Haltbare Beschichtungen für komplexe Werkzeuge

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WERKZEUGE UND FORMEN
Werkzeugverschleiß durch Härten in Grenzen halten
Haltbare Beschichtungen
für komplexe Werkzeuge
Werkzeuge für das Spritzgießen und
die Extrusion werden zunehmend
komplexer. Abrasive Materialien und
Umgebungen belasten diese Werkzeu­
ge stark. Hierdurch kann es zu Aus­
fällen kritischer Bauteile, Stillstand­
In modernen Kunststoffen kommen
verschiedene Additive zum Einsatz,
darunter Glasfasern, Flammschutzmittel, Farbmittel, Antioxidationsmittel,
Antistatika und Wärmestabilisatoren.
Mit der Hartbeschichtung eignen sich diese Extrusionsschnecken-Teile für das Verarbeiten eines hochabrasiven
Kunststoff-Mineralien-Compounds.
zeiten und Produktionsausfällen kom­
men. Bestehen die Werkzeuge aus
harten Werkstoffen, wie Stahl oder
Hartmetall, ist eine Nach- und Endbearbeitung zudem teuer. Die Beschichtungen auf Wolfram-Karbid-Basis ei­
Einige davon sind stark abrasiv. Fiberglas beispielsweise ist härter als Stahl
und verschleißt Werkzeuge und andere kritische Bauteile, wie Angussverteiler, Anschnitt, Schnecke und Fülltrich-
nes englischen Unternehmens verlängern die Lebensdauer auch komplexer
Werkzeuge, was in Verbindung mit
kürzeren Ausfallzeiten die Kosten
senkt, während umweltrelevante Vorschriften eingehalten werden.
ter. Korrosive und chemisch aggressive Additive verschärfen das Problem, da sie saure Dämpfe freisetzen
können, insbesondere wenn die
Kunststoffe in Extrusions- und
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Spritzgussverfahren erhitzt werden.
Dann treten Verschleißerscheinungen
am Werkzeug auf, was sich negativ auf
die Oberflächengüte auswirkt. Weitere
Schäden können chemisch aggressive
Medien und Gase verursachen, beispielsweise stark korrosive Salzsäure
(HCl), die bei der thermischen Bearbeitung von PVC-U freigesetzt wird. Dadurch steigt außerdem das Risiko, dass
Formteile oder Rohmaterial an der
Werkzeugoberfläche haften bleiben.
Dies kann wiederum zu einer Unterbrechung der Produktion führen und
zusätzliche Stillstandskosten verursachen. Das ist angesichts des Preiskampfes mit Low-Cost-Ländern ein
ernsthaftes Problem, die einfache
Werkzeuge und Ersatzteile zu einem
Bruchteil der Kosten herstellen. Um
wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen
sich die deutschen Kunststoffverarbeiter daher von den kostengünstiger
­arbeitenden Produzenten abheben,
indem ihre Anlagen wesentlich produktiver sind, verschleiß- und korro­
sionsfester sowie geringere Betriebskosten aufweisen.
Gängige Härteverfahren mit
Schwächen
Ein Weg in diese Richtung ist es, die
Werkzeuge aus robusten Materialien
wie Hartmetallen herzustellen, um
den Verschleiß zu verringern. Die Feinheiten komplexer Werkzeugformen
lassen sich mit hartspröden Metallen
jedoch nur sehr aufwendig und kostspielig realisieren. Eine Alternative ist
das Fertigen aus Stahl mit anschließender Hartbeschichtung. Denn mit zähem Stahl lassen sich komplexe Konstruktionen zu wirtschaftlichen Kosten umsetzen. Gleichzeitig führt das
Beschichten zu einer gehärteten Oberfläche, die dem Verschleiß entgegenwirkt. Solche Hartbeschichtungen verlängern zudem die Lebensdauer von
Werkzeugen, indem sie das Risiko einer Oberflächendegradation senken.
Das verbessert den Produktionsprozess, was die Kosten für einen abriebund verschleißbedingten Ersatz von
Werkzeugen senkt.
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linien. Daher soll es bis 2017 stufenweise abgeschafft werden.
Das PVD-Verfahren erzeugt sehr
harte Schichten. Die Schichtdicke lässt
sich präzise steuern, ist jedoch in der
Regel mit weniger als 4 µm sehr dünn.
Zudem ist die Tragfähigkeit begrenzt
und ein Beschichten innenliegender
Oberflächen ist ebenfalls nicht möglich, da es sich auch hier um ein Sichtlinien-Verfahren handelt.
Nanostrukturen
machen’s besser
Der Reaktor, in dessen Inneren die Werkzeuge
ihre Beschichtung erhalten.
An Werkzeugen kommen traditionell drei Arten von Beschichtungen
zum Einsatz: thermisch gespritzte
Schichten, Hartverchromung (HCP)
und physikalische Gasphasenabscheidung (Physical Vapour Deposition,
PVD). Obwohl diese Beschichtungen
in einigen Applikationen erfolgreich
im Einsatz sind, zeigen sich im Zusammenhang mit Spritzguss- oder Extrusionswerkzeugen bei jedem Verfahren
Schwächen.
Das thermische Spritzverfahren erzeugt eine dicke, beständige Schicht.
Allerdings ist es ein sogenanntes Lineof-sight-Verfahren, das nur den sichtbaren Bereich beschichtet. Daher eignet es sich nicht dazu, um innenliegende Oberflächen und komplizierte
Formen zu beschichten. Zudem sind
die erzeugten Schichten rau sowie porös und müssen in den meisten Fällen
geschliffen werden. Dies ist bei komplexen Bauweisen aber nicht immer
möglich.
Das Hartverchromen ist sowohl verschleiß- als auch korrosionfest, Letzteres zumindest eingeschränkt. Das Verfahren unterliegt jedoch aufgrund der
eingesetzten karzinogenen Chrom-VISalze zunehmenden Beschränkungen
durch die EU-Reach-Verordnung und
die US-amerikanischen OSHA-Richt­
Das Unternehmen Hardide Coatings,
Bicester, England, bietet als Anbieter
von Oberflächen-Beschichtungstechnologien Werkstofflösungen, die im
Gegensatz zu herkömmlichen Hart­
beschichtungen auch auf komplexen
Werkzeugen und innenliegenden
Oberflächen von Extrusionskavitäten
und Gussformen eine konturgetreue
Beschichtung erreicht. Abriebtests wiesen bei D2-Stahlwerkzeugen, die zum
Formen von abrasiven Werkstoffen
eingesetzt werden, eine bis zu zehn
Mal höhere Lebensdauer im Vergleich
zu anderen Verfahren nach. Zudem
sichert die höhere Form- und Ober­
flächenbeständigkeit eine gleichbleibend hohe Qualität der Produkte.
Die Beschichtung besteht aus nanostrukturierten Schichten auf WolframKarbid-Basis, die im NiedertemperaturCVD-Verfahren (Chemical Vapour
Deposition, chemische Gasphasen­
abscheidung) auf innen- und außenliegenden Oberflächen aufgetragen
werden. Die patentierten Beschichtungen sind verschleiß- und korrosionsfest sowie zäh und formbar. Dadurch
ermöglichen sie eine flexiblere Bauteilgestaltung als herkömmliche Technologien.
Beschichtungsverfahren
im Detail
CVD-Beschichtungen entstehen Atom
für Atom aus der Gasphase. Dabei bildet sich eine kristalline Schicht, die
Außenflächen und innenliegende
Oberflächen sowie komplexe Formen
gleichmäßig bedeckt. Das Verfahren
Plastverarbeiter · 06 · 2015
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Bildquelle: alle Hardide
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Ein Mitarbeiter belädt den Reaktor mit Kupfer-Bauteilen, um sie zu beschichten und damit ihre
Oberfläche zu härten.
findet bei Temperaturen von circa
500 °C in einer Vakuumkammer statt.
Die Beschichtung besteht aus einer
metallischen Wolfram-Matrix mit dispergierten Nanoteilchen aus WolframKarbid, deren Größe typischerweise
bei 1 bis 10 Nanometern liegt. Dispergierte Nanoteilchen aus Wolfram-Karbid verleihen dem Werkstoff mehr
Härte. Diese lässt sich kontrollieren
und auf einen typischen Bereich von
1.100 bis 1.600 HV bei der Beschichtungsart Hardide-T beziehungsweise
bis zu 3.500 HV für die Beschichtungsart Hardide-H einstellen. Die Abriebfestigkeit ist bis zu 12 Mal höher als
bei Hartchrom beziehungsweise
500 Mal höher als bei Nickelbasis-Legierungen wie Inconel. Die Hardide-TBeschichtung hält in Versuchen Dehnungen von 3.000 µm/m ohne Beschädigung stand. Andere Hartbeschichtungen dieser Dicke würden
unter einer derartigen Belastung wahrscheinlich splittern oder einreißen.
Darüber hinaus sind die Beschichtungen säureresistent – auch gegen
Chlorwasserstoff und Schwefelwasserstoff – sowie porenfrei. Die hochmobilen Reaktionsprodukte füllen Poren
in der Beschichtung, während diese
wächst. Die Porosität, gemessen als die
Differenz zwischen der theoretischen
und der beobachteten Materialdichte,
06 · 2015 · Plastverarbeiter
beträgt in der Regel weniger als
0,04 Prozent. Die Beschichtung bedeckt das Substrat vollständig und ohne durchgehende Poren. Anders als
gespritztes Wolfram-Karbid kommt sie
ohne Kobalt als Bindemittel aus, das
nicht säurebeständig ist.
Neue Anwendungsgebiete
erschließen
Da die CVD-Technik auch komplexe
Formen und Innenflächen mit einer
gleichmäßigen Schicht bedeckt, ergeben sich für Hartbeschichtungen neue
Einsatzmöglichkeiten an kritischen
Maschinenteilen. Dies ist überall dort
relevant, wo Werkzeuge zum Formen
abrasiver Materialien zum Einsatz
kommen. Hierzu zählen Kunststoffe,
extrudierte Holzfaser-Verbundwerkstoffe, Metall-Pulverspritzgießen, Pulverpressung und Pelletierung. In Versuchen bewiesen die CVD-Beschichtungen, dass sie sich dafür eignen.
Dazu brachte der Hersteller die Beschichtung innerhalb der zahlreichen
Bohrungen einer Granulierlochplatte
sowie auf beiden Lochplattenseiten
auf. Sie erwies sich als sehr verschleißund abriebfest. Verglichen mit einer
unbeschichteten Lochplatte aus gehärtetem Werkzeugstahl wies die Beschichtung eine dreimal längere Lebensdauer auf. Zudem blieb die opti-
male Oberflächengüte der beschichteten Flächen wesentlich länger
erhalten. Aktuell testen mehrere deutsche Maschinen- und Ersatzteilhersteller die Beschichtungen an Bauteilen
im Zusammenhang mit Kunststoffspritzgussverfahren, darunter Formen für die Extrusion und Granulierung sowie Zuführschnecken.
Der Anbieter der Beschichtungslösungen hat unterschiedliche Varianten seines Produktes im Angebot, Abnutzung, Korrosion, Abrieb oder Lochfraß zu verringern. Die Auswahl der
konkreten Beschichtung erfolgt auf
Basis der jeweiligen Applikation und
Betriebsumgebung. In der Standardform bietet der Hersteller eine Schichtstärke von 10 bis 60 µm. Die Härte
variiert zwischen 1.100 und 1.600 HV,
je nach Anforderung. Die Beschichtungen lassen sich auf vielen Oberflächen auftragen, wie Edelstahl, Werkzeugstähle mit einer Temperaturbeständigkeit bis 500 °C, ebenso Nickel-,
Kupfer- und Kobalt-Legierungen. Die
starke metallurgische Verbindung zu
diesen Substraten erreicht häufig eine
Haftfestigkeit von über 70 MPa.
Der Hersteller testet seine Beschichtung gerade an mittels Laser-FusingVerfahren hergestellten Werkstoffen.
Mit dieser Technik lassen sich beispielsweise Kühlkanäle realisieren, die
eine um bis zu 70 Prozent geringere
Kühlzeit ermöglichen. Sie erreichen
jedoch nur Härten bis 45 HRC. Diese
Werte lassen sich mit Hardide-Beschichtungen potenziell erhöhen.
­Erste Testergebnisse sind vielversprechend.
n
Autor
Dr. Yuri Zhuk
ist Technischer Leiter bei Hardide Coatings
in Bicester, England.
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̕̕Kontakt
Hardide Coatings, Bicester, England,
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