Preisträger --- SPERRFRIST BIS 19 UHR 37. Biberacher Filmfestspiele 08.11.15 Seite 1/8 Goldener Biber für Tragigkomödie „God of Happiness“, lobende Erwähnung für die Hauptdarstellerin in „Chucks“ Anna Posch Trotz des sonnigen Wetters und dem fehlenden Feiertag ist die Besucherzahl bei den 37. Biberacher Filmfestspiele stabil geblieben und liegt bei knapp 13.000. Bei der Filmfest-Gala heute Abend um 19 Uhr in der Stadthalle werden zum Abschluss acht Biber verliehen für den besten Spielfilm, den besten Debütspielfilm, Fernsehfilm, Kurzfilm und den besten Dokumentarfilm. Zusätzlich wird ein Publikums- und ein Schülerbiber vergeben und der Ehrenbiber an Klaus Maria Brandauer. Die Siegerfilme 2015 im Überblick: Goldener Biber Debütfilm Fernsehfilm Dokufilm Kurzfilm Schülerbiber Publikumsbiber Ehrenbiber God of Happiness Dito Tsintsadze Wanja Caroline Hellsgard Vorstadtrocker Martina Plura A man can make… Ullabritt Horn Er und Sie Marco Gadge Im Spinnwebhaus Mara Eibl-Eibesfeldt Nacht der Angst Gabriela Zerhau Klaus Maria Brandauer Inhalt der Filme und Jury-Begründungen im Wortlaut: Goldener Biber „God of Happiness“ Stadt Biberach dotiert mit 8.000 € Biberacher Filmfestspiele e.V. Inhalt: Giorgi lebt seit einigen Jahren in einer armseligen Bude in einem Industriegebiet in Stuttgart. Der Traum des Georgiers, in Deutschland ein bekannter Schauspieler zu werden, ist längst geplatzt. Doch der Anruf seiner Tochter Tina, die er seit Jahren nicht gesehen hat, bringt seinen deprimierenden Alltag durcheinander. Tina möchte ihn besuchen... besser, den erfolgreichen Schauspieler, den er vorgibt zu sein. Er inszeniert, c/o Kulturamt Theaterstraße 6 88400 Biberach/Riß Registergericht Amtsgericht Biberach Registernummer VR 888 zusammen mit seinem afrikanischen Mitbewohner Ngudu und der abgehalfterten Varieté-Darstellerin Mia das Leben, das er seit Jahren vorgaukelt. Das Schmierentheater fliegt natürlich nach kürzester Zeit auf und Giorgis trostloses Leben enthüllt sich vor Tina. Doch Ngudu weiß, bei Tina Verständnis für das verkorkste Leben ihres Vaters zu wecken. Jury: Prof. Jürgen Haase, (Vorsitzender), Hasso Hartmann, Muriel Baumeister, Michaela Kezele, Natja Brunckhorst Ein georgischer Schauspieler, der seinen Lebensunterhalt durch Komparsen-Jobs bestreitet, lebt mit seinem afrikanischen Freund, der sein Geld damit verdient, der Beglückung der älteren Damengeneration zu dienen. In diese „Looser-Idylle“ kommt Bewegung, als die jugendliche Tochter des georgischen Schauspielers, die ihn seit 10 Jahren nicht gesehen hat, überraschender Weise zu Besuch kommt. Der Vater spielt ihr vor, wie erfolgreich er ist. Voller Humor und Witz, der ins Absurde hinübergleitet, erleben Vater und Tochter ungewöhnliche Tage. Es ist scheinbar eine kleine Geschichte, die man glaubt zu kennen, die einen aber immer wieder mit außergewöhnlichen Situationen, poetischen Einfällen und einem lakonischen Sprachwitz, einen Film erleben lassen, in dem das Leben einem wie ein Spiel vorkommt. Die Jury würdigt God of Happiness mit dem goldenen Biber, weil Regisseur Dito Tsintsadze mit einem besonderen Blick und Humor das menschliche im Alltag zu einem optischen und schauspielerischen Erlebnis werden lässt. Lobende Erwähnung der Spielfilm-Jury für Anna Posch Mae ist ein 16-jähriges Mädchen und hat dem bürgerlichen Leben abge-schworen. Sie lebt auf der Straße, in leerstehenden Häusern, sie geht an ihre Grenzen und überschreitet sie auch. Als sie in einem AIDS-Hilfe-Haus eine Strafe abarbeiten muss, lernt sie Paul kennen. 08.11.15 Seite 2/8 Paul hört ihr in seiner ruhigen Art zu. Ihr anfängliches Misstrauen verwandelt sich langsam in Vertrauen. Dann erfährt sie von ich, dass er AIDS-krank ist und nicht mehr lange zu leben hat. Mae entschließt sich trotz dieser Situation, bei ihm zu bleiben und begleitet ihn unkonventionell bis zu seinem Tode. Anna Posch, kraftvoll, mutig, verletzlich füllt diese Rolle voll aus. Aus diesem Grund spricht die Jury Anna Posch eine lobende Erwähnung aus, die trotz ihres jugendlichen Alters eine unglaubliche Leistung gezeigt hat. Debütbiber „Wanja“ OEW-Landkreis Biberach dotiert mit 3.000 € Inhalt: Nach ihrem langen Gefängnisaufenthalt versucht Wanja alle Fallen zu umgehen, die sie zurück in die Suchtgefahr und in zwielichtige Kreise bringen könnten. Sie nimmt harmlose Jobs an, bei denen sie sich um Tiere kümmert, bezieht eine betreute Sozialwohnung und trifft sich regelmäßig mit ihrem Bewährungshelfer. Bei ihrer Arbeit auf der Trabrennbahn, wo sie für die Pflege der Pferde zuständig ist, lernt sie die sechzehnjährige, etwas widerspenstige Emma kennen. Bald empfindet Wanja Zuneigung zu Emma, dieser aufgewühlten Jugendlichen, in der sie sich selbst wiedererkennt. Doch Emma nimmt harte Drogen und die üben auf Wanja einen gefährlichen Reiz aus. Unausweichlich steuert Wanja auf den Absturz zu, den sie vermeiden wollte. Jury: Gräfin Sandra Bernadotte (Vorsitzende), Dr. Vladimir Ignatovski, Martin Enlen Die Debüt-Jury, bestehend aus Martin Enlen, Dr. Wladimir Ignatovski und Sandra Gräfin Bernadotte, hat sich einstimmig entschieden, einen Film auszuzeichnen, der eine Thematik klischeefrei, echt, glaubwürdig und vor allem ehrlich umgesetzt hat. Geprägt wird der Film durch die herausragende Leistung der Hauptdarstellerin und außergewöhnlichen Handschrift der Regisseurin. 08.11.15 Seite 3/8 Dieser Film hat uns nachdenklich gestimmt, bewegt, hat etwas in uns ausgelöst, beschäftigt und wird uns in intensiver Erinnerung bleiben. Der Preis für den besten Debütfilm der 37. Biberacher Filmfestspiele geht an Caroline Hellsgard für ihren Film „Wanja“. Fernsehbiber „Vorstadtrocker“ Hans W.Geißendörfer dotiert mit 3000 € Inhalt: Journalist Viktor hat seinen Job bei einem großen Enthüllungsmagazin verloren und fristet sein Dasein als Hausmann in der Vorstadt mit Putzen, Kochen, Tochter Nele wickeln. Ehefrau Alex sorgt als Tierärztin für das Familieneinkommen. Eines Tages zieht im Nachbarhaus Herr Neumann ein. Viktor findet heraus, dass der Neue in Wahrheit der untergetauchte Motorradrocker-König Rolf Olsen ist und wittert die ganz große Story… Jury: Harry Baer (Vorsitzender), Christoph Schrewe, Annette Ernst Der deutsche Fernsehfilm bricht auf – mutiger, emotionaler, politischer und unbequemer. Viele Favoriten. Wir haben uns für einen sehr ungewöhnlichen Film entschieden. Überzeugt hat uns der wüste Humor. Der frische Blick auf ein beschädigtes Männerbild. Die visuelle Kreation einer eigenen Welt. Die Regieleistung von Martina und die Kamera-Arbeit ihrer Zwillingsschwester Monika Plura. Das Comedy-Timing von Fabian Busch, Aljosha Stadelmann und Lisa Wagner. Die Chance ein junges Publikum zu erreichen. Die anarchische Kraft dieses kleinen Debütfilmes ist sensationell. Wir zeichnen die „Vorstadtrocker“ aus. Auf die Zukunft. Dokubiber LIEBHERR dotiert mit 3.000 € „A man can make a difference“ Inhalt: 70 Jahre nach Beginn der Nürnberger Prozesse entstand mit diesem Film ein berührendes Porträt über den Chefankläger im Nürnberger Einsatzgruppenprozess gegen die Mordbanden der SS und noch immer aktiven Friedenskämpfer, den heute 95jährigen Benjamin Ferencz. Er ist nicht nur Zeitzeuge des 08.11.15 Seite 4/8 Holocaust sondern treibende Kraft im Kampf gegen den Krieg selbst. Sein Mittel: Die Durchsetzung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Jury: Angela Henkel (Vorsitzende), Sigrid Klausmann-Sittler, Franz Stadler Unverbiegbar, kompromisslos, witzig, fit wie ein Turnschuh. Das ist der Protagonist des Dokumentarfilms „A man can make a difference“. Er ist 95 Jahre alt. Benjamin Ferencz, der aus Rumänien in die USA emigrierte Sohn jüdischer Eltern machte sich schon als junger Jurist einen Namen, bevor er zu seiner eigentlichen Aufgabe fand. Ursprünglich damit beauftragt, Beweismaterial gegen Naziverbrechen zu sammeln, lernte er das ganze Ausmaß der Vernichtungsmaschinerie kennen. Die Überführung der Täter sollte zu seinem Lebenswerk werden – Gerechtigkeit statt Rache. Als einer der Ankläger der Nürnberger KriegsverbrecherProzesse setzte er, nach jahrzehntelangem Ringen, gegen alle Widerstände, die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs durch. A man can make a difference ist von beklemmender Aktualität. Der Film schlägt den Bogen vom 3. Reich über den Völkermord in Ruanda bis ins heutige Syrien. Er ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen jegliche Form des Angriffskriegs als Mittel der Machtpolitik. Das sparsam eingesetzte und sorgfältig montierte Archivmaterial gibt dem Protagonisten Raum, um als hinreißender Erzähler vor unseren Augen eine ganze Epoche lebendig werden zu lassen. In filmischer Konzentration auf das Wesentliche ist die Arbeit von Ullabritt Horn eine einzige Verbeugung vor einer großen Persönlichkeit, die uns zugleich an unsere Verantwortung für die Zukunft gemahnt. Von geringem Wuchs, selbstironisch, ein bescheidener Mann, den Widerstände nur noch mehr beflügelten, ist er ein Beispiel für uns alle: You can make a difference oder mit seinen Worten: „Wenn du nicht durch die Tür kommst, nimm das Fenster.“ 08.11.15 Seite 5/8 08.11.15 Kurzfilmbiber 2.000 € „Er und sie“ FilmCommission Ulm dotiert mit Inhalt: Der Held der Geschichte ist im Umzugswagen auf dem Weg zu seiner Freundin, als diese anruft und sich von ihm trennt. Wie unter Schock steuert er eine Raststätte an um sich zu betrinken. Dort begegnet er einer launigen 75-jährigen, die ihn am Alleinsein hindert: sie trinkt mit. Jury: Julia Finkernagel (Vorsitzende), Klaus W. Becker, Wilfried Hippen Bei diesem Film ist alles dabei: Man muss lachen, man muss schlucken und es gibt ein Ekelpaket. Ja, es ist eine Komödie, und die haben bei Preisvergaben leider oft das Nachsehen. Vielleicht, weil bei ihnen oft mehr Wert auf Pointen gelegt wird als auf stilistische Finesse. Doch hier überzeugen brillante Dialoge, ein frecher Witz und eine besondere filmische Umsetzung. Der 16 Minuten lange Film ist in nur einer Plansequenz gedreht. Sie beginnt mit einer rasanten Fahrt, bei der die Kamera das Auto umrundet und endet an einer Raststätte. Dort entspinnen sich drei auf den Punkt erzählte und geschickt ineinander verwobene Plots voller Witz und Tiefe, mit klar gezeichneten Figuren und fabelhaftem komödiantischen Timing. Alles ohne Schnitt. In „Er und Sie“ von Marco Gadge geht es um Gegensätze wie Trennung und Begegnung, Hoffnung und Verzweiflung, Mitleid und Schadenfreude, Jugend und Alter. Man lacht, man schluckt. Durch ein Filmzitat legt der Regisseur seine Inspirationsquelle offen. Marco Gadge hat die Jury mit exzellentem Humor und einer großartigen Umsetzung überzeugt. Mit „Er und Sie“ ist dem Autodidakten ein kleines Meisterwerk gelungen. Er erzählt seinen Film mit jener komödiantischen Qualität, die wir gerne öfter sehen würden. Darum verleiht ihm die Kurzfilm-Jury der Biberacher Filmfestspiele den Biber für den besten Kurz-Spielfilm. Seite 6/8 08.11.15 Publikumsbiber „Nacht der Angst“ Werbegem.sch. Biberach dotiert mit 3.000 € Inhalt: Nach einer traumatischen ersten Geburt im Krankenhaus hat Sesha ihr zweites Kind bei Emma im Geburtshaus geboren. Seither verbindet die beiden Frauen eine starke Zuneigung, misstrauisch beobachtet von Seshas Ehemann Peter und Mutter Doris. Jetzt erwartet Sesha Zwillinge. Die Information von Emma, dass somit eine Geburt im Geburtshaus nicht möglich ist, ignoriert Sesha. Sie taucht mit plötzlichen Wehen bei Emma im Geburtshaus auf, es kommt zur Katastrophe. Ein halbes Jahr später steht Emma vor Gericht… Jury: Roswitha Malewski (Vorsitzende), Andreas Kolesch, Erkan Lüleci, Liina Margerita Airikkala, Hans-Jürgen Post In diesem Film geht es um Verantwortung. Wer übernimmt sie, wer trägt sie, wem gegenüber muss man sich am Ende für sein Handeln verantworten? Könnte es sein, dass Menschen, die ihr Leben ihrem Beruf unterordnen, die Kinder und Ehepartner hintenan stellen, sich auch mal selbst überschätzen? Sich alles zutrauen und das dann zu viel ist? Dass sie andere Menschen dadurch gar gefährden können? Oder ist es nicht so, dass es trotz allem Wissen und aller Vorsichtsmaßnahmen Schicksalsschläge gibt, die wir einfach annehmen müssen? Dieser Film gibt darauf keine einfachen Antworten. Dieser Film weiß nichts besser und hat keine Lösungen. Dieser Film berührt. Wir waren tief beeindruckt von der Intensität der schauspielerischen Leistungen. Die handelnden Personen sind durchweg vielschichtig und überzeugend, die Dialoge sind außergewöhnlich. Der Film nimmt eine klare Haltung ein, ohne jedoch schwarz-weiß zu malen. Dieser Film beleuchtet beide Seiten, gerade weil es um das Recht der Eltern auf die freie Wahl des Geburtsortes geht. Er hält das Gleichgewicht und schafft es auch, die Gerichtsszenen zwischen den Rückblicken in immer neuen Facetten zu zeigen. Die Herausforderung aus den emotional hoch besetzten Themen Seite 7/8 Schwangerschaft, Geburt und Behinderung ein bis zum Schluss fesselndes Gerichtsdrama zu machen, war sicher eine riesige Herausforderung. Wir glauben, dass die Regisseurin sie außergewöhnlich gut gemeistert hat. Hebammen führen momentan einen zähen Kampf um ihr Überleben. Wir sind überzeugt davon, dass die Thematik dieses Films unserer aller Aufmerksamkeit bedarf. Deshalb geht der Preis der Publikums-Jury an den Film „Nacht der Angst“ von Gabriela Zerhau. Schülerbiber „Im Spinnwebhaus“ Kreissparkasse Biberach dotiert mit 3.000 € Inhalt: Jonas ist 12 Jahre alt und übernimmt zuversichtlich die Verantwortung für seine beiden jüngeren Geschwister, als seine Mutter sie allein zurücklässt. Doch ihre Abwesenheit zu verheimlichen, überfordert Jonas. Er isoliert sich und die Geschwister zunehmend und sie gleiten in eine eigene Phantasiewelt ab. Was als Abenteuer beginnt, wird zum Kampf um Leben und Tod. Allein die Freundschaft mit dem geheimnisvollen Felix gibt Jonas Hoffnung und Mut. Jury: Philipp Lück (Vorsitzender), Isabell Gerst, Kathrin Hobler, Nico Kleiner, Jannik Riedler Der Film, der dieses Jahr unseren Schülerbiber erhalten soll, ist perfekt für alle Altersklassen geeignet; spricht Jugendlich anders als Erwachsene und Kinder an. Ein extravagantes Kindermärchen für Junge, ein Albtraum für die meisten Erwachsenen und für Jugendliche ein Erlebnis aus Märchen, Erwachsenwerden und Leid in schwarz-weißen Bildern. Die Möglichkeit, den Film so auszulegen, wie man will und das Ende zu erhalten, das man sehen möchte, ist für uns die Krönung dieser 92-minütigen Reise. Deshalb geht der Schülerbiber der 37. Biberacher Filmfestspiele an den Debüt-Spielfilm Im Spinnwebhaus von Maria EiblEibesfeld. 08.11.15 Seite 8/8
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