Systemische Therapie mit Kindern und Jugendlichen

Systemische Therapie
mit Kindern und Jugendlichen
Dr. Kurt Ludewig ©
Münster, Westfalen
Systemische Therapie
Literaturhinweise des Referenten
Original:
Klett-Cotta 1992
Aktualisierte
Neuauflage
Carl-Auer
2015
Hogrefe
2000
Carl-Auer
2005, 20092
Carl-Auer
2013
Klett-Cotta
2002
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
2
Kinder und Jugendliche: Literaturauswahl
Caby, F., A. Caby (2009), Die kleine Psychotherapeutische Schatzkiste. Dortmund
(Borgmann).
Retzlaff, R. (2008), Spiel-Räume. Lehrbuch der systemischen Therapie mit Kindern
und Jugendlichen. Stuttgart (Klett-Cotta).
Rotthaus, W. (1998): Wozu erziehen? Entwurf einer systemischen Erziehung.
Heidelberg (Carl-Auer-Systeme).
Rotthaus, W. (2001): Systemische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Heidelberg (Carl-Auer-Systeme).
Rotthaus, W. (2015): Ängste von Kindern und Jugendlichen. Heidelberg (Carl-Auer)
Schweitzer, J., A. v. Schlippe (2006), Lehrbuch der systemischen Therapie und
Beratung II. Göttingen (V & R).
Vogt-Hillmann, M., W. Burr (Hrsg.)(1999): Kinderleichte Lösungen.
Lösungsorientierte Kreative Kindertherapie. Dortmund (Borgmann).
Zeitschriftenhefte:
Zeitschrift für systemische Therapie (2003), 21.Jg., Hefte 3 und 4.
Psychotherapie im Dialog (2002), Jg. 3, Heft 4 „Adoleszenz“
Psychotherapie im Dialog (2006), Jg. 7, Heft 1 „Kindheit“.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Literaturhinweise – Auswahl des Referenten
***Ludewig, K. (1991): Unruhige Kinder. Eine Übung in epistemischer
Konfusion.
In: Praxis der Kinderpsychologie & Kinderpsychiatrie 40(5): 158-166.
***Ludewig, K. (1991): „Junge Menschen lügen nicht, Erwachsenen dagegen
sehr“. Über den Umgang mit Selbstverständlichkeiten und Besonderheiten in
der Therapie mit Jugendlichen.
In: Rotthaus W (Hrsg): Systemische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Heidelberg (Carl-Auer-Systeme), S. 162-184.
Ludewig, K. (2000), Systemische Therapie mit Familien.
In: Familiendynamik 25: 450-484.
Ludewig, K. (2004): Plan schlägt Geist - Ein systemisches Konzept der
stationären Behandlung magersüchtiger Jugendlicher.
In: Psychotherapie im Dialog 5: 24-31.
*** Aufsatz in homepage unter „Texten“
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Systemische Praxis
Nutzung systemischen Denkens für den
professionellen Umgang mit Menschen
bei der Linderung, Bewältigung, Klärung
und/oder Auflösung ihrer persönlichen,
zwischenmenschlichen und
organisatorischen Probleme.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Systemische Therapie
Pragmatische Umsetzung
systemischen Denkens in die
(psycho)therapeutische Praxis
mit dem Ziel, menschliches
Leiden zu verstehen, zu lindern
und zu beenden.
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Dr. Kurt Ludewig
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Systemische Therapie
GRUNDSATZ
Als Umsetzung systemischen Denkens in die professionelle
Praxis bei der Linderung bzw. Beseitigung von Leiden
definiert sich systemische Therapie weder methodenorientiert noch vom Setting her.
Systemische Therapien mit Einzelnen (Erwachsenen,
Jugendlichen oder Kindern), Paaren, Familien oder
Gruppen unterscheiden sich untereinander nicht wesentlich.
Dennoch gibt es bei jedem dieser Settings bestimmte
Besonderheiten, die es sich zu beachten lohnt.
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Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Einige Besonderheiten
In der Therapie mit Kindern und
Jugendlichen
gilt:
Kind
≠
Adoleszent ≠
Erwachsener
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Dr. Kurt Ludewig
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Kinder in Therapie I
- einige Thesen zum Nachdenken Altersgruppen:
- Kinder von 0-5 Jahren sind allenfalls Gäste in einer Familientherapie
- Kinder zwischen 6-10/12 Jahren sind mehr oder weniger freiwillig Beteiligte –
sie sind meistens keine eigentlichen „Kunden“, sondern eher „Empfänger“ .
- Kinder zwischen 10/12 und 13/16 Jahren „können“ Kunden sein
- Jugendliche bis 18/20 Jahren „können“ Kunden sein.
Kinder suchen höchst selten Therapie von sich aus. Als weitgehend Abhängige
sind sie immer Teil einer Gemeinschaft (z.B. Familie).
Die Kunden sind die Erziehenden (z.B. Eltern), die um ein Kind besorgt sind
oder von einem Kind direkt oder indirekt (z.B. Schule) gestört werden.
Alleinige Einzeltherapie mit einem Kind ist selten als Therapie sinnvoll; sie kann
aber als Anleitung/Begleitung hilfreich sein.
Kinder sind nie „Anlass“ zu einer Therapie – Anlass ist vielmehr die Beurteilung
von Erwachsenen, die eine Änderung für notwendig erachten.
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Dr. Kurt Ludewig
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Kinder in Therapie II
- Erfahrungen - Jüngere Kinder haben selten ein klares Verständnis, weshalb sie in Therapie
sollen – sie können aber sehr kooperativ sein, wenn sie „authorisiert“ werden.
- Kinder können meistens leicht als „Informanten“ gewonnen werden, zum Teil
sogar auf Wunsch der Eltern („erzähl du mal…“); an den Eltern vorbei kann dies
böse Folgen für das Kind haben.
- Jüngere Kinder, die Opfer von Misshandlung sind, können aufgrund von
Loyalität sehr verschwiegen sein. Ältere Kinder, die bereits ein Bewusstsein
darüber haben, Opfer zu sein, und sich nicht mehr zur totalen Loyalität verpflichtet
fühlen, können eher aufdecken.
- Kindliche Loyalität ist ein Zeichen der Bindung (gfs. Liebe). Sie steht meistens
nicht zur Disposition. Manches Kind nimmt viel Leiden in Kauf, bevor es seinen
Erziehenden „verrät“.
- “Man hat die Eltern, die man hat; es gibt keine „Besseren“!
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Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz I
Lat. adolescere = heranwachsen
Beginnt mit der körperlichen Reifung in der Pubertät und endet mit ± 20 Jahren.
Entwicklungsaufgaben aus der Perspektive von 1946:
(n. Corey 1946, zit.n. Streeck-Fischer, PiD 2002: S. 315):
1. Mit körperlichen Veränderungen fertig werden,
2. sich von den Eltern loslösen,
3. neue Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen und dabei Sexualität
integrieren,
4. Selbstvertrauen und ein neues Wertesystem entwickeln,
5. eine soziale und berufliche Identität gewinnen.
Dies ist ein Beispiel für die Selbstverständlichkeiten einer Epoche:
Mitte des 20.Jahrhunderts ► das „erstrebenswerte Gute“
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Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz II
Entwicklungsaufgaben 2002
Der Entwicklungspsychologe Flammer stellt 2002 fest:
„Die Entwicklungspsychologie der Adoleszenz muss immer wieder neu
geschrieben werden. Zum einen verändern neue Erkenntnisse der
Forschung das Bild der Adoleszenzentwicklung, zum anderen ist das
Phänomen selbst eingebunden in historische und kulturelle
Gegebenheiten“
Flammer teilt 2002 die „Aufgaben der Adoleszenz“ wie folgt:
1. Körperliche Entwicklung
2. Identitätsentwicklung
3. Kognitive Entwicklung
4. Autonomieentwicklung
5. Krisen des Übergangs bewältigen
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz III
Ablösung? – Teil I
Bitte, mit dem/der Nachbarn/in sich über Folgendes kurz
zu unterhalten:
1) Was verstehe ich unter Ablösung
2) Was ist eine „geglückte“ Ablösung
3) Was ist eine „missglückte“ Ablösung
4) Bin ich abgelöst?, von was und/oder wem?, woran
merke ich das?
 Ich garantiere für diskrete Behandlung – es folgt keine
öffentliche Offenbarung!
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz III
Ablösung? – Teil II
Was ist mit „Ablösung“ (bzw. Emanzipation) gemeint:
Trennen sich Jugendliche und Eltern von einer metaphorisch gedachten,
klebrigen Unterlage?
Geht der Jugendliche im Reifungsprozess von seiner Familie wie von
selbst ab?
Wer wird von welcher Verpflichtung befreit, die Eltern oder der
Jugendliche? Wer tritt an Stelle von wem?
Was stellt „Ablösung“ im Alltag dar?
Eine Selbstverständlichkeit? (im Sinne Hofstätters)
Etwas, das jeder Schuljunge weiß…? (im Sinne Batesons)
Einen semantischen „Attraktor“, der Vieles bündelt, was sonst vielleicht
nicht zusammen gehört?
Einen nützlichen, in der Praxis brauchbaren Begriff?
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Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz III
Ablösung? – Teil III
- In der frühen Stammesgesellschaft galt die Ablösung,- sprich: der Ausschluss
aus dem Stamm - als indirekte, aber sichere Todesstrafe. Junge Menschen
wurden wiederum durch z.T. grausame Initiationsriten eingebunden.
- In traditionsgeleiteten Gesellschaften (n. Riesman) führte der Auszug aus der
Herkunftsfamilie oftmals nahtlos in die nächste familiäre Einbindung.
- In asiatischen, afrikanischen und altamerikanischen Kulturen wird nicht die
Ablösung der Kinder angestrebt, sondern die Veränderung ihres Status.
- Erst die monotheistischen Religionen etablieren ein Ich-Du Verhältnis zur
Gottheit und so auch die Basis für Individualität.
- Die Ablösung als notwendiger Schritt zur Eigenständigkeit kommt aber erst in
der Phase der gesellschaftlichen Innenleitung, nach Entdeckung des ICH auf.
- Die damit einhergehende Industrialisierung unterstreicht dieses Verständnis.
Fazit: Ablösung, Eigenständigkeit und Individualität
stellen normative Konzepte der westlichen Moderne dar.
Herbst 2015
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Adoleszenz IV
Normative Ziele: Individuation und Verantwortung
Individuation
-
Symmetrisierung der Beziehung zu den relevanten Erwachsenen (z.B.
Eltern) durch Aufbau und Erleben der Ich/Du-Differenz
Ausprobieren verschiedener Seinsweisen (= psychische Systeme) und
Aufbau des polyphrenen Reservoirs
Akzeptanz der eigenen Vielfältigkeit und dennoch Erleben der Eigenheit
Gestaltung von symmetrischen Beziehungen zu Gleichaltrigen
Erleben von Selbst- und sozialer Wirksamkeit.
Verantwortung
-
Akzeptanz des Soseins von relevanten Erwachsenen
Übernahme der Notwendigkeit, sich für andere verständlich zu machen
Einordnung und Einsatz der polyphrenen Möglichkeiten auf sozial
vertretbare Weise
Achtung vor der Individualität und Ebenbürtigkeit des Anderen
Impulskontrolle und Kontrolle der Wirksamkeit
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Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz V
Krisenzeit?
Jeder Übergang von einem zum anderen Zustand setzt eine Destabilisierung
des früheren Zustands voraus. Insofern kann von der Adoleszenz als einer
Zeit des Übergangs als von einer Zeit der Krisen gesprochen werden.
Wie diese Destabilisierungen ablaufen, ob schmerzlich, einschränkend bis hin
zu pathologisch oder gemeistert, eröffnend oder gar produktiv, hängt von
weiteren Faktoren ab, unter anderem:
-
Kognitive Offenheit bzw. Flexibilität und emotionale Tragfähigkeit des
zentralen Lebenskontexts (zumeist der Familie)
-
Individuelle, angeborene oder erworbene „Begabungen“ des/der
Jugendlichen im Umgang mit Belastungen (u.a. Selbstwirksamkeit)
-
Merkmale des erweiterten sozialen Kontexts (Schule, Freunde, Vereine…)
-
Wirtschaftliche Lage der Familie und allgemeiner Zustand der Gesellschaft
in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht usw.
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Dr. Kurt Ludewig
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Adoleszenz VI
Destabilisierende körperliche Veränderungen
Die sexuellen Hormone (Testosteron bei , Östrogene bei ) entfalten starke Aktivitäten
im limbischen System und lösen starke Gefühle aus. Ihre Auswirkung hängt aber von
Merkmalen der Lebenssituation.
Handeln und Urteilen wird von der Amygdala, d.h.weitgehend emotional gesteuert
Veränderung der funktionelle Architektur des Gehirns bei 15-17 Jährigen (Nach-lass der
Amplitude und Synchronisation der Oszillationen im Beta- und Gamma-Band im EEG)
► Reorganisation der Synchronisationsmuster.
Vorübergehende Destabilisierung kortikaler Netzwerke mit Verlust von 15% der grauen
und Zunahme der weißen Gehirnmasse. Das Gehirn enthält dann weniger, jedoch,
schnellere und genauere Verbindungen.
Langsame Weiterentwicklung des präfrontalen Kortex (Planung, Kontrolle, Motivation,
Konsequenzen,Werte, Entscheidung).
Kurzum: Die Adoleszenz ist schon hirnphysiologisch eine instabile Phase.
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Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen, die zum
Anlass einer Intervention
geworden sind.
Einige Besonderheiten
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Dr. Kurt Ludewig
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Veränderungstheorie
Anwendung auf Jugendliche
Ausgangsthese: Jede Veränderung impliziert eine Destabilisierung.
Eine therapeutische Veränderung erfolgt aus systemischer Sicht in drei
Phasen:
1. Destabilisierung des problemreproduzierenden psychischen oder
kommunikativen Systems →
2. Ultrastabilisierung des Übergangs durch eine tragfähige therapeutische
Beziehung →
3. Stabilisierung des neuen Zustands.
In der Therapie mit Adoleszenten:
1. Sehr behutsame Destabilisierungsarbeit bei ohnehin instabilen
Grundstrukturen →
2. Gestaltung der therapeutischen Beziehung unter Berücksichtigung der
Besonderheiten dieser Altersgruppe →
3. Flexible Anbindung des neuen Zustands an den Lebenskontext.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Einige Besonderheiten der Hilfestellung
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist in den seltensten
Fällen nur Therapie. In aller Regel finden unterschiedliche
Formen der Hilfe und Fürsorge gleichzeitig statt:
Hilfe:
–
Anleitung (Fertigkeiten lernen)
–
Beratung (z.B. Erziehungs- und Lebensberatung)
–
Begleitung (von Eltern und Kind im Entwicklungsprozess)
–
Therapie (einzeln, Familie und Gruppe)
Fürsorge:
–
Anleitung (z.B. Eltern-Training)
–
Beratung (s. oben)
–
Begleitung (z.B. Familienhilfe)
–
Kontrolle (Disziplinierung, Zwangsmaßnahmen)
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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PROFESSIONELLE SOZIALE VERSORGUNG:
Ein Kommunikationsmodell
Bedürftigkeit wird persönlich oder sozial ermittelt
ZIEL DER VERSORGUNG
ERWEITERUNG
<Wunsch nach mehr von ...>

MUSTER DER
VERSORGUNG
KONVERGENZ
<
>
< Angleichung >
DIFFERENZ
< -erhaltung >

<Wunsch nach weniger von....>
VERRINGERUNG
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Professionelle psychosoziale Versorgung Grundarten: Hilfe und Fürsorge
HILFE
FÜRSORGE
Das Problem wird von den
Betroffenen selbst festgestellt
Das Problem wird von Dritten, z.B.
sozialer Instanzen, ermittelt
Diese entwickeln ein Anliegen und
suchen nach Hilfe
Das Anliegen wird an Fachleute
delegiert
Die Form der Hilfestellung resultiert Die Form der Hilfestellung resultiert
aus dem Anliegen
aus dem Anliegen
Die Hilfestellung richtet sich nach
dem mit den betroffenen frei
vereinbarten Auftrag
Herbst 2015
Die Fürsorge wird nach Maßgabe
der sozialen Instanzen, d.h. der
„Auftraggeber“ gewährt.
Dr. Kurt Ludewig
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HELFEN UND FÜRSORGE:
ZWEI MÖGLICHKEITEN FÜR DEN UMGANG MIT BEDÜRFTIGKEIT
Grundarten professionellen Helfens
- Bedürftigkeit wird persönlich ermittelt ZIEL DER HILFESUCHE
ERWEITERUNG

MUSTER DER
VERSORGUNG
Anleitung
Beratung
KONVERGENZ <
> DIFFERENZ
Begleitung
Therapie

VERRINGERUNG
Grundarten professioneller Fürsorge
- Bedürftigkeit wird gesellschaftlich ermittelt ZIEL DER FÜRSORGE
ERWEITERUNG

MUSTER DER
VERSORGUNG
Anleitung
Beratung
KONVERGENZ <
>
Begleitung
DIFFERENZ
Kontrolle

VERRINGERUNG
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Wahl der Therapieform
-Bei +/- intakten Familien von Kindern und kooperativen Jugendlichen ist
Familientherapie angezeigt. Veränderungen im Lebensmilieu wirken sich oft als
förderlich für das Kind bzw. den Jugendlichen. Nach ersten „Erfolgen“ im
Familiengespräch und nach erteilter „Erlaubnis“ durch die Eltern bietet sich bei
Jugendlichen an, in ein Einzelsetting überzugehen.
- Bei Kindern in Pflege/Heimen wie oben unter Einbeziehung der zuständigen
Bezugspersonen.
- Ist keine Bezugsperson vorhanden (z.B. tote, psychisch kranke, behinderte oder
desinteressierte Eltern) ist Einzeltherapie das Mittel der Wahl. Dabei wird der
Therapeut zur wichtigen Bezugsperson.
- Bei selbstständigen Jugendlichen und solchen, die außerhalb der Familie leben,
könnte nach „erfolgreichem“ Beginn im Einzelsetting die vom Jugendlichen
akzeptierte Einbeziehung relevanter Angehöriger hilfreich sein.
- Bei sehr besorgten Eltern von abweisenden Jugendlichen lohnt es sich, mit den
Eltern allein zu arbeiten – bei „Erfolg“ könnte der Jugendliche dazu kommen.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Besonderheiten
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten I
• Prinzipielle Asymmetrie
von Therapeut/in und "Klient/in„
Je älter das Kind desto symmetrischer die
therapeutische Beziehung
-
Präpubertäre Kinder sind selten Klienten
Pubertierende Jugendliche sind Grenzgänger
Jugendliche können je nach Reifegrad
tatsächlich „Kunden“ sein.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten II
Die Arbeit mit Kindern/Jugendlichen bedeutet ein
behutsames Balancieren mit Gegensätzen,
etwa zwischen
•
bereits Vorhandenem und Neuem
•
Loyalität und Selbstbestimmung
•
Akzeptanz und Anleitung
•
Hilfe und Fürsorge
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten III
Zum Verhältnis von
Anliegen und Auftrag
1.
Abklärung über den Auftraggeber
wer will was von wem? wer darf das?
2.
Erarbeitung der Anliegen
wer darf was sagen und wollen?
3.
Herbst 2015
Vereinbarung eines kontext- und
altersgerechten Auftrags – mit wem?
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten IV
Zu Kundenorientierung und informierter Zustimmung:
• Ab welchem Alter bzw. Reifegrad ist ein Kind kundig = Kunde?
• Mit wem soll kundenorientiert gearbeitet werden?
• Ab wann kann ein Kind seine informierte Zustimmung geben?
• Wie viel darf/soll das Kind über die Ziele der Therapie erfahren?
• Was kann hierzu vom Kind erwartet werden?
• Welche Informationen können das Kind unnötig verletzen?
Wobei: Kind ≠ Adoleszent ≠ Erwachsener
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten V
Kontextbezogenheit:
Welches Setting für welchen Klienten?
→ Dabei Loyalität und Überforderung beachten!
Kindheit:
Beratung/Coaching der Eltern ohne Kind –
Kinder haben selten Gestaltungseinfluss auf ihr Milieu
gfs. Ergänzend: Spieltherapie, Familienbrett o.ä.
Pubertät:
Familientherapie mit/ohne Kind
gfs. einzeltherapeutische Sitzungen, Spiele,
thematische Gruppen, „Spaziergänge“
Adoleszenz: Familientherapie mit Kind
gfs. Fortführung im Einzelsetting, auch Gruppentherapie
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten VI
Mitgefühl:
Verführungssog des "Kindheitsschemas“ und Neigung zu
•
•
•
"besseren Eltern“
Mitleid
einseitiger Parteinahme für das Kind, gegen die Eltern
oder umgekehrt, für die Eltern gegen das Kind.
Dabei beachten:
Kinder haben die Eltern, die sie haben
und keine anderen!
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten VII
Unmittelbarkeit:
Direktheit emotionaler Bezogenheit und Zuneigung
Daraus folgt für den/die Therapeut/in:
•
Notwendigkeit, von sich aus Nähe und Distanz zu
regulieren, ohne sich auf das Kind verlassen zu können
•
Klare Grenzziehung
- bei nicht abweisender Offenheit
•
Penible Grenzeinhaltung
- bei emotionaler Zugewandtheit
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Besonderheiten VIII
Transparenz:
Wie bei jeder Therapie mit sog. "Borderliners" (= Grenzgängern
bzw. grenzunsicheren Menschen) erfordert die Arbeit mit
MInderjährigen eine bestmögliche, hier altersgerechte
Transparenz des eigenen Handelns.
Es besteht die Notwendigkeit zu balancieren
-
bei Kindern zwischen ihrer existenziellen Abhängigkeit und
emotionalen Loyalität einerseits und ihrer Sehnsucht nach
Besserung andererseits;
-
bei Jugendlichen – darüber hinaus – zwischen ihrer
ambivalenten Neigung zur Abhängigkeit (klein sein) und
Ablehnung (groß sein) gegenüber Erwachsenen.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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Kinder und Jugendliche
Fazit:
Systemische
Therapie
mit
Kindern
oder
Jugendlichen unterscheidet sich nicht wesentlich
von der Arbeit mit anderen Personenkreisen.
Die Kunst der Therapie besteht hierbei darin, die
praktische Umsetzung systemischen Denkens mit
behutsamem Bedacht auf einige Besonderheiten
dieser noch „werdenden“ Kunden zu vollziehen.
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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ENDE
Vorlage im Internet zu finden unter:
http://www.kurtludewig.de
„Texte“ : Jugendpsychotherapie
Texte im „Gesperrten Bereich“:
Dabei: Benutzername: Kludewig
Passwort:
gast2006
Herbst 2015
Dr. Kurt Ludewig
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