Neujahrsansprache 2016, Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz herzlich möchte ich Sie hier im Atrium des Rathauses begrüßen. Ein Jahr ging zu Ende, ein Neues liegt vor uns. „Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Globalisierung zu uns zurückkehrt, ...in dem sich die Interdependenzen - also die Abhängigkeiten - zwischen den verschiedenen Teilen der Welt neu gestalten werden", betont der Trendforscher Matthias Horx in einem Interview der Frankfurter Rundschau im Januar diesen Jahres. Die globalisierte Welt, meine Damen und Herren, ist längst bei uns, in unseren Städte und Gemeinden angekommen, nicht virtuell, sondern sehr real. Wir sind nicht „abgeschottet“, isoliert Wir leben nicht auf einer unerreichbaren Insel. Und wenn es bisher so den Anschein hatte, dann müssen wir uns korrigieren. „Deutschland kein stiller Garten in der globalisierten Welt des Tötens und Sterbens.“ hat die Zeitung, die ZEIT, neulich in einem Bericht über die künftige Rolle des Staates in dieser veränderten Welt geschrieben. „Flüchtlinge haben uns die zerrissene Welt buchstäblich nahe gebracht. …Sie sind Botschafter der Welt, wie sie wirklich ist….Sie sind Sehhilfe, mit der wir erkennen können, dass Kriege und Krisen mit unserer vergesslichen Lebensweise mehr zu tun haben, als wir wahrhaben wollten", kommentierte die Frankfurter Rundschau zu Weihnachten. Das, da bin ich sicher, fordert auch uns, die Politik und Verwaltung auf allen Ebenen. Das fordert nicht nur Bürgerinnen und Bürger heraus, das fordert auch die staatlichen Einrichtungen. Mehr denn je wird er gefordert - der Rechtsstaat, der die Grundrechte wahrt und deren Gültigkeit für jeden Menschen – unabhängig von dessen Nationalität, Hautfarbe, Religion…sichert; der Bildungschancen, das Recht auf Unversehrtheit, auf Würde des Menschen, ja auch auf Eigentum sichert und verteidigt; der Regeln und die Einhaltung unserer Gesetze überwacht und ahndet, damit niemand untergeht. Dass dies leider nicht nur politische Theorie ist, zeigen uns die bedauerlichen und höchst widerwärtigen Ereignisse in der Silversternacht in Köln, Hamburg und Frankfurt. Nicht leider hilflos und anachronistisch wirkende Verhaltenstipps für junge Frauen sind hier gefordert, wie dies meine Kölner Kollegin in ihrer ersten Stellungnahme getan hat, sondern klares, konsequentes - und ich sage dies bewusst – hartes rechststaatliches Handeln ist gefordert, besonders im Interesse der Frauen und Mädchen, aber auch aller Bürgerinnen und Bürger. Und dennoch gilt es festzuhalten: Angst und Vorurteile sind schlechte Begleiter auf diesem Weg, Stimmungsmache schon gar nicht. Wir sollten unser Selbsvertrauen, ja auch Offenheit bewahren, gepaart mit Respekt gegenüber dem bisher Erreichten und einer Bereitschaft, das Erreichte zu verteidigen; dies sind die adäquaten Partner jeder Veränderung - in Gießen, in Deutschland und in Europa. Europa ist gefordert: Gerade, weil wir erkennen müssen, "dass die EU zum ersten Mal seit 1989 nicht mehr nur von potentiellen Partnern und Beitrittsaspiranten umgeben ist, sondern mehr und mehr von Staaten, die entweder in die Instabilität abgleiten oder ins Autoritäre", wie die ZEIT analysiert. Gerade weil wir Deutsche eine historische Verantwortung haben, dürfen wir nicht nachlassen, den bedenklichen rechtsnationalen Entwicklungen in Ungarn und Polen entgegenzutreten; nicht zusehen, wie dort Grundrechte mit Füßen getreten werden und dafür eintreten, dass die Grundlage Europas nicht verspielt werden darf; dass der einigende Gedanke einer "Friedensunion" bewahrt wird, dass die EU als Solidar- und nicht vor allem als Zugewinngemeinschaft eine Zukunft hat. Bei seiner Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2015 sagte der deutsch –iranische Schriftsteller Navid Kermani, ich zitiere: "Auch Europa hat sich nach den beiden Weltkriegen neu geschaffen. Und vielleicht sollte ich angesichts der Leichtfertigkeit, der Geringschätzung und offenen Missachtung, die nicht nur unsere Politiker, nein, die wir als Gesellschaft seit einigen Jahren dem europäischen Projekt der Einigung entgegenbringen, dem politisch Wertvollsten, was dieser Kontinent je hervorgebracht hat – vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, wie oft ich bei meinen Reisen auf Europa angesprochen werde; als Modell, ja beinahe schon als Utopie.“ Die Welt , Europa, Deutschland, ja, auch Gießen ist in Bewegung. „Nichts ist so beständig wie der Wandel“, schrieb einst der griechische Philosoph Heraklit. Dieser philosophische Gedanke gilt für unsere Gegenwart mehr denn je. Schon immer galt: Wer sich dem Wandel widersetzt, wer nur das Bestehende bewahren will, ohne gleichzeitig auch offen für das Neue zu sein, der wird auf Dauer den gestellten Anforderungen nicht gerecht. Konkret heißt das: Wir brauchen die dringend notwendige gerechte Verteilung der Bürgerkriegsflüchtlinge auf alle europ. Länder. Das Flüchtlingsthema ist global und damit auch europäisch. Wir Europäer sollten uns auf die historisch gewachsenen Grundwerte wie Humanität, Solidarität und politische Stabilität besinnen. Ich bin froh und dankbar darüber, dass es auf Bundesebene, aber auch hier in unserer Stadt einen weitgehenden Schulterschluss gibt zu dem „humanitären Imperativ“, mit dem Bundeskanzlerin Merkel die Verpflichtung deutlich macht, die Menschen bei uns aufzunehmen, die vor Krieg, Gewalt, Terror geflohen sind. Ich glaube und hoffe, dass sich diese Einigkeit auch über die kommenden Wahlen hinweg erstrecken wird. Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich, dass wir rechten Parolen und Stimmenfängern die Stirn bieten werden. Sie haben keinen Platz in unserem Gießen. Angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderung und Kraftanstrengungen ist allerdings „Euphorie genauso wenig angebracht wie das Schüren von Ängsten“, wie die neue Städtetagspräsidentin Eva Lohse - wie ich finde, sehr zutreffend - formulierte. Sie sagte weiter: "Es darf nicht passieren, dass die Menschen mit ihren Sorgen nicht gehört werden. Sozialer Sprengstoff entsteht dort, wo Probleme ignoriert werden.“ So wenig wie es angesichts der Weltlage sinnvoll ist, sich abzuschotten und das Glück auf nationaler Ebene durch Abschottung zu suchen, so wenig ist es sinnvoll, die Herausforderungen der Gegenwart durch ein blindes "Das wird schon" zu beantworten. Es ist damit kein Widerspruch, dass wir als Städte und Gemeinden den humanitären Imperativ der Kanzlerin unterstützen und dennoch fordern, uns besser bei der Aufgabenwahrnehmung zu unterstützen. Die Forderung nach schnellerer und umfassender Unterstützung der Städte und Gemeinden, die dramatischen Hilfsappelle angesichts der Krisen ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Verlautbarungen der Kommunalverbände: Wohnungsversorgung, Sprachkurse, Kita-Plätze, Gesundheitsversorgung, Bildungsangebote, Job- Vermittlung, bei allen diesen Aufgaben ist eine milliardenschwere Aufstockung der Bundeshilfen vonnöten. Und auch immer wieder der Appell, dass unsere Kommunen nicht überfordert werden dürfen. „Wir brauchen menschliche Ressourcen, Geld und – angesichts von PEGIDA- auch moralische Ressourcen“, formuliert der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly. Und schaffen können wir es nur, wenn wegen der Ausgaben für Flüchtlingshilfe nicht andere Leistungen – etwa für Soziales, Sportvereine, Kultur – gestrichen werden müssen, schon gar nicht bei den sog. „kleinen Leuten“ mit Verlust- und Konkurrenzängsten. „Dann bringen sie zwei Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf", so Maly zutreffend. Bei den finanziellen Forderungen gehe es daher auch darum, den sozialen Frieden und die Akzeptanz für Flüchtlinge aufrechtzuerhalten. Ich sage dies hier in aller Deutlichkeit: Die Unterbringung, Betreuung und Integration der Flüchtlinge ist und bleibt eine zentrale Aufgabe und keine Nebensache. Jedoch: Wir haben und werden parallel dazu nicht nachlassen, auch für die Lebensqualität aller Menschen in unserer Stadt zu sorgen; dafür zu sorgen, dass Gemeinschaften und Gemeinsamkeiten gepflegt werden und neue entstehen können; dafür zu sorgen, dass diejenigen, die bisher schon am Rande standen, nicht noch weiter ins Abseits rücken. Damit das geschehen kann, brauchen wir weitere Kraftanstrengungen, um Integration möglich zu machen. Wir brauchen auch Kraftanstrengungen, um weiter für die Bedürfnisse und Bedarfe unserer sehr heterogenen Gesellschaft da zu sein und wir brauchen klare Bekenntnisse zu unseren Grundwerten und Regeln. Nicht ohne Grund forderte der scheidende Präsident des Städtetages, Ulrich Maly: „Mehr Respekt vom Bund gegenüber den Kommunen." Denn, „Wenn die Leute Probleme haben, dann schreiben sie nicht nach Berlin, sondern dann kommen sie ins Rathaus. Und wenn das Rathaus immer wieder sagen muss „du hast recht, dein Anliegen ist berechtigt, aber wir haben kein Geld“, dann ist das eigentlich die Einladung an die Pegidas dieser Welt, dann ist das ein Beitrag zur Politikverdrossenheit“, . Deshalb sei es an dieser Stelle nochmals deutlich gesagt: Unser ständiger Ruf nach mehr Finanzmitteln für die zusätzlichen Aufgaben, die wir übernehmen müssen, ist keine Lieblingsbeschäftigung der Spitzenverbände und auch nicht der Stadt Gießen. Es ist auch keine Lamentiererei, wie manche vorschnell urteilen. Es ist schlicht die Realität und Notwendigkeit. Die Leistungen, die wir erbringen müssen, kosten Geld. Und bislang sehen wir nicht, dass dies ausreichend gewürdigt und gefördert wird. So erfreulich die Sofortprogramme für den Moment auch sind: Angesichts der chronischen Unterversorgung der Städte und Gemeinden, auch, aber nicht nur wegen der Flüchtlinge, helfen die Sofortprogramme und einmaligen Zuweisungen der Landesregierung nicht auf Dauer. Es gibt Rechnungen, die beziffern den Investitionsstau in Bildung, in Infrastruktur, in Straßen und Verkehr in den Kommunen auf einen dreistelligen Milliardenbetrag. Insofern ist das Kommunale Investitionsprogramm in Hessen gut, aber eben nur eine „Ad-hoc-Maßnahme“, mit der wir unsere Investitionsstaus - vor allem in Schule und Bildung mildern, aber langfristig nicht lösen können. Dabei haben wir noch nicht geredet über die Mittel der Daseinsvorsorge, der Sicherung der Lebensqualität. "Eine Stadt, die nur noch Pflichtaufgaben erfüllt, wird irgendwann eine langweilige Stadt" hat Maly richtig gesagt. Als ich das jüngste Schreiben unseres hessischen Innenministers erhielt, mit dem er uns erneut Mittel aus dem Landesausgleichsstock in Aussicht stellte, mischte sich unter die Freude auch Unbehagen; dort heißt es: „Freiwillige Leistungen sind auf das absolut unabweisbare Maß zu reduzieren…. Die Reduzierung der Standards, des Services und der Personalaufwendungen sind mit Nachdruck auch in den städtischen Mehrheitsbeteiligungen umzusetzen…..; Einnahmeverbesserungen…hier ist insbesondere der Teilhaushalt Kultur und Wissenschaft einer verstärkten intensiven Prüfung auf Konsolidierungspotenziale zu unterziehen…; bisher nicht kostendeckend zur Verfügung gestellte Leistungen für Bürger und Vereine müssen in Anbetracht der defizitären Haushaltslage gezielt dahingehend überprüft werden, ob sie zukünftig eingestellt oder in höherem Maß kostendeckend angeboten werden ...Stelleneinsparungen.“ Die Liste der Auflagen und Anweisungen ist lang. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, ich werde auch weiterhin wie bisher mich leidenschaftlich dafür einsetzen, dass Gießen eine soziale und attraktive Stadt mit Bildung, Kultur, Sport- und Freizeitangeboten zu bezahlbaren Preisen bleibt und das bekommt, was ihm angesichts der Leistungen und Bedarfen seiner Menschen zusteht! Unser bisheriger guter finanzieller Konsolidierungskurs bestätigt das. Wie viele Menschen auf die Bereitstellung von Lebenschancen angewiesen sind, zeigte der „Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes“ des Jahres 2015 auf: 12,5 Mio Arme gibt es laut diesem Bericht in Deutschland, so viele wie nie seit der Wiedervereinigung, und dies trotz steigender Löhne und Einkommen, Schrumpfen der Arbeitslosigkeit und neuem Höchststand der Erwerbstätigen. Ursachen seien „extreme Verteilungsprobleme“. Vom Wohlstand und damit auch sozial abgehängt seien v.a. Alleinerziehende, arme Kinder (nach dem aktuellen Bericht der Funke Mediengruppe vom Dezember 2015 ist jedes 6. Kind in Deutschland ist von Hartz IV- Leistungen abhängig) Arbeitslose, Menschen mit prekären Jobs und immer mehr RentnerInnen. Dieses arme reiche Deutschland ist eine beschämende Facette Politik! Für Lebens- und Teilhabechancen werden wir in Gießen alles tun. Dafür werden wir ungeachtet der gegenläufigen Ermahnungen aus Wiesbaden auch weiterhin kämpfen! Wir hier in Gießen haben,- was den Umgang mit neuen Herausforderungen als soziale Stadt, auch als Flüchtlingsstadt angeht, – eine enorme praktische Erfahrung . Wir haben neben vielen Jahren einer innovativen Sozialpolitik alleine in den letzten Monaten auch große Kraftanstrengungen zu bewältigen gehabt - zu einer Zeit, als das Flüchtlingsthema in der Republik noch gar nicht angekommen war. Und wir tun es auch immer noch. Ich finde, dass wir es alle gemeinsam im Schulterschluss, in großer Einvernehmlichkeit und angesichts aller Unvorhersehbarkeiten immer wieder erfolgversprechend meistern. Vizekanzler Gabriel, Bundespräsident Gauck, Ministerpräsident Bouffier - sie haben Gießen besucht. Sie waren teilweise erstaunt über die Situation, die Mammutaufgabe und bescheinigten allesamt Gießen ein unglaubliches Engagement, eine große Leistung. 5.500 Flüchtlinge alleine in HEAE Rödgener Straße, waren nicht nur, aber auch eine logistische Leistung: Verpflegung, Betreuung, Unterbringung… Dazu beigetragen hat auch das sehr persönliche Engagement unseres ehemaligen Regierungspräsidenten, Herrn Dr. Witteck, dem ich unabhängig von manchen Meinungsverschiedenheiten, die wir im Alltag der politischen Auseinandersetzung ausgetragen haben,attestieren möchte: Er hat Gießen gut getan. Er hat unser Gesicht, das Gesicht unserer toleranten, weltoffenen Stadt in der Flüchtlingskrise auf eindrucksvolle Weise repräsentiert. Dafür danke ich ihm. Und ich wünsche mir, dass diese Tradition mit unserem neuen Regierungspräsidenten, Herrn Dr. Ullrich, fortlebt. Ich bin da sehr zuversichtlich. Zur Wahrheit der vergangenen Entwicklung, und dies sollte nicht vergessen werden, gehört aber auch, dass Gießen lange mit der Flüchtlingsproblematik mehr oder weniger alleine gelassen wurde. Alle Appelle, eine Entlastung der HEAE mit weit über 5000 Flüchtlingen und einigen Hundert minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen in unserer Stadt zu schaffen, eine andere Verteilung in Hessen vorzunehmen, finanzielle und organisatorische Entlastung zu schaffen, weil eine völlige Überlastung vieler städtischer Ämter, z.B. der Feuerwehr spürbar war, aber auch in der Bevölkerung die Stimmung zu kippen drohte, blieben lange Zeit nahezu ungehört. Wir mussten sehen, wie wir alleine zurecht kamen. Keine andere Stadt hatte eine vergleichbare Problemlage. In der Administration in Wiesbaden und Berlin war die ganze Tragweite der Herausforderung noch nicht angekommen. Erst viele Monate später wurde in den überregionalen Medien von den ungelösten Problemen in den Erstaufnahmeeinrichtungen berichtet. Ich möchte sehr deutlich feststellen: Wir können ein wenig stolz sein auf unsere Stadt, die in diesen schwierigen Zeiten des letzten Jahres und trotz vieler Zumutungen und Kraftproben zusammen gehalten hat; Stolz sein, dass die Neo-Nazis ihre Offensive in Rödgen nicht erfolgreich starten konnten, die Türen bei den Hausbesuchen geschlossen blieben und sich keine GIgida gründete. Das soll und wird auch so bleiben! Dieses Zutrauen wird auch nötig sein: Die große Aufgabe der Integration steht uns nämlich noch bevor. Aber wir brauchen dazu die vorbehaltlose Unterstützung von Bund und Land. Nur so kann es uns auf Dauer gelingen, den sozialen Frieden zu bewahren und die positiven Potentiale zu nutzen. Zutrauen in das Gelingen gibt mir auch das große Engagement unserer Bevölkerung: Allein 300 waren gekommen, als Freiwillige gesucht wurden. Alleine von vielen einzelnen Helfern, von Initiativen, von Studierenden, von Älteren, von kleinen und großen Gesten könnte man lange berichten. Leider können nicht alle erwähnt werden. Aber stellvertretend einige Beispiele: Das Welcome Center (unter großartigem Einsatz des DRK ), das Medinetz, die Refugee Law Clinic, an.ge.kommen, Freiwillig-Sozial-aktiv, die Feuerwehr mit ihrer Wasserspaßaktion, natürlich die Kirchen und Wohlfahrtsverbände. Aber einen möchte ich heute besonders hervorheben, der seit Jahrzehnten in der Flüchtlingshilfe/Erstaufnahmeeinrichtung aktiv ist, das Welcome Center mit aufgebaut hat (im wahrsten Sinne) und betreut, unglaublich engagiert und dabei unglaublich unaufgeregt ist: Pfarrer Leschhorn von der Petrusgemeinde. Er selbst sagt im Interview: „Jedes Schicksal berührt einen tief“ und schätzt realistisch ein: „Der Ansturm der Flüchtlinge ist keine Sache, die in einem Jahr vorüber ist. Daher brauchen wir in Gießen einen langen Atem, gute Ideen und eine ruhige Hand bei allem, was wir tun.“ So werden wir´s tun. Danke, dass auf Sie dabei Verlass ist! Ein großes Dankeschön möchte ich aber an dieser Stelle auch an die heimische Presse aussprechen für ihre stets seriöse, faire Berichterstattung und dafür, dass sie Flüchtlingen immer wieder ein konkretes, menschliches Gesicht gibt. Dieses vergangene Jahr, es war aber nicht nur geprägt durch das Thema Flüchtlinge. Es hatte weit mehr Dimensionen. Ich möchte uns gemeinsam daran erinnern, was uns auch bewegt hat: - der Tod der Trägerin der Hedwig-Burgheim-Medaille Anna Mettbach, deren Stimme uns fehlen wird; - die Benennung der Grundschule Rödgen nach Hedwig Burgheim, deren Wirken und Tun uns immer neu anleiten und bereichern kann; - die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an unseren 103-jährigen Ehrenbürger Abraham Bar Menachem, der uns zutiefst verbunden ist und den wir gerne in Gedanken bei uns wissen; - die Errichtung eines Gedenksteins der Uni für Tugce Albyrak an der Mensa, die Giessener Studentin, die im Alter von 23 Jahren Opfer von Gewalt wurde. Seine Inschrift bleibt uns Mahnung; sie lautet: „Tugce´s Traum war es Lehrerin zu werden. Mit ihrer Zivilcourage hat sie der Welt ihren ersten und letzten Unterricht erteilt.“ - das Projekt „Reflexion“ mit 3 original Berliner Mauersegmenten auf dem Bahnhofsvorplatz, der mit dem deutschen Preis „Kultur- und Kreativpiloten“ ausgezeichneten Künstlergruppe 3steps; Mauerteile dienen hier als Symbol für bestehende Mauern in den Köpfen und real zwischen Menschen, Kulturen Nationen…; Das Ziel der Kunstaktion: Mauern einreißen - eine – im wörtlichen Sinne – bewegte Stadt war Gießen während des Landesturnfestes und der Deutschen Turnmeisterschaft; neben beeindruckenden und hervorragenden Performances und Leistungen zeigte sich enormes ehrenamtliches Engagement - Großartiges und weitsichtiges Bürgerengagement des Gießener Theatervereins legte den Grundstein zur Gründung unseres hervorragenden Stadttheaters, das die kulturelle Identität unserer Stadt und Region nachhaltig prägt; wir feierten dessen 125- jährige Jubiläum , das ich für viele anderen Jubiläen im Jahre 2015 stellvertretend nenne - die Sanierung des Kirchenplatzes: Hier hat Gießen vor über 860 Jahren angefangen zu leben; hier lebt es heute noch. Gießens alte Mitte soll auch neue Mitte sein. Es ist ein wertvoller Platz, der Geschichte attraktiv in Szene setzt und zentraler Treffpunkt und Veranstaltungsort ist und bleibt; - die Wiedereröffnung der Basilika auf dem Schiffenberg, ein Denkmal von nationaler Bedeutung, aber auch ein Ort voller Erlebnisse und Erinnerungen der Gießener – Rodeln als Kind, Musikalischer Sommer als Erwachsener, viele Ausflüge, ein Ort zum Leben und Träumen, den schon das Gießener Verkehrshandbuch im Jahre 1907 als Ausflugsziel so bewirbt: „Es ist die schöne Natur, die entzückende Aussicht von den Fenstern des Hauptgebäudes und von der Terrasse…. Es ist kein Wunder, dass es an schönen Sonntagen vom Frühling bis in den Herbst hinein auf dem Schiffenberg von Besuchern förmlich wimmelt…..." Wir sind dankbar für diesen Ort und froh, ihn mit der Restauration für die heutigen und künftigen Generationen bewahrt zu haben. Es sind aber auch die vielen kleinen und großen Errungenschaften, die uns zu neuen Erkenntnissen gebracht, uns dazu bewegt haben, flexibel zu bleiben und nicht starr zu werden: Ich erinnere an den Streik und die Tarifeinigung für den Sozial- und Erziehungsdienst, der eine Belastungsprobe war für Eltern und uns als Arbeitgeber. Es wurde ein Konsens erreicht, und es wurde deutlich gemacht, welche wertvolle Arbeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten, wie sich das Berufsbild verändert hat und dass soziale Arbeit leider immer noch zu wenig gewertschätzt wird, auch und gerade bei der Bezahlung. Es war richtig und gut und keineswegs eine Wahlkampfaktion, dass wir den Eltern die Kosten für die entgangene Betreuung zurückerstattet haben. Es war und ist ein richtiges Zeichen dafür, dass wir die Arbeit der Gewerkschaften respektieren und keine falsche Front aufbauen wollten: Eltern brauchen verlässliche und gute Betreuung ihrer Kinder, und Kinder brauchen qualifizierte und motivierte Betreuerinnen und Betreuer. Wir wissen um diesen Zusammenhang und kommen unserer Verpflichtung als Arbeitgeber nach. Soziale Arbeit ist wichtig und gehört auch gerecht bezahlt! Ich erinnere aber auch an eine andere Belastungsprobe, die Gießen beschäftigt hatte: die 46ers. Sie waren mal kurz weg und sind jetzt wieder da. Erstklassig! 1. Bundesliga. Auch sie brauchten Zeit und Unterstützung, um wieder auf die Beine zu kommen - und unsere Geduld. Es hat sich gelohnt. Ihr Motto „Unsere Liebe ist Rot“ und auch „Gießen ist rot“, dagegen kann man nichts einwenden. Ein echtes Erfolgsrezept, aber Gießen bleibt natürlich grundsätzlich „bunt“! Zurückgekehrt ist im letzten Jahr auch der Verein Blau-Weiß. Er war nicht abgestiegen, sondern nur zeitweise wegen der Landesgartenschau beurlaubt aus seinem Quartier in der Ringallee. Wir haben Wort gehalten , und wünschen nun nur das Beste für die Vereinszukunft am alten Ort in neuem Outfit. Lösungen gab es auch im Konflikt um Parkmöglichkeiten am Lärchenwäldchen. Neue Bebauung trifft auf alte Besiedelung, ein für unsere Stadt symptomatisches Problem, weil wir Bebauungen verdichten, um Platz für neue Bewohner zu schaffen. Das Lärchenwäldchen hat gezeigt: Wenn man es pragmatisch angeht und alle mitwirken, kann es auch klappen. Man kann sich arrangieren. Ich hoffe, in künftigen Konflikten wird man sich daran erinnern. Denn: Es ist mittlerweile durch Gutachten bestätigt, dass Gießen zu den Boom-towns der Mittelstädte gehört. Gießen sei eine der wenigen "stark wachsenden Mittelstädte, die nicht zu einem Ballungsraum gehören", hat eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur Entwicklung der Städte und Gemeinden in Deutschland“ wissenschaftlich bestätigt. Auch ohne Flüchtlinge ist unsere Stadt in den letzten 10 Jahren um rund 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner gewachsen. Die urbane Lebensqualität steigt; das Selbstbewusstsein der Gießener auch. Wir gehören zu den prosperierenden Städten, die für Eingesessene wie auch Zuziehende attraktiv sind. Dazu trägt unsere Lage im Zentrum Mittelhessens als Hochschulstandort sowie als Ort mit bedeutenden Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen wie Klinika bei. Voraussetzung für dieses Wachstum war und ist, dass durch private Investoren viele neue Wohngebiete entstanden sind und noch entstehen - meist auf alten Brachen gewerblicher oder auch militärischer Art. Es sind vorwiegend höher- und/oder hochpreisige Mietwohnungen sowie Eigentumswohnungen und Eigenheime: Bergkaserne, RKH- Gelände, Monroe-Park, „Kuhstall- Gelände“, Güterbahnhof, „Brauereihöfe“, Schlachthof, Paul- Schneider- Straße Lahntower, um nur die umfassenderen Beispiele zu nennen. Gleichzeitig haben wir beispielsweise mit der Entwicklung des Neubaugebiets Allendorf-Nord eine städtische Antwort auf die große Nachfrage nach Einfamilienhausbebauung gegeben. Für all das gibt es eine Nachfrage, und an dieser Entwicklung haben auch wir als Stadt ein Interesse, weil wir auch all diesen Bedarfen nachkommen und Heimat für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sein wollen, - ohne jedoch die Lebensqualität der alteingesessenen Bevölkerung zu schmälern und ohne den Blick auf diejenigen zu vergessen, deren Bedarfe andere sind. Deshalb werden wir künftig - neben der Förderung der erwähnten Entwicklung - auch selbst noch stärker als bisher in den sozialen Wohnungsbau investieren: In die Sicherung des großen Bestandes, - Sie wissen vielleicht, dass jeder 6. Giessener in einer Wohnbauwohnung wohnt und 75-80 % dieser Wohnungen einen Mietpreis bis zu 5,50 E pro qm haben- , aber auch in den Neubau: Wir haben im vergangenen Jahr das Gießener Investitionsprogramm "Soziales Wohnen" aufgelegt, mit dem 65 neue Sozialwohnungen entstehen sollen, und wir haben Belegungsbindungen von Alt-Sozialwohnungen gesichert, die Kappungsgrenze zur Vermeidung von überproportionalem Mietanstieg eingeführt, die Kappung von Sozialmieten nach der Sanierung von Wohnungsbeständen der stadteigenen Wohnbau Gießen auf 6,00 € bzw.6,50 € festgelegt. Das ist viel, aber noch nicht genug für die Zukunft und für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Bedarfen unserer wachsenden Bevölkerung. Das Wohnraumversorgungskonzept, an dem wir mit vielen verschiedenen Akteuren arbeiten, wird dies im Laufe dieses Jahres sicher noch besser beleuchten. Allerdings steht heute schon fest: Für einen größeren Zuwachs an bezahlbarem Wohnraum brauchen wir neue Förderprogramme aus Bund und Land. Nur so werden wir auf Dauer die Balance halten können. Es wird daher auch weiter darauf ankommen, dass wir die Chancen der neuen Entwicklungen auf allen Ebenen wahrnehmen, aber sie auch mit Vernunft und Verstand kanalisieren, sie lenken und steuern, korrigieren und ergänzen, wo wir es können. Zukunftsweisende städtische Entwicklungspolitik darf sich aber weder durch die Haltung der nimbos "not in my backyard" (nicht in meinem Garten) noch durch das "banana-Prinzip" (build absolutely nothing anywhere near anybody (baue absolut nichts irgendwo in der Nähe von irgendwem) leiten lassen. Ich erinnere an dieser Stelle nochmals daran: "Nichts ist so beständig wie der Wandel“. Es kommt bei diesem Wandel aber vor allen Dingen darauf an, sich zu bewegen – am besten gemeinsam und in die richtige Richtung. Durch unsere Bürgerbeteiligungssatzung mit den für BürgerInnen verbrieften Rechten versuchen wir den Bürgerinnen und Bürgern, eben jenen Weg vorzuschlagen; sich auf Diskurse und die Suche nach gemeinsamen Wegen einzulassen. Prämisse dieser Diskussionen kann aber nie sein, dass sich nichts verändern darf. Wer jede Veränderung ablehnt, der will eben auch nicht Teil von Beteiligung sein. Das ist bedauerlich, aber ich bin auch überzeugt davon, dass die weitaus meisten Menschen einen anderen Weg des Umgangs miteinander bevorzugen. Denn: Es gibt allen Grund, selbstbewusst zu sein angesichts der Entwicklung unserer Stadt, weil wir Anschluss haben an die Zukunft. Das hat sich im letzten Jahr auch in wirtschaftlicher Hinsicht gezeigt. Natürlich ist Gießen nach wie strukturschwach (die Gründe sind bekannt). Aber dennoch ist es im letzten Jahr gelungen, eine schwierige innerstädtische Brache wieder mit Leben zu füllen. Das ehemalige Kaufhofgebäude - oder "der Horten", wie die Gießener sagen ist wieder besiedelt. Das tut dem Quartier gut, das tut auch der Innenstadt gut. Und es ist in diesen Zeiten, da Innenstädte angesichts des Konkurrenzdrucks vor allem durch das Internet Überlebenskämpfe führen, keineswegs selbstverständlich, dass es den Handel in unserer Innenstadt zieht. Wohltuend für die Gießener Seele ist es zudem zu hören, was der Investor bei der Eröffnung sagte: „ Gießen ist eine leistungsfähige Stadt und einer der interessantesten Standorte in Hessen“ Davon überzeugt ist sicher auch eine in Gießen beheimatete Investorengruppe, der wir dankbar dafür sind, dass sie unter anderem die Vermarktung des ehemaligen US-Depots (einschließlich der Rettung des alten Flughafengebäudes) stemmt und auch dafür sorgen wird, dass das ehemalige Lilly-Gelände in der Marburger Str. wieder wirtschaftlich genutzt wird. Es ist gut, tatkräftige und erfolgreiche starke Partner an seiner Seite zu wissen, die den Standort kennen und ihm verbunden sind. Vertrauen und Bekenntnisse zum Standort Gießen haben auch andere Wirtschaftsvertreter geleistet: Mercedes hat seinen Standort erweitert, die Firma Pascoe erweitert nach Umzug ebenso und auch Tucker hat sich dazu entschieden, die Zukunft in und mit Gießen weiterzugehen. Besonders freuen wir uns natürlich, dass das Fraunhofer-Institut mit einer Dependance nach Gießen kommt und wir hoffen natürlich darauf, dass dies einen zusätzlichen Entwicklungsschub für das Gewerbegebiet hinsichtlich junger Start-up-Unternehmen gibt. Bedauerlich ist, dass es 2015 auch schlechte Nachrichten gab: Dass Elli Lilly nach Jahren der Investitionen in Gießen den Standort aufgab, war ein Schock. Und dass das Gießener Brauhaus nicht mehr da ist und künftig auch kein Gießener Bier unseren Namen in die Welt tragen wird, ist mehr als unerfreulich. Ich hoffe, dass wir langfristig über diesen Verlust an Tradition hinwegkommen werden, - ebenso übrigens wie über den Verlust des zweiten heimlichen Wahrzeichen in luftiger Höhe: den Funkturm in den Pendelton Barracks. Wir müssen uns neue Orientierungspunkte suchen - auch sinnlich. Nehmen Sie den heutigen Versuch, nach meiner Rede das geliebte Gießener Bier am Stand des Brauhauses hier im Rathaus durch frischgepressten Orangensaft zu ersetzen, als eine solche Chance wahr! Diese haben Sie ansonsten nur auf dem Gießener Wochenmarkt, - und auch der, dafür möchte ich an dieser Stelle werben, ist einen Besuch wert - echt Gießen und durchaus auch etwas, auf das man stolz sein kann. Erfreut und voller Zuversicht kann man auch sein, wenn man sich die Entwicklungen der Hochschulen, der Justus-Liebig-Universität und der Technischen Hochschule Mittelhessen, anschaut. Sie sind weiter auf Wachstumskurs. Hochschulen und Stadt arbeiten bei der Entwicklungsplanung eng zusammen. 700 Mio € sind bei Uni und THM die letzten Jahre allein verbaut bzw. Planungen dafür angestoßen worden. Mehrere Hundert Mio € erwarten sie ab 2020 aus der 2. Stufe des Hochschulbauprogramms „Heureka“. Das Klinikum startet an vielen Stellen immer wieder neu durch und beweist Spitzenleistungen: Gerade erst haben der Gießener Lungenforscher – Prof. Ghofrani und sein Team – den Zukunftspreis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation erhalten. Dass der Standort bei all dem, was geleistet wird, durchaus auch eine Rolle spielt, darauf hat jüngst Prof. Seeger bei Überreichung des Röntgen/Behring Preises hingewiesen: „Gießen ist bodenständig und innovativ“, hat er gesagt - ,ein schönes und für mich sehr treffendes Kompliment an unsere Stadt und ihre Menschen! Den Studierenden scheint das Gießener Klima jedenfalls auch zu gefallen: Wir haben nach wie vor Höchstzahlen an Studierenden, und die vielen jungen Menschen bereichern und verjüngen unsere Stadt mit ihren Initiativen ungemein: Beispielhaft erwähne ich nur die Refugee Law clinic, das Theaterfestival Diskurs, die Initiative „Gefangenes Wort“, die Events WG- Festival und WGFlohmarkt. Ich freue mich, dass parallel mit Beginn meiner zweiten Amtszeit, auch UniPräsident Prof. Mukherjee seine zweite Amtszeit begonnen hat. Das ist eine Garantie für weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit. Genauso freue ich mich auf die neue Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten der THM, Prof. Willems. Zuversichtlich stimmt mich die Entwicklung unserer städtischen Finanzen, die ja nun maßgeblich darüber bestimmt, welchen Handlungsspielraum wir selbst haben und haben werden. Wir sind nicht auf Rosen gebettet - nach wie vor nicht. Aber wir halten unsere eigenen Vorgaben, unseren Konsolidierungskurs ein. Die steigenden Anteile aus der Einkommenssteuer tun uns gut und zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und natürlich haben wir uns über die überraschend hohen Schlüsselzuweisungen des Landes Hessen gefreut. In diese Freude mischt sich jedoch auch immer ein Quäntchen Unbehagen. Denn zum einen ist es so, dass dies Momentaufnahmen sind und daraus kein Anspruch der Unterstützung für die nächsten Jahre erwächst, den ich persönlich gerne festgeschrieben hätte. Zum anderen würde ich es natürlich lieber sehen, dass unsere eigene Steuerkraft dauerhaft spürbar steigt und uns langfristig unabhängig macht von der langen Leine der Landesregierung. Da geht es mir wie dem Städtetag: Jammern gehört wirklich nicht zu meinem Lieblingsgewohnheiten. An der Beseitigung unserer unverschuldeten strukturellen Defizite möchte ich und müssen wir deshalb weiterarbeiten und parallel auf die notwendige Unterstützung des Landes setzen, damit wir weiter das tun können, was man von einer Stadt erwartet: Ihren Bürgerinnen und Bürgern eine gute Heimat zu bieten . Das ist erste Bürgerpflicht - auch und vor allem für uns Politikerinnen und Politiker, die denen vorangehen, die so viel ehrenamtlich dafür tun, dass unsere Stadt liebens- und lebenswert bleibt. An dieser Stelle ein herzliches Danke an die vielen, vielen Menschen, die sich im Ehrenamt um diese Stadt bemühen: all´ die Vereine im sozialen, sportlichen, kulturellen oder im FeuerwehrBereich; all´ die kirchlichen und weltlichen Initiativen, die immer da sind, wenn Hilfe benötigt wird. Ohne Sie wäre unsere Stadt nicht Gießen, hätte Gießen nicht diese Strahlkraft und Zukunft, wie sie vor uns liegt. Danke. Danke möchte ich auch Ihnen sagen, verehrte hier versammelte Damen und Herren, Ihnen, die Sie im Rahmen Ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Stellungen dazu beigetragen haben, dass Lebensqualität und das Klima der Toleranz und Offenheit mit unserer Stadt verbunden wird. Danke sage ich auch an die Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverordnetenversammlung, des Magistrats, der Ortsbeiräte und Gremien, die sich um die Demokratie in unserer Stadt verdient machen und dabei viele Stunden Freizeit einbringen. Danken möchte ich auch und besonders meinen beiden Kolleginnen aus dem hauptamtlichen Magistrat, Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich und Stadträtin Astrid Eibelshäuser. Es war mir eine große Freude, auch im vergangenen Jahr im Umgang mit ihnen erleben zu dürfen, wie vertrauens- und respektvoll man miteinander umgehen kann und wie sich dies auf die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit auswirkt. Mit Ausblick auf die bevorstehende Kommunalwahl möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass mit der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit möglich sein wird. Sie sehen, meine verehrten Damen und Herren, das vergangene Jahr war geprägt von vielen Herausforderungen, die uns immer wieder Anlass geben können, Zuversicht und Vertrauen in unsere eigene Kraft , in die Lösung von Aufgaben zu haben. Die neueste Shell-Studie zeigt uns, dass die weitaus meisten jungen Menschen dies genauso sehen: Trotz Euro-Krise, trotz Zuwanderung und allen gesellschaftlichen Entwicklungen und Krisen beurteilen über die Hälfte der jungen Menschen die gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands positiv. Sie sehen vor allem die Chancen, nicht so sehr die Risiken. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, von den jungen Menschen lernen und gehen wir mit allen Herausforderungen und Chancen optimistisch in das Jahr 2016 ! Seine Chance hat auch ein Giessener ergriffen, der bei der Eröffnung seiner „Woscht-Eck“ eine zweisprachige Speisekarte aufgelegt hat, und zwar in Hochdeutsch und Manisch. Sie können also in diesem Jahr entscheiden, ob Sie eine Currywurst oder eine „latscho Currygrummnygoiy“ bestellen wollen! Wir möchten Ihnen jetzt im Anschluss - und bevor wir noch einmal die Akkordeonvirtuosin Veronika Todorova hören werden - ,eine kleine Sequenz aus einem Video zeigen, in dem sich Kindergarten- und Hortkinder des Familienzentrums "ST. Vinzenz" der Caritas zum Thema "Flüchtlinge" äußern. Einleiten möchte ich es noch mit folgender Begebenheit: Als der Rapper Fard während eines Interviews einen kleinen Jungen fragt, ob es bei ihm im Kindergarten auch Ausländer gebe, antwortete Niklas : „Nein, da gibt es nur Kinder“. Sie sehen: Es ist alles eine Frage der Perspektive und von Kindern – wie von den erwähnten jungen Menschen – können wir lernen. Ganz herzlichen Dank möchte ich Herrn Heidl sagen, der diesen Empfang wie immer- professionell vorbereitet hat. Ein ebenso herzliches Dankeschön an unsere MitarbeiterInnen und alle Mitwirkenden. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gutes, gesundes und erfolgreiches Neues Jahr.
© Copyright 2024 ExpyDoc