Montag, 21. September 2015 / Nr. 217 Neue Luzerner Zeitung Neue Zuger Zeitung Neue Nidwaldner Zeitung Neue Obwaldner Zeitung Neue Urner Zeitung Kultur 23 Am Flughafen verfliegt der Liebesschmerz MUSIKTHEATER In «Arrivals & Departures» zeigen Studierende der Hochschule Luzern ihr Bühnentalent: mit starken Stimmen, lauten Handygesprächen und leisem Witz. SIMON BORDIER [email protected] Links der Bühne sieht das Publikum eine Aufseherin, die wie eine Fluglotsin mit steifen Bewegungen für Ordnung sorgt, rechts einen Flüchtling im Schlafsack. Die beiden werden wie das Publikum Zeugen der zahlreichen Dramen, die sich am Samstagabend im Musiktheater «Arrivals & Departures» auf der Bühne des Stadttheaters Sursee abspielen: Abschiedsszenen, Heiratsanträge, Liebesabenteuer, Eifersuchtsanfälle und eine Geburt folgen einander Schlag auf Schlag, mal auf Italienisch, mal auf Deutsch, dann wieder auf Englisch. Idealer Schauplatz Eine derart geballte Ladung an Ereignissen und Emotionen könnte das Publikum schnell mal überfordern. Doch die Gesangsstudentinnen und -studenten der Musikhochschule Luzern haben für ihre Auswahl an Opernnummern von Mozart, Purcell, Händel und anderen auch modernen Komponisten einen Schauplatz gewählt, wo sich die Ereignisse tatsächlich überstürzen können: in der Transitzone eines internationalen Flughafens – ideale Kulisse für das StageLab-Projekt, mit dem die Hochschule seit einigen Jahren dem Gesangsnachwuchs Bühnenpraxis bietet. In leichter Abwandlung des Originaltitels «We, The Spirits Of The Air» von Henry Purcell ist das Putzpersonal des Flughafens zu Beginn im Chor mit «We, The Spirits Of The Airport» zu hören. Offenkundige oder leise Witze durchziehen die Aufführung. Eine hinreissende Kabarettnummer bieten die Sopranistin Bettina Bucher und der Bariton Serafin Heusser als Liebespaar, das seine Beziehungsfragen lauthals per Handy löst. Es ist eine Nummer aus Gian Carlo Menottis Oper «The Telephone», bei der das Gespräch in dramatischen NACHRICHTEN The-Who-Sänger Daltrey erkrankt NEW YORK sda. Die Rockband The Who hat ihre Jubiläumstour durch Nordamerika vorerst abgesagt. Sänger Roger Daltrey leide an einer Hirnhautentzündung Dem 71-Jährigen gehe es zwar schon besser, doch sei ihm von den Ärzten strikte Ruhe verordnet worden. Die Tour zum 50-jährigen Bestehen der Band soll jetzt im nächsten Frühjahr starten, wie Gitarrist Pete Townshend mitteile. Regisseur Volker Kühn gestorben BERLIN sda. Der Berliner Regisseur und Kabarett-Autor Volker Kühn ist tot. Er starb mit 81 Jahren nach langer Krankheit, wie seine Ehefrau, die Schauspielerin Katherina Lange, mitteilte. Kühn gehörte in den 1960er-Jahren zu den wichtigsten Kabarett-Textern. Er war Mitautor und Regisseur von Programmen des Berliner «Reichskabaretts» («Der Guerilla lässt grüssen», 1968) oder der Berliner «Wühlmäuse» («Deutschland, wir kommen!», 1971). Er schrieb für Lore Lorentz, Wolfgang Neuss, Hanns Dieter Hüsch und Jürgen von Manger. Mit Dieter Hildebrandt startete er für das ZDF die «Notizen aus der Provinz». Kühn produzierte TV-Dokumentationen, etwa zur Unterhaltung in der Nazi-Zeit und zum Kabarett in den NS-Konzentrationslagern. Emotionen in hektischer Atmosphäre: der Flughafen als Schauplatz für Operndramatik. Bild Roger Grütter Koloraturen der Sopranistin gipfelt. Ruhe kehrt spätestens mit dem Countertenor Martin Caduff ein, der als «Verwirrter» die Händel-Arie «Stille amare» anstimmt: Leise, traurig, ohne Nachdruck singt er in hoher Tonlage seinem Liebestod entgegen und bricht tatsächlich zusammen. Sogleich eilt das ErsteHilfe-Team des Flughafens herbei, bestehend aus Maria Korovatskaya, Katharina Rückl und Susanne Andres, die sich zu Mozarts «Ein holder Jüngling sanft und schön» um den Patienten streiten. Mozart entzückt auch als Quintettmusik, mit der sich zwei Soldaten (Serafin Heusser, Remy Burnens) zärtlich von ihren Freundinnen trennen (Simone Felber, Kathrin Hottiger), während Benjamin Widmer seinen schönen Bass beisteuert. Wehenschreie mit Anfeuerung Als Höhepunkt ist die Geburtsszene zu erleben, in der die Wehenschreie der hochschwangeren Stewardess (Katharina Rückl), die anfeuernde Klavierbegleitung (Nadia Carboni) und die «Push»Rufe des Chors die Grenzen zwischen Geräusch, Klang und Musik verschwinden lassen. Die Szene stammt aus der Oper «Flight» von Jonathan Dove. Das 1998 uraufgeführte Stück «Flight» spielt ebenfalls in einem Flughafenterminal mit einem Aufseher und einem Flüchtling als Protagonisten. «Arrivals & Departures» lehnt sich an die Oper an, ohne die Handlung zu betonen. Vielmehr verschwinden die Aufseherin (Olivia Allemann) und der Flüchtling (Stefan Wieland) an die linke und rechte Bühnenseite, werden so zu einem Teil der Kulisse und mischen sich nur spo- radisch ins Geschehen ein (Regie: Regina Heer). Am nächsten kommen sich die Sopranistin und der Countertenor gleich zu Beginn in den gemeinsam gesungenen Melismen in der Musik von Jonathan Dove, um dann gebannt den Stimmen ihrer Kollegen zu lauschen. Das musikalische Niveau und die schauspielerische Leistung sind beachtlich. HINWEIS Das Musiktheater «Arrivals & Departures» läuft heute Abend um 19.30 Uhr im Theater Pavillon Luzern (Abendkasse ab 18.15 Uhr). Schafft das Teenie-Idol den Quantensprung? und Justin Timberlake, schaffen den POP Der Schweizer TeenieAusbruch aus der Teenie-Falle. Schwarm Luca Hänni ist flügge «Ich kann es besser als Bohlen» geworden. Bisher fremdbeLuca Hänni ist sich dessen bewusst stimmt, muss er seine Karriere und hat deshalb in seinem Umfeld fast umgekrempelt. «Ich bin an einem in die eigenen Hände nehmen. alles Wendepunkt», sagt er, «ich bin erwachBurgruine Klöch in der Südsteiermark. Der Vorhang fällt, Luca Hänni und seine neue Band stehen auf der Bühne, weibliche Fans kreischen sich die Seele aus dem Leib. Miriam, Sarah und Co. haben ein Ticket für die Albumpräsentation gewonnen und sind aus der Schweiz, Deutschland und Österreich angereist. «Wahnsinn», sagt dazu Luca Hänni oft und gern. Es ist der normale Wahnsinn im Leben eines Teeniestars. Luca Hänni ist der Justin Bieber der Schweiz, ein Teeniestar zum Anfassen. Über 330 000 Tonträger hat der Sieger von «Deutschland sucht den Superstar» (DSDS) in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Das soll ihm erst mal einer nachmachen. Und doch kommt die Karriere des Berners erst jetzt in die schwierige entscheidende Phase. Denn Casting-Sieger verschwinden in der Regel spätestens nach dem zweiten Album von der Bildfläche. Dazu haben Teeniestars eine besonders kurze Halbwertszeit. «Niemand ist so illoyal wie Teenies. Nichts ist für eine 21-Jährige so uncool wie das, was sie mit 14 gehört hat», sagt der bekannte deutsche Pop-Produzent und heutige Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, Tim Renner. Der Wechsel zum respektierten Pop-Künstler ist etwas vom Schwierigsten. Und nur die Besten, wie Michael Jackson, Robbie Williams sener geworden und will die Sache jetzt in die eigenen Hände nehmen.» Bisher war er weitgehend fremdbestimmt. Beim ersten Album «My Name Is Luca» (2012), gleich nach dem Sieg bei «DSDS», hat Pop-Titan Dieter Bohlen Regie geführt und dem damals 17-jährigen Greenhorn alles pfannenfertig vorgesetzt. Zum zweiten Album «Living Dream» (2013), das er mit holländischen Produzenten aufnahm, konnte er immerhin zwei Songs beisteuern. Doch wirklich zufrieden war er damit nicht. «Ich spürte, dass mehr drinliegt», sagt er, «besser als Dieter Bohlen kann ich das sowieso.» Luca lernte den in die USA ausgewanderten Schweizer Produzenten und Komponisten Fabian Egger kennen, zog für drei Monate nach Los Angeles und bastelte dort mit einem US-Produzententeam unter der Leitung von Egger am neuen Sound von Luca Hänni. Das Ergebnis ist ein Quantensprung. Klang Hänni bisher ziemlich altbacken, im Stil des europäischen Dancefloor, bewegt sich sein neuer Sound nun Richtung Justin Timberlake. Der neue Luca Hänni klingt nach amerikanischem R ’n’ B und internationalem Pop und macht damit seine Ambitionen deutlich. «Ich will raus, in andere Länder.» Holland, Grossbritannien und die USA stehen bereits auf der Agenda für 2016. Familienunternehmen Luca Hänni ist gerade etwas diffus zwischen Teeniestar und echtem Musiker. PD/Amos Sussigan Zum Emanzipationsprozess gehört, dass er sich von seinem deutschen Management, der deutschen BookingAgentur sowie vom Major Universal getrennt und zum Schweizer Independent-Label Musikvertrieb gewechselt hat. Gerade mit Blick auf seine internationalen Ziele ist das ein geschickter Schachzug, denn das Schweizer Label kooperiert seit neustem mit dem grossen deutschen Independent-Label Pias. «Ich will ein Label, das an mich glaubt und mit mir den Weg gehen will», sagt Hänni. Gleichzeitig hat er das Booking der Oltner Stargarage übergeben und das Familienunternehmen Luca Music GmbH gegründet, in dem sein Stiefbruder Cyril Schmid die Geschäfte leitet. Luca Hänni hat alles unter Kontrolle. Das Casting-Küken ist flügge geworden. Live den Beweis erbringen Das neue Luca-Universum ist schweizerischer, die Ansprüche internationaler. Entscheidend wird sein, ob er das Teenie-Image abstreifen kann und neue, auch ältere Fans gewinnen kann. Dabei spielt Slädu eine zentrale Rolle. Der 46-jährige Berner ist einer der besten Gitarristen der Schweiz, war bei Gölä, DJ Bobo, Florian und zuletzt acht Jahre musikalischer Direktor bei Bligg. Jetzt will er seine langjährige Erfahrung dem jungen Sänger weitergeben. «Luca muss die bestehenden Vorurteile widerlegen, und das geht am besten über Live-Konzerte», sagt Slädu. Wer live bestehen kann, verschafft sich Respekt und besteht auch als Künstler. Slädu hat die Band aus bestandenen Schweizer Musikern formiert. Bisher ist Luca Hänni auch oft solo mit Halb-Playback aufgetreten. Das Ergebnis war unbefriedigend. Jetzt soll er nur noch im Bandkontext auftreten. So wie am Konzert auf der Burgruine in Klöch. Die internationale Feuertaufe ist geglückt. Slädu glaubt an Luca. «Ich bewundere seine Energie. Die Absturzgefahr ist in diesem Entwicklungsprozess gross, bei Luca sieht er sie nicht: «Er hat alles, was es braucht. Er ist bodenständig, zielstrebig, hochprofessionell, spielt mehrere Instrumente, hat eine tolle Bühnenpräsenz und kann singen.» Es herrscht Aufbruchstimmung. Jetzt muss er nur noch abheben. Flieg, Luca, flieg! STEFAN KÜNZLI [email protected] Luca Hänni: When We Wake Up. Musikvertrieb/Pias. Seit Freitag im Handel.
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