MRSA in Niedersachsen

MRSA in Niedersachsen
(Dr. med. Dagmar Ziehm, MPH)
Einleitung
Datenzusammenstellung
Bewertung
Literatur
Einleitung
Staphylococcus (S.) aureus ist ein Bakterium, das die Haut und Schleimhäute von
Menschen und Tieren besiedelt ohne dass diese davon etwas merken. 20-30 Prozent aller
Menschen sind mit S. aureus besiedelt, vorwiegend im Nasen- und Rachenraum [1]. Unter
besonderen Bedingungen kann es aber auch zu invasiven Infektionen mit S. aureus
kommen, dazu gehören neben Wundinfektionen auch Pneumonien und Septitiden. Bei
einem Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) handelt es sich um S. aureus, bei dem eine
Resistenz gegenüber penicillinasefesten Penicillinen, wie Methicillin, Oxacillin und
Flucloxacillin sowie allen anderen Beta-Laktamantibiotika vorliegt. Die Häufigkeit von
Krankenhaus-Infektionen durch MRSA hängt maßgeblich vom Eintrag von MRSA ins
Krankenhaus ab, denn bei einem höheren Eintrag steigt einerseits die Möglichkeit einer
endogenen Infektion mit MRSA, und andererseits steigt mit der Zahl der besiedelten oder
infizierten Patienten auch die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von MRSA von einem
Patienten auf den anderen.
Um das Vorkommen von MRSA beurteilen und zwischen Regionen vergleichen zu können,
stehen verschiedene Datenquellen zur Verfügung. Jede einzelne dieser Datenquellen hat
eine begrenzte Aussagekraft, da nur Informationen zu Teilaspekten geliefert werden, die
nicht ohne Einschränkung Rückschlüsse auf die Anzahl erkrankter oder besiedelter
Personen zulassen. Die vorhandenen Daten wurden vom NLGA unter der Fragestellung
"Gibt es in Niedersachsen besonders viel MRSA?" zusammengetragen und kritisch
bewertet.
Der Fokus dieser Datenzusammenstellung liegt auf den regionalen Unterschieden. Es soll
jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Zahl der MRSA-Infektionen in Niedersachsen,
wie in ganz Deutschland und auch in vielen anderen Ländern [2], seit 2010 zurückgeht
(Abb. 1).
Abb. 1: Entwicklung des MRSA-Anteils von allen S. aureus-Isolaten nach Bereich,
Niedersachsen (Antibiotikaresistenzmonitoring 2006-2014)
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Datenzusammenstellung
Folgende Datenquellen konnten ausgewertet werden:
Studien, in denen gezielt die Häufigkeit von MRSA getestet wurde (Prävalenzstudien)
Meldezahlen nach Infektionsschutzgesetz
Abrechnungsdaten der Krankenhäuser
Daten aus KISS (Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System)
Regionalisierte Resistenzdaten
Prävalenzstudien:
Es gibt eine Reihe von Studien, bei denen für einen definierten Zeitraum alle Patienten, die
neu in einer Einrichtung im Gesundheitswesen aufgenommen wurden, auf MRSA getestet
wurden. Diese Untersuchungen können aber leider nicht bezüglich regionaler
Unterschiede ausgewertet werden, da die Anzahl und die Art der Einrichtungen und die
Untersuchungszeitpunkte einen eher größeren Einfluss auf die Ergebnisse haben, als der
Regionsbezug der getesteten Einrichtungen. In den über ganz Deutschland verteilt
durchgeführten Studien lag der Anteil der aufgenommenen Patienten, die mit MRSA
besiedelt waren, zwischen 0,8 und 2,6 Prozent [1].
Meldezahlen:
Der Nachweis von MRSA in Blut oder Liquor ist nach dem Infektionsschutzgesetz § 7
meldepflichtig. Die Zahlen der in Niedersachsen gemeldeten und an das NLGA und das
RKI übermittelten Fälle sind leicht verfügbar (SurvStat@RKI). In Niedersachsen wurden
jährlich etwa 500 bis 600 MRSA-Fälle übermittelt. Betrachtet man die gemeldeten Fälle
bezogen auf die jeweilige Bevölkerungszahl (die Meldeinzidenz) in allen Bundesländern,
zeigt sich in den nördlichen Bundesländern eine höhere Meldeinzidenz als in den
südlichen Bundesländern. Noch auffälliger sind die Unterschiede in der Meldeinzidenz,
wenn man die Landkreise und kreisfreien Städte untereinander vergleicht. Die mittlere
Meldeinzidenz in Deutschland betrug 2014 4,8 Fälle pro 100.000 Einwohner [3]. In einigen
Landkreisen und kreisfreien Städten lag die Meldeinzidenz jedoch bei über 20 pro 100.000
Einwohner. Von den 12 Landkreisen und kreisfreien Städten mit der höchsten MRSA-
Meldeinzidenz 2014 lagen 9 in Niedersachsen und 3 in Nordrhein-Westfalen (Tab. 1). Aus
diesen Daten kann man sehen, dass in einigen niedersächsischen Landkreisen MRSA in
Blut und Liquor besonders häufig nachgewiesen wird.
Tabelle 1: Die 12 Kreise mit der höchsten MRSA-Meldeinzidenz in Deutschland, 2014.
NDS=Niedersachsen, NRW=Nordrhein-Westfalen, Quelle: SurvStat@RKI
Abrechnungsdaten:
Beim statistischen Bundesamt sind Abrechnungsdaten der Krankenhäuser verfügbar. Dort
können bestimmte Diagnosen, die die Krankenhäuser zur Abrechnung mit den
Krankenkassen codieren, abgerufen werden. In einer Sonderauswertung wurden
Diagnosen, die mit MRSA in Verbindung stehen, identifiziert. Diese fanden sich in einigen
niedersächsischen Landkreisen besonders häufig [4] (Abb. 2). Insbesondere auf dieser
Feststellung beruhte die entsprechende Aussage in den Medienberichten. Für diese Daten
gilt jedoch, wie auch für die Meldedaten, eine wesentliche Einschränkung: Eine erhöhte
Aufmerksamkeit bezüglich MRSA kann dazu führen, dass mehr auf MRSA untersucht wird
und die entsprechenden Diagnosen deshalb häufiger gestellt werden als in Regionen, in
denen MRSA weniger Aufmerksamkeit erhält. Aus den Abrechnungsdaten und den
Meldezahlen kann deshalb noch nicht sicher auf ein vermehrtes Vorkommen geschlossen
werden.
Abb. 2: Häufigkeit der Abrechnung MRSA-assoziierter Diagnosen pro 1.000
Krankenhauspatienten nach Landkreis 2013. Quelle: © Zeit online
Daten aus dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS):
KISS ist ein Surveillance-System, an dem sich mehr als ein Drittel der Krankenhäuser in
Deutschland freiwillig beteiligen, um die in ihrem Haus auftretenden Infektionen
systematisch zu erfassen und sich mit anderen Krankenhäusern vergleichen zu können.
Neben vielen anderen Keimen verursachen auch S. aureus schwere Infektionen in
Krankenhäusern. In einer Spezialauswertung der Daten konnte gezeigt werden, dass der
Anteil der durch MRSA verursachten Infektionen von allen durch S. aureus verursachten
Infektionen in den Bundesländern unterschiedlich ist (höher im Norden und Westen als im
Süden und Osten) [2].
Regionalisierte Resistenzdaten:
In mikrobiologischen Laboren werden Infektionserreger identifiziert und auf ihre
Antibiotikaresistenzen getestet. Aus den Daten der Resistenztestungen lässt sich der Anteil
von MRSA bezogen auf alle getesteten S. aureus bestimmen. Die bundesweite AntibiotikaResistenz-Surveillance (ARS) des Robert Koch-Instituts zeigt einen deutlich höheren Anteil
von MRSA in den Regionen Nordost, Nordwest und West (MRSA-Anteil im stationären
Bereich 25,5 Prozent; 20,5 Prozent; 19,7 Prozent) als in den Regionen Südwest und
Südost (10,4 Prozent; 7,0 Prozent). Diese Daten können nicht durch den oben
geschilderten Aspekt der höheren Aufmerksamkeit beeinflusst worden sein, da sich eine
höhere Aufmerksamkeit gegenüber MRSA zwar auf die Anzahl der durchgeführten
Testungen nicht aber auf den Anteil resistenter Isolate an allen Isolaten auswirken würde.
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Bewertung
Alle Daten deuten darauf hin, dass MRSA in Niedersachsen (und anderen nördlichen und
westlichen Bundesländern) häufiger vorkommt als im Bundesdurchschnitt. In der Arbeit von
Meyer et al. [2] werden mögliche Einflussfaktoren für gravierende regionale Unterschiede
bezüglich der Häufigkeit von MRSA diskutiert:
Bevölkerungsdichte oder Krankenhausbettdichte: Beide sind in Niedersachsen eher
unterhalb des Bundesdurchschnitts.
> keine geeignete Erklärung
Selektionsdruck durch Einsatz von Antibiotika im ambulanten und im stationären
Bereich: Über die Verordnungsdichte von Antibiotika im niedergelassenen Bereich
gibt Germap 2012 [5] Anhaltspunkte. Es zeigen sich im ambulanten Bereich deutlich
höhere Antibiotikaverordnungsdichten in den westlichen Bundesländern
(Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) als in den
östlichen.
> möglicher Einflussfaktor
Das Auftreten besonderer MRSA-Stämme wie Lifestock-assoziierte MRSA (laMRSA), die insbesondere im Zusammenhang mit Massentierhaltung beobachtet
werden: Das Auftreten von la-MRSA konnte in den Daten des Antibiotika-ResistenzMonitorings in Niedersachsen (ARMIN) mit Regionsbezug (2-stellige Postleitzahl)
ausgewertet werden. Abbildung 3 ist zu entnehmen, dass in der Postleitzahlregion 48
+ 49, in der die Viehdichte hoch ist, la-MRSA besonders häufig auftrat. Insofern kann
geschlussfolgert werden, dass la-MRSA in einigen Regionen Niedersachsens
häufiger vorkommt als im Bundesdurchschnitt, und dass das Vorkommen mit der
Nutztierdichte assoziiert ist.
> möglicher Einflussfaktor
Hier sind also zwei entscheidende Einflussfaktoren aufgeführt, die zu einer Erklärung des
vermehrten Vorkommens von MRSA in Niedersachsen geeignet sind. Allerdings ist eine
Abschätzung der Stärke des Einflusses dieser Faktoren schwierig; außerdem könnten
weitere Faktoren eine Rolle spielen.
Der Anteil von la-MRSA an der Gesamt-MRSA-Last wird oft überschätzt. Dazu verdeutlicht
Abb. 4, wie häufig eine Besiedlung mit la-MRSA in der Bevölkerung vorkommt: Ca. 25 - 30
Prozent aller Menschen sind mit S. aureus besiedelt [1]. Der Anteil der MRSA an allen S.
aureus beträgt 10 - 20 Prozent (Daten aus ARMIN). Rechnet man diese Daten auf die
Bevölkerung hoch, wären von 100 Personen demnach 2 - 6 mit MRSA besiedelt. Der Anteil
von la-MRSA an allen MRSA variiert regional zwischen 5 und 20 Prozent (Daten aus
ARMIN). Unter der Annahme der jeweils höchsten Zahl ergibt sich, dass maximal 1 von 100
Personen in der allgemeinen Bevölkerung mit la-MRSA besiedelt ist. Diese Berechnung
verdeutlicht, dass der Nutztier-assoziierte la-MRSA in Niedersachsen zwar in bestimmten
Regionen überdurchschnittlich häufig auftritt, dies allein aber nicht das über mehrere
Datenquellen konsistente vermehrte Vorkommen von MRSA im Norden Deutschlands
erklären kann. Eine vollkommen überzeugende Erklärung zur Ursache der regional
unterschiedlichen Verteilung innerhalb Deutschlands gibt es derzeit nicht [2].
Abb. 3: Anteil tetracyclinresistenter MRSA an allen MRSA nach PLZ-Bereichen,
Niedersachsen 2013, ARMIN. Schweinedichte in Schweinen/qkm in Niedersachsen
Abb. 4: Geschätzte Besiedlung mit S. aureus / MRSA / la-MRSA in der Bevölkerung nach
ARMIN-Daten 2013
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Literatur
[1] Bundesgesundheitsblatt 2014: 57696-732: Empfehlungen zur Kontrolle von Methicillinresistenten MRSA in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen
[2] Meyer E, Schröder C, Gastmeier P, Geffers C: The reduction of nosocomial MRSA
infection in Germany - an analysis of data from the Hospital Infection Surveillance System
(KISS) between 2007 and 2012. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 331–6
[3] Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2014, RKI
[4] mrsa.correctiv.org/, Abfragedatum 11.11.2015
[5] Germap 2012: Regionale Antibiotika-Verordnungsdichte 2003, 2008 und 2011 (in
DDD/1.000) (Quelle: WIdO, GKV-Arzneimittelindex)
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