38 WERKZEUGE UND FORMEN Werkzeugverschleiß durch Härten in Grenzen halten Haltbare Beschichtungen für komplexe Werkzeuge Werkzeuge für das Spritzgießen und die Extrusion werden zunehmend komplexer. Abrasive Materialien und Umgebungen belasten diese Werkzeu ge stark. Hierdurch kann es zu Aus fällen kritischer Bauteile, Stillstand In modernen Kunststoffen kommen verschiedene Additive zum Einsatz, darunter Glasfasern, Flammschutzmittel, Farbmittel, Antioxidationsmittel, Antistatika und Wärmestabilisatoren. Mit der Hartbeschichtung eignen sich diese Extrusionsschnecken-Teile für das Verarbeiten eines hochabrasiven Kunststoff-Mineralien-Compounds. zeiten und Produktionsausfällen kom men. Bestehen die Werkzeuge aus harten Werkstoffen, wie Stahl oder Hartmetall, ist eine Nach- und Endbearbeitung zudem teuer. Die Beschichtungen auf Wolfram-Karbid-Basis ei Einige davon sind stark abrasiv. Fiberglas beispielsweise ist härter als Stahl und verschleißt Werkzeuge und andere kritische Bauteile, wie Angussverteiler, Anschnitt, Schnecke und Fülltrich- nes englischen Unternehmens verlängern die Lebensdauer auch komplexer Werkzeuge, was in Verbindung mit kürzeren Ausfallzeiten die Kosten senkt, während umweltrelevante Vorschriften eingehalten werden. ter. Korrosive und chemisch aggressive Additive verschärfen das Problem, da sie saure Dämpfe freisetzen können, insbesondere wenn die Kunststoffe in Extrusions- und WERKZEUGE UND FORMEN Spritzgussverfahren erhitzt werden. Dann treten Verschleißerscheinungen am Werkzeug auf, was sich negativ auf die Oberflächengüte auswirkt. Weitere Schäden können chemisch aggressive Medien und Gase verursachen, beispielsweise stark korrosive Salzsäure (HCl), die bei der thermischen Bearbeitung von PVC-U freigesetzt wird. Dadurch steigt außerdem das Risiko, dass Formteile oder Rohmaterial an der Werkzeugoberfläche haften bleiben. Dies kann wiederum zu einer Unterbrechung der Produktion führen und zusätzliche Stillstandskosten verursachen. Das ist angesichts des Preiskampfes mit Low-Cost-Ländern ein ernsthaftes Problem, die einfache Werkzeuge und Ersatzteile zu einem Bruchteil der Kosten herstellen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich die deutschen Kunststoffverarbeiter daher von den kostengünstiger arbeitenden Produzenten abheben, indem ihre Anlagen wesentlich produktiver sind, verschleiß- und korro sionsfester sowie geringere Betriebskosten aufweisen. Gängige Härteverfahren mit Schwächen Ein Weg in diese Richtung ist es, die Werkzeuge aus robusten Materialien wie Hartmetallen herzustellen, um den Verschleiß zu verringern. Die Feinheiten komplexer Werkzeugformen lassen sich mit hartspröden Metallen jedoch nur sehr aufwendig und kostspielig realisieren. Eine Alternative ist das Fertigen aus Stahl mit anschließender Hartbeschichtung. Denn mit zähem Stahl lassen sich komplexe Konstruktionen zu wirtschaftlichen Kosten umsetzen. Gleichzeitig führt das Beschichten zu einer gehärteten Oberfläche, die dem Verschleiß entgegenwirkt. Solche Hartbeschichtungen verlängern zudem die Lebensdauer von Werkzeugen, indem sie das Risiko einer Oberflächendegradation senken. Das verbessert den Produktionsprozess, was die Kosten für einen abriebund verschleißbedingten Ersatz von Werkzeugen senkt. www.plastverarbeiter.de 39 linien. Daher soll es bis 2017 stufenweise abgeschafft werden. Das PVD-Verfahren erzeugt sehr harte Schichten. Die Schichtdicke lässt sich präzise steuern, ist jedoch in der Regel mit weniger als 4 µm sehr dünn. Zudem ist die Tragfähigkeit begrenzt und ein Beschichten innenliegender Oberflächen ist ebenfalls nicht möglich, da es sich auch hier um ein Sichtlinien-Verfahren handelt. Nanostrukturen machen’s besser Der Reaktor, in dessen Inneren die Werkzeuge ihre Beschichtung erhalten. An Werkzeugen kommen traditionell drei Arten von Beschichtungen zum Einsatz: thermisch gespritzte Schichten, Hartverchromung (HCP) und physikalische Gasphasenabscheidung (Physical Vapour Deposition, PVD). Obwohl diese Beschichtungen in einigen Applikationen erfolgreich im Einsatz sind, zeigen sich im Zusammenhang mit Spritzguss- oder Extrusionswerkzeugen bei jedem Verfahren Schwächen. Das thermische Spritzverfahren erzeugt eine dicke, beständige Schicht. Allerdings ist es ein sogenanntes Lineof-sight-Verfahren, das nur den sichtbaren Bereich beschichtet. Daher eignet es sich nicht dazu, um innenliegende Oberflächen und komplizierte Formen zu beschichten. Zudem sind die erzeugten Schichten rau sowie porös und müssen in den meisten Fällen geschliffen werden. Dies ist bei komplexen Bauweisen aber nicht immer möglich. Das Hartverchromen ist sowohl verschleiß- als auch korrosionfest, Letzteres zumindest eingeschränkt. Das Verfahren unterliegt jedoch aufgrund der eingesetzten karzinogenen Chrom-VISalze zunehmenden Beschränkungen durch die EU-Reach-Verordnung und die US-amerikanischen OSHA-Richt Das Unternehmen Hardide Coatings, Bicester, England, bietet als Anbieter von Oberflächen-Beschichtungstechnologien Werkstofflösungen, die im Gegensatz zu herkömmlichen Hart beschichtungen auch auf komplexen Werkzeugen und innenliegenden Oberflächen von Extrusionskavitäten und Gussformen eine konturgetreue Beschichtung erreicht. Abriebtests wiesen bei D2-Stahlwerkzeugen, die zum Formen von abrasiven Werkstoffen eingesetzt werden, eine bis zu zehn Mal höhere Lebensdauer im Vergleich zu anderen Verfahren nach. Zudem sichert die höhere Form- und Ober flächenbeständigkeit eine gleichbleibend hohe Qualität der Produkte. Die Beschichtung besteht aus nanostrukturierten Schichten auf WolframKarbid-Basis, die im NiedertemperaturCVD-Verfahren (Chemical Vapour Deposition, chemische Gasphasen abscheidung) auf innen- und außenliegenden Oberflächen aufgetragen werden. Die patentierten Beschichtungen sind verschleiß- und korrosionsfest sowie zäh und formbar. Dadurch ermöglichen sie eine flexiblere Bauteilgestaltung als herkömmliche Technologien. Beschichtungsverfahren im Detail CVD-Beschichtungen entstehen Atom für Atom aus der Gasphase. Dabei bildet sich eine kristalline Schicht, die Außenflächen und innenliegende Oberflächen sowie komplexe Formen gleichmäßig bedeckt. Das Verfahren Plastverarbeiter · 06 · 2015 WERKZEUGE UND FORMEN Bildquelle: alle Hardide 40 Ein Mitarbeiter belädt den Reaktor mit Kupfer-Bauteilen, um sie zu beschichten und damit ihre Oberfläche zu härten. findet bei Temperaturen von circa 500 °C in einer Vakuumkammer statt. Die Beschichtung besteht aus einer metallischen Wolfram-Matrix mit dispergierten Nanoteilchen aus WolframKarbid, deren Größe typischerweise bei 1 bis 10 Nanometern liegt. Dispergierte Nanoteilchen aus Wolfram-Karbid verleihen dem Werkstoff mehr Härte. Diese lässt sich kontrollieren und auf einen typischen Bereich von 1.100 bis 1.600 HV bei der Beschichtungsart Hardide-T beziehungsweise bis zu 3.500 HV für die Beschichtungsart Hardide-H einstellen. Die Abriebfestigkeit ist bis zu 12 Mal höher als bei Hartchrom beziehungsweise 500 Mal höher als bei Nickelbasis-Legierungen wie Inconel. Die Hardide-TBeschichtung hält in Versuchen Dehnungen von 3.000 µm/m ohne Beschädigung stand. Andere Hartbeschichtungen dieser Dicke würden unter einer derartigen Belastung wahrscheinlich splittern oder einreißen. Darüber hinaus sind die Beschichtungen säureresistent – auch gegen Chlorwasserstoff und Schwefelwasserstoff – sowie porenfrei. Die hochmobilen Reaktionsprodukte füllen Poren in der Beschichtung, während diese wächst. Die Porosität, gemessen als die Differenz zwischen der theoretischen und der beobachteten Materialdichte, 06 · 2015 · Plastverarbeiter beträgt in der Regel weniger als 0,04 Prozent. Die Beschichtung bedeckt das Substrat vollständig und ohne durchgehende Poren. Anders als gespritztes Wolfram-Karbid kommt sie ohne Kobalt als Bindemittel aus, das nicht säurebeständig ist. Neue Anwendungsgebiete erschließen Da die CVD-Technik auch komplexe Formen und Innenflächen mit einer gleichmäßigen Schicht bedeckt, ergeben sich für Hartbeschichtungen neue Einsatzmöglichkeiten an kritischen Maschinenteilen. Dies ist überall dort relevant, wo Werkzeuge zum Formen abrasiver Materialien zum Einsatz kommen. Hierzu zählen Kunststoffe, extrudierte Holzfaser-Verbundwerkstoffe, Metall-Pulverspritzgießen, Pulverpressung und Pelletierung. In Versuchen bewiesen die CVD-Beschichtungen, dass sie sich dafür eignen. Dazu brachte der Hersteller die Beschichtung innerhalb der zahlreichen Bohrungen einer Granulierlochplatte sowie auf beiden Lochplattenseiten auf. Sie erwies sich als sehr verschleißund abriebfest. Verglichen mit einer unbeschichteten Lochplatte aus gehärtetem Werkzeugstahl wies die Beschichtung eine dreimal längere Lebensdauer auf. Zudem blieb die opti- male Oberflächengüte der beschichteten Flächen wesentlich länger erhalten. Aktuell testen mehrere deutsche Maschinen- und Ersatzteilhersteller die Beschichtungen an Bauteilen im Zusammenhang mit Kunststoffspritzgussverfahren, darunter Formen für die Extrusion und Granulierung sowie Zuführschnecken. Der Anbieter der Beschichtungslösungen hat unterschiedliche Varianten seines Produktes im Angebot, Abnutzung, Korrosion, Abrieb oder Lochfraß zu verringern. Die Auswahl der konkreten Beschichtung erfolgt auf Basis der jeweiligen Applikation und Betriebsumgebung. In der Standardform bietet der Hersteller eine Schichtstärke von 10 bis 60 µm. Die Härte variiert zwischen 1.100 und 1.600 HV, je nach Anforderung. Die Beschichtungen lassen sich auf vielen Oberflächen auftragen, wie Edelstahl, Werkzeugstähle mit einer Temperaturbeständigkeit bis 500 °C, ebenso Nickel-, Kupfer- und Kobalt-Legierungen. Die starke metallurgische Verbindung zu diesen Substraten erreicht häufig eine Haftfestigkeit von über 70 MPa. Der Hersteller testet seine Beschichtung gerade an mittels Laser-FusingVerfahren hergestellten Werkstoffen. Mit dieser Technik lassen sich beispielsweise Kühlkanäle realisieren, die eine um bis zu 70 Prozent geringere Kühlzeit ermöglichen. Sie erreichen jedoch nur Härten bis 45 HRC. Diese Werte lassen sich mit Hardide-Beschichtungen potenziell erhöhen. Erste Testergebnisse sind vielversprechend. n Autor Dr. Yuri Zhuk ist Technischer Leiter bei Hardide Coatings in Bicester, England. Info + Kontakt www.plastverarbeiter.de ̕̕Link zum Beschichtungsanbieter ̕̕Kontakt Hardide Coatings, Bicester, England, [email protected] 02191/374-7033 www.plastverarbeiter.de
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