Medienmitteilung vom 6. Februar 2016 SCHAUSPIEL Sa 13. Februar 2016 20 Uhr So 14. Februar 2016 17 Uhr DIE FRAU UND DIE STADT Eine Nacht im Leben der Gertrud Kolmar von bbt bewegtbildtheater / Martina Roth & Johannes Conen Schweizer Erstaufführung Eine Nacht im Leben der Gertrud Kolmar In «Die Frau und die Stadt» erinnern das Künstlerpaar Roth und Conen an die vergessene deutsche Dichterin Gertrud Kolmar: Geboren 1894 in Berlin, ermordet 1943 im Konzentrationslager Auschwitz. Am Samstag 13. und Sonntag 14. Februar 2016 zeigt das Theater Chur diesen fiktiven Monolog, welcher nicht nur von Bedrohung und Angst erzählt, sondern auch von der Liebe zu einer Stadt und dem Mut sich unter widrigsten Umständen persönliche Freiräume abzustecken. In einer kalten Nacht im Februar 1943 verlässt die Dichterin Gertrud Kolmar ihre Wohnung in Berlin-Schöneberg und macht sich auf den Weg. Ihr Ziel: die Siegessäule, ein 67 Meter hohes Monument aus der Kaiserzeit. Sie will die Wendeltreppe im Innern des Baus emporsteigen und ihrem Leben mit einem Sprung von der Aussichtsplattform ein Ende setzen. Ein Leben, das unter den Nazis aus den Fugen geraten ist. Einquartiert in einem der so genannten Judenhäuser, fristet Gertrud Kolmar ein Dasein als Zwangsarbeiterin. Ihr Vater ist bereits verschleppt worden. Die 48jährige Dichterin selbst rechnet täglich mit ihrer Deportation. Gertrud Kolmar hat es wirklich gegeben – die nächtliche Wanderung zur Siegessäule ist allerdings literarische Fiktion. Ersonnen hat sie die deutsche Dramatikerin Gerlind Reinshagen. In ihrer Erzählung «Die Frau und die Stadt» lässt sie die jüdische Dichterin in einem acht Stationen umfassenden Monolog mit ihrem Schicksal hadern – vom «letzten Zimmer, zuhaus» bis zum «Treppenhaus der Siegessäule, fast am Ausgang». Am Ende lässt Reinshagen ihre Heldin die 285 Stufen wieder hinuntersteigen, ahnend, dass ihr Leben in einem der deutschen Vernichtungslager enden wird. Auf der Suche nach neuen theatralen Darstellungsformen hat das Künstlerpaar Martina Roth und Johannes Conen sein Bewegtbildtheater entwickelt. Konsequent werden Schauspiel und Projektionstechnik miteinander verquickt, bis ein neues ästhetisches Profil entsteht. «Die Frau und die Stadt»: Eine Nacht im Leben der Gertud Kolmar Samstag, 13. Februar 2016, 20 Uhr; Einführung 19.30 Uhr Sonntag, 14. Februar 2016, 17 Uhr; Einführung 16.30 Uhr Online-Ticketing www.theaterchur.ch Mit: Martina Roth Text: Gerlind Reinshagen Inszenierung/Bühne/Bewegtbild: Johannes Conen Dramaturgie: Martina Roth Kostümbild: Ute Kuntzsch Choreografische Mitarbeit: Pierre Wyss Aufnahmeassistenz: Immanuel Bartz Produktion: bbt bewegtbildtheater (D) Koproduktion: Les Théâtres de la Ville de Luxembourg, Stadttheater Fürth, Theater Chur Preise: CHF 32.– / 16.– erm. Dauer: ca. 80 Min. Gertrud Kolmar Gertrud Kolmar, geboren als Gertrud Käthe Chodziesner am 10. Dezember 1894 in Berlin, war die Tochter des jüdischen Rechtsanwaltes Ludwig Chodziesner und seiner Frau Elise, geborene Schoenflies, und Cousine von Walter Benjamin und dessen Bruder Georg Benjamin. Das Pseudonym legte sie sich erst 1917 zu, als sie mit ihrem ersten Band unter dem Titel «Gedichte» an die Öffentlichkeit trat, es erklärt sich aus der Herkunft ihres Familiennamens von der Stadt Chodziesen (polnisch: Chodzież) in der damaligen preussischen Provinz Posen, die 1878 in Kolmar umbenannt worden war. Zusammen mit drei jüngeren Geschwistern wuchs Gertrud Kolmar in einer grossbürgerlichen Welt behütet heran. Dennoch hatte sie, trotz der liebevollen Aufmerksamkeit, die ihr als erstgeborener Tochter entgegengebracht wurde, keine glückliche Kindheit. Es stand, wie sie selbst sagt, «kein wolkenlos blauer Himmel über meiner Kindheit und Jugend». Nach der Schulzeit, zwischen 1911 und 1928, verliess Gertrud Kolmar Berlin von Zeit zu Zeit für kürzere Ausbildungs- und Studienreisen, lernte mehrere Sprachen, machte das Examen als Sprachlehrerin in Französisch und Russisch und arbeitete als Erzieherin in Leipzig, Hamburg und Dijon. Während des Ersten Weltkriegs war sie Dolmetscherin im Gefangenenlager Döberitz und erlebte, um 1915 oder 1916 herum, eine unglückliche Liebe zu dem Offizier Karl Jodel. Das Kind, das Gertrud Kolmar aus dieser Beziehung erwartete, musste sie auf Drängen der Eltern abtreiben lassen. Aber bis in ihre letzten Lebensjahre hinein litt sie an der ungestillten Liebe und an der ihr aufgezwungenen Abtreibung. Sogar einen Selbstmordversuch soll sie unternommen haben, wahrscheinlich Ende 1916. 1928 kehrte Gertrud Kolmar in den Schoss der Familie zurück und lebte von nun an ständig bei ihren Eltern, die inzwischen in den Vorort Finkenkrug, westlich von Spandau, gezogen waren, in ein von einem grossen Garten umgebenen Haus. Da die Mutter schwer erkrankt war – sie starb am 25. März 1930 – übernahm Gertrud Kolmar die Führung des Haushalts, belegte ausserdem einen Notariatskurs und arbeitete als Sekretärin ihres Vaters. Ab Ende der 1920er Jahre erschienen einzelne ihrer Gedichte in literarischen Zeitschriften und Anthologien. 1934 wurde ihr zweiter Gedichtband Preussische Wappen im Verlag «Die Rabenpresse» von Victor Otto Stomps publiziert. Ihr dritter Gedichtband «Die Frau und die Tiere», der im August 1938 in einem jüdischen Verlag erschien, wurde nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 eingestampft. 1939 mussten Gertrud Kolmar und ihr Vater auf Anordnung der Nationalsozialisten aus ihrer Villa im Vorort Finkenkrug in ein sogenanntes Judenhaus in Berlin-Schöneberg umziehen. In die neue Umgebung hat sie sich nie richtig eingewöhnen können. Finkenkrug war und blieb für sie «das verlorene Paradies». Im Sommer 1941 wurde Gertrud Kolmar von der deutschen Rüstungsindustrie in der Kartonagenfabrik «Epeco», Lichtenberg zwangsverpflichtet. Im September 1942 deportierten die Nazis den 80-jährigen Vater nach Theresienstadt und brachten ihn dort am 13. Februar 1943 um. Von seinem Tod erfuhr die Tochter nicht mehr. Denn Ende Februar 1943 wurde auch sie von ihrem Arbeitsplatz weg verhaftet und vermutlich wenige Tage später in Auschwitz ermordet. Ihre letzte Lebensnachricht stammt vom 21.2.1943. Martina Roth Ihre Schauspielausbildung erhielt sie in Hamburg. Erste Engagements führten sie ans Hamburger Schauspielhaus und an das Thalia Theater. Weitere Stationen waren u.a. Staatstheater Oldenburg, Staatstheater Darmstadt, Nationaltheater Mannheim, Staatstheater Braunschweig, Badisches Staatstheater Karlsruhe, Schauspielhaus Leipzig, TAT Frankfurt und Grand Théâtre Luxembourg. In der Regie von Konstanze Lauterbach spielte sie am Schauspielhaus Leipzig die Lady Milford in Kabale und Liebe. Mit den Regisseuren Frank Hoffmann, Anne Simon und Sebastian Schloesser arbeitete sie in Luxemburg zusammen. Ausserdem verbindet sie seit einigen Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Choreographen Pierre Wyss und dem Choreographen Philippe Talard. Die Tanztheater-Produktionen Zirkus Fellini, Peace, Und ich sah.. und Drown Desdemona sind daraus entstanden. Am Cuvilliestheater in München spielte sie die Titelrolle in der Barockoper / Melodram «Elektra» von Christian Cannabich. Zusammen mit dem Szenograf, Kostümbildner, Lichtund Videodesigner Johannes Conen entwickelte sie eine neue Theaterform, eine Verbindung von life-Szenen mit gleichzeitig laufenden Filmsequenzen in Interaktion. Seit 2004 ist sie als Autorin und Darstellerin für bbt bewegtbildtheater tätig. Johannes Conen Der niederländische Künstler beschäftigte sich nach seinem Studium mit Malerei, machte Ausstellungen, gründete ein Theater, leitete ein Ensemble, das sich sehr frei und experimentell mit Theater im weitesten Sinne beschäftigte, inszenierte, machte Bühnenbilder und schrieb Stücke und Hörspiele. 1976 nahm er ein Engagement als Schauspieler am Deutschen Schauspielhaus Hamburg an und arbeitete mit den Regisseuren Wilfried Minks und Jürgen Flimm. Seit 1985 ist er als Szenograf, Kostümbildner, Video- und Lichtdesigner tätig. Wichtige Stationen im deutschsprachigen Raum sind unter anderem die Ruhrfestspiele Recklinghausen, Schauspiel Nürnberg, die Staatstheater in Oldenburg, Braunschweig, Wiesbaden, Karlsruhe und Darmstadt, die Komische Oper Berlin, die Deutsche Oper Berlin, die Wiener Staatsoper, die Oper Leipzig, das Nationaltheater Mannheim und die Salzburger Festspielen. Eine besondere und enge Zusammenarbeit verband ihn mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen, für den er mehrere Opern visualisierte. Von 2002-2010 hatte er eine Professur für «Design in den digitalen Medien» an der Hochschule in Trier. Von 2005-2008 war er Gründungsdekan des Fachbereichs Gestaltung, einer Zusammenlegung von fünf früheren Fachbereichen. Von 2010-2014 war sein Schwerpunkt an der Hochschule Mediale Szenografien. Bei bbt bewegtbildtheater ist er für Szenografie, Vertonungen, Regie und Bewegtbild verantwortlich. Medienmitteilung und Bildmaterial finden Sie im Bereich Medien unter www.theaterchur.ch/medien KONTAKT Ute Haferburg, Direktion Theater Chur Zeughausstrasse 6 CH-7000 Chur T +41 (0)81 254 12 92 M +41 (0)76 326 48 89 [email protected] Anita Willi, Mandat Marketing & Medien Theater Chur PURPUR Kultur & Management GmbH Kornplatz 12 CH-7000 Chur T +41 (0)81 250 60 81 M +41 (0)79 662 38 00 [email protected]
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