiss für die Wiedereinrichtung als Fußgängerübergang gefunden. 21 Nach Bohlenidee folgt Farbbüchsen-Aktion Historisches Wahrzeichnen wird immer mehr künstlerisch gestaltet A uch von den dieser Tage wieder mal entdeckten Farbschmierereien lässt sich der „Verein zur Rettung der Hubbrücke“ nicht wirklich aus der Spur bringen. Er hofft, wie viele Magdeburger, dass die Vandalen, die selbst vor der Plastik „Zeitzähler“ nicht halt machten, irgendwann von der Polizei gefasst werden. Vielmehr steht aktuell im Verein die Vorbereitung des nächsten beliebten „White Dinner“ (5. Juli) auf der Brücke im Mittelpunkt. Die Telefone laufen manchmal heiß, das Interesse an dem Event über dem Fluss mit Teilnehmern in weißen Kleidern und mitgebrachtem Menü sei groß, sagt Architekt und Vereinssprecher Rolf Onnen. Längerfristig jedoch beschäftigt Onnen und seine Mistreiter noch die „Phase 2“ der Brückenrettung. Nach Erneuerung der Bohlen nämlich ist nun in Perspektive der Anstrich der Brücke geplant. Zur Erinnerung: In „Phase 1“ hatte die Elbchaussee GmbH, die die Bebauung des Elbbahnhofs entwickelt hatte, im Paket mit den Grundstücken auch die Hubbrücke von der Bahn erwerben müssen. Gesellschafter Onnens populäre Idee schlug alle bisherigen Vorstellungen zur Rettung der Brücke. Sein Verein nämlich ermöglichte, die Erneuerung des morschen Belags der 2005 endgültig gesperrten Hubbrücke mit Bürgerbeteiligung zu vollziehen. Interessierte konnte dazu eine fünf Meter lange Eichenbohle mit eingebrannten Sprüchen eigener Wahl für eine Spende von 50 Euro erwerben. Mit den so präparierten Bohlen wurde dann die Brücke ausgelegt. Am Ende stand eine Gesamteinnahme von rund 250.000 Euro. Seit 1. September 2013 ist der gesamte Überbau komplett mit dem neuen Bohlenbelag versehen. Mit Kind und Kegel waren die Magdeburger an die Elbe gepilgert, um die Brücke einzuweihen. Nun stünden der teure Korrosionsschutz und die Farbgebung an der Tagesordnung, sagte Rolf Onnen und setzt erneut auf die Magdeburger. Diesmal können besonders präparierte und von einem Künster äußerlich gestaltete Farbbüchsen mit historischem Material über Magdeburg statt Farbe im Inneren erworben werden. Die Büchsen sollen ab Herbst dieses Jahres für je 50 Euro verkauft werden, sagte der Vereinsvorsitzende. Außerdem sei man mit Firmen wegen Sponsorings im Gespräch. Die Hubbrücke hat auch wegen der vielen Veranstaltungen im letzten Jahrzehnt die Herzen der Magdeburger erobert, so mit Theatervorstellungen, zeitweiligem Gaststätten- und Barbetrieb. Auch das Nannucci-Lichtkunstwerk zieht viele in den Bann. An der westlichen Brückenrampe war der Ausbau eines Cafés im Gespräch. Dazu sollte unter anderem der verschnörkelte Turm mit Spitzhelm genutzt werden, über deren einstigen Der „Zeitzähler“ genießt den Blick auf die Hubbrücke. Für deren Erhalt und Aufwertung Zweck viele Spaziergänger zeichnet sich Architekt Rolf Onnen verantwortlich. rätseln. Laut Technikexperten handelt es sich um einen Akkumulatorenturm, der in den 1890er Jahren in gotisierendem Stil entstand. Das Bauwerk gehörte zum hydraulischen Antrieb für das Anheben und Senken des Mittelfeldes, damit größere Schiffe die Hubbrücke passieren konnten. Das dafür erforderliche Hydraulikwasser wurde in diesem Druckwasserakkumulator mit etwa 50 bis 70 at bereitgehalten. Er steht heute wie die gesamte Elbe-Hubbrücke längst unter Denkmalschutz. Übrigens: Insgesamt gibt es bundesweit 24 Eisenbahnhubbrücken. Magdeburg ist neben Hamburg die einzige Stadt, in der es zwei solcher technischen Meisterwerke gibt. Die zweite steht im Handelshafen. Die Hubbrücke ist ein Technisches Denkmal. Für die alte Dame ist Korrosionsschutz erforderlich. 22 Chemieriese brachte Pfe˜ s auf den Markt Produktionspalette reichte von Süßstoff, Schwefelsäure und Rattengift bis zu Medikamenten gegen Syphilis E s gehörte zu DDR-Zeiten zu den ausgesprochen wirtschaftlichen Riesen in Magdeburg, und die Unternehmensgründung im Jahr 1886 soll auf dem berühmten Zufall basieren: 1878 entdeckte der Chemiker Dr. Constantin Fahlberg bei Zuckeranalysen ganz nebenbei eine süße Substanz, die 500 Mal stärker süßt als herkömmlicher Zucker – Saccharin, künstlicher Süßstoff. Acht Jahre später, am 24. April 1886, gründeten Fahlberg und sein Cousin Adolf Moritz List aus Leipzig die Commanditgesellschaft Fahlberg-List Co. in Salbke, was damals noch nicht nach Magdeburg eingemeindet war. Damit begann der Weg eines Unternehmens, das bis 1995 existierte, und im Laufe seiner Entwicklung ein Produktionsprogramm von außergewöhnlicher Vielseitigkeit vorlegte – von Schwefelsäure, über P˜ anzenschutzmittel, Rattengift, Tabletten und Ampullen für die Human- und für die Tiermedizin unter dem Markennamen Falima bis hin zu Wirkstoffen gegen Syphilis und Parkinson. Am populärsten in der Bevölkerung der Nachkriegszeit war Saccharin aus Magdeburg. In Berlin stiegen dafür die Schwarzmarktpreise auf 25 bis 35 Reichsmark pro 100 Tabletten, ofÿ ziell kostete diese Menge nur 0,25 Reichsmark. Später wurde „Fahlberg“ auch mit dem zusätzlichen Konsumgüterprodukt „Pfefÿ “ bekannt. Die Pfefferminzbonbons waren als Gegenstück zu dem in Westdeutschland erhältlichen Vivil entwickelt worden und erfreuten sich bei Jung und Alt großer Beliebtheit. Kühlschränke und Dünger für den Kleingärtnerbedarf gehörten gleichfalls zur verordneten Konsumgüterproduktion. Auf einem Feld bei Fermersleben betrieb man ab 1980 sogar eine Versuchsanstalt, in der vor allem P˜ anzenschutzmittel getestet wurden. Anfang der 1960er Jahre wurden FalimaProdukte in 46 Staaten exportiert, neben Saccharin auch Schädlingsbekämpfungsmittel sowie Pharmazeutika. Die neue Schwefelsäureanlage von 1972 erzeugte mit jährlich 110.000 Tonnen ein Drittel der DDRProduktion. Der Magdeburger Stammsitz war zudem bedeutendster Hersteller für Arzneimittel. Die Warenproduktion mit 130 Produkten hatte 1986 einen Umfang von mehr als 500 Millionen Mark. Zum Werk gehörten 237 Wohnungen, ein Klubhaus und viele soziale Einrichtungen. Für Magdeburg war das Werk, das seit 17. April 1948 ein volkseigener Betrieb war, immer ein großer Arbeitgeber. Ende 1991 hatte Fahlberg-List nur noch etwa 700 Beschäftigte. Zum 1. Januar 1992 erwarb die Salutas Pharma GmbH die Pharmasparte. Die Chemiesparte mit 370 Mitarbeitern wurde bis 1995 abgewickelt. lauf der Bestehens, auch zu DDR-Zeiten. Die schwerste Katastrophe ereignete sich am 28. April 1931, als es in der Abfüllanlage für Hora-Rattengift zu einer Explosion kam. Zehn Menschen starben. Am 2. Oktober 1961 entwichen zwei Tonnen Chlor bei Reparaturarbeiten. Bilanz: ein Toter, fünf Schwer- und 100 Leichtverletzte. 1963 kam es zu einem Großfeuer in der Lindanproduktion, das von der Betriebsfeuerwehr und den Feuerwehren aus Magdeburg-Mitte und Buckau bekämpft wurde. Ein Tank mit Flüssigschwefel lief am 14. Juli 1982 aus. Eine Selbstentzündung der 1.400 Tonnen Schwefel konnte jedoch ver- Die Katastrophe am 29. April 1931 bei Fahlberg-List machte Schlagzeilen in der Magdeburgischen Zeitung. hindert werden. Störfälle und ein verhängnisvoller Alliierten-Irrtum Fahlberg-List galt während des Zweiten Weltkrieges wegen seiner Produkte als Wehrmachtsbetrieb. Verhängnisvoll für Pechau: Am 20. Januar 1944 beabsichtigten die Alliierten einen Luftangriff auf Fahlberg-List. Versehentlich wurde das weiter östlich gelegene Pechau angegriffen. 20 Einwohner kamen ums Leben. Der Chemiker Constantin Fahlberg entdeckte das Saccharin und legte den Grundstein Es kam zu mehreren Störfällen im Ver- für Fahlberg-List. Hier ein Bild der Anlage zu DDR-Zeiten um 1955. 2013 tauchten wieder die Abrissbagger auf Getreide in den alten Türmen / Altgelände derzeit ohne Bebauungsplan E s ist in den Wirren der 1990er Jahre in Vergessenheit geraten. Tatsache aber ist, dass das seit 1886 in Salbke/Westerhüsen verwurzelte Chemiewerk Fahlberg-List auf einen Standort südlich von Reform umsiedeln wollte. Die Pläne wurden jedoch nicht umgesetzt. Fahlberg-List hatte nach der Privatisierung 1990 als Chemische und Pharmazeutische Fabriken FahlbergList GmbH die Produktion weitergeführt. Hunderte Mitarbeiter wurden entlassen. Die Pharmaproduktion ging in die Salutas Pharma GmbH von Hexal über. Als neuer Standort wurde schließlich eine Fläche an der A2 in Barleben gewählt. Ab 1995 stellten dort in einem modernen Produktions- und Logistikzentrum 1.300 Mitarbeiter rund 300 pharmazeutische Wirkstoffe und über 10.000 verschiedene Substanzen her. Auf dem Alt-Gelände von Fahlberg-List traten bald die Abrissbagger in Aktion. 1995 wurde auch das Tablettenhaus entfernt. Zwischenzeitlich hatten Lindan-Ablagerungen auf einem unweit entfernten Kleingartengelände das Ex-DDR-Werk in die Schlagzeilen gebracht. Zuletzt wurde 2012/13 wieder Abriss betrieben. In der Folge verschwand der nördlichste Flügel entlang der Oschersleber Straße. Einige Fabrikgebäude stehen noch. Seit Anfang der 1990er Jahre betreibt die heutige Schirm GmbH eine Produktionsanlage, stellt Pflanzenschutzmittel her. Die einstigen PhosphatHochbehälter werden von der Getreide AG als Silos genutzt. Hier steht eine Lagerhalle der Elbe-Börde-Terminal GmbH, die 34.000 Tonnen Getreide fasst. Erhalten geblieben sind die straßenseitigen Verwaltungsbauten und das Kulturhaus. Letzteres war zwischen 1880 und 1890 als dreigeschossiges Wohnhaus mit Schmuckelementen er- Das Fahlberg-List-Gelände ist weitgehend abgerissen. baut worden. Gegenüber dem Gebäude an der Straße Alt Salbke befand sich das Werkstor des Chemiewerks. Das Kulturhaus ist heute wieder Wohnhaus und steht unter Denkmalschutz. Hier gibt es eine Einwohnerbibliothek und einen Servicepunkt der Stadtsparkasse. Der Geldautomat war unlängst von Sparkassenräubern gesprengt worden. Monatelang mussten Bewohner der Umgebung auf Ersatz warten. Zur weiteren Entwicklung der „Fahlberg“-Nachfolgerin in Barleben: 2005 wurde Hexal/Salutas Pharma GmbH durch Novartis übernommen und in die Generikagruppe eingegliedert. Dagegen ist die zukünftige Nutzung des mit Altlasten behafteten Fahlberg-List-Areals unklar. In einem B-Planverfahren wurde zwar die Ortslage Salbke einschließlich Fahlberg-List-Gelände überplant, ließ RathausPressesprecher Michael Reif wissen. Das Verfahren kam jedoch nicht zum Abschluss, fiel 2006 auf den Stand „Aufstellungsbeschluss“ von 1997 zurück. Zuletzt wurde der Geltungsbereich auf die Ortslage Salbke reduziert. Derzeit gebe es also keine planerischen Aktivitäten zu Fahlberg-List, jedoch würden mit dem Eigentümer Gespräche über Nutzungsmöglichkeiten geführt, sagte Reif. Inzwischen hat sich auf dem Areal auch eine Sanitärfirma niedergelassen, ebenfalls ein Autoteilehandel. Ein generelles Ansiedlungsverbot in der Nachbarschaft besteht wegen der Produktion von Pflanzenschutzmitteln nicht. Auch sei eine ernste Gefahr für die Umgebung nicht zu erwarten, ließ das zuständige Landesministerium auf Anfrage aus der Landtagsfraktion Die Linke am 10. Februar 2014 wissen. Die Magdeburger Bündnisgrünen streben an, den westelbischen Radweg in Verlängerung des Nachtigallenstiegs bis zur Thüringer Straße über das FahlbergList-Gelände zu führen. 23 24 Hyparschale, Teepott und Müther-Mythos 1967 entstand auf der Rotehorninsel eine Betonlegende, um die Magdeburg bewundert wurde D as Magdeburger Original hat mit dem Warnemünder „Teepott“ einen berühmten Bruder. Auch Gaststätten wie „Ostseeperle“ in Glowe, das 1972 gebaute „Panorama“-Haus in Schwerin oder das Sporthaus in Dresden Baselitz künden nicht nur von einer hypermodernen Bauweise, sondern von einem Stück Bewahrens werter Architektur aus den 1960er und 1970er Jahren. Gemeint ist für Magdeburger die Hyparschale auf der Rotehorninsel. Sie wurde nach den Plänen des Bauingenieurs Ulrich Müther errichtet und 1969 als eine der ersten in dieser Bauweise eröffnet. Im Vergleich zur heutigen Zeit würde ihre Wirkung auf die Betrachter vielleicht mit der Grünen Zitadelle, im Volksmund als Hundertwasserhaus bekannt, Stand halten. Die „Schale mit der kühnen Dachkonstruktion“ galt damals zu Recht als das Modernste, was die Elbestadt zu bieten hatte. Konzipiert wurde die Hyparschale als eine Mehrzweckhalle, speziell als Veranstal- tungs- und Messehalle mit einer Nutz˜ äche von 2.333 Quadratmetern. Ihre Lage direkt im Stadtpark sorgte schnell für große Popularität in der Bezirkshauptstadt und der Umgebung. Hier fanden zu DDR-Zeiten unter anderem Messen in den die „Schale“ umgebenen Hallen statt, des Weiteren Ausstellungen, Tanzveranstaltungen, Shows und Fernsehaufzeichnungen. Am 25. Dezember 1980 hatte der Verein für Zucht und Erhaltung einheimischer und fremdländischer Vögel unter der Ägide des bekannten Magdeburger Zoohändlers Rudolf Lehmkuhl seine erste Exposition eröffnet. Die Halle wurde von den Besuchern regelrecht gestürmt. „Nebenbei“ wurde auch bei solchen Veranstaltungen immer wieder die Architektur bestaunt. Sie hatte es in der Tat in sich, und ein Fachtext beschrieb es so: „Die Stahlbetondecke der Hyparschale ist selbsttragend, besteht aus vier hyperbolischen Paraboloiden und überspannt eine quadratische Fläche von Die Hyparschale im Bau 1969. 48×48 Meter. Auf der Dach˜ äche der Stahlträger wurde Spritzbeton aufgetragen. Die Lasten der vier Dachschalen werden als Schrägstützen zum Erdboden hin geführt, daher ist die Außen˜ äche stützenfrei und nahezu vollständig aus Glas“. Ihr Schöpfer stammte aus dem Norden der ehemaligen DDR. Ulrich Müther stieg vom gelernten Zimmermann zum Bauingenieur auf, diplomierte 1963 an der TU Dresden mit einer mathematisch komplizierten Arbeit zur Berechnung der hyper- bolischen Paraboloide. Sein Lebenswerk ist schon damals von Fachkollegen auf der ganzen Welt gerühmt worden, er gilt als einer der weltweit fünf Pioniere des Schalenbetonbaus. Im Nachwende-Deutschland war er eher verkannt. Eine Reihe seiner Konstruktionen wurde nach 1989 abgerissen, so das legendäre „Ahornblatt“ in Berlin-Mitte. Der Hyparschale als eines der markantesten Gebäude am Magdeburger Elbufer drohte zeitweilig ein ähnliches Schicksal. Seit 15 Jahren ist das Baudenkmal bau- polizeilich gesperrt. Nach Schiffshebewerk und Salbker Wasserturm will die Stadt nach mehreren vergeblichen Anläufen nun ernsthaft auch dieses Wahrzeichen für die Nachwelt retten. Übrigens: Auf dem Gelände der Hyparschale befand sich bis zu ihrem Bau der damalige Fallschirmsprungturm der GST. Er war Magnet für Mutige. Und wissen Sie eigentlich noch? In dem Bereich war auch Endstation für den zeitweilig eingesetzten Elbeexpress über die Hubbrücke. Foto: Bundesarchiv Auch nahe der Hyparschale wurde gefeiert, wie beim Volksfest am 1. Mai 1992. Hyparschalen-Investoren sind willkommen Fast 2 Millionen Euro für Dachreparatur / Messehallen abgerissen E islaufhalle, Spieleparadies, Diskothek, ja sogar Kirche, Kreativzentrum für kulturelles Gewerbe – Ideen für eine Wiederbelebung der yparschale auf dem Werder gab es schon viele. Investoren kamen und gingen, doch nichts rührte sich. Nach dem Niedergang in den 1990er Jahren (seit 1997 gesperrt) ist jetzt ein neuer Anlauf zum Erhalt des Baudenkmals gestartet. Seit Juli 2013 nämlich will die Stadt nun doch selbst knapp 1,8 Millionen Euro für die Sanierung des Dachs und der Betonstützen in der Hyparschale übernehmen und damit den drohenden Verfall des Baudenkmals der Sonderklasse stoppen. So sieht es ein Ratsbeschluss vor, der sich seit 2014 in der praktischen Umsetzung befindet. Konkret betrifft das zunächst den Abriss der benachbarten alten Messehallen, einst ein Mekka für Aussteller von Nah und Fern, später auch in Ausstattung und Unterhalt nicht mehr zeitgemäß. Allerdings gab es nach dem Start einen Rückschlag: Bei den Entkernungsarbeiten in den alten Messehallen wurde Asbest entdeckt. Der Schadstoff verkomplizierte den Abriss und verzögerte die Bauarbeiten. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Rahmenplans „Rotehorn“ seien in den vergangenen Monaten die benachbarten Messehallen von Spezialfirmen entkernt und, bis auf Restarbeiten, abgerissen worden, erklärte Rathaus-Pressesprecher Michael Reif auf Anfrage. Die Hyparschale ist seit vielen Jahren Sorgenkind der Stadt. Kein Geld zum Erhalt, Widerstand gegen den Abriss. Investoren ka- men nicht, da halfen auch zahlreiche studentische kreative Vorschläge nicht. Verwunderlich, denn sowohl Gebäudekonstrukt als auch Standort werden als geeignet für vielfältigste Projekte angesehen. Schon 2001 hatte die Stadt Ernst gemacht bei der Suche nach Investoren. Damals wurde festgelegt, ein Erbbaurecht am Grundstück „Hyparschale“ zu vergeben, sofern der Investor eine garantierte Finanzierungszusage der Bank vorlegt. Monaten auf seine Kosten sanieren und als Eissportund Freizeithalle in Betrieb nehmen müssen. Für die Beton- und Dachsanierung hatte Pressespredie Landes- cher M. Reif. Foto: Archiv hauptstadt schon damals die Übernahme von einmaligen Kosten in Höhe Hyparschale ist seit von umgerechnet maximal eine Million Euro (damals 2 vielen Jahren das Millionen D-Mark) angeboSorgenkind der Stadt ten. Daraus wurde nichts. Nun legt die Stadt noch fast Der Käufer sollte die Hy- eine Million Euro drauf. 2012 parschale für einen Symbol- haben überdies 14 Magpreis von 1 DM (entspricht deburger den „Verein zur 0,51 Euro) bekommen. Bei Rettung der Hyparschale“ Annahme hätte er die Im- gegründet. Bei den Grusonmobilie innerhalb von 24 Gewächshäusern zumindest hat es geholfen, was damals aber auch dem Konjunkturpaket des Bundes geschuldet war. Allerdings haben die jüngsten Bemühungen um einen Investor für die „Schale“ noch zu keinem positiven Ergebnis geführt. Michael Reif bestätigte, dass es in letzter Zeit mehrere Ausschreibungen zur Vergabe eines Erbbaurechtes für die Hyparschale beziehungsweise dem 6.500 Quadratmeter großen Grundstück gegeben habe. Das letzte Bieterverfahren im März 2015 habe aber erfolglos eingestellt werden müssen, erklärte er. Trotz aller Schwierigkeiten wird versichert, am Projekt Wiederbelebung der Spannbetonschale festzuhalten, Investoren sind willkommen. Michael Reif: „Nach wie vor führen wir mit Interessenten Gespräche“. 25 Sensationell: Bergretter seilten sich vom Turm ab Der Aussichtsturm im Stadtpark avancierte zum Liebling der Magdeburger/ bis 1989 100.000 Besucher pro Jahr D as Jahr 1927 war für Magdeburg ein denkwürdiges. In einer höchst dynamischen Periode der Stadtentwicklung wurde der Stadt die Ehre zuteil, die Deutsche Theaterausstellung auszurichten. Der einzigartige Rotehornpark auf der von den Elbarmen umspülten Werderinsel war ein geradezu prädestiniertes Gelände für die Bauten zur Ausstellung, wie die Stadthalle oder das Pferdetor. Noch heute wird der zu dem Anlass errichtete Aussichtsturm als Krönung des Gesamtensembles bezeichnet. Die künstlerische Oberleitung für die Ausstellung, die Magdeburg als kulturelle Hochburg ins Rampenlicht von ganz Deutschland rückte, hatte Prof. Albin Müller, Künstlername Albinmüller. Er war es auch, der den Aussichtsturm entwarf, dessen schlanker Bau und nachts beleuchtete Spitze zum Wahrzeichen des Parks avancierte. Um das Café in der Spitze oder die in 45 Meter Höhe gelegene Aussichtsplattform zu erreichen, bot der etwas fast 61 Meter hohe Turm bereits damals einen Aufzug. Andere Parkbesucher machten es sich zum Sport, beim Erklimmen die 252 Stufen zu zählen und danach die herrliche Aussicht weit über die Stadt zu genießen. Im Jahr 1944/45 kam das vorübergehende Ende. Nach den Bombentreffern alliierter Verbände ÿ elen 70 Prozent des Ausstellungsgeländes in Schutt und Asche, die Stadthalle wurde fast gänzlich zerstört. Wie durch ein Wunder stehengeblieben war der Aussichtsturm. Er kam mit verhältnismäßig geringen „Blessuren“ davon: Es dauerte dennoch bis zum Sommer 1956, bis das Bauwerk wieder für die Besucher freigegeben werden konnte, wenn auch jetzt noch ohne Fahrstuhl. Außerdem gab es noch eine Menge weiterer Reparaturen zu erledigen. Dazu gehörte das Neuverglasen der 510 Felder der Turmspitze, heist es in einer von der MVGM veröffentlichten Chronik. Der Besucher hatte jedoch von dem Zeitpunkt an die Möglichkeit, für 10 Pfennig durch ein installiertes Fernrohr die Umgebung von Magdeburg zu betrachten. Und bei Wetterglück, also klarer Sicht, konnte er sogar den Brocken erkennen. Ob es eine Entschädigung für den wegen des fehlenden Fahrstuhls mühseligen Aufstieg war, ist kaum anzunehmen. Aber gemeckert wurde damals halt noch weniger. Der Aussichtsturm wurde mehr und mehr zum Mittelpunkt von Veranstaltungen und vergnüglichen Treffs der Magdeburger. Für 1958 beispielsweise vermerkt die Chronik eine Vielzahl von Aktivitäten rundherum. Auf kleinen Bühnen und Podien fanden Tanzveranstaltungen am Adolf-Mittag-See und am Aussichtsturm statt. HO-Gaststätten engagierten sich dabei stark. Im selben Jahr gab es einen bedeutsamen Hoffnungsschimmer für den immer noch reparaturbedürftigen Turm. Bauarbeiter gingen daran, die Kuppel des Aussichtsturmes abzudichten. Es begannen sogar die Ausbauarbeiten für das Turmcafé. Wenige Jahre nach den Dacharbeiten gab es eine kleine Sensation. Am Turm war in schwindelnder Höhe der Bergrettungsdienst Wernigerode im Einsatz. Im Zusammenhang mit einer Schauübung, unter anderem das Abseilen von der Plattform, wurden die Außenwände kontrolliert und von gefahrdrohenden Bruchstücken befreit. Ein Paukenschlag folgte im Jahr 1972. Nach erforderlichen Arbeiten konnte das Café in der Glaskuppel wiedereröffnet werden. Zu DDR-Zeiten übrigens hatte der Turm samt Café jährlich rund 100.000 Besucher. Das damalige Ausstellungsgelände im Stadtpark samt Aussichtsturm. Die Freude darüber währte jedoch nur einige Jahre: In den 1980er Jahren musste das Café wegen Baufälligkeit schließen, zu gering waren die vorbeugenden Arbeiten ausgefallen. Ab Mitte der 1990er war auch die Aussichtsplattform nur noch saisonal geöffnet; es folgte die Sperrung. Sanierungspläne wurden diskutiert. Park-Wahrzeichen wurde Albinmüller-Turm Was der Aussichtsturm auf der Elbinsel mit dem schiefen Turm von Pisa gemein hat D ie Saison 2015 ist gestartet, der Aufzug bringt Familie G. aus Wolfsburg auf die Plattform. Architekturfreunde, die Albinmüller kennen, wollen deshalb mit einem seiner berühmtesten Werke auf Tuchfühlung zu gehen – dem Albinmüller-Turm im Stadtpark. Nur die Eingeweihten wissen: Seinen Fortbestand hatte angesichts hoher Sanierungskosten manch einer irgendwann heimlich abgeschrieben, aber die Rechnung ohne die traditionsbewussten Magdeburger gemacht. Ihre andauernden öffentlichen Forderungen zeigten auch in der Kommunalpolitik Wirkung. Hier die Chronologie der ebenso populären wie mühseligen Wiedergeburt: • 2001: Der Stadtrat beschloss zwar die Sanierung des Aussichtsturms. Kosten: 5 Millionen D-Mark (damalige Währung). Am 22. September: Der Turm wurde wegen der großen Bauwerkschäden geschlossen, der Sanierungstermin immer wieder verschoben. • 2003: Erneut wurde beschlossen, für 1,98 Millionen Euro zu sanieren. Ziel: Ende 2004 sollte der Turm samt Café wiedereröffnen. • 2004: Nach Baubeginn stand bald fest, dass das Geld nicht reichte. • 2005: Baustopp, Streit zwischen Planern, Baufirmen und Hochbauamt; Kostensteigerung auf 2,9, dann auf 3,1 Millionen Euro standen in Aussicht. • 2006: Finanzielle Probleme waren geklärt. Am 27. Juni 2006 wurde der Aussichtsturm wieder eröffnet, allerdings ohne Café. • 2012: Am 17. Juni wurde der Turm offiziell auf den Namen Albinmüller-Turm getauft. Mit der Turmtaufe wurde ein Jubiläum gefeiert: 2012 war der Aussichtsturm 85 Jahre alt geworden. In den 1920er Jahren hatte Prof. Albin Camillo Müller (1871 - 1941), Künstlername Albinmüller, das Ausstellungsgelände für die Deutsche Theaterausstellung 1927 entworfen. Er war ursprünglich im Kunstgewerbe tätig und kam 1900 als junger Lehrer nach Magdeburg, wo er mehrere Jahre an der Kunstgewerbeschule lehrte. Das von ihm entworfene Ensemble im Rotehornpark, 1927 eröffnet, wurde bald zu den schönsten Ausstellungsgeländen Deutschlands gerechnet und war bis zum 2. Weltkrieg ein Forum für hochrangige wirtschaftliche und künstlerische Veranstaltungen. Zu den prägenden Bauten und Kunstwerken zählten neben Ausstellungshal- len auch Pferdetor und die Stadthalle sowie der 60 Meter hohe schlanke Turm. Die Namensgebung war und ist eine Hommage an den Mann, dem das heutige Wahrzeichen der Rotehorninsel zu verdanken ist. Es stellt eines der wichtigsten Werke Albinmüllers dar. Ein mutiger Gastronom ist von Nöten Nach gängiger Auffassung ist der Turm mit seiner Eleganz und Funktionalität ein bedeutendes Beispiel des Neuen Bauens der 1920er Jahre. Die Architektur des Turms lehnt sich zudem an die Ideen einer Glas- und Lichtarchitektur von Bruno Taut an. Abends ist auch heute die gläserne Turmspitze beleuchtet. Der Turm bildet zur unmittelbar daneben stehenden Stadthalle einen senkrechten Gegenpol. Fachleute sprechen von einem Campanile. Das soll Albinmüller sehr bewusst gestaltet haben. Als Campanile wird in der Baukunst ein freistehender Glockenturm bezeichnet. Bekanntester Campanile ist der Schiefe Turm von Pisa. Magdeburg ehrte den Schöpfer des Turms. Immer wieder wird bedauert, dass es nicht gelungen ist, das Café wiederzueröffnen. Es stellte jedoch schon immer ein unwirtschaftliches Objekt dar. Ob sich ein wirtschaftlich wagemutiger Gastronom findet, der in Magdeburger Höhenluft Kaffee und Kuchen anbieten wird, ist auch heute ungewiss. Nichtsdestotrotz gilt der Albinmüller-Turm unter den Magdeburgern als saniertes Kleinod auf der Elbinsel. 26 Abgeschottet, abgewrackt – die Russenkasernen Bis 1989 war alles streng geheim, selbst der Verfall der Villen blieb im Verborgenen W enige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Nachdem die Rote Armee Anfang Juli 1945 ihre Besatzungszone eingenommen hatte, bezog ihre 3. Stoßarmee in Magdeburg die fünf großen Kasernenkomplexe, die bereits in der Kaiserund in der Nazizeit erbaut worden waren. Das Kommando der Stoßarmee wechselte 1947 von Stendal nach Magdeburg und etablierte sich in der früheren Encke-Kaserne in der Beimsstraße. Dieser Komplex war 1912/13 für das preußische 4. FußartillerieRegiment gebaut worden. Hier gab es vier 3- bis 4-stöckige Mannschaftshäuser mit glatten Putzfassaden und Sockeln aus Eisenklinkern, weitere kleine Soldaten- und Ofÿ ziersunterkünfte. Eine Mauer von bis zu 2,5 Metern Höhe schirmte die Blicke der Öffentlichkeit ab. Nach Kriegsende zogen hier zunächst die Amerikaner ein. Sie nutzten die Kaserne als Sammelstelle für osteuropäische Zwangsarbeiter und deren Rückführung. Danach quartierten hier die Briten, ab 1946 bis 1991 dann die 3. Stoßarmee mit ihrem Armeestab. In Magdeburg hatte die Rote Armee unter anderem eine Panzer-und PanzergrenadierDivision, eine Nachrichten und Pioniereinheit in den Kasernen an der Alten Elbe, an der Herrenkrugstraße, Am Zuckerbusch und in Prester stationiert. Diese Komplexe waren – wie schon früher zur Nazi-Zeit – hermetisch abgeriegelt, die Einzäunung war in Tarnfarbe, im bekannten Grün der russischen Militärlaster gehalten. Auf den Straßen waren diese ständig präsent, sorgen nicht selten noch in den 1980er-Jahren für Aufsehen. Meist bleiben die Militärlaster irgendwo defekt liegen. In der Regel waren Einblicke in das Innere der Kasernenhöfe seit den 1970er Jahren eher eine Seltenheit. Auch die gemeinsamen Subbotniks wurden weniger, selbst ofÿ zielle Ereignisse wie Feiern zum Tag der Befreiung waren irgendwann ausgeklammert. Gab es zunächst gewollte Kontakte zwischen der Bevölkerung und den Befreiern, zogen sich Letztere zurück in die Selbstisolierung. Allerdings war seit November 1953 Eheschließung zwischen Deutschen und Sowjets erlaubt. Ofÿ ziere und deren Fa- milien waren auf Parkspaziergängen oder im Zoo zu sehen, Ofÿ ziersfrauen kauften in den einschlägigen Geschäften der Stadt ein. In Cracau war in den 1970er- und 1980 das Russenmagazin frei zugänglich für die Magdeburger. Die Gebäude im Herrenkrug dagegen, die einst als Ofÿ ziersunterkünfte für das preußische Militär erbaut worden waren, verÿ elen. Die wertvolle Bausubstanz war bis 1989 dem Verfall preisgegeben, nur die nötigsten Reparaturen wurden ausgeführt. Schon das Preußen-Militär hatte den Cracauer Anger als Truppenübungsplatz genutzt – kleinere militärische Bauten, ein Pferdelazarett, ein Schießplatz wurde 1873 fürs Scharfschießen errichtet. Erst ab1935, im Zuge der Aufrüstung Hitlerdeutschlands, entstanden die gewaltigen Kasernenkomplexe in der Breitscheidstraße und der Jerichower Straße. Ab 1938 wurde der Anger ausschließlich für militärische Zwecke Präsentation in der Enckekaserne vor dem Zweiten Weltkrieg. Danach nahm hier der genutzt. Das setzte die Rote Armee nach Stab der 3. Stoßarmee bis nach 1990 Quartier. Übernahme der Kasernen und des Angergelände fort bis1992. Sie bezog die ehemalige Hindenburgkaserne am Jerichower Platz, nutzte bis 1991/92 die gesamte Fläche des Cracauer Angers bis zum Herrenkrug als Kasernengelände und Truppenübungsplatz – abgeschottet, abgewrackt, bevor das Gelände nach der Deutschen Einheit eine bis dahin ungeahnte zivile Nutzung erfuhr. Die Villen Kälberwiese, 1992 von den Sowjets verlassen. Die Kasernen am Jerichower Platz, vor dem Krieg. Nach 1945 zogen auch hier die Sowjets ein. 27 Auf den Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal: Das Hauptgebäude war früher Lazarett. Heute beherbergt es die Fachbereiche Sozial- und Gesundheitswesen sowie Kommunikation und Medien. Fotos: Matthias Piekacz/Bastian Ehl Blühende Landschaften auf Truppenübungsplatz Wie von den Sowjettruppen genutztes Gelände und Kasernen umgestaltet wurden N ach dem Abzug der GUS-Truppen aus Magdeburg konnten die bis dahin genutzten militärischen Übungsgelände und die Kasernen in die Stadtentwicklung einbezogen werden. Die Flächen auf dem Cracauer Anger wurden endlich frei. 1994 begann die Beräumung des Kleinen und des Großen Cracauer Angers. Bald entstanden zumindest hier die versprochenen blühende Landschaften. Die Umgestaltung blieb aber zunächst nur ein Wunschtraum. Die erforderlichen riesigen Geldsummen waren nur mit Bundeshilfe aufzubringen. Willi Polte hatte mit der Buga eine grandiose Idee Oberbürgermeister Willi Polte hatte die Idee, die Buga nach Magdeburg zu holen. Ein grandioser Schachzug, der viele Millionen in die Stadtkasse spülte und geeignet war, das Ansehen Magdeburgs aufzuwerten. Poltes Rechnung ging auf. Neben der heute exzellenten städtischen Infrastruktur mit Nordbrücken, Tunnel, Straßenbau (B1) und Deponie-Rekultivierung zählt der von militärischen Altlasten befreite Cracauer Anger einschließlich der Kasernen zu den schönsten und interessantesten Gegenden Magdeburgs. Zuvor musste eine unglaubliche Menge der von den Sowjets zurückgelas- senen Altlasten entsorgt, verseuchter Boden ausgetauscht und scharfe Munition beseitigt werden, außerdem Trümmerschutt aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus dem so entstandenen Buga-Park, 1999 bestaunte ihn ganz Deutschland, wurde später der etwa 90 Hektar große Elbauenpark. Sommerodelbahn, Schmetterlingshaus, Seebühne, Spielfelder für Volleyball, Kletterturm, Bistros, Gaststätte und 14 Themengärten sowie die Seebühne mit 1.600 Plätzen zählen zu den Attraktionen. Das Magazin „Stern“ kürte den Elbauenpark 2013 zur besten Freizeitattraktion in SachsenAnhalt. Eine zweite besonders beispielhafte zivile Nutzung von Kasernen stellt der Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal an der Breitscheidtstraße dar. Zunächst von Wehrmacht und später sowjetischer Armee als Artillerie-Standort und Lazarett genutzt, wurde das Gelände 1992 endgültig vom Militär verlassen. Die bestehenden maroden Gebäude wurden saniert, auch neue errichtet. Zusammengenommen betraf das 18 Immobilien. Großzügige räumliche Gestaltung und weite Begrünung zwischen den Hochschulgebäuden auf rund 200.000 Quadratmetern geben dem Campus teils den Charakter eines Parks. „Damals wurden umgerechnet zirka 80 Millionen Euro Landesmittel investiert“, sagte Pressesprecher Norbert Doktor. Am Campus Magdeburg studieren heute 4.500 Studenten, in Stendal 2.000 Lernende. Seit 2000 findet man alle Magdeburger Fachbereiche auf dem neuen Campus. Von Künstlerateliers bis hin zu saniertem Wohnraum Auch der ab den 1935er Jahren entstandene gewaltige Komplex der Hindenburgkaserne an der Jerichower Straße wurde zu mustergültigen öffentlichen Gebäuden, zu Landesministerien, zu staatlichen Dienstleistungseinrichtungen und zu Finanzämtern umgestaltet. Die einstigen Panzergaragen sind Künstlerateliers an der Tessenowstraße. Die Bauten der einstigen Encke-Kaserne an der Beimsstraße sind zu einem soliden Wohnkomplex geworden, der derzeit noch weiter ausgebaut wird. Hiesige Investoren haben sich hier und in anderen Gegenden engagiert. Im Herrenkrug schließlich wurde auf dem ehemaligen Villengelände mit Offiziershäusern mehrgeschossiger Wohnungsbau betrieben, Privatinvestoren sanierten Villen. Doch auch hier zeigt sich, dass für die vollständige Beseitigung der Kriegsfolgen die verflossenen 70 Jahre nicht ausreichen. Noch heute schimmern zwischen dem Grün der Bäume einige im Verfall begriffene frühere Prachthäuser hindurch. Norbert Doktor, Pressesprecher der Hochschule, stand als Gesprächspartner bereit. Willi Polte, ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt, holte die Buga nach Magdeburg. Die Enckekaserne war zuletzt von den Sowjets belegt. Mittlerweile wurde hier attraktiver Wohnraum geschaffen. 28
© Copyright 2025 ExpyDoc