Russland – Sowjetunion
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Russland vor der Oktoberrevolution 1917
1815 sah sich Russland nach der Niederlage Napoleons als „Retter Europas“, und Zar
Alexander I. war ein Vertreter der traditionellen Ordnung (vgl. Heilige Allianz).
1825 kam es zum Dekabristenaufstand (russ. für Dezember) junger Offiziere, die Ideen von
Freiheit, Menschenrechten und Reformen vertraten.
Zar Nikolaus I. kämpfte vehement gegen Demokratie und Revolution. Russland übernahm
die Rolle eines „Polizisten“ gegenüber Polen und Österreich. Russland wollte auch immer
weiter nach Westen vordringen ( Balkan, Türkei -> „Orientalische Frage“).
Der Krimkrieg 1853 – 1856 zeigte aber deutlich, dass die andern Länder viel modernisierter
als Russland waren. Nach der Niederlage Russlands wurde das Schwarze Meer entmilitarisiert und der Zugang Russlands zu den Meerengen versperrt.
Im Inneren hatte Russland schwierige wirtschaftliche und soziale Probleme:
Statistik zur Wohnbevölkerung von 1836, europäisches Russland
Leibeigene Bauern (les serfs) auf Gütern des Staates und des Zaren
Leibeigene Bauern auf Privatgütern von Adeligen
Bürgerliche (Geistliche, Beamte, Kaufleute, Handwerker)
Adelige Grundbesitzer
20.0 Mio
25.5 Mio
4.5 Mio
0.5 Mio
In: B. Krapp, Bauernnot in Russland und bolschewistische Revolution, Stuttgart 1973,S.2
Karikatur von Gustave Doré, 1854. Russische Gutsbesitzer beim Kartenspiel
Die Gutsbesitzer besassen die Polizeigewalt und durften über ihre Bauern Recht sprechen.
Zwischen 1825 und 1861 gab es fast 1200 Bauernaufstände. Allein 1835 bis 1854 wurden
144 Gutsherrn von ihren Leibeigenen erschlagen.
Zar Alexander II. (1855 – 1881) eröffnete die liberalen Reformen in Russland: 1861
Aufhebung der Leibeigenschaft, 1864/70 ländliche und städtische Selbstverwaltung.
Durch die Abschaffung der Leibeigenschaft wurden die bisher leibeigenen Bauern persönlich
frei. Sie konnten nicht mehr verkauft oder getauscht werden, sie durften auch ohne
besondere Erlaubnis heiraten, vor Gericht in eigenen Namen handeln, Eigentum besitzen
sowie Handel und Gewerbe treiben. Aber für den eigenen Grund und Boden, der ihnen mit
der Bauernbefreiung zugeteilt werden sollte, mussten sie den bisherigen Besitzern hohe
Entschädigungen zahlen (49 Jahresraten). Die meisten Bauern konnten diese Summen nicht
bezahlen und verarmten. Sie mussten als Landarbeiter auf den Feldern des Gutsherrn
arbeiten. Dies war für wie eine Fortsetzungen der Verhältnisse vor 1861.
Russland – Sowjetunion
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1913 arbeiteten noch immer drei Viertel aller Russen in der Landwirtschaft. Die Kulaken,
reichere Bauern, konnten nach der Bauernbefreiung Land der Adeligen und der Kleinbauern
erwerben:
Aufteilung des Grundbesitzes 1913 Gruppe
Zahl der Besitzer Bodenfläche
In Millionen
in Mio ha
Ärmste Bauern
10.5
75
Mittlere Bauern
1.0
15
Kulaken und kleinere Adlige
1.5
70
Grossgrundbesitzer, Zar
0.03
70
Kirche, Klöster
50
Nach: F. Sternberg, Kapitalismus und Sozialismus vor dem Weltgericht, Hamburg 1951, S. 221f
Die industrielle Entwicklung begann erst in den 1860er Jahren. Der Staat finanzierte vor
allem die Eisenbahnlinien. Durch die Industrialisierung lösten sich langsam die alten
Abhängigkeiten des Feudalismus. Es entstanden mit ausländischem Kapital finanzierte
Grossunternehmen der Textil- und Schwerindustrie vor allem um St. Petersburg. Moskau
und in der Ukraine sowie im Gebiet um Baku (Erdölindustrie). Die Zahl der Fabrikarbeiter
stieg rasch an. Aber die sozialen Verhältnisse in den Industriestädten waren sehr schlecht
(Arbeiterkasernen, Frauen- und Kinderarbeit, sehr tiefe Löhne, 13-Stundenarbeitstag, Verbot
der Gewerkschaften). Dagegen wandten sich im Untergrund organisierte revolutionäre
Arbeitergruppen.
Um 1900 besassen Aktionäre aus dem Westen 70% der Bergwerke und 42% der
Metallindustrie. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Russland Grossmacht und
Entwicklungsland in einem.
Autokratie und Opposition Das russische Reich wurde von einem Zaren (Kaiser) regiert. Er besass die ganze Macht im
Staat. Es gab keine Verfassung, die die Autokratie (Selbstherrschaft) des Zaren
einschränkte. Russland hatte kein Parlament, das bei der Gesetzesgebung mitwirkte und die
Exekutive kontrollierte. Die meisten Offiziere und hohen Staatsbeamten aus dem Adel waren
überzeugte Vertreter dieser Zarenherrschaft. Sie waren an der Erhaltung der bestehenden
Ordnung interessiert und sahen darin auch das beste Mittel gegen den „Landhunger“ der
Bauern.
Die Alleinherrschaft des Zaren hatte aber auch viele Gegner, zum Teil im Adel und vor allem
im Bürgertum. Die Angehörigen der sogenannten Intelligentsia wollten einen liberalen Verfassungsstaat nach westeuropäischem Vorbild. Die Narodniki (russ. ins Volk Gehende)
versuchten mit einem Zug ins Volk des Vertrauen der Bauern zu gewinnen, denn sie sahen
in den Bauern die zukünftigen Träger einer besseren Gesellschaftsordung. Sie wollten die
Bauern aufklären und zu einem Bauernaufstand bewegen. Als die Bauern nichts davon
wissen wollten, gingen ein Teil der Narodniki zur Praxis des Terrors über. 1881 erschoss
einer dieser Terroristen Zar Alexander II. . Nach dieser Tat wurden die Narodniki von der
Polizei zerschlagen. Zar Alexander III. (1881 – 1894) verstärkte den Kampf gegen die
Revolutionäre (z.B Ochrana = poliltische Polizei seit 1881). Pogrome gegen Juden sollten
ausserdem von den inneren Problemen ablenken.
Zu den führenden revolutionär-oppositionellen Gruppen gehörte seit Ende des 19. Jahrhunderts die sozialdemokratische Partei Russlands. Sie spaltete sich 1903 in die Flügel der
gemässigten Menschewiki (russ. Minderheit) und der radikaleren Bolschwewiki (Mehrheit ).
Deren Führer war der 1870 geborene Rechtsanwalt Wladimir Iljitsch Uljanow, der sich 1901
den revolutionären Decknamen Lenin gegeben hatte.
Russland – Sowjetunion
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Der Sieg des Bolschewismus
Russland wird zur Sowjetunion
Überblick
• In dem autokratisch regierten, wirtschaftlich und sozial rückständigen
Russland entsteht im 19. Jahrhundert eine
vielschichtige Oppositionsbewegung, getragen von der Intelligentsia und
beeinflusst von den westlichen Ideen des
Liberalismus und Sozialismus.
• Eine wichtige Rolle spielt die 1898 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), die sich 1903
in die Gruppe der Menschewisten und der
Bolschewisten aufteilt. Lenin entwickelt
(vor allem in der Schrift »Was tun?«,
1902) sein auf die russischen Verhältnisse
angepasstes revolutionäres Programm
(Marxismus-Leninismus).
• Ausgelöst durch die Niederlage im
russisch-japanischen
Krieg
(1904/05)
kommt es zur ersten russischen
Revolution (1905), in deren Verlauf
erstmals Sowjets (Arbeiterräte) gebildet
werden. Der Zar ist zu Zugeständnissen
(Duma) gezwungen, die aber in der Praxis
bald unterlaufen werden (Phase des
Scheinkonstitutionalismus bis 1917).
• Im Verlauf des Ersten Weltkrieges löst
die militärisch und wirtschaftlich katastrophale Situation die Februarrevolution
1917 aus, die zum Sturz des Zaren führt.
Die provisorische Regierung, die bürgerlich-liberal ausgerichtet ist, steht in
Rivalität
zu
der
sozialistischen
Rätebewegung.
• In dieser Phase der Doppelherrschaft
wird das Eingreifen Lenins, der mit Hilfe
der deutschen Regierung nach Russland
gekommen ist, entscheidend. Seine
kompromisslosen, populären Forderungen
(Aprilthesen:
sofortiger
Frieden,
Landverteilung, »Alle Macht den Räten!«)
und die Schwäche der provisorischen
Regierung (Sept. 1917: Kornilow-Putsch)
stärken den Einfluss der bolschewistischen Partei.
• Mit der Oktoberrevolution 1917 - die
kein Volksaufstand, sondern eine organisierte und konsequent durchgeführte
Machtübernahme ist (Trotzki) – übernehmen die Bolschewisten die Regierung
und führen ihr Programm durch (Enteignung des Großgrundbesitzes, Frieden von
Brest-Litowsk mit Deutschland 1918).
• Trotz des grossen Widerstandes der
innenpolitischen Gegner (der »Weissen«),
die von den westlichen Grossmächten
unterstützt werden, kann sich die bolschewistische Regierung im russischen
Bürgerkrieg (1918- 1920) durchsetzen.
• Der Phase des Bürgerkrieges und des
Kriegskommunismus folgt ab 1921 eine taktische -Liberalisierung der Wirtschaft,
die Neue Ökonomische Politik (NEP).
• Nach Lenins Tod (1924) setzt sich Stalin
gegen Trotzki durch und errichtet praktisch
eine Diktatur.
• Der Stalinismus ist gekennzeichnet durch
die verstärkte, »nachholende« Industrialisierung, die Kollektivierung der Landwirtschaft, die Parteidiktatur und die
Herrschaft des bürokratischen Apparats,
die
Ausschaltung
jeder
Opposition
(Geheimpolizei, Säuberungswellen) sowie
einen wachsenden Personenkult um den
Diktator.
Die Oktoberrevolution von 1917 ist ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sie führt
zur Gründung der UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken), die sich unter der
Diktatur Stalins zu einer Grossmacht, nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Weltmacht
entwickelt. Die ideologischen Gegensätze zwischen dem kommunistischen System und den
liberal-demokratischen Auffassungen der westlichen Mächte führen nach 1945 zum so
genannten Ost-West-Konflikt (Kalter Krieg), der die Weltgeschichte der zweiten Hälfte des 20
Jahrhunderts geprägt hat (Auflösung der UdSSR und Gründung der Gemeinschaft
unabhängiger Staaten (GUS) am 21.12. 1991).
Russland – Sowjetunion
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Die Vorgeschichte
Die Revolution von 1905
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts besass der grösste Teil des russischen Volkes immer noch
keine politischen Rechte und lebte in grösster Armut. Das Land wurde autokratisch
regiert. Die Bauern, die wenig oder kein Land besassen, waren sehr unzufrieden.
Hunderttausende waren in die Städte abgewandert, um dort in der mit ausländischer
Kapitalhilfe spät aufblühenden Industrie Arbeit zu suchen. Die soziale Lage dieser
Proletarier war schlecht.
Die Ständepyramide: Plakat der russischen Sozialdemokraten von 1901. Die Aussagen lauten (von
oben). „Wir herrschen über euch.“ „Wir regieren euch.“ „Wir machen uns über euch lustig.“ Wir
schiessen auf euch.“ „Wir essen für euch.“ „Wir ernähren euch.“ „Wir arbeiten für euch.“
Russland – Sowjetunion
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Der russisch-japanische Krieg 1904/1905, den Russland verlor, vergrösserte die Not des
Volkes. In den grossen Städten brach im Winter die Lebensmittelversorgung zusammen. Im
Januar 1905 schossen in Petersburg Gardetruppen auf unbewaffnete Demonstranten, die
zum Schlosses gezogen waren, um dem Zaren eine Bittschrift zu überreichen (Blutiger
Sonntag (9.1. 1905): mehr als 1000 Tote).
Zug der Demonstranten am„Blutigen Sonntag" zum Schloss (9.1.1905)
Die Vertreter der streikenden Arbeiter tragen Fahnen und Zarenbilder
Attentate und Streiks waren die Folgen. Die Besatzung des Panzerkreuzers „Potemkin",
der in Odessa lag, meuterte. In den Fabriken wurden Sowjets, Arbeiterräte, gebildet.
Während einer kurzen Zeit kontrollierte der Petersburger Sowjet sogar die Hauptstadt.
Schließlich kam es zu einem Generalstreik (Oktober 1905) und der Zaren musste
nachgeben. Aber es gelang ihm, die Opposition zu spalten, indem er bürgerlich-liberalen
Forderungen erfüllte: Er versprach eine Verfassung und die Wahl eines Parlaments. Im
Mai 1906 trat dann die erste Volksvertretung (Duma) zusammen, aber schon nach zwei
Monaten wurde sie wieder aufgelöst. Die Regierung fühlte sich nach der Niederschlagung
der Aufstände stark genug, um zum alten autokratischen Kurs zurückzukehren. Sie
schränkte das Wahlrecht zur Volksvertretung ein und auch die Mitspracherechte der Duma.
So konnte die Duma keinen wirklichen Einfluss gewinnen (Scheinkonstitutionalismus).
Die Revolution von 1905 hatte gezeigt, wie gefährdet die Herrschaft des Zaren war. Obwohl
der neue starke Mann, Ministerpräsident Stolypin (1906 – 11, ermordet), einerseits rigoros
gegen die revolutionären Kräfte kämpfte (Militärtribunale), war er andererseits aber auch zu
einer Agrarreform bereit. Diese Reform führte zu einer neuen sozialen Klasse, den so
genannten Kulaken. Sie waren selbständige Bauern, die über einen gewissen Wohlstand
verfügten.
Russland – Sowjetunion
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Der Marxismus-Leninismus
1870
18771891
1893
Überblick Lenin
Lenin wird am 22. April als Wladimir Iljitsch Uljanow Lenin in Simbirsk geboren.
Studium der Rechtswissenschaften in Kasan und Samara.
Lenin arbeitet in Sankt Petersburg als Rechtsanwalt. Er engagiert sich in
revolutionären Bewegungen und arbeitet mit führenden russischen
Sozialdemokraten.
1895
Unter dem Einfluss Plechanows wendet sich Lenin dem Marxismus zu und
gründet den 'Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse'. Er wird wegen
politischer Agitation verhaftet und
1897
zu drei Jahren Verbannung nach Sibirien verurteilt.
1900
Lenin geht freiwillig ins Exil, zuerst nach München, wo er mit Plechanow die
Zeitung Iskra gründet. Weitere Exilstationen sind Brüssel, Paris und London.
1902
In seiner Schrift Was tun? propagiert Lenin die straff organisierte Kaderpartei als
diejenige Kraft, die allein den revolutionären Umsturz herbeiführen kann.
1903
Auf dem Parteitag der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) in
London setzt sich Lenin mit seinem Kaderparteikonzept durch und löst damit die
Spaltung der Sozialdemokraten in Bolschewiki(um Lenin) und Menschewiki aus.
1905
Nach Ausbruch der Revolution kehrt Lenin für kurze Zeit nach Russland zurück;
die Bolschewiki und Menschewiki spielen jedoch in der Revolution keine Rolle.
1906
Lenin geht erneut in die Emigration und lebt in den folgenden elf Jahren vor allem
in Genf, Paris, Krakau und, ab 1914, wieder in der Schweiz. Er gibt verschiedene
Schriften heraus und baut eine revolutionäre Kaderpartei auf.
1912
Endgültige Trennung von den Menschewiki => die Bolschewiki als eigenständige
Partei. Lenin gibt er ab Mai die Prawda, die Parteizeitung der Bolschewiki, heraus.
1916
In Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus interpretiert er den
Imperialismus als Vorstufe zur Selbstauflösung des Kapitalismus.
1917
März/April: Nach Ausbruch der Februarrevolution reisen Lenin und andere
Revolutionäre mit offizieller deutscher Unterstützung nach Russland.
April: Lenin formuliert die Aprilthesen
Juli-Oktober: Lenin taucht in Finnland unter
November: Nach der Übernahme der Macht durch die Bolschewiki in der
Oktoberrevolution übernimmt Lenin als Vorsitzender des Rates der Volkskommissare die Regierung und leitet unter allmählicher Ausschaltung aller
anderen revolutionären Parteien die Errichtung eines diktatorischen Systems ein.
1918
Lenin schließt den Frieden von Brest-Litowsk mit den Mittelmächten.
1918Bürgerkrieg in Russland zwischen 'Roten' und 'Weißen', begleitet vom
1920/22 Kriegskommunismus.
1919
Lenin initiiert die Gründung der Dritten Internationale. Zur Zentralisierung der
Macht errichtet er das Politbüro und das Sekretariat der Partei.
1921
Der Kriegskommunismus wird durch die Neue Ökonomische Politik (NEP) ersetzt
1922
Im Mai erleidet Lenin einen ersten Schlaganfall und ist in der Folge nur noch
eingeschränkt arbeitsfähig.
Am 30. Dezember wird die Sowjetunion gegründet.
1923
Nach einem zweiten Schlaganfall ist Lenin kaum mehr handlungsfähig.
1924
Lenin stirbt am 21. Januar in Gorki..
(nach: http://de.encarta.msn.com/media_121624734_761562790_-1_1/Zeittafel_Lenin.html)
Russland – Sowjetunion
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Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Russland die Sozialdemokratische
Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), die aber in Russland verboten war und deshalb nur im
Ausland aktiv sein konnte. Zu ihren Führern gehörte Wladimir Iljitsch Uljanow, der sich
später Lenin nannte. Er wurde 1870 als Sohn eines Schulinspektors in Simbirsk an der
Wolga geboren. Mit 17 Jahren erlebte er die Hinrichtung seines älteren Bruders, der an
der Vorbereitung eines Attentats auf den Zaren beteiligt war. Nach dem Abschluss seines
Rechtsstudiums arbeitete er als Rechtsanwalt in Petersburg. Er war überzeugter Marxist
(stark beeinflusst von Georg Plechanow, dem „Vater des russischen Marxismus“)und bildete
revolutionäre Gruppen in der Arbeiterschaft. Wegen seiner politischen Idee wurde er für vier
Jahreer nach Sibirien verbannt; 1900 emigrierte er in die Schweiz, wo er mit anderen
russischen Flüchtlingen zusammentraf.
In seiner Schrift „Was tun?" (1902) entwickelte Lenin die Lehren von Karl Marx (MarxismusLeninismus) weiter. Er lehnte soziale und politische Reformen ab und forderte den Umsturz
durch eine Elitepartei von Berufsrevolutionären (Kaderpartei). Voraussetzung dafür war
seiner Meinung nach eine straff aufgebaute Parteiorganisation unter Führung der Intelligenz.
Diese Avantgarde hatte die Aufgabe, die Masse durch Erziehung auf den Kommunismus
vorzubereiten und sie zu führen,
Der spontane Kampf des Proletariats wird nicht zu einem wirklichen „Klassenkampf“ werden,
solange dieser Kampf nicht von einer starken Organisation der Revolutionäre geleitet wird .
Diese muss vor allem und hauptsächlich Leute erfassen, deren Beruf die revolutionäre
Tätigkeit ist. Hinter dieses allgemeine Merkmal der Mitglieder einer solchen Organisation
muss jeder Unterschied zwischen Arbeitern und Intellektuellen völlig zurücktreten, von den
beruflichen Unterschieden der einen wie der anderen ganz zu schweigen. Diese
Organisation muss notwendigerweise nicht sehr umfassend und möglichst konspirativ sein."
Wladimir Iljitsch Lenin, Was tun? 1902
Lenins Programm spaltete 1903 die Partei in Menschewiki, die eine revolutionäre
Massenpartei wollten, und Bolschewiki, die eine revolutionäre Elitepartei wollten.
Neben diesen Parteien waren auch zwei weitere „linke Parteien“, die Sozialrevolutionäre (die
aus den Narodniki entstanden waren) und die Kadetten, in Russland gegen das Regime des
Zaren aktiv. Die Kadetten wurden unterstützt von dem Bürgertum und waren gemässigt. Sie
wollten ein allgemeines Wahlrecht, eine Parlamentarisierung des Systems und
Agrarreformen.
In den folgenden Jahren entwickelte Lenin seine Lehre weiter. Er berücksichtigte dabei die
seit dem Tode von Karl Marx eingetretenen Veränderungen in der Weltpolitik und in der
kapitalistischen Wirtschaft und die Erfahrungen aus dem Scheitern der Revolution von 1905.
Der Imperialismus sei das höchste Stadium des Kapitalismus. Der Kampf des Kapitals um
die Aufteilung der Märkte und der Welt führe unvermeidlich zu Krisen und Kriegen. Darin
liege die Chance für eine proletarische Revolution.
Im Gegensatz zu der von Marx vertretenen Idee, die proletarische Revolution könne nur in
einer vollindustrialisierten Gesellschaft gelingen, hielt er eine Revolution gerade dort für
möglich, wo der Weltkapitalismus noch schwach war: in Russland.
Eine bürgerlich-liberale Revolution führe nicht zur Befreiung der Arbeiterklasse; sie müsse
deshalb bis zur Diktatur des Proletariats weitergetrieben werden, in der alle Gegner
gewaltsam zu unterdrücken seien. Die Sowjets seien in einer Krise das wirksame Instrument
zur Zerstörung der Staatsgewalt; in sie seien Parteivertreter einzuschleusen und dann die
Forderung zu erheben:„Alle Macht den Räten!" Die Bauern seien unfähig, eine politische
Aktion zu organisieren; durch Unterstützung ihrer Landforderungen müsse das
Industrieproletariat die Führung der revolutionären Bauernmassen an sich reißen, um seine
eigene zahlenmäßige Schwäche auszugleichen. Das heisst, nur ein Bündnis von Arbeitern
und Bauern unter der Führung der Kaderpartei der Bolschewiki kann zum Erfolg führen.
Russland – Sowjetunion
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Die Oktoberrevolution 1917
Der Sturz des Zarenregimes – Die Februarrevolution
Der für Russland besonders verlustreiche Weltkrieg, die organisatorische Unfähigkeit der
Regierung, eine starke Inflation und Lebensmittelmangel führten Anfang 1917 zu einer
revolutionären Situation. Im März 19171 (im Februar des alten russischen Kalenders) kam
es in St. Petersburg/Petrograd2 zu Demonstrationen und Streiks hungernder Arbeiter.
Schnell entwickelte sich daraus ein Aufstand, der auf andere Städte Russlands übergriff. Wie
schon 1905 bildeten sich in ganz Russland Arbeiter- und Soldatenräte. Das liberale
Bürgertum forderte die Abdankung des Zaren. Die in Petrograd gegen die Demonstranten
eingesetzten Truppen blieben untätig oder gingen gar zu ihnen über. Der Zar wurde
abgesetzt (2./15. März 1917) und verhaftet. Ein Jahr später wurde er mit seiner Familie von
den Bolschewisten ermordet.
Zar Nikolai II. mit seiner Familie (1910)
Es entsteht eine Situation der Doppelherrschaft: Zwei Mächtegruppen standen sich nun
gegenüber: die Liberalen, die zusammen mit den gemässigten Sozialisten eine
parlamentarische Demokratie einführen wollten und eine Provisorische Regierung bildeten,
und die Sowjets der Arbeiter und Soldaten. Die Sowjets hatte aber keine einheitliche
Führung, ausserdem waren die meisten Mitglieder auch nicht radikal (das heisst, die meisten
waren keine Bolschewiki). So tolerierten und unterstützten sie zuerst die Provisorische
Regierung (Regierung Kerenski). Die Regierung wollte aber den Krieg weiterführen und
plante eine grosse Offensive, um die Armeen der Deutschen und Österreicher
zurückdrängen. Der Wunsch des Volkes nach Frieden wurde nicht gehört. Die Regierung
ergriff auch keine Massnahmen für die Bauern, die eine Agrarreform wollten, und die
nichtrussischen Randvölker, die die Freiheit von Russland erreichen wollten.
1
Die doppelten Datenangaben gibt es, weil in Westeuropa und in Russland nicht der gleiche
Kalender benutzt wurde. Im Westen gilt seit 1582 der Gregorianische Kalender (nach Papst
Gregor XIII.), der den Julianischen Kalender Cäsars um 10 Tage korrigierte. Da Russland
aber orthodox war, wurde diese Reform nicht durchgeführt. Erst die Bolschewiki änderten im
Jahr 1918 den Kalender.
2
Der deutsche Name St. Petersburg wird mit dem Beginn des Krieges 1914 in russische
Petrograd umgewandelt. Ab 1924 heisst die Stadt Leningrad und seit 1991 wieder St.
Petersburg.
Russland – Sowjetunion
9
Der Sieg Lenins
Die Mittelmächte hatten gehofft, dass die Probleme in Russland sich für sie militärisch positiv
auswirken würden Aber zu ihrer Enttäuschung setzte die neue Provisorische Regierung den
Krieg fort. Deshalb wollten die deutsche Regierung und Heeresleitung radikalen Politiker die
Einreise nach Russland ermöglichen, um so die Spannungen in Russland zu vergrössern
und das Land noch mehr zu destabilisieren. Im April 1917 durfte eine Gruppe russischer
Emigranten aus der Schweiz über Deutschland nach Schweden reisen; von dort gelangte sie
über Finnland nach Petersburg. An ihrer Spitze stand Lenin.
Lenin gelang es, die enttäuschten Massen gegen die Regierung zu mobilisieren. Er forderte
in seinen Aprilthesen eine sofortige Beendigung des Krieges („Frieden um jeden Preis“),
„Alles Land den Bauern“, Kontrolle der Arbeiter über die Fabriken und „Alle Macht den
Räten.“(Ausserdem wurde auch der Parteinahme in „Kommunistische Partei“ geändert.)
Diesen Forderungen hatte die schwache, dazu noch von einer Gegenrevolution der Offiziere
bedrohte Regierung nichts entgegenzusetzen. Viele Soldaten verliessen die Armee, um bei
der Landverteilung nicht zu spät zu kommen: Die russische Front begann sich aufzulösen.
Lenin verkündet seine Aprilthesen
Im Juli 1917 versuchten die Bolschewiki einen Aufstand zu organisieren, der scheiterte.
Lenin floh nach Finnland. Aber bereits im September verfügten die Bolschewiki in den
wichtigsten Räten, vor allem in Petrograd und in Moskau, über die Mehrheit. Der
Putschversuch rechtsgerichteter Militärs – der Kornilow-Putsch3 – vergrösserte den
Machteinfluss der Bolschewiki, denn dieser Putsch wird nicht nur von den Truppen der
Regierung sondern auch von einer bewaffneten Roten Garde der Bolschewiki gestoppt.
Als Mitte Oktober 1917 ein „Militärisches Revolutionskomitee“ des Petrograder Sowjets unter
der Führung Totzkis4 entstand, das die meisten Truppen in Petrograd kontrollierte, sah Lenin
den Augenblick gekommen, die kommunistische Revolution durchzuführen.
3
Der Putsch wurde von General Kornilow, dem obersten Befehlshaber der russischen
Armee angeführt, daher die Bezeichnung Kornilow-Putsch. Nach der Oktoberrevolution
kämpfte Kornilow zusammen mit den Generälen Denikin, Aleksejew u.a. auf Seiten der
„Weissen“ gegen die Bolschewiki.
4
Leo Trotzki (Leib Bronstein, 1879 – 1940) war zuerst Menschewiki und Gegner Stalins,
1905 führte er den St. Petersburger Sowjet, schloss sich im Mai 1917 den Bolschewiki an
und wurde zu einem der wichtigsten Organisatoren der Oktoberrevolution.
Russland – Sowjetunion
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Die Oktoberrevolution
Der Panzerkreuzer „Aurora" gab mit einem Kanonenschuss das Signal und die von Trotzki
angeführten Rotgardisten besetzten am 6. November 1917 (am 24. 10 des alten russischen
Kalenders, daher Oktoberrevolution) die wichtigsten Punkte der Hauptstadt Petrograd und
stürmten das „Winterpalais", wo sich die Regierung mit wenigen Verteidigern befand. Die
meisten Minister wurden verhaftet, Kerenski konnte ins Ausland fliehen. Die
Oktoberrevolution war im Unterschied zur Februarrevolution 1917 und der Revolution von
1905 keine spontane Aktion der Massen, sondern ein geplantes und gut organisiertes
Unternehmen von Berufsrevolutionären. Die Revolution verlief unauffällig und es gab
relativ wenige Opfer.
Ein Sturm, der nicht stattfand: Szene aus dem Eisenstein-Film "Oktober" (1927).
Am nächsten Tag (25. Oktober 1917) trat der Allrussische Rätekongress zusammen und
war somit vor vollendete Tatsachen gestellt. Aus Protest gegen den Staatstreich verliessen
die Menschewiki und die meisten Sozialrevolutionäre den Kongress, der nun als
Regierung den Rat der Volkskommissare wählte, der nur noch aus Bolschewiki bestand.
An der Spitze der Regierung stand Lenin. Trotzki war für die Aussenpolitik und Stalin für
die nationalen Minderheiten
Als erste Massnahme wurden von der Regierung drei grundlegende Dekrete (Umsturzdekrete) beschlossen:
•
•
•
Dekret über den Frieden (sofortige Beendigung des Krieges)
Dekret über den Boden (Enteignung der Grossgrundbesitzer und der Kirche)
Dekret über die Rechte der Völker Russland (Selbstbestimmungsrecht für die
nichtrussischen Randvölker)
Bei der kurz darauf abgehaltenen Wahl zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung, die noch von Kerenski angesetzt worden war, erlitten Lenin und seine Partei
eine schwere Niederlage. Von 707 Sitzen erhielten die Bolschewisten nur 175, ihre
Verbündeten 40. Als die Nationalversammlung zusammentrat, liess Lenin sie deshalb bereits
am zweiten Tag mit militärischer Gewalt auflösen. Damit war, wie Lenin zu Trotzki sagte, „die
Idee der Demokratie zugunsten des Gedankens der Diktatur liquidiert".
Russland – Sowjetunion
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Der Friede von Brest-Litowsk
Die bolschewistische Regierung bot sofort Friedensverhandlungen an. Die Rechnung der
deutschen Führung war damit aufgegangen.
In Brest-Litowsk begannen im Dezember 1917 die Verhandlungen mit den Mittelmächten.
Sie kamen aber zu keinem Abschluss, weil die russische Delegation unter Führung Trotzkis gegen die Meinung Lenins - die deutschen Forderungen nicht erfüllen wollte: die
Abtretung Finnlands, des Baltikums, Polens und die Anerkennung der Selbständigkeit
der Ukraine. Insgesamt bedeuteten die Forderungen für Rußland den Verlust von 25% der
Bevölkerung und 75% der Schwerindustrie.
Um die Russen zum Nachgeben zu zwingen, begannen deutsche Truppen wieder vorzurücken. Estland, Weissrussland und die Ukraine wurden besetzt. Unter diesem Druck
setzte sich Lenin durch. Er brauchte den Frieden, um die bolschewistische Herrschaft gegen
ihre zahlreichen Gegner durchzusetzen. Auch hoffte er, dass die Arbeiter in den
kriegführenden Ländern dem russischen Beispiel folgen würden und somit die Weltrevolution
ausbrechen werde. Am 3. März 1918 wurde der Friedensvertrag unterzeichnet. Polen,
Finnland, die baltischen Staaten (Lettland, Estland, Litauen) und die Ukraine wurden
unhängig.
Die Bolschewistische Diktatur
Der russische Bürgerkrieg
Der Anfang der Revolution war einfach gewesen, aber dann trafen die Bolschewiki auf
grossen Widerstand. Russland erlebte eine schlimme Zeit des Terrors, des Hungers und
des Bürgerkriegs.
Russland – Sowjetunion
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Adelige, Offiziere und Bürgerliche organisierten den Widerstand gegen die Bolschewiki.
Ihre Führer sind die „weissen“ Generäle Kornilow, Denikin, Aleksejew, Krasnow, Koltschak
usw. Die Ententemächte beschlossen, in den Bürgerkrieg einzugreifen, und landeten
Truppen, um die Weissen zu unterstützen. Die Japaner zusammen mit wenigen USTruppen besetzten Wladiwostok und dann ganz Ostsibirien, die Franzosen Odessa und von
dort aus die westliche Ukraine, die Briten bemächtigten sich der Stadt Archangelsk im hohen
Norden und versuchten von dort aus südwärts gegen Petrograd und Moskau vorzudringen.
„Weiße" Generäle griffen mit ihren Armeen von Sibirien, von der Ukraine und von
Norden her die Bolschewiki an. (vgl. Karte S. 9). Das Regime der Bolschewiki war stark
bedroht. Die Ukraine, Georgien, Armenien und Asarbajdschan lösten sich mit der
Unterstützung der Weissen. Auch im Inneren gab es starken Widerstand. Die
Sozialrevolutionäre kämpften mit terroristischen Mitteln gegen Lenin und seine Anhänger.
Lenin wurde bei einem Attentat schwer verletzt (30.8.1918). Die Bolschewiki reagierten mit
Gegenterror mit Hilfe der neugegründeten Staatssicherheitspolizei Tscheka.
In dieser für die Bolschewiki sehr schwierigen Situation wurde im April 1918 Trotzki zum
Volkskommissar für Landesverteidigung ernannt. Er konnte vom Friede von Brest-Litowsk
profitieren, der ihm die nötige Atempause verschaffte, um die Rote Armee zu organisieren
und aufzubauen. Er übernahm die streng strukturierte Hierarchie der Kaderpartei der
Bolschewiki auf die Rote Armee, indem er Tausende von gut ausgebildeten zaristischen
Offizieren in die Armee integrierte und sie unter die politische Kontrolle bolschewistischer
Kommissare stellte. So entstand innerhalb von zwei Jahren eine schlagkräftige Armee von 5
Millionen Mann.
Trotzki mit Soldaten der Roten Armee
Ab Ende 1918 begannen die Gegenoffensiven der Roten Armee. Die Angriffe Koltschaks
vom Osten, Denikins vom Süden wurden zurückgeschlagen. Im November 1919 wurde
Omsk, der Sitz der weissen Regierung erobert. Bis Ende 1920 wurden alle von den
Weissen kontrollierten Gebiete zurückerobert. Die Bürgerkriegssituation wurde von
Polen ausgenutzt, um im polnisch-russischen Krieg (1920/21) nach Osten und Süden zu
vergrössern. Die Rote Armee konnte aber die Gebiete zurückerobern und kam bis nach
Warschau. Erst hier konnte Polen mit der Hilfe Frankreichs die Rote Armee zurückschlagen
und so sein Gebiet erfolgreich vergrössern (Friede von Riga 18.3.1921).
Warum konnte die Rote Armee den Bürgerkrieg gewinnen? Es gab verschiedene
Gründe: Die Rote Armee wurde von Trotzki straff geführt (Kommissare), die meisten
Soldaten waren Bauern, die davor Angst hatten, dass bei einem Sieg der Weissen die
Agrarreform rückgängig gemacht würden, die Unterdrückung der Opposition durch die
Tscheka, die Weissen hatten verschiedene politische Ziele (von Monarchisten bis
Menschewiki), der weisse Terror (Militärdiktaturen Koltschaks und Deninkins) und
Wiedereinsetzung der Gutsherren und vor allem die schlechte militärische Koordination der
Weissen.
Das russische Volk verlor im Bürgerkrieg mehr Menschen als im Weltkrieg: 11 Millionen (
plus 5 Milllionen durch die Hungersnot von 1921).
Russland – Sowjetunion
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Die Wirtschaft des Landes war völlig ruiniert, die Währung durch die Inflation entwertet. Die
Produktion sank auf ein Fünftel des Vorkriegsstandes; der Industrie fehlten Rohstoffe, ihre
Verstaatlichung hatte zu einem organisatorischen Zusammenbruch geführt. Dies hat mit dem
Kriegskommunismus zu tun, der die Gesellschaft umerziehen wollte. Die ganze Industrieund Gewerbeproduktion wurden verstaatlicht, ebenso der Boden. Die Bauern gezwungen,
ihre Ernte abzuliefern, es gab auch eine staatliche Kontrolle der Gewerkschaften. Die
Arbeitersowjets verloren in den Betrieben ihre Macht und wurden ersetzt durch staatliche
Direktoren.
Da durch den Bürgerkrieg schon die Lebensmittelproduktion stark beeinträchtigt worden war,
führte der Kriegskommunismus zur Katastrophe. Den Bauern wurde mit Gewalt die Ernte
weggenommen, also schränkten diese darauf die Anbauflächen ein. Die Hungersnot von
1920/21 forderte Millionen Tote. Es kam zu Streiks und Demonstrationen. Im März 1921
kam es zu einem Aufstand der Matrosen in Kronstadt, die gegen die Diktatur der neuen
Regierung kämpften. Sie sprachen von Versklavung durch die kommunistische Autokratie.
Der Aufstand wurde niedergeschlagen, er zeigte aber doch, dass ein Kurswechsel notwendig
war.
Die Rote Armee stürmt die Kronstädter Festung
Die NEP-Periode
Lenin erkannte, dass ein Wiederaufbau der Wirtschaft in diesem Augenblick mit kommunistischen Methoden nicht möglich war. Im März 1921 beschloss der Parteitag, den staatlichen
Druck zu verkleinern: Die Bauern konnten ihre Überschüsse auf dem freien Markt frei
verkaufen, private Kaufleute wurden wieder zugelassen (freier Binnenhandel), die Industrie
freier organisiert, privaten kleineren Betrieben eine gewisse Selbständigkeit eingeräumt.
Diese „Neue Ökonomische Politik" (NEP) hatte erstaunlichen Erfolg. Die Produktion
erreichte wieder den Vorkriegsstand, die Lebensmittelrationierung konnte zum grössten Teil
aufgehoben werden.
Gleichzeitig wurde an diesem Parteitag auch beschlossen, innerparteiliche Oppositionsgruppen zu verbieten. Damit wurde die bolschewistische Diktatur gefestigt.
Russland – Sowjetunion
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Die aussenpolitische Stellung der Sowjetunion zwischen den Weltkriegen
Nach der Oktoberrevolution hatte Lenin gehofft, dass durch die Probleme des Weltkriegs
sich eine Weltrevolution entwickeln werde, zuerst in dem am stärksten betroffenen
kapitalistischen Land: in Deutschland. Zur Organisation dieser Weltrevolution wurde im März
1919 die Komintern (KOMmunistische INTERNationale) gegründet. Sie war die
Befehlszentrale für alle kommunistischen Parteien der Welt. Die Alliierten hatten nach dem
Sieg der Bolschewiki gegen die Weissen, ihre Truppen aus Russland zurückgezogen. Sie
blieben gegenüber den Bolschewisten sehr misstrauisch. Sollte man mit einem Staat
diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen aufnehmen, der sich den politischen Umsturz
in aller Welt zum Ziel gesetzt hatte?
Die weitere Entwicklung enttäuschte die bolschewistischen Führer schwer. Sie mussten von
nun zwei Ziele verfolgen: Einerseits lenkten sie die kommunistischen Parteien in aller Welt
bei ihren Umsturzversuchen, andererseits versuchten sie, die außenpolitischen und
wirtschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarländern und den kapitalistischen
Großmächten zu normalisieren und damit die Isolierung zu überwinden. Mit den westlichen
Randstaaten und der Türkei wurden Friedensverträge abgeschlossen. Nachdem
Deutschland 1922 die Sowjetunion anerkannt hatte, folgten 1924 Großbritannien und
Frankreich. Die NEP-Periode hatte beruhigend auf sie gewirkt. Die USA entschlossen sich
aber erst 1933 dazu. Trotz der Anerkennung blieben die Beziehungen kühl. Nach der
Errichtung der NS-Diktatur in Deutschland zeichnete sich eine gewisse Wende ab. Die
Sowjetunion wurde in den Völkerbund aufgenommen und schloss Pakte mit Frankreich und
der Tschechoslowakei, doch wurde diese Entwicklung nach dem für die Sowjetunion
enttäuschenden Münchener Abkommen durch den Hitler-Stalin-Pakt unterbrochen.
Stalins Politik des „Sozialismus in einem Land"
Am 21. Januar 1924 starb Lenin. Nach seinem Tod kam es innerhalb der Kommunistischen
Partei zu einem Machtkampf. Es siegte Stalin. Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili,
genannt Stalin, der „Stählerne", wurde als Schuhmachersohn 1879 in Georgien geboren.
Schon als Schüler eines Priesterseminars stieß er zur marxistischen Untergrundbewegung.
Seit 1905 organisierte er Streiks im Erdölgebiet von Baku und später Banküberfälle zur
Füllung der Parteikasse; 1912 wurde er Mitglied der Parteiführung der Bolschewisten. Seit
1922 kontrollierte er als Generalsekretär die Parteiorganisation, gleichzeitig war er Mitglied
des Politbüros, der Führungsspitze des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei
(KPdSU).
Stalin
Trotzki
Stalins Gegenspieler war Trotzki. Trotzki wollte mit allen Mitteln die Weltrevolution (These
der permanenten Revolution) herbeiführen, weil die bolschewistische Diktatur, wenn sie
Russland – Sowjetunion
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allein auf Russland beschränkt bliebe, ständig gefährdet sei. Stalin dagegen wollte den
Sozialismus erst in einem Land verwirklichen. Alle ausländischen kommunistischen
Parteien sollten deshalb nur den Interessen des Vaterlandes der Werktätigen dienen. Wenn
die Sowjetunion mit Hilfe dieser Politik einmal ein machtvoller Staat geworden sei, dann
könnte sie um so wirkungsvoller die weltrevolutionären Ziele des Bolschewismus
unterstützen. Stalin gelang es, sich mit Kamenew und Sinowjew (sogenannte „Troika“) zu
verbünden und diffamierte Trotzki als ehemaligen Menschwiki und Abweichler von der
Parteilinie. 1925 musste Trotzki als Kriegskommissar zurücktreten, 1927 wurde er aus der
Partei ausgeschlossen, 1928 nach Zentralasien verbannt, später ausgewiesen und 1940 in
Mexiko ermordet.
Die Ausschaltung Trotzkis war aber nur der erste Schritt Stalins zur Alleinherrschaft. 1927
schaltete er Kamenew und Sinojew aus (als „Linksabweichler“), diesmal im Bündnis mit
Bucharin, Rykow und Tomskij, die dann ihrerseits 1929 als „Rechtsabweichler“ abgesetzt
wurden (1938 hingerichtet). Stalin war damit de facto Diktator der Sowjetunion.
Die Fünfjahrespläne – Forcierte Industrialisierung „Einholen und Ueberholen“
1928 begann eine neue Wirtschaftspolitik. Stalin formulierte das Ziel folgendermassen:
„Wir sind hinter den fortgeschrittenen Ländern um 50 bis 100 Jahre zurückgeblieben. Wir
müssen diese Distanz in 10 Jahren durchlaufen. Entweder wir bringen das zustande, oder
wir werden zermalmt.“
Für jeweils 5 Jahre wurden die Produktionszahlen genau festgelegt. Jedem
Wirtschaftszweig, jeder Fabrik wurde ein Plansoll vorgeschrieben. In schnellem Tempo trieb
Stalin mit dieser Planwirtschaft die Industrialisierung des Landes voran; besonderen Wert
legte er auf den Ausbau der Schwerindustrie. Auf dieser Grundlage begann nun auch eine
verstärkte Aufrüstung der Roten Armee.
In der Landwirtschaft kam es zur Kollektivierung: Millionen von Bauern wurden enteignet
und zum Teil „liquidiert", d. h. von Grund und Boden vertrieben, nach Sibirien und in
Arbeitslager (Gulags) verschickt; ca. 2 - 3 Millionen Kulaken wurden umgebracht. Die
Landwirtschaft wurde kollektiviert, in Kolchosen (landwirtschaftliche Produktions
genossenschaften) oder Sowchosen (staatlicher Grossbetrieb) zusammengefaßt und in
zunehmen-dem Maße mit Maschinen ausgestattet (1928 26 000; 1938 483 000 Traktoren).
Stalins „Agrarrevolution von oben“ führte zunächst, auch infolge der Sabotage der Bauern
(Abschlachtung des Viehbestandes), zu einer erneuten furchtbaren Hungersnot, der 1931-33
gemäss Schätzungen 10 Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Stalin hielt den Lebensstandard des russischen Volkes, vor allem der Landbevölkerung,
bewusst auf ganz niedriger Stufe. Konsumgüter wurden wenige hergestellt und zu weit
überhöhten Preisen verkauft. Dadurch schöpfte der Staat die Kaufkraft des Volkes ab. Das
Geld und die wachsende Industrieproduktion kamen überwiegend dem weiteren Ausbau der
Schwer- und Rüstungsindustrie zugute. Die Arbeitsdisziplin wurde durch drakonische
Strafen verbessert, Arbeitsplatzwechsel verboten, das Akkordlohn-System eingeführt.
Andererseits gab es für „Soll-Übererfüllung" Belohnungen (Orden: „Held der Arbeit“). Die
Gewerkschaften, die nur die Interessen der Partei, nicht aber die der Arbeitnehmer zu
vertreten hatten, wurden beauftragt, die Erhöhung der Arbeitsproduktivität voranzutreiben.
Streiks waren verboten. Millionen von Sträflingen, in riesigen Lagern zusammengefasst,
waren die billigsten Arbeitskräfte. Dank ihrer Arbeit konnten viele neue Städte,
Industrieanlagen und Verkehrswege gebaut werden.
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Stalins Diktatur
Ohne Terror und Gewalt wäre die Kontrolle des Volkes nicht möglich gewesen. Die
Geheimpolizei (seit 1922 GPU, seit 1934 NKWD, seit 1948 MWD) überwachte nicht nur das
Volk, sondern auch die Parteifunktionäre und unterdrückte jede Form von Opposition. In
großen Verfolgungswellen wurden Millionen verhaftet und in die Arbeitslager (Gulags)
gebracht.
1936-38 gab es 8 Millionen in Gefängnissen und Lagern, 1938-42 sogar 12 Millionen.
Gefangene arbeiten in einem Gulag
Die gesamte Macht lag in den Händen einer kleinen Anzahl von Parteiführern (Kader), die
ihrerseits ganz von Stalin abhängig waren. Vollzugsorgane der Herrschaft waren der
„Apparat", die hauptamtlichen Angestellten (die gehorsamen Apparatschiks) in Partei,
Verwaltung, Wirtschaft, Massenorganisationen, Massenmedien und Geheimpolizei und das
Offizierskorps. Sie waren eine privilegierte Oberschicht mit hohem Lebensstandard.
Von 1935 an begann Stalin mit einem schrittweise verstärkten Terror gegen
Spitzenfunktionäre und hohe Offiziere. In Schauprozessen mussten diese „Volksfeinde" ihre
Schuld eingestehen und wurden dann hingerichtet. Jeder mußte mit einer plötzlichen
Verhaftung rechnen.
So wurden 1500 von 6000 höheren Offizieren und 125 von 140 Mitgliedern des
Zentralkomitees der Partei hingerichtet.
Nur durch bedingungslose Ergebenheit gegenüber dem Diktator konnte man hoffen, die
große „Tschistka" (Säuberung) (1934 -1938) zu überleben.
Illustration zum 3. Schauprozess