Volkstheater Ritterschauspiele Kiefersfelden 2015 Das älteste Dorftheater Deutschlands – seit 1618 Weinhard und Adelise oder: Der Retter aus der Wildnis Großes Ritterschauspiel aus der Zeit der Kreuzzüge in 4 Akten neu bearbeitet von Andreas Grottner 1887 in der „Comedihütte“ (Theaterhaus) auf der noch einzig erhaltenen barocken Drehkulissenbühne Vorstellungen vom 25. Juli bis 30. August 2015 www.ritterschauspiele-kiefersfelden.de Karten: +49 (0) 80 33 - 97 65 45 2012 – Das internationale Jahr der Genossenschaften EINLADUNG zum „TAG DER OFFENEN TÜR“ am Samstag, 7. Juli 2012 von 9.00 bis 12.00 Uhr in der Hauptgeschäftsstelle Oberaudorf ● Brotzeit ● Verlosung ● a zu ̈ nftige Musi er n t r Pa tal – r d h I Innent ung im pet lässi ● Hu ̈ pfburg WIR FREUEN UNS AUF SIE! m ko uver z Der Erlös dieser Veranstaltung geht als Spende an die Bürgerhilfe Audorf Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. Wir machen den Weg frei. Kiefersfelden 0 80 33 / 30 83-30 Oberaudorf 0 80 33 / 92 62-0 Flintsbach 0 80 34 / 90 89-60 www.rb-oberaudorf.de „Weinhard und Adelise“ Personen Weinhard, Graf von Eulenburg Adelise, dessen Gemahlin Adelmann, ihr Sohn Graf Julian, Verweser auf Eulenburg Eberhard, Graf von Fleckenstein Johann, Graf von Arnsbach Siegfried, Ritter von Hauenstein Hans, Ritter von Stackingen Kuno, Weinhards Begleiter Agnes, Zofe auf Arnsbach Kunz, Knappe auf Eulenburg Ruderich, Knappe auf Fleckenstein Philipp, Bedienter auf Eulenburg Ibrahim, Pascha Salima, seine Tochter Milan, Ibrahims Vertrauter Tranko, Räuberhauptmann Spiano, Spitzi, Räuber Arbin, Griffi, Indriß, ein Knabe Treuhold, ein Wilder Gottfried, Jäger Orkan, Traktan, türkische Begleiter Amurath, Ein türkischer Bote Mehrere Kreuzritter, Soldaten, Räuber und Jäger Musikkapelle Kiefersfelden Pausen zwischen den Akten Comedihütte Kiefersfelden 2015 Samstag, Samstag, Samstag, Freitag, Samstag, 25. Juli 1. August 8 August 14. August 15. August 19.00 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr Sonntag, Freitag, Samstag, Samstag, Sonntag, 16. August 21. August 22 August 29. August 30. August 13.30 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr 13.30 Uhr Theaterkasse ab einer Stunde vor Spielbeginn Vorverkauf bei Kaiser-Reich Information Kiefersfelden und MÜNCHEN TICKET www.muenchenticket.de (alle Vorverkaufsstellen) www.ritterschauspiele-kiefersfelden.de 1 www.kufstein-galerien.at WOHLFÜHL SHOPPING 2 Das außergewöhnliche Shoppingcenter im Zentrum von Kufstein Editorial Liebes Publikum, noch immer halten Brauchtumskritiker unser Theater für ein Relikt aus simpler Volksfrömmigkeit und Obrigkeitstreue, ohne Beziehungen zur Realität und aktuellen Entwicklungen. Dem ist ganz bestimmt nicht so, wie unser für dieses Spieljahr ausgewähltes Schauspiel WEINHARD UND ADELISE eindrucksvoll belegt. Seit Jahren stehen Dogmen von Weltreligionen, die sich im Widerspruch zu den humanistischen und freiheitlichen Grundsätzen unserer Gesellschaft befinden, im Fokus gesellschaftlicher Diskurse. Da gewinnt dieses Schauspiel, in dem neben abgrundtief bösen Christen auf Augenhöhe edle und reflektierende Muslime das Geschehen bestimmen, auf einmal eine aktuelle Ebene, an die man Ende des 19. Jahrhunderts nie gedacht hätte. WEINHARD UND ADELISE ist ein Stück, das in der Nachfolge alpenländischer Legendenspiele ein optimistisches Ende hat: Pascha Ibrahim bleibt im dem von ihm lang bekämpften Abendland, nachdem seine Tochter aus den Händen eines christlichen Wüstlings befreit wurde. Es bestehen Grenzen zwischen den Religionen, jedoch mit gegenseitigem Respekt und Bewahrung persönlicher Würden: Der Graf von Arnsbach und Ibrahim schließen ihren Freundschaftsbund vor dem Übertritt des Muslims zum Christentum – nicht danach. Erstmals seit fünf Jahren spielen wir keinen Text unseres Hausautors Josef Georg Schmalz. WEINHARD UND ADELISE – verfasst bzw. eingerichtet von Andreas Grottner – wurde von unserem Spielleiter Sylvester Greiderer sehr geschätzt, er setzte es in jeder seiner beiden kurzen Direktionszeiten 1887 und 1897 auf den Spielplan. Möglicherweise hat dies damit zu tun, dass die sentimentalen Momente des Schauspiels, in denen sogar die Heranwachsenden Adelmann und Indriß Geschädigte brutaler Bedingtheiten sind, dem Zeitgeschmack um 1890 zwischen Professorenroman und Gartenlaube besonders entsprachen. Im zweiten Spieljahr erhielt der namhafte Kufsteiner Komponist Johann Obersteiner den Auftrag für die Schauspielmusik, er lieferte dafür eigens eine Partitur. Auch das ist ein Beleg dafür, wie unsere Spielgemeinschaft bereits vor über 100 Jahren „vernetzt agierte“. Lassen Sie sich entführen in unsere aus der Zeit fallende Welt voll heißer Liebe und eiskalten Hasses. Die Ritterschauspiele Kiefersfelden und alle Mitstreiter bekennen sich mit innerer Überzeugung und Humor zu den Themen jenes im Wortsinn sagenhaften Kosmos, der zurückweist auf eine Vergangenheit, „als das Wünschen noch etwas geholfen hatte“. Es grüßt Sie herzlich Der Spielleiter 3 „Weinhard und Adelise“ in der Comedihütte 1887 – 1897 - 1912 – 1931 – 1950 – 1966 – 1999 - 2015 So beginnt es... Vor dem Aufbruch zum Kreuzzug gibt Weinhard die über alles geliebte Gemahlin Adelise, den Sohn Adelmann und die Eulenburg in den Schutz seines Vetters Julian. Doch dieser denkt nicht an Ehre und Anstand: Julian will erst Adelise zum Ehebruch verleiten und dann den gesamten Besitz Weinhards in seine Gewalt bringen. Aus heiterem Himmel wird Adelises Vater Opfer eines Giftanschlags… 4 Ihr Bruder Eberhard - dieses Mordes angeklagt - sucht Schutz auf Eulenburg, wird von Julian verstoßen und findet Aufnahme bei Graf Johann von Arnsbach, der den Verlust seines Sohnes beklagen muss. Adelise weist Julian ab, dafür soll sie sterben. Julians Schergen setzen Adelise und Adelmann auf einer öden Insel aus, wo sie mit Hilfe des zutraulichen Wilden Treuhold überleben. Sie fristen sechs Jahre ihr trau- riges Dasein. Adelise gewinnt Treuhold für das Christentum und Adelmann in diesem einen Freund fürs Leben. Der von Julian gedungene Franz von Stackingen unternimmt indes an den Kriegsschauplätzen im Orient alles zu Weinhards Vernichtung. Er liefert ihn durch Verrat in die Gewalt des Paschas Ibrahims. Der junge, von Seeräubern nach Süden verschleppte Skla- ve Indriß begeistert Ibrahims Tochter Salima so für das Christentum, dass sie mit ihm und Weinhard nach Europa fliehen will. Ibrahim nimmt die Verfolgung auf. Julians böses Herz kommt zwischen schlaflosen Nächten und Gewaltphantasien nicht zur Ruhe. Trotz aller Angst vor Vergeltung durch seine verschollenen Opfer giert er noch immer nach einer Geliebten. Der Himmel verhängt Bedrängnisse und Gefahren über Christen und Muslime… 5 AB_Image-Anzeige_NEU_2015_120x55mm_4c_Ritterspiele_Kiefer_www.terme.de 02.07.15 14:55 Se Auerbräu Meine Heimat. Mein Geschmack. www.auerbraeu.de © www.terme.de Rosenheim Wie Christen und Muslime Katastrophen erleiden und überwinden „Weinhard und Adelise“ zwischen Originalität und Ritualisierung Andreas Grottner, Autor oder Bearbeiter von WEINHARD UND ADELISE, gehört zu den weniger bekannten Persönlichkeiten des Volkstheaters Kiefersfelden. Das liegt vor allem daran, dass er in den Jahren nach 1869 in Kiefersfelden wirkte, eine Periode mit scheinbar wenigen herausragenden Ereignissen. Endlich waren damals alle Hürden überwunden, die seit 1848 die Theateraktivisten der Comedihütte bewegten. Mit gekonnter publizistischer Unterstützung durch den Anwalt und Volkskunst-Enthusiasten Ludwig Steub (1812-1888) hatte das auch von internen Zwistigkeiten angegriffene Ensemble 1868 endlich die dauerhafte Spielgenehmigung erhalten. Streitigkeiten zwischen den zugewanderten Arbeitern des Marmorwerks und den angestammten Einwohnern als Fortsetzung rechtlicher Streitigkeiten um das vollgültige Bürgerrecht endeten, nachdem der 1833 eröffnete Theaterbau sieben Gemeindemitgliedern als Eigentum überschrieben worden war. Die zweite Blütezeit des Ländlichen Ritterschauspiels Noch immer herrschte in diesen Jahren auf den Bühnen des Unteren Inntals von Erl bis Innsbruck die pulsierende Vielfalt des neben den Passionen und Sakralspielen zentralen Genres „Ländliches Ritterschauspiel“. Dessen Handlungs- und Figurenspektrum war seit etwa 1800 vorgeprägt und wurde bis zu seinem langsamen Ende des 19. Jahr- hunderts in neueren Werken nur geringfügig variiert. Anders als zu Zeiten von Josef Georg Schmalz (1804-1845) in Kiefersfelden, Anne Prixin in Büchsenhausen bei Innsbruck und Vitus Augetti in Schwaz war der rituelle Urgrund des ländlichen Ritterschauspiele als Ersatz für die Ende des 18. Jahrhunderts in Tirol und im Kurfürstentum Bayern verbotenen Sakral- und Legendenspiele in Vergessenheit geraten. Im Druck publizierte Texte der frühen phantastischen Literatur wurden meist nur dann dramatisiert, wenn in ihnen die symbolische Anordnung des SakralspielModells mit der radikalen Polarisierung von Gut und Böse auf der realen und übersinnlichen Handlungsebene enthalten bleiben konnte. So ergaben sich stoffliche Parallelen des ländlichen Ritterschauspiels mit den Vorstadttheatern Wiens und Münchens in grundsätzlich verschiedenen Bühnenbearbeitungen (WENDELIN VON HÖLLENSTEIN, DAS PETTERMÄNNCHEN). Das ländliche Ritterschauspiel wird weltlich Das Schauspiel WEINHARD UND ADELISE erlebte seine Erstaufführung in Kiefersfelden 1887 in der ersten Spielleiterperiode von Sylvester Greiderer (erstmals erwähnt 1884-1924). Unter der Direktion des späteren Stadtkapellmeisters von Kufstein vollzog sich der Wandel des Dorftheaters von einem zeitgemäßen zu einem traditionellen Theater: Die Kieferer hielten an den alten Sakral- und Ritterschauspielen fest, indes andere Bühnen die alten nach und nach durch neuere Texte und Genres 7 ersetzten. So erst konnte aus Kiefersfelden nach 1900 „der“ Ort der ländlichen Ritterschauspiele schlechthin werden. 1887 vergrößerte man auch das Theaterhaus an der dem Inntal zugewandten Ostseite hinter der Spielfläche. Mit durch die zunehmende Bekanntheit auch umfangreicher gewordenen Spielbetrieb waren Garderobenräume und Lagerflächen auf Bühnenhöhe notwendig geworden. Den Spielplan erweiterten die neuen Eigentümer um maßgebliche Erstaufführungen von aus Thiersee und Niederndorf erworbenen Erst- und Abschriften, unter ihnen spätere Erfolge wie ANGELIKA, ROBERT DER TEUFEL und MATHILDE VON ARLSTEIN. Auffallend war davor die Wiederbelebung des Genres der Legendenspiele mit Schmalz‘ DIE HEILIGE BARBARA (1871), die späte Aufführung einer GRISELDIS 8 (1872), DIE HEILIGE KATHARINA von Niklaus Daigl (1874), und JULIA ODER DIE GEKREUZIGTE von Anton Manetstätter (1877). Auch literarische (d. h. im Druck erschienene) Schauspiele wie HANNS DOLLINGER von Emanuel Schikaneder (1798, im Spieljahr 1869) und das für bürgerliche Vereinstheater bestimmte Drama FRAUENTREUE ODER RITTER VON DEN ROSEN von R. Behrle (1869, im Spieljahr 1876) bereicherten das Repertoire. Der ursprünglich für visionäre und übersinnliche Szenen vorgesehene Schub fand jetzt zumeist für pantomimische Schaubilder Verwendung. Die vor 1850 noch selbstverständliche übersinnliche Handlungsebene (z. B. Petter und Petterin in RUDOLF VON WESTERBURG, der unbekannte Alte in VALENTINUS UND URSINUS) wurde gegen Ende des 19. Jahr- hunderts in den weltlichen Schauspielen immer seltener, hier machte sich auch im ländlichen Raum der Stilwandel zum Realismus bemerkbar. Eine eindeutige literarische Quelle zum Schauspiel WEINHARD UND ADELISE, das mit SIEGFRIED UND LUDMILLA, WENDELIN (SCHRECKENSWALD) VON AGGSTEIN, MATHILDE VON ARLSTEIN und UBALD VON STERNENBURG zu den vielgespielten Werken der Kieferer Bibliothek aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört, konnte bislang nicht ermittelt werden. Das war in dieser Spätphase des Volksschauspiels nicht mehr vorauszusetzen. Es gehört zu den Merkmalen der Stücke dieser Zeit, dass Motive und Handlungsmomente aus der Belletristik der Goethezeit von Autoren und Spielleitern ohne Anspruch auf eigenschöpferische Authentizität vermengt und variiert wurden – im Gegensatz zur urbanen Kultur, in der Individualität und Originalität immer mehr zu Qualitätsmaßstäben wurden. Visionen, übersinnliche Szenen und Stereotypen des Dialogs wurden zusammengefügt, so bewahrte sich in den verweltlichten Ritterschauspielen der ritualisierte Ablauf der religiösen Spiele, den das einheimische Publikum bewusst oder unbewusst erfasste. In WEINHARD UND ADELISE und den anderen neueren Stücken sind Figuren nicht mehr Vertreter überirdischer Prinzipien des Guten und Bösen, als die sie in den Schauspielen von Schmalz erkennbar waren – so die bedrohten Dulderinnen (Helena, Dianora, Belisantza u. a. ) als Allegorien der dramatisch an der und religiös für die Welt leidenden Seele: Sie stehen 9 400 Jahre Volkstheater Ritterschauspiele Kiefersfelden 2018 www.bubgmbh.de gnutiebrarevllateM ehcsinhcetßiewhcS Wir schaffen Verbindungen Maschinenbau · Schweißkonstruktionen Reparatur und Instandsetzung Beratungsdienstleistungen Röthenbachstr. 4 . 83080 Oberaudorf . T +49 (0)8033 30 46 44 - 0 . F +49 (0)8033 30 46 44 - 90 . [email protected] für sich ein und sind in ihren moralischen Stärken und Verfehlungen selbst verantwortlich. Die durch Ludwig Steubs begeisterte Berichte angelockten Besucher aus den oberbayerischen Städten verstanden diese Sinnebene in der Regel kaum, doch nahmen sie im Reiz des Alpin-Exotischen die Wertbeständigkeit der Inntaler Dorfbühnen wahr. Es ist unwahrscheinlich, dass in der mehrheitlich katholischen Gemeinde Kiefersfelden, die kurz nach 1900 einen Kirchenneubau erhielt und deren weltliche Kulturformen durch nichtliturgische Glaubensinhalte geprägt waren, nicht durch die Zeitgeschichte beeinflusst war. Auch das Königreich Bayern war betroffen vom sog. Kulturkampf zwischen Kirche und Staaten, der Unfehlbarkeitserklärung des Papstes und dem neuen Dogma der unbefleckten Empfängnis der „Patrona Bavariae“. Span- nend ist in diesem Kontext die Frage, ob die übergeordneten Aussagen der zwischen 1871 und 1890 gespielten Schauspiele Zufall oder Absicht waren: Verspätete Reaktion auf die Säkularisation, konservativer Anker während der Industrialisierung oder Sehnsucht nach einer stabilen Werte ordnung… Dokumente zur mehrdimensionalen Absicht der Textproduktion, der szenischen Realisierung und einer inhaltlich-ästhetischen Selbstbestimmung sind nicht erhalten. Bekannte Begebenheiten in neuen Arrangements WEINHARD UND ADELISE ist in vielerlei Hinsicht exemplarisch für diese fortgeschrittene Entwicklung. Andreas Grottner verwendete im ersten Teil des Stückes als bestimmende Grundkonstellation die im 11 Inntal von Martin Obinger u. a. nach alten Vorbildern dramatisierte GENOFEVALegende, die Hans Moser (1903-1990) allzu vereinfachend das Grundmuster des ländlichen Ritterschauspiels nannte. Denn seit den genannten Aufführungen einer GENOVEFA in Landl bei Thiersee (1830/1837) und einem Text aus Oberaudorf (1838) waren einige Jahre vergangen, die Überlieferungsstränge drifteten auseinander und verzweigten sich neu. Ausgangspunkt ist in WEINHARD UND ADELISE die Dreieckskonstellation zwischen Graf Weinhard, seiner Gemahlin Adelise und dem Verbrecher Julian. Möglicherweise mit Absicht erhielt der Bösewicht hier den Namen jenes spätrömischen Kaisers, der die heidnische Religionsvielfalt erhalten wollte, die durch das zur Staatsreligion erhobene Christentum verdrängt worden war. 12 Grottner verzichtete auf eine vom Schurken angestiftete Intrige, mit der in den GENOVEFA-Dramen die makellose Frauenfigur in einer korrumpierenden Situation als Ehebrecherin bloßgestellt wurde. In WEINHARD UND ADELISE hält sich Julian nicht erst mit Scheinlegitimationen auf und lässt die nicht willfährige Mutter sofort aus Eulenburg entfernen. Dabei ist es unwesentlich, ob sie wie Genovefa im tiefen Wald oder Adelise auf einer einsamen Insel ihr Dasein fristet. Schauplatz von Grottners Text ist nicht der deutsche Binnenraum, sondern (zwanzig Jahre vor der das deutsche Kaiserreich erschütternden Harden-Eulenburg-Affäre, 1906/07) die Eulenburg in Nähe einer nicht genauer lokalisierten Küstenregion. Trotz der Ortsnamen Hauenstein und Arnsbach, nachweisbar im heutigen Nordhessen, ist Nordostdeutschland als Handlungsort denkbar. Wenn Adelise nicht von ihrem Gatten, sondern Graf Johann von Arnsbach gefunden wird, sind ihre Gewandung in Tierfelle und Adelmann in ihrer Nähe unverkennbar Enstprechungen zu Genovefa und Schmerzenreich. Dass Adelise in die Obhut von Adeligen anstelle der helfenden Bauern bzw. Handwerker kommt, ist ein Merkmal neuerer Texte, in denen die Trennung zwischen gehobenen und niedrigen gesellschaftlichen Sphären prägnanter ist als vor 1850. An die Stelle der Hirschkuh setzte Grottner den später von Adelise im christlichen Glauben unterwiesenen Wilden Treuhold, eine andere im Unteren Inntal bekannte Konstellation. Treuhold – bärenstark, mutig, zutraulich – hat sein Vorbild in dem von einer Bärin aufgezogenen Ursinus in Schmalz‘ Schauspiel DIE ZWILLINGSBRÜDER ODER DAS DIAMANTENKREUZ (1833, in Kiefersfelden zuletzt Spieljahr 2014 als VALENTINUS UND URSINUS), das bis ca. 1930 nahezu überall im unteren Inntal gespielt wurde. Durch die dargestellte Freundschaft Treuholds und Adelmanns verdichtet sich diese Parallele, so dass hier von einer bewussten Nachbildung auszugehen ist, ebenso wie bei der Figur von Adelises Bruder Eberhard von Fleckenstein. Dessen Vorbild ist offenkundig Tankor, Bruder der Kaiserin Dianora in KAISER OCKTAVIANUS (1835). den Orient. Noch vor seinem Untergang richtet Julian – längst schon Alkoholiker wie andere gewissenszerfressene Schurken späterer Texte – die Begierde auf seine Gefangene Salima, deren Unschuld durch Weinhard bewahrt bleibt. Julian hat keinen ihm annähernd ebenbürtigen Komplizen zur Seite (wie Hiacinto in Schmalz‘ EZZELIN DER GRAUSAME oder Kunz von Stein in WENDELIN VON AGGSTEIN). Dieser Figuren- und Situationskosmos in der christlichen Sphäre erfährt eine Steigerung durch die Konstellationen bei den islamischen Kontrahenten: In WEINHARD UND ADELISE ist die Intrigenrolle von einem neidischen, radikal gläubigen Muslim (z. B. Mundschenk Zelim in LAMPRINUS UND ISMENE, Erl 1844, bearbeitet von Anton Manetstätter 1864) dem von Julian instrumentalisierten Ritter Hans von Stackingen übertragen. Nicht der Kriegsgegner ist böse… Julian hurt und mordet - sogar nach den Maßstäben der Kontrastübersteigerungen des ländlichen Ritterschauspiels – in großen Dimensionen. Er hat Adelises Vater auf dem bis kurz vor Schluss unbeschwerten Gewissen und erweitert sein Intrigengespinst mit Hilfe von Ritter Hans von Stackingen bis in 13 Die Sympathie der muslimischen Herrschertochter Salima für den standhaften, aber für sie unstatthaften christlichen Gefangenen ist ebenso z. B. aus Schmalz‘ FLORIBELLA bekannt, die die Heidin Zulima als Retterin ihres Gemahls in Gnaden aufnimmt. Zwar nicht im Dialog bestätigt, lässt sich auf eine religiöse Anliegen übersteigende, große Zuneigung der Muslimin zu dem Christen schließen. Ausgangspunkt für die Darstellung einer solchen Religionsverbote überspannenden Sympathie war das Schauspiel ERNST, GRAF VON GLEICHEN, GATTE ZWEIER WEIBER von Julius Graf von Soden (1791), das z. B. 1819 in Erl zur Aufführung gelangte. Als MELECHSALA in den von Friedrich Karl Musäus modisch und sensibel aufbereiteten VOLKSMÄRCHEN DER DEUTSCHEN (Band 5, 1782/86) und anderen Umformungen gehörte diese Sage im 19. Jahrhunderten zu den bekannten Mittelalter-Fiktionen mit dem utopischen Potential, dass aus der unbedingten ehelichen 14 Liebe ohne Besitzanspruch sich eine Allianz dreier Seelen in Reinheit, Harmonie und Gottgefälligkeit ergibt. Zu dieser sentimentalen Revolution kommt es in WEINHARD UND ADELISE nicht, wohl aber zur Versöhnung des Paschas Ibrahim mit dem einstigen Gefangenen und seiner Bekehrung zum Christentum. Dessen Reise in den Norden ist ein neuartiges Handlungselement mit der überraschenden Steigerung im Freundschaftsbund des Paschas mit Graf Johann von Arnsbach. In der Aufklärung kam es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu Schilderungen von muslimischen Herrschern in Literatur, Schauspiel und Musiktheater mit ernsten, märchenhaften und satirischen Akzenten, die zum Teil auch im Inntal bekannt waren. Anders als in Preußen, wo Muslime in der Armee dienten und seit 1763 eine Osmanische Delegation residierte, folgten die Inntaler Bühnenfiktionen mehr fantasierten als realen Wahrnehmungen. Der Held wird nicht zum Killer Die Dynamik der Spielvorlagen ist und bleibt bewegt: Eingriffe in die Textgestalt, die bis zu Änderungen der Handlungsmotorik reichten, waren üblich. Heutige Aufführungen zeigen weitaus mehr Respekt vor der Überlieferung als früher üblich. In diesem Spieljahr wurde nur die Figur des armen Toni gestrichen, in dessen Auftritten sich Adelises Großzügigkeit und Herzenswärme gegenüber besitzlosen Untergebenen zeig. Dass in der Urfassung Weinhard Julian als Vergeltung tötet, ist aufgrund des Edelmuts, den die männliche Titelfigur bis dahin zeigt, sogar als dualistische Überhöhung des ländlichen Ritterschauspiels schwer nachvollziehbar. Der Sog in die Tiefe, den alle Schurken des Genres bei ihrem Hinscheiden äußern, ist auch mit Julians Selbstmord plausibel. Nicht nur die poetische Gerechtigkeit siegt, auch der Titelheld Weinhard bleibt in diesem Schauspiel 2015 erstmals makellos. Eine Neuerung im Sinne der Tradition. Roland Dippel NATURSTEIN RECHENAUER MEISTERBETRIEB 15 Malwettbewerb Thema: Schlacht zwischen Kreuzritter und Sarazenen oder Der Wilde und die Prinzessin auf der Insel Zusammen mit der Grund- und Hauptschule Oberes Inntal realisieren die Ritterschauspiele Kiefersfelden – für ein Amateurtheater beachtlich und bemerkenswert – bereits zum dritten Mal im Juni und Juli ein theaterpädagogisches Begleitprogramm. Wie 2012 zu HELENA setzen sich Schülerinnen und Schüler in einem Malwettbewerb mit Inhalt und Idee des ländlichen Ritterschauspiele und seiner weltweit einmaligen Aufführungstradition auseinander. Neben altersgemäß attraktiven Gewinnen Bild Siegerehrung 16 locken Gelegenheiten zum Besuch im Theaterhaus aus dem Jahr 1833. 1. Preis 4.Klasse Carlo Miserok 1. Preis 2. Klasse Hannah Herfurtner 1. Preis 6. Klasse Vanessa Bajusz Die originale Musik von Johann Obersteiner Kurz vor seinem Tod vollendete Johann Obersteiner (1824-1896) seine Partitur der Schauspielmusik zu WEINHARD UND ADELISE für die Aufführungen im Spieljahr 1897. Zu ihr gehören ein Matrosenchor, ein sogenannter „Palästinachor“, ein Räuberchor, ein Schlusschor und drei Trösterchöre. Ergänzend dazu komponierte Josef Pirchmoser eine Ouvertüre, die direkt zum ersten Chor überleitet und mehrere Szenen- und Zwischenmusiken in enger Übereinstimmung mit den dramatischen Situationen. Der gesamttheatrale Aspekt und die Synthese der dramatischen Mittel ohne elektrotechnische Hilfsmittel wird dadurch weiterhin bewahrt. 17 Glanz und Gloria in Kampf- und Prunkszenen Der Theatergesellschaft Kiefersfelden liegt bei all der oftmals beschriebenen Archaik des Dorftheaters sehr viel am Komfort seines Publikums. Die Wege zu den Saaleingängen wurden deshalb frisch gepflastert und die Sanitäranlagen in den Spielerräumen erneuert. Die weibliche Hauptfigur zieren prächtige, ihrem inneren und äußeren Adel angemessene Repräsentationsgewänder. Auch für 18 die zahlreichen Massenszenen, seit jeher Glanzpunkt der urtümlichen Vorstellungen, werden viele Kostüme restauriert. Sechs neue Sarazenenschwerter geben Kämpfen und Überfällen den erforderlichen Nachdruck. Der Förderverein der Ritterschauspiele Kiefersfelden stellte dafür auch dieses Jahr wieder bedeutende Summen zur Verfügung. Der Förderverein Der 2005 gegründete „Förderverein der Ritterschauspiele Kiefersfelden“ engagiert sich für die Unterstützung der Ritterschauspiele Kiefersfelden. Mit Ihrem Mitgliedsbeitrag oder Ihrer zweckgebundenen Spende fördern Sie künstlerische und wirtschaftliche Notwendigkeiten des weltweit einmaligen Theaters. Sie erhalten selbstverständlich eine Spendenbescheinigung durch den vom Finanzamt Rosenheim als gemeinnützig erklärten Förderverein. Schwerpunkte: ☛ Renovierung und künstlerische Ergänzung der Drehkulissenbühne und der Comedihütt’n ☛ Pflege und Wartung der Kieferer Waffenkammer (Schilder, Schwerter, Speere, Brustpanzer, Helme) ☛ Gestaltung der aufwändigen Roben ☛ Qualität der Einstudierung für die anspruchsvollen Schauspielmusiken ☛ Steigerung und Verdichtung der Öffentlichkeitsarbeit ☛ Erschließung historischer und kulturgeschichtlicher Forschungsdetails. Seit dem Archiv-Brand am Ende des II. Weltkrieges sind die Basisfakten der Ritterschauspiele noch immer nicht rekonstruiert. Eine Buchveröffentlichung der wichtigen Stücke nach den Handschriften und Rollenbüchern mit Kommentaren ist geplant. ☛ Publikums- und familienfreundliche Eintrittspreise (derzeit € 18 bis € 7) Jahresbeitrag: Einzelpersonen: € 20 Personengesellschaften: € 120 Juristische Personen: € 200 Förderverein der Ritterschauspiele: Sparkasse Kiefersfelden Konto 500 587 100 - BLZ 711 500 00 Kontakt: Förderverein der Ritterschauspiele Dr. Erwein Graf zu Eltz, 2. Vorsitzender König-Otto-Str. 9, 83088 Kiefersfelden Tel. +49 (0) 80 33-64 47 1. Vorsitzender: Dieter Jurgeit Tel. +49 (0) 22 05-8 71 20 Scheckübergabe 2014 durch Dieter Jurgeit (Vorstand Förderverein) 19 Impressum Festschrift „Weinhard und Adelise oder: Der Retter aus der Wildnis “ - Ritterschauspiele Kiefersfelden 2015 Originalbeiträge: Roland Dippel Archiv Martin Hainzl und www.archive.org Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur; Stuttgart 2008 (6. Bearbeitete Auflager, Kröner Verlag) Ludwig Steub: Aus dem bairischen Gebirge. Das Bauernspiel zu Kiefersfelden I-III in Illustrierte Zeitung Nr. 1082 vom 14. Mai 1864, S. 331 – Nr. 1090 vom 21. Mai 1864 – Nr. 1022 vom 4. Juni 1962 (identisch mit: Kiefersfelden und seine dramatischen Schmiede in Wanderungen im bayerischen Gebirge; München 1862 (E. A. Fleischmanns Buchhandlung) – Google Books und Archiv Martin Hainzl – Bruno Golz: Pfalzgräfin Genovefa in der deutschen Dichtung; Leipzig 1897 Fotos der Probe am 20.06.2015: Armin Brachtl Anzeigen: Philipp Kurz, Werner Schroller Satz und Layout: MedienDesign Keiler, Kiefersfelden Herausgeber: Theatergesellschaft Kiefersfelden www.ritterschauspiele-kiefersfelden.de Lohweg 17, D-83088 Kiefersfelden Tel. +49-(0)80 33-78 56 Vorsitzende: Philipp Kurz, Andreas Gruber, Sebastian Bleier Förderverein der Ritterschauspiele Förderverein der Ritterschauspiele Dr. Erwein Graf zu Eltz, 2. Vorsitzender König-Otto-Str. 9, 83088 Kiefersfelden Tel. +49 (0) 80 33-64 47, Konto 500 587 100 Sparkasse Kiefersfelden - BLZ 711 500 00 1. Vorsitzender: Dieter Jurgeit Tel. +49(0) 22 05-8 71 20 Kaiser-Reich Information (Kartenvorverkauf und Infostelle der Ritterschauspiele) Rathausplatz 1, D-83088 Kiefersfelden Tel. +49-(0)80 33-97 65 45, Fax -97 65 44 [email protected] - www.kiefersfelden.de Leitung: Werner Schroller, Mitarbeit: Andrea Weber Das Museum im Blaahaus zeigt Originalkostüme (vor 1833), Dokumente und Materialien zur Geschichte der Ritterschauspiele Kiefersfelden Museum im Blaahaus Unterer Römerweg, 83088 Kiefersfelden Öffnungszeiten: Mai bis Oktober: Sonntag von 14 bis 17 Uhr (Einlass bis 16 Uhr) Musikkapelle Kiefersfelden e.V. Cäcilienkonzert 2015 So 06.12. (18.00 Uhr) Fr 11.12. (19.00 Uhr) Sa 12.12. (19.00 Uhr) [email protected] www.musikkapelle-kiefersfelden.de Allen Förderern, Interessenten und Freunden sprechen wir unseren verbindlichen und herzlichen Dank aus. Auf Wiedersehen im Nächsten Jahr 2016! In enger Zusammenarbeit mit: Modell der Comedihütte (jetzt im Blaahaus). Dauerleihgabe des Theatermuseums Köln an die Gemeinde Kiefersfelden (Historische Fotografie, 1928) 20 Sparkassen-Finanzgruppe Heute das Gestern erleben – und das Morgen gestalten. Ein Blick in die Vergangenheit bietet interessante Eindrücke vom Leben und Arbeiten unserer Vorfahren. Spüren Sie den Hauch der Geschichte, erleben Sie das Gestern. Aber denken Sie auch daran: Finanziell brauchen Sie aktuelle Lösungen. Von Zukunftsabsicherung bis Altersvorsorge bieten wir Ihnen die besten Chancen, heute und morgen gut zu leben. Wenn’s um Geld geht – Sparkasse. Schaupenwirt Familien Gruber und Nagele Kaiser-Franz-Josef-Allee 26 83088 Kiefersfelden Tel. 0 80 33 / 82 15 mit Biergarten und Salettl ren Jah d 200 ie n u r t Sei Famil in der
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