4.2 Erziehungswissenschaftliche Konzepte in der Migrationsgesellschaft aus rassismuskritischer Perspektive Verfasser: Lucas Günther, Malin Osmers, Linda Förster, Denise Heider Gliederung Ausländerpädagogik Interkulturelle Pädagogik Der „Kultur“-Begriff Antirassismus und Kritik Rassismuskritischer Ansatz Ausländerpädagogik Entstehung: entstanden durch die Vielfalt der Lebensformen anhand der Migrationsprozesse Pluralität in der Multikulturalität ergeben eine enorme Differenz und Diskrepanz Inklusion, Teilhabe und Anerkennung (Schule als Sensibilator) Geschichte 60er: erste Problematiken, weil viele Gastarbeiter nach Deutschland kamen 70er: Umbruch durch die gestiegenen Anforderungen im Bezug auf die „Ausländerkindern“ 80er: wurde dieses System kritisiert, woraufhin die multikulture Gesellschaft entstand 90er bis heute: rechtsextremen Angriffe, die dazu führten, dass kulturelle Bildung und Erziehung zur Qualifikation wurden Begriffserläuterung: grundlegende pädagogische Reaktion auf migrationsgesellschaftliche Unterschiede beruht auf geschichtlichem und politischem Kontext, welches Handlungsansätze und Referenzen vorgibt aus der direkten Kritik an ihr erst entstanden kritisiert und durch die interkulturelle Pädagogik ersetzt Kulturbegriffe Vor dem 17 Jahrhundert: Kultur als relativer Begriff, der sich auf einzelne Tätigkeiten bezieht Seit dem 17 Jahrhundert: Verwendung als absoluter Begriff: Kultur als Sammelbegriff aller menschlicher Tätigkeiten Herder: entwickelt Kulturbegriff, wie er noch heute verstanden wird - Kultur eines Volkes/Nation/Gruppe: -> geht zurück auf Herder Ende des 18 Jhr. - Als Kugel dargestellt - durch Nationalstaat begrenzt : Idee einer geschlossenen und einheitlichen Nationalkultur - Kultur als trennender Begriff; dient der Abgrenzung - Kultur immer als Kultur eines „Volkes“ Hofstädter: Bild des Eisbergs um Kultur zu beschreiben: Über der Oberfläche: Verhalten (1/3); unter der Oberfläche: Einstellungen, Werte (2/3) -> Kulturidee, die im Touristenführer vermittelt wird: Verhalten: Sprache, Essen, Feste, Künste…; -> tiefer unter der Oberfläche: Einstellungen zu Zeit, Mann/Frau, Familie Alexander Thomas: - Kultur als Orientierungssystem , dass Denken, Handeln und Fühlen beeinflusst - Kultur als Programmierung, Brille, damit wachsen wir auf Fazit: klassischer, sehr statischer und essentialistischer Kulturbegriff; Kultur prägt uns, es gibt verschiedene klar voneinander abgrenzbare Kulturen; Idee, dass Substanz der Kultur bestimmbar ist Multikultur (ethnisch fundiert) nach Huntington: Kugeln können sich gegenseitig abstoßen: Kulturkonflikt -> einflussreich bei der Ersetzung der „Rassekonstruktion“ durch Kultur Positiv: „Ich besuche dich und schaue mir das, was du tust, wohlwollend an“, Bsp: Karneval der Kulturen -> Kulturen im respektvollen Nebeneinander Interkultur (ethnisch fundiert) - gibt den sog. 3. Raum -> überlappende Kugeln: es entsteht ein interkultureller Raum - Fortbestehen eigener Identität nach monokulturellem Konzept Transkulturalität bei Welsch Kritik: Kulturelle Homogenität ist eine Fiktion - Auf individueller Ebene: Die Menge aus den Gruppen, zu denen Individuum gehört, macht es aus -> viele kulturelle Zugehörigkeiten -> Aber: Konstruktionen sind gesellschaftlich wirksam -> Es kommt zu gesamtgesellschaftlicher sozialer Zuweisung: -> Ein Türke, Chinese, Spanier… „muss“ „anders“ sein ->über Merkmal der Nation wird größere Unterschiedlichkeit angenommen Menschen denken in Eigen-und Fremdkultur; -> Problem: Reduktion -> Problematik der Machtverteilungen/ Herrschaftsverhältnisse Transkulturalität als dynamischer Kulturbegriff (vs. Statischer nach Herder), der Gesellschaften eher entspricht: Gesellschaften = durch Migrationsprozesse/ vielfältige Differenzierungen der Lebensformen in sich komplex -> jede Gesellschaft ist hybrid Lebensformen/ Zugehörigkeiten überschreiten nationale Grenzen Transkulturelles Kulturmodell: - Jeder Mensch ist fremd - Es gibt mit jedem Menschen ähnliche und fremde kulturelle Anteile Interkulturelle Pädagogik Generell: „interkulturell“= Schlüsselbegriff, um Fragen migrationsgesellschaftlicher Unterschiede/ Unterscheidungen zu thematisieren Natio-Ethno-Kulturelle Differenz Begriff der natio – ethno – kulturellen Differenz ist eng mit der Differenz zwischen Migrant/innen und NichtMigrant/innen und Migration im allgemeinen Verknüpft -> diese Differenz kann von außen zugeschrieben, erfahren oder interaktiv hergestellt sein -> Pädagogische Ansätze können Differenzen entweder Einschränken oder Anerkennen Programmatik der Interkulturellen Pädagogik Paradigmatische Ansätze: Wer gilt als „Anderer“? – alle sind (einander) Andere Unterscheidungskriterium? – Kultur Thematischer Fokus? – Identität Unterschiedskonzept? – Differenz Handlungsperspektive? – Anerkennung Handlungskonzept? – Begegnung/ Verstehen Leitmotive: (Auernheimer) 1. Eintreten für die Gleichheit aller (Ungeachtet der Herkunft) 2. Haltung des Respekts für Andersheit 3. Befähigung zu interkulturellem Verstehen / interkulturellem Dialog Bildungsziel : - Anerkennung von Lebensformen in ihrer Differenz ; - Förderung von wechselseitiger kommunikativer Anerkennung - Kulturen jenseits des Gegensatzes „Fremd“ – und „Eigenkultur“ zu denken Kritik: 1. Problem kulturalistischer Reduktion migrationsgesellschaftlicher Verhältnisse Soziale Realität: Weltweite Wanderungsbewegungen ->Pluralisierung sozialer Kontexte/ Stile/ Selbstverständnisse/ Beziehungen - IKP = Antwort auf neue Multikulturalität durch Arbeitsmigration (2. Hälfte des 20. Jrh.) - Anpassung des Bildungswesens = Versuch, eine Heterogene Gesellschaft in einem System zu vereinen und auszubilden Spannungsverhältnis zwischen: Recht auf nationale Besonderheit/ kulturelle Identität und Erfordernis interkultureller Offenheit/Verständigung -> GRUNDPROBLEM: Versuch, Verschiedenheit gerecht zu werden / zu unterstützen verfestigt Bild der Verschiedenheit -> kulturelle Differenz = migrationsgesellschaftliche Differenz -> Kultur als zentrale Dimension, um Unterschiede von Personen zu beschreiben/ untersuchen/ behandeln -> Problematisch: diese Perspektive = zu eingeschränkt für Beschäftigung mit Pluralität/ Diversifizierung als Resultat von Migration -> Als Bezeichnung einer Erziehungswissenschaftlichen Richtung zu Unklar! 2. Inseldenken -> Kulturen = Inseln zwischen denen es zu vermitteln gilt Kritik aus Transkultureller Perspektive: - Begriff „Kultur“ nicht in der Lage, Phänomene der Vermischung/ Hybridisierung/ Überschreitung kultureller Grenzen - Vereinheitlichung kultureller Gebilde KULTUBEGRIFF NACH WELSCH: 1. Behauptete Homogenität / Einheitlichkeit von Kultur (aber: allseitige Grenzüberschreitung!) 2. Völkische Fundierung von „Kultur“ 3. Für Erhalt der Einheit Kultur erforderliche Imagination von „Außen“ und „Fremd“ ebenfalls homogen und völkisch fundiert Ziel IKP: Kulturen jenseits des Gegensatzes Fremd – und Eigenkultur zu denken ABER: dann schwer, Anerkennung des je Anderen und seiner Identität zu gewährleisten 3. Inanspruchnahme durch Ausländerpädagogik -> Begriff interkulturelle Pädagogik vor allem dann in Anspruch genommen, wenn es um Migrant/innen geht (Bsp. PISA) -> SELEKTIVE INANSPRUCHNAHME -> Milieu der Ausländerpädagogik -> Behandlung unter dem Label „Kultur“ = Verschleierung für „Anders“ -> Rückfall in defizitäres Denken -> exkludierende Struktur der gesellschaftlichen Wirklichkeit -> implizite Unterstützung der Dominanz – und Herrschaftsstruktur -> Weiterführung von pädagogischem Konzept der AP 4. Kultur als Sprachversteck für Rassekonstruktion -> Kultur dient häufig als Äquivalent für Rasse -> „Sprachversteck“ -> Kulturrassismus: In dem Gruppen eine bestimmte Kultur zugeschrieben wird, werden sie von außen definiert; Anschluss: Hierarchisierung der Kulturen Antirassismus Delegitimation rassistischer Diskurse Gegendiskurse initiieren Thema „Rassismus“ wird benannt und in seiner gesellschaftlichen und institutionellen Verwurzelung betrachtet Ziel: Beitrag zu gerechteren Verhältnissen leisten Problematik: Paradoxe Effekte antirassistischer Perspektiven Antirassismuskritik Reduktionismus Scheinbare Notwendigkeit einer Definition von Rassismus Holistisches Paradigma: Rassismus als struktureller Ort Individualistisches Paradigma: soziale Eigenschaft eines Individuums durch Sozialisation Problematik: Modelliertes Wissen über Rassismus läuft Gefahr zu reduzieren und so zu reproduzieren Scheinbarer Nutzen: funktionale Problemsicht, einfache Problem-/Lösungsperspektiven, Herstellung von Handlungsfähigkeit Moralismus Totalisierende Auffassung von „race“ Blick auf andere Differenzlinien dadurch verhindert Rassismus als Problem nur der Weißen Schwarze als machtlose Opfer Antirassismus als legitimer Ankläger nicht gerechtfertigter Verhältnisse Implizite Aufforderung zur Nicht-Thematisierung führt zu Konservierung der Verhältnisse Akteure des antirassistischen Diskurses sichern ihre Position durch Reproduktion von Rassismus Essentialisierung Eingesetzte Unterscheidungen als problematisch (Schwarz/Weiß) Andere gesellschaftliche Differenzlinien werden ignoriert Homogenisierendes Konzept, durch welches Differenzen innerhalb der marginalisierten Gruppe übersehen werden Subjektivierung durch Antirassismus Rassistischer Diskurs weist Subjektpositionen zu Binäre Aufteilung der Gesellschaft (kulturell dazugehörig/ kulturell nicht dazugehörig) Antirassistischer Diskurs läuft Gefahr diese aufzugreifen Rassismusrelevanter Dualismus reproduziert Rassenkonstruktion: Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit „Täter“-„Opfer“-Position Komplexität von Identitäten wird verkannt und soziale Realität nicht angemessen erfasst. Wie kann also eine rassismuskritische Orientierung aussehen? 1) Analyse gesellschaftlicher Rahmenbedingungen: - Wir-Sie-Einteilung in Politik und Meiden → rasialisierende und kulturalisierende Abgrenzung mit Abwertungen und Sanktionen → Aufteilung der Gesellschaft in Gruppen - kultur-rassistische oder biologisch-rassistische öffenntliche Äußerungen in den Medien verändern oder verstärken die die Ausgrenzung → re-etabilierung und Verfestigung rassistischer Strukturen und Handlungspraxen - Rassismus ist in der kapitalistischen Marktgesellschaft mit Sexismus, Behindertenfeindlichkeit & Heteronormativität verbunden 2) Rassismuskritische Institutionen- analytische Selbstrefelxion → Rassismuskritik als Beobachtungs- & Analyseperspektive auf & für Institutionen & die eigene (Team-)Arbeit → fragt, wie wir in einer Gesellschaft arbeiten können, trotz - aktivierenden Sozialstaates, - struktureller Ungerechtigkeit, trotz Ideologie der Chancengleichheit - Diskriminierungsverhältnissen - Reproduktion einkommensbezogener & ethinisierender Ungleichheit 3) Schaffen von rassismuskritischen Reflexions-, Sprech- & Handlungsräumen - rassismuskritische Soziale Arbeit will Betroffenen helfen → Auseinandersetzung mit ausgrenzender Gesetzgebung → systematische Qualifizierung während der Ausbildung → Räumlichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus - Notwendigkeit der Kooperation von Institutionen → gemeinsame Förderkonzepte → kommunales Gesamtkonzept gegen rassistische Diskriminierung & Rassismus entwickeln 4) Wider dem herrschenden Intergrationsparadigma - Konzept Integration wurde von der dominanten politischen & wirtschaftlichen Klasse entwickelt - historische Migrations- & Integrationspolitik in der BRD: Ausbeutung von Arbeitskraft, aber gleichbleibende Rechtseinschränkung& Anpassungsforderungen der „ethnisch & rassialisierend Anderen“ → Frage: Sollte das Konzept der Integration lieber durch eine rassismuskritische Partizipations- & Teilhabepolitik ersetzt oder ergänzt werden? 5) Migrantischer/ Schwarzer Widerstand als Strategie - unterschiedliche rassismuskritische/ antirassistische Bewegungen: → Einfoerderung von Menschenrechten/ allg. gleicher Rechte (Adressaten: Staat, Institutionen, PolitikerInnen, Beamte) → Forderung von Veränderungen in den Ausgrenzungs- & Benachteilugungspraxen (Adressaten: rassistische diskriminierte Personen) - Staat wird Privilegien nicht abgeben wollen → betroffene Personen müssen selbst Widerstandsformen & Taktiken entwickeln 6) Rassismuskritisches, politisches Wissenschafts- & Pädagogikverständnis - Aufgabe der Wissenschaft ist das Gewinnen von Erkenntnissen, das Streben nach gerechten Verhältnissen & die machtkritische Reflexion von beiden - Wissenschaft & Pädagogik sind politisch verankert - Wissenschaft & Pädagogik streben die Verringerung von Leiden & Mühsal an Grundzüge einer rassismuskritischen pädagogischen Perspektive 1) Mehr distributive Gerechtigkeit - Bildungsinstitutionen sind selbst für (re-)produzierte Ungleichheiten verantwortlich 2) Antirassistische Performanz - antirassistische Selbstdarstellung als Entlastung der Betroffenen 3) Vermittlung von Wissen über Rassismus - geschichtliches Wissen - rassismustheoretisches Wissen 4) Thematisierung von Zugehörigkeitserfahrungen - Reflexion der eigenen Rassismen, Positionierung 5) Reflexion der Zuschreibungsmuster - Reflexion rassistischer Zuschreibungsmuster, Suche nach alternativen Umschreibungen 6) Dekonstruktion binärer Schemata - binäre Abgrenzung („Weißsein“,“Schwarzsein“) abbauen → notwendig ist die Akzeptanz einer Mehrfachzugehörigkeit
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