Das Modell Bella nach Sonneck

Krisenintervention
Mag. Silvia Brunthaler, MSc.
Krise
Krise:
Verlust des psychischen
Gleichgewichts; Ereignisse oder
Lebensumstände können nicht
bewältigt werden; Versagen
bisheriger Möglichkeiten; akut
oder chronisch
5 Säulen der Identität
Persönlichkeitsmodell nach Hilarion Petzold

Der Mensch wird als Ganzes mit
seiner geistigen, seelischen und
körperlichen Dimension betrachtet

Nach Petzold basiert unsere Identität
auf 5 Säulen und ergibt sich durch
Selbst- und Fremdbild
5 Säulen der Identität
(nach Hilarion Petzold)
5 Säulen der Identität
(nach Hilarion Petzold

Die Intensität eines Problems oder
einer Krise hängt davon ab, wie viele
Säulen betroffen sind
Welche Säule ist eingestürzt?
 Wie wichtig war sie für den
Menschen?
 Welche Säulen sind intakt?

Merkmale von Krisen

Verlust des inneren Gleichgewichts
In einer Krise geht die Balance zwischen
den Anforderungen und den
Lösungsstrategien verloren. Die
Anforderungen werden zu viel – die
Lösungsstrategien werden nicht gesehen.
Merkmale von Krisen

Überforderung durch
Lebensumstände oder Ereignisse
Neue, plötzlich auftretende Situationen
überfordern Menschen,
fehlende Erfahrung im Umgang mit der
Situation,
bei chronischer Überforderung genügt
eine „Kleinigkeit“, damit eine Krise
ausgelöst wird.
Merkmale von Krisen

Keine Handlungsmöglichkeit
Einengung, Lähmung der gesamten
Energie, keine Kraft zum Handeln,
Ereignisse überlaufen den
Menschen.
Merkmale von Krisen

Angst
Die Angst begleitet den Menschen in
der Krise. Sie schwappt über ihn wie
eine Welle. Das Ausmaß der Angst
kann ein Hinweis auf die Schwere
der Krise sein.
Merkmale von Krisen

Druck
Krisen sind Drucksituationen. Je größer
die Krise wird, desto stärker wird der Druck
– sowohl der innere als auch der äußere.
Veränderung steht an, den Druck
auszuhalten ist erschöpfend. Der Wunsch
nach Ruhe und Entspannung entsteht.
Arten von Krisen
Verlauf von traumatischen Krisen
1. Schockphase (kurz – einige
Stunden bis Tage)
Fernhalten der Wirklichkeit
 Äußere Ordnung / inneres Chaos
 Betäubung
 Ziellose Aktivität
Wichtig: KONTAKT HALTEN
NAHE SEIN

Verlauf von traumatischen Krisen
2. Reaktionsphase (1 – einige Monate)




Konfrontation mit der Wirklichkeit
Starke Gefühlsreaktionen
Abwehrmechanismen
Herausfallen aus der alten Wirklichkeit
Verlauf von traumatischen Krisen
Wichtig:
BEGLEITEN
ERMUTIGEN, GEFÜHLE
ZU ÄUSSERN
STÜTZEN
Verlauf von traumatischen Krisen
3. Bearbeitungsphase




Integrieren des traumatischen Erlebens
Blick nach vorn richten
Suchen nach neuer innerer/äußerer
Ordnung
Mit dem Verlust leben lernen
Verlauf von traumatischen Krisen
Wichtig: KONFRONTIEREN
SCHRITTWEISE
EIGENVERANTWORTUNG
ZURÜCKGEBEN
Verlauf von traumatischen Krisen





4. Neuorientierung
Neue Wege, neue Möglichkeiten werden
begonnen
Person hat Selbstwertgefühl wieder
aufgerichtet
Nimmt neue Beziehungen auf
Gewinn an Lebenserfahrung
Erkenntnis über individuelle
Bewältigungsmöglichkeiten gewonnen
Krisen sind
Ausnahmesituationen
Gefahren von Krisen





Psychische Erkrankung
z. B. Weggehen aus der Realität in die
Phantasie
Dauerhaft werden (Chronifizierung)
Wenn keine notwendigen Schritte in
Richtung einer Lösung oder dem
Akzeptieren der Krise gegangen werden.
Aggressions- und Kurzschlusshandlungen
bis zu Mord und Selbstmord
Gefahren von Krisen


Körperlich werden (somatisieren)
Die Begleitsymptome werden nicht als
Krisenreaktion erkannt. Wenn das Problem
nicht bewusst gemacht wird, übernimmt oft
der Körper die Signalsetzung. Wenn die
körperliche Krankheit mehr akzeptiert ist,
kann der Hilfeschrei über den Körper
kommen.
Chancen von Krisen





Krise als Wendepunkt
Wichtig für Entwicklung und Reifung
Veränderung durch Bewältigung
Neuorientierung, neue Lebensziele
Zugang zu wichtigen Lebensthemen
Suizidale Krise
Die Stadien der suizidalen Entwicklung
bestehen aus:

Der Erwägung,
in der psychodynamische Faktoren wie
Aggressionshemmung und soziale
Isolierung auftreten,
Suizidale Krise

Der Abwägung,
in der es zu direkten Suizidankündigungen
kommt und
Suizidale Krise

Dem Entschluss,
in welchem indirekte Suizidankündigungen und Vorbereitungshandlungen auftreten (Ruhe vor dem
Sturm) und es schließlich zum Suizid
kommen kann.
Riskiogruppen bezügl. Suizid

Alkohol- Medikamenten- und
Drogenabhängige

Depressive Menschen, insbesondere
rezidivierende Depressionen und hier
wieder besonders zu Phasenbeginn und
Phasenende
Riskiogruppen bezügl. Suizid

Alte und vereinsamte Menschen

Personen nach Suizidankündigungen (bis
zu 80% kündigen ihre Suizidhandlung an).

Personen nach Suizidversuch
Wenn Sie im Kontakt zu einem
Menschen den Eindruck haben,
er könnte an Selbstmord
denken, fragen Sie ihn danach.
Häufige Fehler im Umgang mit
suizidalen Patienten
Präsuizidal:


Latente Signale übersehen bzw. nicht
aufgreifen
Appelle verharmlosen bzw. nicht ernst
nehmen
Häufige Fehler im Umgang mit
suizidalen Patienten




Direkte Fragen nach Suizidalität
vermeiden (Angst, „schlafende Hunde“ zu
wecken
Vorschnelle Tröstung
Ermahnung
Verallgemeinerung
Häufige Fehler im Umgang mit
suizidalen Patienten
Postsuizidal:



Bagatellisierungstendenzen des Patienten
mitmachen (Abwehr)
Zu rasche Suche nach positiven
Veränderungsmöglichkeiten (Abwehr)
Provokation persönlich nehmen (Agieren
von Ablehnung)
Häufige Fehler im Umgang mit
suizidalen Patienten




Falsche oder einseitige theoretische
Vorstellungen über die Hintergründe der
Suiziddynamik
Bestrafung durch Nichtbeachtung
Ratschläge
Belehrungen
Wahrnehmung von
Suizidgefährdung
Hinweise aus:





Vorgeschichte
Umwelt
Aktueller Lebenslage
Andeutungen des Patienten
(verbal/nonverbal)
Wahrnehmung der eigenen
Empfindungen (Helfer)
Fakten

Das Suizidrisiko steigt bei beiden
Geschlechtern mit dem Alter.

Alte Männer haben das höchste
Suizidrisiko.

Junge Männer haben ein höheres Risiko,
an Suizid zu versterben, als junge Frauen.
Fakten

Aufgrund der Altersverteilung der
Bevölkerung finden sich in Absolutzahlen
die meisten Suizide zwischen dem 35. und
dem 65. Lebensjahr.

Das Suizidrisiko bei Kindern und
Jugendlichen ist am geringsten.
Fakten

Männer haben durchschnittlich ein dreifach
höheres Suizidrisiko als Frauen.

Die Suizidraten sind in allen Altersgruppen
und bei beiden Geschlechtern seit Mitte
der 1980er Jahre rückläufig.
Krisenintervention
Grundprinzipien
1. Ruhiges und sicheres Auftreten hilft gegen
Angst.
2. Verlangsamung hilft gegen Übererregung.
3. Struktur hilft gegen Chaos.
4. Rationales Denken hilft gegen
überschwemmende Gefühle.
5. Information hilft gegen Kontrollverlust.
6. Handeln hilft gegen Hilflosigkeit.
Psychologische Erste Hilfe
Lasogga/Gasch 2000
1.Sag, dass du da bist, wer du bist und was
geschieht
2. Schirme den Verletzten vor Zuschauern
ab.
3. Suche / biete vorsichtig Körperkontakt
4. Sprich und höre zu
Das Modell Bella nach Sonneck





B
E
L
L
A
eziehung
erfassen einer Situation
inderung
eute
nsatz einer Lösung
Das Modell Bella nach Sonneck

B – eziehung:
Erste und wichtigste Handlung für den
Begleiter ist es, zu dem Betroffenen eine
Beziehung herzustellen, in Kontakt zu
treten (Blickkontakt, Ansprechen,
Körperkontakt) und zu signalisieren, dass
man da ist.
Das Modell Bella nach Sonneck
Man soll dem Betroffenen aufmerksam
und einfühlend zuhören und ihm
vermitteln, dass man ihn/sie ernst nimmt
und sich seiner/ihrer Schwierigkeiten
bewusst ist.
Das Modell Bella nach Sonneck
Gesprächsführung:
Bei in sich gekehrten Patienten können
folgende Beispielsätze den Redefluss
aktivieren:
„Ich merke dass es Ihnen gerade nicht so
gut geht. Ist das schon länger so?“
 „Sie wirken auf mich sehr bedrückt. Wollen
Sie mir erzählen was nicht in Ordnung ist.“

Das Modell Bella nach Sonneck
In Gang halten kann man das Gespräch
mittels

Non-verbaler Zeichen und Handlungen
(z.B. sich hinsetzen auf gleicher
Augenhöhe, Augenkontakt herstellen,
nicken, mhmmmm
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
Äußerungen (z.B. „ah ja“, „ach so ist das“,
„Ich beginne zu verstehen. Können Sie mir
noch mehr darüber erzählen?“ und

Zusammenfassungen
z.B. „habe ich Sie richtig verstanden,
dass….“
Das Modell Bella nach Sonneck
Räumliche Nähe herstellen

Falls dies gewünscht ist, sollte man eine
räumliche Nähe herstellen, z.B.
„Darf ich mich etwas näher zu Ihnen
setzen damit ich Sie besser verstehen
kann?“
Das Modell Bella nach Sonneck

E – erfassen der Situation:
Als Außenstehender ist man leichter in der
Lage, einen Überblick zu bewahren und zu
sehen, in welcher konkreten Situation der
Betroffene steht, Erfassen der Umstände,
Erkennen situativer Zusammenhänge).
Das Modell Bella nach Sonneck
Verständnis zeigen
Dem Patienten sollte signalisiert werden,
dass man seinen Leidensdruck
nachempfinden kann bzw. seine Sicht der
Dinge verstanden hat:
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
„Wenn Sie das so erzählen, kann ich das
gut nachvollziehen.“

„Bei einem solch schwerwiegenden Anlass
ist Ihre Reaktion verständlich.“
Das Modell Bella nach Sonneck

„Ich glaube, vielen Menschen würde es
jetzt genau so gehen wie Ihnen.“

„Manche Dinge sind schwer zu verstehen
und nachzuvollziehen.“

„Es gibt Momente im Leben auf die man
momentan keine Antwort weiß.“
Das Modell Bella nach Sonneck
Einflussfaktoren für den weitern Verlauf
erfragen
Beziehungsstatus, beistehender
Freundeskreis, finanzielle oder soziale
Belastungen
Das Modell Bella nach Sonneck
Besteht Fremd- und/oder
Selbstgefährdung?
Von dieser Bewertung ist auch das weitere
Prozedere abhängig u.a. ob Maßnahmen
gegen den Willen des Betroffenen
getroffen werden müssen. (Hinzuziehen
von polizeilichen Einsatzkräften, Amtsarzt)
Das Modell Bella nach Sonneck

L – inderung:
Menschen, die in einem Schockzustand
sind, brauchen ganz einfache, klare
Reaktionen seitens der Umwelt.
Das Modell Bella nach Sonneck
Akute Symptome wie Benommenheit,
Kreislaufprobleme, Frösteln, Verwirrung
bedürfen der Linderung zunächst durch
einfache Handlungen wie zum Beispiel
Anbieten einer Sitzgelegenheit, Reichen
eines Glases Wassers, Umlegen
wärmender Kleidungsstücke, Handhalten
und den geschockten Menschen nicht
alleine lassen.
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Den Patienten ermutigen über seine
belastenden Gefühlszustände zu reden

„Erzählen Sie mir mehr darüber was Sie
gerade bewegt / verunsichert / aufwühlt.
Ich glaube das würde Ihnen gut tun.“
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
„Ich habe den Eindruck, Sie sind gerade
sehr verzweifelt / ängstlich / traurig.
Vielleicht kann es Ihnen helfen, wenn Sie
mir davon erzählen.“
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Unterstützung durch aktive Bewegung
Oft hilft es eine Runde zu gehen um die
emotionale Anspannung zu reduzieren.
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
L – eute:
Eine weitere wichtige Maßnahme gilt der
Information über das soziale Netz des
Betroffenen: Wer gehört verständigt
(Familie, Verwandte, Freunde, Nachbarn,
Vertrauensperson, z.B. Arzt, Seelsorger)
und in die Erst-Betreuung einbezogen?
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
A – nsatz einer Lösung:
Der letzte Schritt gilt schließlich dem
Versuch, einen Lösungsansatz für die
Bewältigung der Probleme zu suchen. Auf
eine Verlustsituation bezogen würde dies
bedeuten: Beginn einer Trauerbegleitung
Literaturempfehlungen

Kurz, Schermann, Schürmann (2007):
Krisenintervention. Ein fallorientiertes
Arbeitsbuch. Weinheim, Juventa Verlag

Lasogga, Gasch: Notfallpsychologie
(2008): Notfallpschologie. Heidelberg,
Springer Verlag.
Literaturempfehlungen

Reddemann, Dehner-Rau (2004): Trauma
Stuttgart, Trias Verlag.

Sonnek, Gernot (2008): Krisenintervention
und Suizidverhütung. Wien, Fakultas
Verlag.

Wolf Ortiz-Müller: Praxis
Krisenintervention. 2010, Kohlhammer
Danke