Diabetes im Alltag Neue Organe: Warten auf Niere und Bauchspeicheldrüse Fotolia war, dass sie irgendwann zu einem Versagen der Nieren führen würde. Mit 14 kam dann noch der Typ-1-Diabetes hinzu, „Ich hatte Glück“, meint Kristin rückblickend, „dass ich erst mit 29 an die Dialyse musste.“ Leben mit der Dialyse: Kristin Haase ist 31 Jahre alt und steht auf der Warteliste für eine Transplantation. Was dies bedeutet, erzählt sie gemeinsam mit ihrem Arzt Frank Lammerskitten. Kristin Haase ist Optimistin. Im Job begleitet sie Menschen über 50, die schon eine ganze Weile arbeitslos waren, zurück in den Berufsalltag. Die meisten von ihnen haben keine Ausbildung. Allein der Wille zählt. Und davon hat die 31-jährige genug für Zwei. Als sie fünf Jahre alt war, stellten die Ärzte bei ihr eine chronische Nierenerkrankung fest, von der klar Kristin Haase (links), hier im Bild mit ihrer Schwester, wartet seit mehr als zwei Jahren auf eine Organspende. 20 Viermal täglich Dialyse Seit Sommer 2011 führt Kristin zu Hause eine Bauchfelldialyse durch. Dafür wurde ihr ein Katheter in die Bauchhöhle gelegt, durch den sie selbst viermal täglich eine Flüssigkeit in den Körper aus- und einleitet: morgens vor der Arbeit, in der Mittagspause, nach der Arbeit und vor dem Schlafengehen. Die Prozedur einschließlich Desinfektion und Vorbereitung dauert jeweils eine halbe Stunde. Mindestens, vier, höchstens zehn Stunden kann die Flüssigkeit in der Bauchhöhle verbleiben, die an Stelle der Niere den Körper entgiftet. Für ihren Nephrologen Frank Lammerskitten die optimale Lösung: „Wir versorgen vor allem junge Menschen gerne mit der Bauchfelldialyse, weil sie das flexiblere Verfahren ist“, meint er. „Die Patienten können eigenverantwortlich viel machen, und das wollen sie gar nicht missen.“ Die Alternative für Kristin wäre, dreimal in der Woche für je fünf Stunden zur „Blutwäsche“ in die Praxis zu kommen. Für sie, die mitten im Leben steht, nur schwer vorstellbar. Mit der Bauchfelldialyse fühle sie sich weniger eingeschränkt, wie sie sagt. „Es passt super mit den Kollegen, die genau wissen, dass ich möglichst pünktlich meine Mittagspause einhalten muss.“ Die Freizeit muss die 31-jährige zwar mehr planen als andere, aber weil sie die Dialyse abends nach hinten schieben und in den Urlaub mitnehmen kann, passe das, meint sie. Trotzdem: Eine Lösung auf Dauer ist das nicht. Warten auf die Transplantation Kristin Haase lebt ihr Leben so normal wie möglich. Ihre Gedanken drehen sich nicht ständig um die Tatsache, dass es ein Leben in der Warteschleife ist. Jede Minute kann der Anruf kommen, auf den sie seit zwei Jahren wartet. So lange steht sie feelfree 2/2013 von DiaExpert Diabetes im Alltag jetzt schon auf der Liste der möglichen Empfänger für Spenderorgane. Wenn es soweit ist, wird sie im Rahmen einer Doppeltransplantation eine neue Niere und eine Bauchspeicheldrüse bekommen. Die Statistik sagt: Es ist keine Frage ob, sondern nur wann. Im Schnitt beträgt die Wartezeit auf eine Doppeltransplantation zwei bis drei Jahre. Insgesamt wird diese Operation in Deutschland rund 150 mal pro Jahr durchgeführt. Bis jetzt. „Der jüngste Organspender-Skandal wirkt sich gerade sehr negativ aus“, weiß der Nephrologe. „Die Zahl der Nierenangebote ist leider stark zurückgegangen.“ Bauchspeicheldrüsen stehen in größerer Anzahl zur Verfügung, aber die allein nützen nur wenig. „Bei Typ-1-Diabetikern kommt im Grunde nur eine Doppeltransplantation in Frage, also Niere plus Pankreas“, erklärt Frank Lammerskitten. „Langfristig hat das die beste Prognose. Die Nieren brauchen den guten Zucker, und die Bauchspeicheldrüse die gute Nierenfunktion.“ Immer erreichbar sein Kristin weiß, dass sie Geduld haben muss. Mittlerweile ist der Gedanke an die Transplantation im Kopf nach hinten gerückt. „ Am Anfang habe ich mich verrückt gemacht“, erzählt sie. „Dass der Ton an meinem Mobiltelefon auch immer an ist und ich immer Empfang habe. Ich bin nicht Nephrologe Frank Lammerskitten betreut Kristin Haase seit vielen Jahren. mal mehr ins Kino gegangen.“ Angst vor der großen Operation hat sie nicht. „Im Gegenteil, ich freue mich darauf.“ Wenn der erwartete Anruf von Frank Lammerskitten kommt, dann muss sie innerhalb von drei Stunden in der Klinik sein. Dann wird zunächst untersucht, ob die Spenderorgane passen. Kristin Haase muss vollständig gesund und fit sein, darf keine Infektionen oder akute Erkrankungen haben. Nur dann wird operiert. Mit einer neuen Bauchspeicheldrüse wäre Pumpenträgerin Kristin dann wohl auch von ihrem Diabetes „geheilt“. „Bei den meisten Betroffenen ist das so“, erklärt Frank Lammerskitten. „Das Immunsystem greift die insulinproduzierenden Zellen der neuen Bauchspeicheldrüse nicht an.“ Ganz gesund, wenn man das so sagen kann, wird Kristin nach der Transplantation nicht sein, das ist ihr klar. Damit die neuen Organe nicht vom Körper abgestoßen werden, wird sie ihr Leben lang Medikamente einnehmen müssen, die ihr Immunsystem bremsen. Infekte, die für andere harmlos wären, können für sie zu einer ernsthaften Erkrankung werden. Daher wissen alle transplantierten Patienten der nephrologischen Gemeinschaftspraxis in Flensburg, dass sie Frank Lammerskitten und seine Kollegen rund um die Uhr anrufen können, wenn es notwendig ist. „Eine engmaschige Betreuung wird immer notwendig sein“, sagt der Arzt. „Wenn es passiert, ist es richtig“ Kristin Haase wird das in Kauf nehmen. Wieder Sport zu treiben, das hat sie sich fest vorgenommen. Sie wünscht sich die Operation sehr, aber ihr ist auch bewusst, dass jemand dafür sterben wird. Jemand, der zu Lebzeiten „Ja“ gesagt hat zur Organspende, weil er über den Tod hinaus dem Leben einen Sinn geben will. Oder dessen Angehörige das für ihn nach seinem Tod entscheiden. „Der Gedanke hat mich am Anfang schon belastet. Heute sage ich mir: Der liebe Gott macht das schon, und wenn es passiert, dann ist das richtig“. ▪ Ihr freundliches Expertenteam für Diabetesbedarf Auch „Tatort-Kommissar“ Klaus J. Behrendt setzt sich für das Thema Organspende ein und ist einer der Unterstützer der Kampagne „Das trägt man heute: den Organspendeausweis“. Organspende Sich über die Organ- und Gewebespende Gedanken zu machen, ist nicht selbstverständlich, denn dieses Thema bedeutet auch, sich mit dem Tod und der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Andererseits: Wer sich nicht dazu äußert, überlässt die schwere Entscheidung im Fall der Fälle seinen Angehörigen. Im Sinne der Eigenverantwortung sollte es deshalb selbstverständlich sein, seinen Willen selbst zu dokumentieren. Dies kann man mit einem Organspendeausweis tun. Weitere Informationen und einen Ausweis zum Ausdrucken finden Sie unter www.organspende-info.de. 21
© Copyright 2024 ExpyDoc