Spielzeitauftakt im Theaterlabor am Schauspiel Essen: Wir wollen

 Spielzeitauftakt im Theaterlabor am Schauspiel Essen: Wir wollen auf die Bühne! von Katharina Feuerhake Sie sitzen auf Stühlen, auf dem Boden, lehnen an den Wänden, hüpfen durch den Raum, stehen im Pulk oder vereinzelt, unterhalten sich oder schauen etwas schüchtern in der Gegend umher. Einige schreiben noch ihren Namen an die große Packpapierwand. Manche geben sich dabei besonders viel Mühe, malen viele Schnörkel und extra Motive drum herum. Es liegt Spannung in der Luft. Allen steht die Frage „Was wird uns wohl die nächsten drei Stunden erwarten?“ auf die Stirn geschrieben. Zu Beginn jeder neuen Spielzeit laden wir alle theaterbegeisterten Menschen zwischen 8 und 88 Jahren zum Info-­‐ und Workshoptag ein. Hierbei begeben sich die Teilnehmer/innen drei Stunden lang mit uns Theaterpädagoginnen, einem Schauspieler und einer Ausstatterin in den Probenraum, um sich kennen zu lernen und einen ersten Eindruck von der theaterpraktischen Arbeit zu erhalten. Nach diesem Tag entstehen unterschiedliche Gruppen, die dann innerhalb einer Spielzeit ein eigenes Stück auf die Beine stellen, das im Rahmen des Festivals „Spielschau Essen“ im Juni 2016 in der Casa und Box Premiere feiern wird. Zum Auftakt in dieser Spielzeit kamen knapp 50 Leute aus ganz Essen. Ein zusammen gewürfelter Haufen aus unterschiedlichen Altersgruppen, unterschiedlichen Interessen, unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen. Einige haben schon in Projekten mitgewirkt, andere kommen über Empfehlungen von Freunden oder Lehrer/innen, einige über Kontakte von Jugendhäusern, andere haben den Aufruf in der Zeitung, auf der Homepage oder auf Facebook gelesen. Wir vermessen den Raum! Nach einer kurzen Begrüßung geht’s direkt zur ersten Kennenlernübung: Getreu unserem Motto „Experimentieren, scheitern, neu machen!“ vermessen wir den Raum. Und das nicht mit einem Maßband, sondern mit Schritten, Körperflächen, Lauten und Lautstärken. Wichtig dabei: Körperlich immer mit einer anderen Person in Kontakt bleiben. Gar nicht so einfach mit 50 Leuten in einem 45qm großem Raum! Da tritt man sich schon mal auf die Füße, es wird getuschelt und gelacht. Ein erster unbeschwerter Kontakt zwischen den Teilnehmer/innen entsteht. Wir erzählen uns was! Im zweiten Teil des Workshops findet das, mittlerweile schon zum Kultstatus gewordene, „Speed-­‐Dating“ statt. Dazu bilden sich Paare, die 30 Sekunden lang Zeit haben, sich zu einer Frage auszutauschen und die Antworten des jeweils anderen unter seinen Namen an die Packpapierwand zu schreiben. Kurze Zeit später füllen 50 Stimmen den Raum. Hier und da sind Wortfetzen zu hören. Durch die klare Aufgabe und begrenzte Zeit des Speed-­‐Datings bleibt den Teilnehmer/innen keine Möglichkeit eine Scheu zu entwickeln. So tauscht sich der 16-­‐jährige Gedeon mit der 80-­‐
jährigen Margarete euphorisch über die letzten Ferienereignisse aus. Und von der 25-­‐jährigen Luisa und dem 11-­‐
jährigen Enes sind hitzige Diskussionen darüber zu hören, worüber sie sich das letzte Mal richtig geärgert haben. Gerade die enorm großen Altersunterschiede führen zu turbulentem Gesprächsstoff. Das Ergebnis an der Packpapierwand Wir bilden einen Chor! Höhepunkt des Workshops ist die gemeinsame Erarbeitung eines Sprechchores. Dafür muss erst einmal Text generiert werden: „Was möchtest du unbedingt einmal machen in deinem Leben?“ lautet die Frage. Hier reichen die Antworten von „Ich will wissen, wie der Computer funktioniert“ über „Ich will telepathische Fähigkeiten haben“ bis hin zu „Ich will fliegen!“. Aus einer Auswahl der Sätze bauen wir als Leitung einen kurzen Text. Dieser bildet die Basis für die Erarbeitung des Chores. Nach einem Stimm-­‐Warm-­‐Up geht es dann an die Umsetzung. Ziel ist in erster Linie, die Gruppe durch den Gemeinschaftsakt des chorischen Sprechens näher zusammen zu rücken und sie gleichzeitig die Macht dieser Stimmgewalt spüren zu lassen. Wichtige Stilmittel des Chores sind vor allem die Synchronität, die Lautstärken und Tempi sowie der Rhythmus. Mit diesen Mitteln gilt es in den nächsten zwanzig Minuten zu experimentieren. Hinzu kommt die Idee, immer wieder einzelne Generationen sprechen zu lassen. Dadurch entstehen diverse Stimmfarben-­‐ und klänge, die einen spannenden Kontrast zueinander bilden. Einige der Teilnehmer/innen hängen sich total rein, denken an die Artikulationsübungen von vorher und sprechen mit vollem Elan. Andere müssen noch etwas „gekitzelt“ werden, vor allem die Kinder schreien nach Sonderaufgaben, um die Konzentration in so einer großen heterogenen Gruppe halten zu können. Als alle dann das dritte Mal in Folge den erprobten Chortext sprechen, stellt sich langsam Zufriedenheit und Stolz ein. Maira resümiert: „Wow, das haben wir in so kurzer Zeit gemeinsam geschafft!“ Am Ende des Tages wird dann natürlich auch über Organisatorisches gesprochen: Wöchentliche Proben, Wochenend-­‐ und Ferientermine sowie eine komplette Endprobenwoche stehen auf dem Programm. Dazu Theaterbesuche und zusätzliche Angebote wie Offene Workshops zu Inszenierungen oder Angebote zum Kennenlernen von Berufen im Theater. Einigen ist der zeitliche Aufwand zu hoch. Viele Augen blitzen aber auch auf! Sie freuen sich auf die intensive Zeit mit uns. Darauf, gemeinsam Themen zu finden, zu diskutieren, ins Theater zu gehen, zu improvisieren, eigenes szenisches Material und schließlich gemeinsam ein Stück zu entwickeln. Danach: Ausgelassene Stimmung. Ein paar Leute sitzen noch in der Kantine, plaudern bei einem Bierchen oder einer Cola über die vergangenen drei Stunden. Einige bleiben im Treppenhaus hängen, schauen sich die Inszenierungsplakate an den Wänden an oder werfen einen Blick auf den Tagesprobenplan. Die meisten von ihnen kommen wieder. Im Oktober beginnen die Proben. Mehr Informationen zu den Programmen der Theaterpädagogik am Schauspiel Essen: www.schauspiel-­‐essen.de/theaterpaedagogik oder auf Facebook unter „Theaterlabor“