Angst - LPK RLP

Fachtagung – LPK
Psychotherapie in Grenzsituationen
Psychotherapeutische Begleitung schwerstkranker und
sterbender Menschen im Palliativbereich
Dr. Elisabeth Jentschke
26.09.2015
Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin
Leitende Oberärztin: Dr. med. Birgitt van Oorschot
Existenzielle Herausforderungen
Lebenssinn und Kohärenz
Eine lebensbedrohliche Erkrankung kann grundlegende Annahmen, Werte
und Haltungen nach denen Menschen ihr Leben aufgebaut haben, erschüttern.
Diagnoseschock - Krebs
Gilt für alle
„bad news“ in allen
Phasen
Initiale Krankheitsverarbeitung
Anpassung
Stabilisierung
Bewältigung
60 %
Erschwerte Verarbeitung
Störung der Anpassung
Psychische Beschwerden
Beeinträchtigung - Leiden
(Singer S. Das-Munshi J. Brähler E.
Ann Oncol. 2010; 21 (5): 925-930)
Psychische Komorbidität 20 – 40 %
(Depression, Angststörung, Anpassungsstörung)
(Singer S. et al. 2010, Mehnert 2014)
Phasen der Erkrankung
Bis zu 40% der Patienten
werden durch die Diagnosemitteilung
traumatisiert
Verzweiflung
Sinnkrise
Angst
Depression
Palliative
Behandlung
Rezidiv
Progredienz
Primärbehandlung
Diagnose
Krisenpotential
hohe psychische Vulnerabilität
Krisenpotential
hohe psychische Vulnerabilität
► Palliativmedizin/Palliative Care ist ein „ Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten
und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen
Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitige
Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen
körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“
(Präambel der Satzung der DGP 2008)
Ganzheitliche Herangehensweise soll Leiden
umfassend lindern, um Patienten / Angehörigen
bei der Krankheitsbewältigung zu helfen und
deren Lebensqualität zu verbessern.
Dies soll interdisziplinär und multiprofessionell
erfolgen!
Ganzheitlichkeit – nur im Team möglich
Physische
Unterstützung
Psychotherapeutische
Unterstützung
Soziale
Spirituelle
Unterstützung
Unterstützung
Diagnosen – Alter – Verweildauer
Diagnose:
• Diagnosen:
83,5 % Tumorpatienten
16,5 % andere Diagnosen
• Altersverteilung:
18 – 40 Jahre
41 - 60 Jahre
über 60 Jahre
• Verweildauer:
10 Tage
• Entlassrate:
50%
10%
23%
67 %
Atmungsorgane / Thorax
Gastrointestinale Tu.
20 %
19,5
Urogenital-Tu.
15 %
Mammakarzinom
10 %
Lymphome, Leukämien
7%
Kopf-Hals-Tumore
6%
ZNS-Tumore
5%
Knochen / Bindegewebe
1%
Neurologische
Krankheitsbilder
5%
Finale Herzinsuffizienz (9)
6%
Finale Leberinsuffizienz
3%
Infektionserkrankungen
2,5 %
Unterschiedliche Verläufe (WHO 2004; Murray 2005; Lunney 2003; In: Pfisterer 2012)
Langsam schleichender Verlauf (Progredienz)
Verlauf Organversagen – fortschreitende Einschränkungen mit
Akutereignissen (ebd. In: Pfisterer 2012)
Klinisch-psychotherapeutische Unterstützung
Anpassung
(14- 34,7%)
Angst (6-13,9%)
Panik (4,2-5,5%)
Patient
mit seinem Erleben und
Verhalten
Depression
Nahezu jeder zweite
Palliativpatient benötigt
psychosoziale Interventionen
(6-26%)
Posttraumatische
Belastung
(2,4%)
Konflikte
und
Belastungen
(S3-Leitlinie Palliativmedizin 2015)
Datenanalyse nach Miovic und Block 2007
Die psych. Arbeit fokussiert eine bedürfnis- und
ressourcenorientierte Herangehensweise.
Symptomlast von Palliativpatienten
Übelkeit /
Erbrechen
Appetitlosigkeit
Kachexie
Obstipation
physisch
psychisch
„Total Pain“
spirituell
sozial
Atemnot
Fatigue
Körperliche
Schwäche
Klinisch-psychotherapeutische Unterstützung
Angst
Angehörige
Depressionen
als Betroffene
sind auch
Versorgungsbedürftige
Psychosomatische
Probleme
fast
jeder dritte Angehörige
zeigt hohes Belastungsniveau
und in Folge eine
diagnostizierbare psych.
Beeinträchtigung
Forschung
und
Lehre2003,
(Pitceathly
& Maguire
Brandstätter et al.2012)
Äußere Belastungsfaktoren
(Brandstätter M. & Fischinger E. 2012)
Angstsymptomatik bei fortgeschrittener Tumorerkrankung
(Roth u. Massie 2007)
Situative Angst
Furcht, die auf ein Ziel gerichtet ist (med.
Prozedur, körperl. Entstellung, Verlust von
Lebensqualität)
Furcht vor möglichen Symptomen (Luftnot,
Schmerzen, Isolation, Abhängigkeit u.a.)
Psychiatrische Angst
Angststörung im engeren Sinne (6-13%)
Organische Angst
Angstzustände, die durch vorhandene
somatische Faktoren ausgelöst werden
(Luftnot, Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen)
Angst durch metabolische Störungen
(Hyperkalzämie, Hypoglykämie)
Angst durch organische Veränderungen
(z.B. Hirnmetastasen)
Angst -medikamenten-induziert
(Kortikosteroide, Opoide, Antiemetika u.a.)
Existenzielle Angst
Angst vor dem Tod als Jenseitigkeit
Angst vor der Endlichkeit
(Bilanzierungsangst, Sinnlosigkeit)
Angst vor existenzieller Isolation
Verfall des eigenen
Körpers
Verlust der Autonomie
Angst um die
wirtschaftliche
Existenz
Schmerzen
Angst
vor dem Verlust
sozialer Beziehungen
Verletzungsangst
Atemnot
Ersticken
Sorge um das Weiterleben der Angehörigen
Angst vor dem Sterben und Angst vor dem Tod (Todesangst)
Ansätze zum Umgang mit der Angst
• Vermitteln, dass Angsterleben einfühlbar und nachvollziehbar
ist.
• Empathie ermöglicht „Halte- und Hilfsfunktion“, stabilisiert
Identitätsgefühl, Sicherheit & Vertrauen in der Beziehung zum
Arzt – weiteren Bezugspersonen.
• Gemeinsam mit Pat. nach Lösungsmöglichkeiten suchen –
„was würde Ihnen im Augenblick am ehesten nützen / helfen?“
• Angstinhalte konkretisieren, nachfragen, „Angst“ zu Ende
denken“.
• Einbeziehen der Familie.
Ansätze zum Umgang mit der Angst
•
Körperliche Angstverstärker
reduzieren (Schmerz, Atemnot)
•
Nicht versuchen, einem Pat. die
„Angst auszureden“
•
Supportive Psychotherapie z.B.
Dignity - Therapy
•
Nonverbale Verfahren –
Entspannung, Atemtherapie,
hypnotische Suggestionen
Depression (M. Keller 2010)
• Depression von schwerkranken Pat. ist als behandlungsbedürftige
Zweiterkrankung zu betrachten
• Ätiologie: multifaktoriell
Depression als gemeinsame Endstrecke vielfältiger
somatischer, psychischer und mentaler Prozesse,
die mit oder als Folge von Tumor- und anderen schweren
Erkrankungen auftreten kann – individuelle variable
Gewichtung somatischer und psychosozialer Faktoren
bio-psycho-soziale Perspektive
alle Behandler sind gefragt!
Depressive Störungen – Hindernisse bei der Erkennung
Fehlwahrnehmungen
• Seitens der ärztlichen Behandler: „Ein Recht auf Depression“
• Seitens der Patienten: „Ein Zeichen von Willensschwäche“ – Angst
vor Stigmatisierung, Beschämungspotential
Kommunikationsbarrieren
• Diagnostische Treffsicherheit von Ärzten gering, besonders bei
mäßig ausgeprägter Depression.
• Stille zurückgezogene Patienten werden häufig übersehen
Diagnostik muss auf Gesamtbeurteilung der Situation beruhen!
Folie 13
Körperliche Beschwerden und Depression
Verursachen
Wird v.a. von Patienten überschätzt
Körperliche
Beschwerden
Verursacht
Depression
Vgl. Teufelskreis körperlicher
Beschwerden
Verstärkte Wahrnehmung
Depression (M. Keller 2010, S3-Leitlinie Palliativmedizin 2015)
• Ätiologie: multifaktoriell
Psychologisch: Einsamkeit, fehlende Unterstützung etc.
Biologisch:
- Metabolische Störungen
- Endokrine Störungen
- Zerebrale Tumoren, Metastasen
- Medikamente wie Chemotherapeutika, Steroide
- Alkohol- und Medikamentenmissbrauch
Risikofaktoren:
Gen. Disposition, Psychiatrische Voranamnese, schwere körperliche
Symptome, ungelöste psychosoziale Probleme, jüngeres Alter,
Folie 23
Die zwei Seiten der
gleichen Medaille
Interventionen
Psychische Seite
Körperliche Seite
• Persönlichkeitsfaktoren
• Genetische
Empfindlichkeit
• Psychosoziale
Belastung
• Lebenserfahrungen
Psychotherapie
• Hirntätigkeit
• Körperliche
Erkrankungen
Pharmakotherapie
Symptomlast von Palliativpatienten
Depression
Demoralisation
Sinnlosigkeit
Hoffnungslosigkeit
Verzweiflung
Patient
Angehörige
Bestrafungsüberzeugung
Schuldgefühle
Entscheidungsambivalenz
Angst
Bedrohung der
Bindungssicherheit
Psychotherapeutische Interventionen
• Gesprächspsychotherapie
Belastungen und
Ressourcen
• Systemische Therapie
• Verhaltenstherapie
von Patienten und
deren
Angehörige
Instrumente zur Erfassung
von psychischen Belastungen
und Ressourcen
(Oorschot, ,Jentschke,,, Heussner,, Singer,,
Mehnert, ,Lordick 2014)
• Tiefenpsychologisch
orientierte Therapie
• Entspannungsverfahren
• Dignity Therapie
Klinische Anwendung: SMiLE
www.lebenssinn.net (M. Fegg 2007)
7
6
5
4
Wichtigkeit
Zufriedenheit
3
2
1
el
ig
io
n
R
Le
se
n
Fr
eu
nd
e
ilie
Fa
m
Pa
rtn
er
in
0
Lebenssinn bei Palliativpatienten
(Früh, Jentschke, v. Oorschot 2013)
Table Frequencies of listed MiL areas (percentage), weight and satisfaction in MZP1 and MZP2
Patienten MZP1 (n=101)
Patienten MZP2 (n=87)
Wi
Si
Wi
%
Mean±SD Mean±SD
%
Mean±SD
6,6±0,7
92,7±14,5
76,2
6,8±0,4
Familie
86,1
6,3±0,9
87,3±21,0
29,7
6,6±0,7
Partner
37,6
5,4±1,4
76,8±25,3
29,7
5,2±1,7
Freunde
35,6
4,6±1,6
51,7±31,7
9,9
3,1±2,0
Beruf
29,7
4,9±1,6
44,1±35,5
24,8
4,3±1,3
Freizeit
36,6
5,1±1,7
46,1±29,2
11,9
4,3±2,0
Haus
16,8
4,9±2,1
66,0±33,2
19,8
5,0±1,9
Spiritualität
24,8
6,2±1,2
24,4±30,3
28,7
6,3±1,0
Gesundheit
31,7
5,3±1,7
62,5±37,0
2,0
6,0±1,4
Finanzen
4,0
5,1±0,9
73,0±23,3
10,9
5,2±0,9
Natur
20,8
6,0±1,4
62,5±43,8
2,0
4,5±2,1
Altruismus
4,0
5,2±1,5
48,5±38,8
5,9
4,5±1,0
Hedonismus
10,9
5,3±1,1
69,2±31,2
13,9
5,4±1,2
Kunst/Kultur
19,8
5,4±1,6
67,9±26,5
11,9
5,9±1,5
Pers.Entwicklung
13,9
5,8±1,2
50,5±37,9
27,7
5,7±0,9
Seel.Wohlbefinden
35,6
Si
Mean±SD
Differences
chi-square
p
95,0±12,8
,072
93,3±15,5
,234
78,9±17,5
,368
46,7±37,5
<0,001
54,7±31,0
,067
50,0±25,6
,316
69,2±27,7
,398
39,5±28,1
,646
91,7±11,8
,407
74,2±11,5
,054
58,3±35,4
,407
50,0±38,0
,205
73,8±26,7
,259
80,6±24,4
,674
67,3±26,2
,226
Lebenssinn bei Palliativpatienten
(Früh, Jentschke, v. Oorschot 2013)
Spalte 1
MZP1
(Mean ± SD)
MZP2
(Mean ± SD)
Differenz
(Mean ± SD)
p-wert
IoS
66,8 ± 18,5
74,3 ± 16,9
7,4 ± 15,3
<,001
IoW
80,4 ± 12,1
82,1 ± 12,9
1,3 ± 9,5
<,209
IoWS
69,3 ± 18,7
76,8 ± 16,5
7,5 ± 16,2
<,001
IoS=Index of satisfaction; IoW=Index of weighting; IoWS=Index of weighted satisfaction
Resilienz und Lebenssinn
(Huber, Jentschke, Oorschot 2015)
Fallbeispiel einer 55-jährigen Patientin
•
Tag der Aufnahme in das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin (IZP):
(bis zum Todeszeitpunkt – drei Wochen auf Palliativstation)
•
progredientes Mammacarzinom bds. mit Hautinfiltration, cT4 bds N3M1
(Pleuraergüsse bds. mit Lymphangiosis; oss. Met., LWK3/4,
frakturgefährdet)
•
Arzt
32 KGPflege
/ Physio
Psychologe
Seelsorge
Sozialdienst
Kunst- und Musik
55 J.
57 J.
35 J .
28 J.
Belastete Kindheit u. Jugend, Medikamentenabusus, Suizidversuch, Psychiatrische Aufenthalte
Psychologisches Handeln ist klinisch-psychologische bzw. –
therapeutische Unterstützung (Sektion Psychologie der DGP 2015)
•
•
•
•
•
•
Krisenintervention
Ressourcenorientierte
Entspannungsmethoden
Unterstützung bei Klärung offener
und verdeckter familiärer Konflikte
aus früheren Lebensphasen
Hilfe beim Umgang mit extremen
Emotionen
Reduktion von Schuldgefühlen,
Hilflosigkeit und Kontrollverlust
Anleitung der Töchter, eine
angemessene Rolle in dem
Sterbeprozess zu finden
(Freudenberg u. Filipp 2008)
Elemente aus Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie, Systemische Therapie,
Gesprächspsychotherapie, Entspannungsverfahren
Bedeutung der Bindungstheorie
• Innerfamiliäre Beziehungsmodell erkennen
• Dynamik innerhalb der Familie besser
verstehen
Pat.
Angeh.
Betr.
Allgemeine Wirkfaktoren von
Psychotherapie
(nach Grawe 2007)
•
Ressourcenaktivierung
•
Problemaktivierung
•
Hilfe zur Problembewältigung
•
Motivationale Klärung
•
Haltgebende therapeutische
Beziehung
Validation
► Gefühle werden verbalisiert in der Annahme, dass die Gefühle, die
ein Mensch durchlebt, immer wahr sind, vollkommen unabhängig
davon, ob jemand orientiert ist oder nicht!
► Unbeachtete, ignorierte oder belastende Gefühle werden stärker und
führen zu innerem Rückzug.
► Offen gelegte, bearbeitete Gefühle
werden schwäche
► Ziel:
Aufarbeitung ungelöster Konflikte
► Theorie basiert auf Lebensstadien
X
Schönes erleben
Wertschätzung
Menschlicher Kontakt, Liebe
Sich sicher u. geborgen fühlen
Körperliche Bedürfnisse stillen
Vier Anhaltspunkte, die beim Führen eines
validierenden Gesprächs zu beachten sind:
► Was ist das hinter dem Verhalten der verwirrten Person liegende
Gefühl? (z.B. Wut, Schmerz, Trauer, Angst?)
► Nun gilt es, dieses hinter dem verwirrten Verhalten liegende
Gefühl zuzulassen (z.B.: Frau B., „Sie sind ganz traurig“)
► Nun wird das Gefühl (Verhalten) als berechtigt bestätigt (z.B.:
„Es kann einen ja auch traurig machen, wenn…“)
► Vermeiden Sie, die verwirrte Person zu korrigieren, sie mit dem
Defizit zu konfrontieren, sie in die Realität zu holen, die Gefühle
zu bagatellisieren
Das Berufsbild der Palliativpsychologin
nach Freudenberger und Filipp (2008)
•
•
•
•
•
•
•
Unterstützung bei der
Auseinandersetzung mit den
vielfältigen Verlusten
Hilfe beim Umgang mit und bei
der Regulation von extrem
belastenden negativen
Emotionen
Hilfe bei der Vorbereitung
notwendiger Regelungen für
den bevorstehenden Tod
Helfen, die richtige Balance zu
finden
Vermeidung sozialer Isolation
Unterstützung der
Angehörigen und des Teams
…….
In jedem Lebensalter steht der Mensch vor besonderen
Lebensaufgaben, die er in diesem Lebensabschnitt bewältigen
muss
• Rückblick – dabei das eigene Leben bilanzieren
• Den roten Faden (Sinn) im eigenen Leben erkennen
• Zufriedenheit mit dem Ergebnis dieses Rückblicks
• Die verbleibende Zeit in Würde erleben
Psychoonkologische Unterstützung
Sinnbasierte Interventionen (Folie: A. Mehnert 2014 )
Meaningmaking
Cognitiveexistential
Meaningcentered
intervention
group therapy
group therapy
(Lee et al.)
(Kissane et al.)
(Breitbart et al.)
Patienten nach Erstdiagnose
Managing
cancer and
living
meaningfully
(Rodin et al.)
Dignity-therapy
(Chochinov et al.)
Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung
Fokus auf Wachstum und Sinnstiftung vs. Problemorientierung
Betreuungskontext wird entscheidend durch Haltung geprägt
Was ist Würde?
• In der Forschung wenig Daten wie die Würde eines Pat. aussehen
soll! (Schröder A.S. 2008)
• In der letzten Lebensphase bedeutet Würde, dass Wünsche und
Wertvorstellungen des Patienten zunächst erfragt, dann geehrt und
geachtet werden sollen.
Drei Hauptkriterien determinieren den Würdebegriff:
- Krankheitsbezogene Belange
- Das Würde bewahrende Repertoire: Verhaltens- und Denkweisen,
die das Würdegefühl aufrechterhalten
-Der Bereich der sozialen Würde: Würde in Bezug auf interpersonelle
Interaktion und Beziehungen
Würde – Hauptkategorien, Themen und Unterthemen
Krankheitsbezogene
Belange
Unabhängigkeitsgrad
Kognitive Verfassung
Funktionelle Kapazität
Symptombelastung
- Körperliche Belastung
- Psychische Belastung
Unsicherheit in
medizinischen Fragen
Angst vor dem Tod
Würde bewahrendes
Repertoire
Würde bewahrender
Blickwinkel
- Selbst-Kontinuität
- Aufrechterhaltung von
Rollen
- Generativität,
Vermächtnis
- Bewahrung von Stolz
- Autonomie / Kontrolle
- Hoffnung
- Resilienz
Würde bewahrendes
Handeln
- Im Moment leben
- Aufrechterhaltung von
Normalität
- Spirituelles Wohlbef.
Soziale Würde
Privatsphäre
Soziale
Unterstützung
Pflegerische
Grundhaltung
Belange bzgl.
der Zeit danach
„Würde-Therapie – Dignity-Therapie“ – was ist das?
• D.T. ist eine „spezielle individualisierte Kurzzeit-Psychotherapie“ für
Patienten und ihre Familien, die mit lebensbedrohenden
Krankheiten leben (Chochinov et al. 2011).
• Modell basiert auf empirischer Forschung zum Thema „Würde“ (seit
2005)
• Ziel: psychosoziale und existenzielle Not der Palliativpatienten zu
lindern
Wie?
Pat. werden angeleitet, Themen zu besprechen,
„die ihnen am meisten bedeuten oder in Erinnerung behalten werden
sollen“ Sitzungen werden transkribiert und redigiert,
dann Aushändigen der Endversion, die dann weitergegeben werden
Kann (Familie, Freund etc.)
Dignity Therapie bezieht sich auf den Bereich „Würde
bewahrendes Repertoire“
► Erzählen Sie mir ein wenig von Ihrem Leben; besonders die Teile, an die Sie
sich am meisten erinnern oder die Ihnen wichtig sind.
► Wann fühlten Sie sich am lebendigsten?
► Was sind die wichtigsten Rollen, die Sie in Ihrem Leben wahrgenommen haben
(in der Familie, beruflich, gesellschaftlich)? Weshalb waren diese wichtig für
Sie und was denken Sie, haben Sie in diesen Rollen erreicht?
► Was sind Ihre wichtigsten Leistungen und worauf sind Sie besonders stolz?
► Gibt es Dinge, die Ihre Angehörigen gesagt bekommen sollten, oder Dinge, die
Sie Ihnen noch einmal sagen möchten?
► Was erhoffen und erträumen Sie sich für Ihre Angehörigen?
► Was hat das Leben Sie gelehrt, das Sie gerne weitergeben möchten?
► Welchen Rat würden Sie gerne weitergeben wollen?
► Gibt es Dinge oder Ratschläge, die Sie Ihrer Familie gerne sagen und geben
möchten oder an die sich Ihre Familie erinnern soll?
Welche Faktoren der Intervention stärken die Patientenwürde?
► Generativität: Ein wesentliches Merkmal der Würdetherapie ist die
Erstellung eines Dokuments. Die Patienten hinterlassen ein
Vermächtnis an bedeutungsvollen Lebensereignissen und
persönlichen Schlussfolgerungen.
► Essenz der Persönlichkeit: Durch gezieltes Nachfragen und
Aufschreiben der Erinnerungen soll die Wertschätzung für das eigene
Leben des Patienten erhöht und die Sinnfindung unterstützt werden.
► Grundhaltung der Therapeuten: Mittels einer wertschätzenden und
empathischen Grundhaltung sowie Präsenz wird den Patienten Würde
vermittelt. Damit wird der Aspekt „ Leben im Augenblick“ des
Würdemodells erfüllt.
„Nicht was wir gelebt
haben, ist das Leben,
sondern das, was wir
erinnern und wie wir es
erinnern, um davon zu
erzählen.„
Gabriel García Márquez
Unterstützung bei Sterbenden bedeutet
• Helfen, die letzte Zeit würdig
zu leben
• Unterstützung bei
zwischenmenschlichen
Fragen
• Trauerarbeit
Beispiel aus der Trauergruppe
Daniela, 27 Jahre, erlebt innerhalb eines Jahres zweimal Sterben und Tod
Brief an meine Trauer:
Liebe Trauer!
► „Wir sind nun seit mehr als 15 Monaten notgedrungen zusammen. Ich habe
dich nicht für mich ausgesucht. Auch du hast mich nicht ausgesucht. Der Tod
hat uns zusammengebracht. Du bist die Antwort auf den großen Verlust und
auf die Liebe, die nicht mehr gelebt werden kann. ……So kämpfen wir beide
uns nun seit vielen Monaten durch den Alltag. Du bist seit 15 Monaten für
andere unsichtbar an meiner rechten Seite und seit 6 Monaten an meiner
linken Seite. Es gibt Tage an denen kann ich deine Anwesenheit nicht mehr
ertragen……. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns liegen. Lass mir auf
diesem schweren Weg bitte Luft zum Atmen, damit ich mein Ziel nicht aus den
Augen verliere. Ich will noch nicht aufgeben, Noch nicht jetzt! Lass mir auf dem
langen unangenehmen Weg weiterhin Menschen beistehen, die Geduld haben
dich und mich zu ertragen und mir Kraft geben. Alleine schaffe ich es
nicht……. „(D. Kranert 2013)
Trauer als Weg, der aktiv gegangen werden kann.
.
Hoffnungslosigkeit
Verzweiflung
Schmerz
Überforderung
Sehnsucht
Traurigkeit
Angst
Verlassenheit
Schuld