Schaffhauser Nachrichten vom 19. Juni 2015

Persönliche Kopie von: DANIEL PREISIG
Freitag, 19. Juni 2015
Versuchter Raub Die Polizei sucht
nach einem missglückten Raubüberfall
am Rheinfall nach Zeugen. Region Seite 13
Region 11
Die Herausforderung Im Berufsbildungszentrum werden während des Unterrichts
alle Fenster saniert. Schaffhausen Seite 14
«Ein Bijou in einem desaströsen Zustand»
Das Stadthausgeviert soll
saniert werden. Bei einem
Rundgang durch die zum
Teil baufälligen historischen
Häuser zeigt sich, welche
Herausforderung dies darstellt.
von Daniel Jung
Kniehoch spriesst das Unkraut auf
einem der Flachdächer im Schaffhauser Stadthausgeviert. Zauberhaft fällt
das Licht in den barocken Innenhof des
«Hauses zum goldenen Apfel», wo die
Zeit stehen zu bleiben scheint. Der
Dachstock des historischen Guardianshauses, das ursprünglich im 13. Jahrhundert errichtet wurde, wird mit
Spanngurten zusammengehalten; eine
der Seitenwände hat sich so stark nach
aussen geneigt, dass die Balkenlage
des Dachbodens schon längst nicht
mehr auf der früher tragenden Seitenwand aufliegt.
Im Erdgeschoss befinden sich eine
historisch sehr wertvolle Holzdecke,
die in einem schlechten Zustand ist,
und eine hübsche Sandsteinsäule zwischen zwei Fenstern. «Wir wissen
nicht, warum diese hier steht», sagt
Thomas Hess, Projektleiter im städtischen Hochbauamt. Im ganzen Stadthausgeviert – das Areal zwischen
Stadthausgasse, Krummgasse, «Platz»
und Safrangasse in der Schaffhauser
Altstadt – zeigt sich ein wilder Mix von
verschiedenen Baustilen und -epochen.
Wertvolle Baudenkmale stehen neben
schlecht gealterten Umbauten.
«Die Frage, wie das Stadthausgeviert weiter genutzt werden kann, ist
sehr schwierig», sagte Stadtrat Raphaël Rohner vorgestern bei einem
Rundgang durch das Areal. Die Gebäude seien zu einem grossen Teil
denkmalpflegerisch sehr wertvoll, was
den Erhalt grosser Teile der Bauten
verlange.
Bis zu 750 Jahre alte Bausubstanz
Die ältesten Gebäudeteile im Stadthausgeviert gehen zurück auf das Barfüsserkloster, das um 1250 von den
Franziskanern gegründet und nach der
Reformation im Jahr 1529 aufgehoben
wurde. Zum Kloster gehörten das
­Guardianshaus, das Konventgebäude
und ein Kreuzgang, von dem heute
noch mehrere Arkaden erhalten sind.
Zudem zählte eine grosse Kirche dazu,
die in ihrer Länge sogar die Stadtkirche St. Johann um neun Meter übertraf. Die Klosterkirche wurde jedoch ab
1543 in drei Etappen abgebrochen. An
ihrer Statt stehen heute das Stadthaus
und das Haus zum Eckstein. Vor dem
Stadthaus ist der Grundriss der Westfassade der Barfüsserkirche heute
noch in der Pflästerung markiert.
Nur Teile für die Verwaltung
«Sicher ist, dass wir im Stadthaus
das Stadtbüro als Ansprechpartner erhalten werden», sagte Rohner. Sicher
sei aber auch, dass viele der historischen Häuser für eine moderne Verwaltungsnutzung nicht geeignet wären. Zu klein seien die Räume, zu
schwierig eine hindernisfreie Erschliessung. Zudem haben nicht alle
Räume Fenster – was eine Büro- oder
Wohnnutzung praktisch ausschliesse,
nicht aber die Schaffung von Gewerberäumen. «Wir prüfen derzeit eine gemischte Nutzung, die auch Wohnungen, Dienstleistungen und Gewerbe
einbezieht», sagte der Baureferent.
Bereits haben Fachleute für das
städtische Hochbauamt und die Denkmalpflege den Bestand mit einem …
Fortsetzung auf Seite 12
Ein grosser Teil des Stadthausgevierts kann derzeit aus baustatischen Gründen nicht mehr genutzt werden – hier ein Stockwerk des Guardianshauses, das ursprünglich für den
obersten Franziskanermönch (Guardian) des Barfüsserklosters erbaut wurde. Bilder Selwyn Hoffmann
«Wenn etwas gehen soll, dann müssen wir eine finanziell tragbare Lösung finden», sind die beiden Stadträte
Daniel Preisig (links) und Raphaël Rohner überzeugt.
Stadthausgeviert: Die Gebäude zwischen «Platz», Safrangasse,
Stadthausgasse und Krummgasse. Bild GIS Kanton Schaffhausen / SN
Politischer Hintergrund Seit mehreren Jahrzehnten wird über eine Sanierung des Gevierts debattiert
Schaffhausen Eine bessere Nutzung
des Stadthausgevierts beschäftigt die
Stadt Schaffhausen schon seit vielen
Jahrzehnten. Grundidee war lange
Zeit, dort die Büros der städtischen
Verwaltung zu sammeln. Bereits im
Jahr 1956 war ein Wettbewerb zur
«Konzentration der Stadtverwaltung»
durchgeführt worden. Eine mangelnde
Qualität der Wettbewerbsbeiträge sowie Liegenschaften im Stadthausgeviert, die noch nicht der Stadt gehörten, liessen damals eine Realisierung
aber nicht zu.
Zwischen 1960 und 1966 kaufte
die Stadt weitere Liegenschaften des
Gevierts. 1966 folgte ein neuer Wettbewerb zur Zusammenlegung der
Verwaltung. Dieser wurde jedoch aufgrund der schwierigen Finanzlage
abgebrochen – ein Problem, das mehrmals zu Verzögerungen führte.
So auch zwischen 1990 und 1995,
als erneut konkrete Überlegungen zur
Umnutzung des Stadthausgevierts
aufkamen, wegen der wirtschaftlichen
Strukturkrise des Industriestandorts
Schaffhausen aber wiederum aufgeschoben
wurden. Ein konkreter
Schritt wurde 1998 realisiert: Mit einem Aufwand von rund 1,5 Millionen Franken wurde
das Konventhaus am
«Platz» umfassend
saniert.
Anfang 2005 kündigte der Stadtrat erneut an, die Konzentration der Verwaltung auf das Stadthausgeviert voranzutreiben. Hiess es anfangs noch, die
entsprechende Vorlage werde bis Ende
2007 in den Grossen Stadtrat kommen,
wurde das Datum später auf den
Frühling 2009 verschoben – bevor das
Thema wiederum von der Bildfläche
verschwand. Jedoch wurden in diesem
Zusammenhang im September 2009
verschiedenen Bewohnern und Inhabern von
Geschäften im Stadthausgeviert gekündigt.
Darunter war etwa das
Copy-Center Jaquerod
AG, das zuvor während
über 40 Jahren an der
Krummgasse 16 beherbergt gewesen war.
Zuletzt war Anfang
2012 eine Vorlage zur
Sanierung des Stadthausgevierts angekündigt worden, die es aber wiederum nicht bis ins Parlament schaffte.
Ende 2014 sorgten wiederum Kündigungen an verbliebene Mieter für Un-
Der Stadtrat räumte
damals ein, dass
«mit der Kündigung
noch hätte zugewartet werden
können».
mut. Der Stadtrat räumte danach ein,
dass «mit der Kündigung noch hätte
zugewartet werden können». Die leer
stehenden Liegenschaften seien aber
in erheblichem Umfang gar nicht mehr
vermietbar: Der schlechte bauliche
Zustand und feuerpolizeiliche Gründe
verlangten laut Stadtrat nach vorgängigen Investitionen, auf welche man
aber verzichte.
Dass nun wiederum über die Zukunft des Stadthausgevierts gesprochen wird, geht auch auf ein Postulat
von SP-Grossstadtrat Peter Möller zurück, das er am 16. September 2014 lancierte. Es wurde am 19. Mai 2015 vom
Grossen Stadtrat mit 19 zu 13 Stimmen
überwiesen. Damit hat der Stadtrat
den Auftrag erhalten, innert Jahresfrist eine Vorlage auszuarbeiten, wie
das Geviert saniert und langfristig
­genutzt werden könne. (dj.)