Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3748

Drucksache 17/3748
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Unterrichtung
Der Präsident
des Niedersächsischen Landtages
– Landtagsverwaltung –
Hannover, den 26.06.2015
Volksfestkultur in Niedersachsen bewahren
Beschluss des Landtages vom 21.01.2015 - Drs. 17/2796
Der Landtag stellt fest:
1.
Volksfeste und Märkte haben auch in Niedersachsen eine hohe soziokulturelle Bedeutung.
Sie sind tief im Brauchtum verwurzelt und tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.
Die Attraktivität eines Festes wird durch die geeignete Mischung der verschiedenen Branchen, orientiert an den Vorlieben der jeweiligen Besucher, bestimmt. Die Fahrgeschäfte (Achterbahnen, Karusselle, Schaukeln, Riesenräder und ähnliche) sind unverzichtbare Publikumsmagneten.
2.
Die bauaufsichtlichen Vorschriften und die technischen Regelwerke sind über Jahrzehnte gewachsen und gewährleisten das hohe Sicherheitsniveau auf den Volksfestplätzen. Die Anlagen benötigen eine Erstabnahme, anschließend periodische Verlängerungen der Genehmigung nach beanstandungsfreier technischer Prüfung, Abnahme am jeweiligen Aufstellungsort
und bei bestimmten älteren Fahrgeschäften eine zusätzliche Prüfung besonders sicherheitsrelevanter Bauteile. Es gibt keine sachlichen Gründe, die bisherige Genehmigungspraxis für ältere Anlagen erheblich zu verschärfen und betriebssichere Anlagen zu verschrotten.
3.
Die Schausteller in Niedersachsen sind aufgrund der gegenwärtigen Genehmigungspraxis für
die Verlängerungen der Ausführungsgenehmigungen vorgenannter Anlagen sehr verunsichert
und befürchten starke finanzielle Belastungen.
Der Landtag bittet die Landesregierung, im Rahmen der Bundesbauministerkonferenz eine bundeseinheitliche Regelung abzustimmen, die die Hinweise der Berufsverbände der Schausteller und
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15.10.2014 aufnimmt, und eigene landesrechtliche Normen entsprechend anzupassen.
Dabei sind die rechtlichen Voraussetzungen für künftige Planungs- und Handlungssicherheit der
Fahrgeschäftsbetreiber unter folgenden Prämissen zu schaffen:
a) Normenwechsel haben keinen Einfluss auf den Anlagenbestand, solange keine neuen oder
bisher nicht erkannte Gefahrenmomente hinzukommen und die Betriebssicherheit gewährleistet
ist.
b) Die Ausführungsgenehmigungen werden analog den Genehmigungsverfahren für stationäre
Fahrgeschäfte in Parks künftig unbefristet oder zumindest längerfristig erteilt. Die Anlagen müssen weiterhin einer periodischen technischen Prüfung unterzogen werden.
Antwort der Landesregierung vom 25.06.2015
Die Länder geben technische Regeln zur Erfüllung der wesentlichen Anforderungen an bauliche
Anlagen in einer Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB) bekannt. Die Ermächtigung hierzu
ist in Niedersachsen im § 83 NBauO enthalten. Ziel ist, die in § 3 genannten Allgemeinen Anforde-
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rungen zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit durch die Festlegung von einzuhaltenden
technischen Regeln zu konkretisieren.
Während für ortsfeste bauliche Anlagen Baugenehmigungen erteilt werden, erhalten Fliegende
Bauten (Fahrgeschäfte) befristete Ausführungsgenehmigungen, die je nach „Gefährlichkeit“ des
Fahrgeschäftes nach ein bis fünf Jahren verlängert werden müssen.
Die früher geltende deutsche Norm DIN 4112 wurde durch die europäische Norm DIN EN 13814
ersetzt. Diese neue Norm wurde erstmalig in der LTB - Fassung September 2012 - eingeführt. Zunächst galt die Regelung, dass die neue Norm nicht für die Verlängerung von Ausführungsgenehmigungen bestehender Fliegender Bauten angewendet werden musste.
Diese Zusatzregelung ist in der LTB - Fassung Dezember 2013 - nach Beratung in den Gremien
der Bauministerkonferenz (BMK) weggefallen, sodass ländereinheitlich „abgelaufene“ Ausführungsgenehmigungen nur noch unter Anwendung bestimmter Anforderungen der DIN EN 13814
verlängert werden können. Einen Bestandsschutz kann es auch nach Einschätzung der BMK nur
für bauliche Anlagen mit Baugenehmigung und nicht mit Ausführungsgenehmigung geben.
In Niedersachsen ist die Aufgabe der Ausstellung und Verlängerung von Ausführungsgenehmigungen nach Auflösung der Bezirksregierungen in einem Vertrag an den TÜV Nord übertragen worden.
Ein Schausteller hat gegen den TÜV Nord Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover eingereicht, da der TÜV Nord auf Grundlage der durch das MS bekannt gegebenen geltenden Technischen Baubestimmungen seine Ausführungsgenehmigung für eine Achterbahn nicht verlängert hat.
Das Urteil hierzu hat das VG Hannover am 15.10.2014 verkündet. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat es eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg zugelassen. Der
TÜV Nord hat Berufung eingelegt.
Das OVG Lüneburg hat zwischenzeitlich um Auskunft zur Arbeit der Gremien der BMK gebeten,
um den Entscheidungsprozess der vorgenannten bauaufsichtlichen Regelungen nachvollziehen zu
können. Das MS hat daraufhin mit Schreiben vom 04.05.2015 anhand von Protokollen die Befassung mit der europäischen Norm in den Gremien der BMK dargestellt. Der Ausgang des Berufungsverfahrens ist weder zeitlich noch inhaltlich abschätzbar. Gleichwohl hat das OVG Lüneburg
in seinem Schreiben an das MS die Absicht geäußert, den Fall noch in 2015 mündlich verhandeln
zu können.
Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat bundesweite Bedeutung. Die Bekanntmachung der LTB
in Niedersachsen wie auch in den anderen Länder beruht auf einer Beschlussfassung der BMK, um
einheitliche Verfahrensweisen in allen Ländern praktizieren zu können. Insoweit steht der Umgang
mit Fliegenden Bauten in ganz Deutschland auf dem „Prüfstand“. Sollte Niedersachsen seine Regelungen zur Verlängerung der Ausführungsgenehmigungen für ältere Fahrgeschäfte ändern, würde das in der Praxis zu einer bundesweiten Ungleichbehandlung führen. Da aber niedersächsische
Fahrbetriebe mit ihrer Genehmigung auch in anderen Ländern aufgestellt werden, wären die Konsequenzen hiervon noch nicht abzusehen.
Dies vorausgeschickt, wird zu den Forderungen der Landtagsentschließung Folgendes ausgeführt:
Seit der Landtagsentschließung haben sich verschiedene Gremien der BMK erneut mit der Frage
der Umsetzung der DIN EN 13814 für Fliegende Bauten beschäftigt. So wurde auf der Sitzung des
Arbeitskreises Fliegende Bauten im März 2015 in Hannover eine weitere Vereinfachung bei Anwendung der Entscheidungshilfen bis zum Vorliegen einer obergerichtlichen Entscheidung beraten,
die dann von der Fachkommission Bauaufsicht der BMK am 07./08.05.2015 beschlossen wurde.
Mit dieser Regelung soll den Schaustellern, die in Erwartung eines positiven OVG-Urteils jetzt keine
Prüfung ihres Fahrgeschäftes beim TÜV in Auftrag geben, ein Weg aufgezeigt werden, dennoch an
Volksfesten teilzunehmen.
Für die Sitzungen der Fachkommission Bautechnik und des Ausschusses für Stadtentwicklung,
Bau- und Wohnungswesen der BMK bleibt das Thema Fliegende Bauten weiterhin aktuell. Zurzeit
liegt der Schwerpunkt der Befassung auf einem Pilotverfahren der Europäischen Kommission, bei
welchem die Bundesrepublik Deutschland ihre Position zur Ausübung der Dienstleistungsfreiheit
von ausländischen Schaustellern angesichts der Einführung der DIN EN 13814 dargelegt hat.
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Niedersachsen wird das Thema im Sinne der Landtagsentschließung auch auf die Tagesordnung
der nächsten BMK am 29./30.10.2015 bringen.
Eine Anpassung ausschließlich landesrechtlicher Normen im Sinne der Schausteller und des
VG Hannover ist wegen der bundesweit geltenden Ausführungsgenehmigungen und der Reisetätigkeit der Schausteller nicht sinnvoll. Dabei muss die noch ausstehende OVG-Entscheidung berücksichtigt werden.
(Ausgegeben am 02.07.2015)
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