Andrea Korenjak „Oh, Santo Paolo, der du die Mädchen zwischen die Beine zwickst…“ Zum Phänomen des Tarantismus aus psychologischer Perspektive An der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit breitet sich vom süditalienischen Apulien hervorgehend eine Tanzerscheinung aus, die sich bis ins späte 17. und frühe 18. Jahrhundert verfolgen lässt: der Tarantismus. Volksglaube und ärztliche Berichte vermuten den Ausbruch der Tanzkrankheit durch den Biss einer in Süditalien häufig vorkommenden Spinne, der Tarantel (Lycosa tarentula), verursacht. Erste medizinische Beschreibungen des Phänomens finden sich am Ende des 15. Jahrhunderts, wobei das Krankheitsbild – neben körperlichen Beschwerden – auch mit Melancholie und einem sehr starken und sinnlich gefärbten Bewegungsdrang einhergehend beschrieben wird. Als therapeutisches Mittel wird den Kranken – die bereits im 15. und 16. Jahrhundert „tarantati“ genannt werden – Tanzmusik (die „Tarantella“) vorgetragen, um die Betroffenen zum Tanz zu zwingen. Der Unterdrückung dieses kultischen Phänomens durch das Christentum folgt eine eigentümTarantelbild aus Giorgio Baglivis „Opera liche Verschmelomnia” (1704), S. 545 zung von religiösen Quelle: Universitätsbibliothek Salzburg, und kultisch-exzes60.866 I siven Elementen: San Paolo wird zum Schutzpatron der von der Tarantel Gebissenen. Andrea Korenjak wird sich diesem Phänomen anhand von musik- und medizinhistorischen sowie psychologischen Aspekten annähern und sich der Frage stellen, wie sich das Phänomen des Tarantismus und „Neo-Tarantismus“ aus heutiger Sicht begreifen lässt. Neben frühen überlieferten Tarantella-Notationen, die anhand von Aufnahmen mit historischen Instrumenten zu Gehör gebracht werden, wird als besonderes Filmdokument „La taranta“ (1962 / ca. 20 Minuten) von GIANFRANCO MINGOZZI gezeigt, wobei Andrea Korenjak den unterlegten KomTarantella und Taranteln aus Athanasius mentar von SALVATORE QUASIMODO aus dem Italieni- Kirchers „Magnes sive de arte magnetica” (1643), S. 593. Quelle: Universitätsbibliothek schen simultan übersetzen wird. Salzburg 77.257 II Zur Person: Andrea Korenjak, Mag. DDr. Bakk., geb. 1974 in Klagenfurt, Studien der Psychologie, Musikwissenschaft und Querflöte in Klagenfurt, Triest und Salzburg, ist seit 2007 APARTStipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Austrian Programme for Advanced Research and Technology) und Lehrbeauftragte an der Abteilung für Musikwissenschaft der Universität Mozarteum Salzburg.
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