Alle haben nur ein Ziel: Aron helfen

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Montag
ÜBERWALD
OZ
Großer Ansturm in der Rudi-Wünzer-Halle in Wald-Michelbach: Insgesamt ließen sich gestern 1689 Menschen als potenzielle Stammzellspender registrieren. Mit den 500 angeforderten Online-Registrierungssets sind somit im Überwald über 2000 neue potenzielle Stammzellspender in die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufgenommen worden. BILDER: KOPETZKY
20. JULI 2015
Fußball-Profi Nico Hammann (oben) kam mit Frau Laura zur Typisierung. Arons Vater Kai Fischer (unten links) freute sich auch über den Besuch von Fußball-Profi Pirmin Schwegler.
Typisierung: 1689 Menschen kommen in die Rudi-Wünzer-Halle nach Wald-Michelbach, dabei werden 19 468,26 Euro in den Spendenboxen gesammelt
Alle haben nur ein Ziel: Aron helfen
Von unserem Redaktionsmitglied
Nadine Kunzig
WALD-MICHELBACH. Schon um 13 Uhr
waren es 800 neue Registrierungen,
um 15 Uhr 1200 und am Schluss sogar 1689. Mit den 500 angeforderten
Online-Registrierungssets sind somit im Überwald über 2000 neue
potenzielle Stammzellspender in
die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufgenommen
worden. Sie hatten dabei alle nur ein
Ziel: dem achtjährigen Aron aus
Wald-Michelbach – und allen weiteren Blutkrebserkrankten – möglicherweise helfen zu können.
Nur fünf Milliliter Blut wurden bei der Typisierungsaktion abgenommen.
STIMMEN
„Die Wahrscheinlichkeit, dass
man als Stammzellspender infrage
kommt, liegt bei 1,5 Prozent. Gerade
bei jungen Menschen ist aber die
Chance höher, da sie noch fitter
sind“, sagte Andrea Autenrieth von
der DKMS. Sie war gestern den ganzen Tag in der Rudi-Wünzer-Halle
und stand bei vielen Fragen rund
ums Thema Blutkrebs und DKMS
Rede und Antwort.
„Schön, dass so viele hier sind“
Auch Schirmherr der Aktion „Wir für
Aron“, Bürgermeister Joachim Kunkel, kam vorbei und schaute sich
den regen Ansturm an. Er selbst darf
sich nicht mehr registrieren lassen.
„Es ist schön, dass viele Leute hierher gekommen sind. Ich freue mich,
dass so viele Menschen ein soziales
Gewissen haben und in dieser Notsituation zusammenhalten. Es
bleibt nur zu hoffen, dass ein passender Spender gefunden wird“,
sagte der Bürgermeister.
Sein Blick streifte durch die Halle,
wo Menschen jeden Alters ein- und
ausgingen, wo 110 Helfer für die
Kontaktaufnahme, die Zwischenkontrolle, die Blutentnahme und die
Endkontrolle zuständig waren und
wo es – dank der guten Organisation
– keine langen Warteschlangen gab.
Um die Parkplatzsituation ein wenig zu entschärfen, bot die Freiwillige Feuerwehr einen
Shuttle-Service an. Dieser wurde gestern gerne genutzt.
In insgesamt vier Schritten wurden
die Freiwilligen somit zum potenziellen Stammzellspender und
konnten zudem noch Geld in die
drei Spendenboxen werfen. Hierbei
kamen 19 468,26 Euro zusammen.
Zwei Profi-Fußballer im Überwald
Unterstützt wurde die Typisierungsaktion auch von zwei Profi-Fußballern. Nico Hammann (SV Sandhausen) und Pirmin Schwegler (TSG
Hoffenheim) ließen es sich nicht
nehmen und kamen in Wald-Michelbach vorbei. „Ich bin hier, weil
ich etwas tun wollte. Wer helfen
kann, der sollte das auch machen“,
appellierte der 27-jährige Hammann. Er selbst hat sich gestern
ebenfalls registrieren lassen: „Es
wäre schön, wenn ich Stammzellen
spenden kann.“ Da er in Wald-Michelbach aufgewachsen ist und
„hier eigentlich jeder jeden kennt“,
war es für ihn selbstverständlich, einen Beitrag zu leisten.
Der 28-jährige Schwegler kommt
zwar nicht aus der Region, trotzdem
kann er sich in Aron hineinversetzen. Als er selbst nämlich zwei Jahre
alt war, wurde bei ihm ebenfalls
Blutkrebs festgestellt. Heute gilt er
als geheilt. „Es war ein Schock für
meine Eltern, ich kämpfte ein Jahr
lang um mein Leben. Jetzt bin ich
dankbar für die zweite Chance, die
ich bekommen habe. Ich lebe heute
sehr bewusst und will etwas zurückgeben, da Unterstützung in dieser
schweren Phase sehr wichtig ist.“
Deswegen war es auch für ihn
selbstverständlich nach Wald-Michelbach zu kommen. Außerdem
bezahlte er die Typisierung von 50
Personen. Das sind 2500 Euro, die
an die DKMS gehen.
Benefiz-Konzert im Herbst
Christin Kieu und Mike Frank von
der Band „Me and the Heat“ wurden von Petra Walter aus UnterSchönmattenwag auf die Typisierungsaktion in der Rudi-WünzerHalle aufmerksam gemacht. Sie
entschlossen sich kurzerhand, auf
dem Rückweg von einem Konzert
in Würzburg in ihre Heimatstadt
Hockenheim noch im Überwald
haltzumachen.
Kieu ließ sich gleich typisieren,
beide versprachen: „Im Herbst werden wir hier ein Benefiz-Konzert für
Aron geben. Es ist schließlich für
den guten Zweck, für eine gute Sache und da wir schon öfter in der Region aufgetreten sind, für uns keine
Frage.“
Auch ein Team von RTL Hessen
war auf die Typisierungsaktion für
Aron aufmerksam gemacht worden.
Sie drehten einen Beitrag, der heute
Abend um 18 Uhr im Fernsehen zu
sehen ist. Wer nicht zum Fernsehschauen kommt, der kann sich die
Sendung auch im Internet unter
www.rtl-hessen.de anschauen.
E Weitere Berichte auf dieser Seite
Interview: Kai Fischer ist über die viele Unterstützung sehr dankbar / Mit dieser Hilfsbereitschaft hätte er nicht gerechnet
Warum wollen Sie helfen?
Jessica Bleck (32), Hartenrod: „Ich
bin Arons Großcousine, daher war
es mir sehr wichtig zu spenden. Wir
sind insgesamt mit neun Mann gekommen. Mein Stiefvater durfte
sich nicht typisieren lassen, deswegen hat er Kuchen gekauft und somit einen kleinen Beitrag geleistet.“
Edwin Baumann (46), Aschbach:
„In der heutigen Zeit ist es wichtig,
auch für Menschen etwas zu tun, die
man nicht kennt. Es müsste viel
mehr Menschen geben, die bereit
sind zu helfen.“
Sonja von Rüdgisch-Ballas (25),
Weinheim: „Ich finde es selbstverständlich zu helfen. Ich wurde am
Herzen operiert, da wurde mir klar,
dass man manchmal auf die Hilfe
von anderen angewiesen ist. Dass so
viele Leute hier sind, hätte ich nicht
gedacht. Ich bin mit meiner Oma
und meinem Freund gekommen.
Meine Oma kann sich zwar nicht
mehr registrieren lassen, dafür
spendet sie Geld.“
Svenja Scheuermann (17), Affolterbach: „Arons Oma arbeitet bei mir
im Betrieb. Sie hat von seinem
Schicksal erzählt – das hat mich sehr
mitgenommen. Deswegen wollte
ich mich auf jeden Fall registrieren
lassen.“
„Es ist unglaublich, was hier passiert“
WALD-MICHELBACH. Arons Erkran-
kung hat in der gesamten Gemeinde
– und sogar darüber hinaus – eine
Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Sein Vater Kai Fischer ist sehr
dankbar für die viele Hilfe, die er
und seine Familie in dieser schwierigen Zeit erfahren dürfen.
Herr Fischer, wie geht es Aron im
Moment?
Kai Fischer: Ihm geht es relativ gut.
Da die Chemotherapie
nicht
das gewünschte
Ergebnis erzielt
hat, bekommt er
derzeit Antikörper, die die Blutstrukturen
kaputtmachen und
die Tumorzellen zerstören sollen.
Diesen Antikörper bekommt er
über einen Zeitraum von vier Wochen, dann werden Zellen über das
Rückenmark entnommen und geschaut, ob es funktioniert hat. Falls
ja, muss sofort ein Spender her.
Falls nein, muss der ganze Zyklus
noch einmal von vorne beginnen.
Mit diesem Antikörper wird aber
auch sein Immunsystem runtergefahren.
Das heißt, er darf so wenig Kontakt nach außen haben wie möglich, oder?
Fischer: Genau. Wir haben daheim
eine Schleuse – ja man kann es so
nennen – eingerichtet. Wer rein
kommt, muss die Schuhe ausziehen, Hände waschen und desinfizieren. Wer merkt, dass er krank
wird, darf nicht in Arons Nähe. Wir
mussten beispielsweise auch die
Pflanzen in unserer Wohnung entfernen, da in deren Erde sehr viele
Bakterien lauern können. Aron ist
nämlich im Wechsel zu Hause und
im Krankenhaus. Mit seinem besten Freund Anton telefoniert er viel,
ein Besuch ist kaum möglich. Kinder merken ja nicht immer, dass sie
krank werden.
Arons Erkrankung hat die gesamte Gemeinde mobilisiert. Hätten
Sie mit dieser Welle der Hilfsbereitschaft gerechnet?
Fischer: Nein, auf keinen Fall. Es ist
so eine große Welle entstanden,
fast jeder Verein hat etwas gemacht
– es ist unglaublich, was hier alles
passiert. Und unglaublich wichtig.
Für uns, für Aron. Wir sind sehr
glücklich und dankbar für die vielen Helfer und Unterstützer. Wir
hätten das alleine niemals geschafft.
Wie nimmt Aron das wahr?
Fischer: Er bekommt nicht alles
mit. Aber das, was er wahrnimmt,
macht ihn absolut stolz. Er ist auch
glücklich darüber, dass so viele
Menschen bereit sind zu spenden
und zu helfen.
Wie geht es nach der Typisierungsaktion für Sie und Ihre Familie weiter?
Nach vier Stationen und einem kleinen Piks
war die Typisierung auch schon wieder vorbei.
Fischer: Das ist schwierig zu sagen.
In sechs bis acht Wochen steht fest,
ob ein passender Spender in WaldMichelbach dabei war. Und dann
müssen wir warten, was die Antikörper-Behandlung macht. Wir
hoffen das Beste.
nk
Alle drei Spendenboxen waren gut gefüllt,
am Ende stand fest: 19 468,26 Euro kamen
zusammen und gehen nun auf das Konto der
DKMS.
Helfer
200 Freiwillige
sind involviert
Eine Typisierungsaktion wäre nichts ohne die
vielen freiwilligen Helfer. Rund 200
haben sich gestern in zwei Schichten bereit erklärt und unter anderem Blut abgenommen oder für Essen und Trinken gesorgt. Monika
Schwarz aus Wald-Michelbach organisierte beispielsweise 130 Kuchen. Arons Klassenlehrerin veranstaltete Ponyreiten für Kinder, Melanie Beutel aus Siedelsbrunn war
Einweiserin am Eingang: „Ich zeige,
wohin es geht, und leite die Menschen, die sich registrieren lassen
wollen, zu den freien Tischen.“
Sie wirkte ruhig und gelassen,
stressig war es nicht – dank der guten
Organisation. „Wir sind sehr zufrieden, wie die Aktion angenommen
wurde. Es ist klasse, dass sich so viele
Helfer gemeldet haben. Arons Vater
und ich kennen uns aus der Schulzeit, jetzt sind unsere Kinder befreundet. Da war es für mich selbstverständlich zu helfen“, sagte sie.
WALD-MICHELBACH.
Helfer nicht nur aus dem Überwald
Das Organisationsteam um Nicole
Schmitt behielt den Überblick, koordinierte die Helfer und informierte sich vorher bei den Verantwortlichen des Organisationsteams von
der Typisierungsaktion für Jakob im
Dezember 2012. „Sie haben uns auf
die Parkplatzsituation hingewiesen
und uns einen Shuttle-Service empfohlen, weil es damals in Mörlenbach ein Parkchaos gab. Auch haben sie uns geraten, mehr Tische für
die Typisierung aufzustellen, damit
die Wartezeiten verringert werden“,
sagte Schmitt.
Sie selbst hätte mit der Hilfsbereitschaft der vielen freiwilligen Helfer nicht gerechnet. Und die kommen nicht nur aus dem Überwald,
sondern auch aus Mossautal oder
Beerfelden, wie Heike Langer, Vorsitzende des Elternbeirates der
Adam-Karrillon-Schule, sagte.
„Wir haben um 10.30 Uhr die Halle geöffnet, weil schon so viele Menschen gewartet hatten“, sagte Andrea
Autenrieth von der DKMS, „Schluss
war um 16.30 Uhr. Es ist toll zu sehen,
was für ein Rückhalt da ist. Jetzt dauert es etwa sechs bis acht Wochen,
bis wir wissen, ob jemand aus WaldMichelbach ein passender Stammzellspender für Aron oder für einen
anderen an Blutkrebs erkrankten
nk
Menschen ist.“