Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt

Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt
Das Dokument „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ ist ein ökumenisches und
missionstheologisches Novum. Drei internationale kirchliche Organisationen – der Ökumenische Rat
der Kirchen, die Weltweite Evangelische Allianz und der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog
– haben sich in einem fünfjährigen Prozess über Leitlinien für christliche Mission verständigt. Die
Ergebnisse wurden 2011 veröffentlicht.
Zentrales Anliegen dieses wichtigen Textes ist eine gemeinsame achtsame Grundhaltung, damit
Mission „in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen“ geschieht (Präambel). Das
Dokument stellt zunächst die Grundlagen für christliches Zeugnis dar und folgert daraus Prinzipien für
interreligiöse Begegnungen.
Die Aufforderung, das christliche Zeugnis allen Völkern weiterzugeben, wird ernst genommen:
Mission und Zeugnis sind der Herzschlag der Kirche. Gleichzeitig wird nicht verschwiegen, dass im
Namen der Mission auch Vorgänge geschehen sind, die aus heutiger Sicht theologisch nicht zu
verantworten sind. Aus dieser Ambivalenz werden Leitlinien für eine Missionsethik entwickelt. Der
alte Streit zwischen ökumenischer und evangelistischer Mission wird damit im besten, dreifachen
Hegel’schen Sinne „aufgehoben“: Beides hat seinen Platz in einer pluralistischen Welt, beides findet
aber auch Grenzen.
Das Dokument hat in den letzten Wochen angesichts der Flüchtlinge, die zu uns kommen, eine große
Aktualität und Relevanz für die Gemeindearbeit gewonnen: Mitten unter uns fächert sich die
multireligiöse Welt weiter aus. Wir laden herzlich dazu ein, die Begegnungen mit Menschen aus
unterschiedlichen Kontexten – nicht nur Flüchtlingen – nach diesen Grundsätzen zu gestalten.
Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt
Eine Zusammenfassung
I. Präambel:
Mission gehört zum Wesen der Kirche. Jede Christin und jeder Christ hat den Auftrag ihren/ seinen
Glauben im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums zu bezeugen.
II. Grundlagen für christliches Zeugnis:
1. Es ist ein Vorrecht, in Respekt Rechenschaft über die Hoffnung in Christus abzulegen (1. Petrus
3,15).
2. Christliches Zeugnis bedeutet immer, Anteil am Zeugnis Jesu haben. So wie der Vater den Sohn
gesandt hat, so sind Gläubige beauftragt, in Wort und Tat die Liebe des dreieinigen Gottes zu
bezeugen.
3. Das Vorbild und die Lehre Jesu und der frühen Kirche ist das Leitbild für die christliche Mission.
Nachfolge heißt, die „Gute Nachricht“ vom Reich Gottes weiterzugeben (vgl. Lukas 4,16-20).
4. Christliches Zeugnis umfasst auch den Dialog mit Menschen, die anderen Religionen und Kulturen
angehören (vgl. Apostelgeschichte 17,22-28).
5. Trotz Schwierigkeiten bei dem Verkündigen des Evangeliums sind Christen/innen beauftragt, in
gegenseitiger Solidarität Christus zu bezeugen.
6. Unangemessene Methoden in der Mission sind Verrat am Evangelium und bedürfen der Buße (vgl.
Römer 3,23).
7. Die Bekehrung ist letztlich das Werk des Heiligen Geistes (vgl. Johannes 16,7-9; Apostelgeschichte
10,44-47)) und nicht der Zeugen.
III. Prinzipien:
1. Handeln in Gottes Liebe. Den Nächsten so zu lieben wie sich selbst (vgl. Matthäus 22,34-40;
Johannes 14,15).
2. Jesus Christus nachahmen. Seinem Vorbild folgen, seine Liebe weitergeben und Gott
verherrlichen (vgl. Johannes 20,21-23).
3. Christliche Tugenden. Christen/innen sind zur Integrität, Nächstenliebe, Mitgefühl und
Demut berufen und vermeiden alle Formen von Arroganz (vgl. Galater 5,22).
4. Taten des Dienens und der Gerechtigkeit. Christen/innen sind berufen, gerecht zu handeln
und anderen zu dienen (vgl. Micha 6,8). Bildung, medizinische Hilfe, Diakonie, Nothilfe und
rechtliche Fürsprache sind integraler Bestandteil des Zeugnisses. Die Ausnutzung von Not und
Armut haben keinen Platz. Menschen durch materielle Anreize gewinnen zu wollen, ist
unredlich.
5. Verantwortungsvoller Umgang mit Heilungsdiensten. Christen/innen bezeugen das
Evangelium durch Heilungsdienste. Die Verwundbarkeit der Menschen und ihr Bedürfnis nach
Heilung dürfen nicht ausgenutzt werden.
6. Ablehnung von Gewalt. Christen/innen sind aufgerufen, in ihrem Zeugnis alle Formen von
Gewalt und Machtmissbrauch abzulehnen.
7. Religions- und Glaubensfreiheit. Religionsfreiheit beinhaltet das Recht, seine Religion
öffentlich auszuüben und zu wechseln. Überall dort wo Bedrängung oder Verfolgung
stattfindet, haben Christen/innen den Auftrag, solche Handlungsweisen anzuprangern.
8. Gegenseitiger Respekt und Solidarität. Christen/innen sind aufgerufen, sich zu verpflichten,
mit allen Menschen in gegenseitigem Respekt zusammenzuarbeiten und gemeinsam
Gerechtigkeit, Frieden und Gemeinwohl voranzutreiben.
9. Respekt für alle Menschen. Christen/innen sind sich bewusst, dass das Evangelium Kulturen
sowohl hinterfragt als auch bereichert. Selbst wenn das Evangelium bestimmt Aspekte
hinterfragt, müssen alle Menschen mit Respekt behandelt werden.
10. Kein falsches Zeugnis geben. Christen/innen müssen respektvoll und aufrichtig reden,
zuhören und bereit sein, die Glaubenspraxis anderer zu verstehen. Es darf kein falsches
Zeugnis über andere Religionen abgelegt werden.
11. Persönliche Ernsthaftigkeit sicherstellen. Christen/innen müssen wissen, dass der Wechsel
der Religion einen lebensverändernden Schritt darstellt, der zu reflektieren ist und in völliger
Freiheit erfolgt.
12. Aufbau interreligiöser Beziehungen. Christen/innen sind aufgerufen, mit Angehörigen
anderer Religionen eine gemeinsame Vision und Praxis interreligiöser Beziehungen zu
erarbeiten.
Als Teil des Rezeptionsprozesses fand 2014 unter dem Titel „MissionRespekt“ ein internationaler,
ökumenischer Kongress in Berlin statt. Unter http://www.missionrespekt.de finden sich das Dokument
„Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“, Materialien für die Arbeit mit dem Dokument in
Gemeinden und diakonischen Einrichtungen sowie Links zu weiteren Missionserklärungen.
Auch in der Landeskirche wird das Dokument breit rezipiert (vgl. http://www.elkwue.de/helfen/fluechtlinge-und-migranten/). Gedruckte Exemplare sind im OKR erhältlich.
Bei der Fortbildungstagung der württembergischen Bezirksbeauftragten für Ökumene und Mission
wurde 2015 zu dem Dokument gearbeitet. Die Beiträge finden sich auf der Homepage des DiMOE:
http://www.dimoe.de/service/archiv/tagungen-liebfrauenberg/liebfrauenberg-tagung-2015/. Der
DiMOE bietet auf Anfrage Veranstaltungen zu dem Dokument in Kirchengemeinden und Schulen an.
Die Württembergische Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (WAW) hat sich an ihrem
Missionsstudientag ebenfalls mit diesem Dokument befasst und weiteres Material zum Thema
vorgestellt. Auch beim Pietismusgespräch der Landeskirche wird es im Zentrum stehen.
Auch die Jahrestagung der ACK Baden-Württemberg widmete sich 2015 diesem Thema. Die
Hauptvorträge von Präses Dr. Michael Diener (Kassel) und Prälat Dr. Klaus Krämer (Aachen)
erscheinen unter http://www.ack-bw.de/html/content/jahrestagung.html.
Stuttgart im Dezember 2015
Prof. Dr. Ulrich Heckel
Oberkirchenrat