Kreuz&Quer Nr. 42 - Evangelische Hochschule Darmstadt

Kreuz & Quer
Widersprüche der Sozialen Arbeit
In dieser Ausgabe
Zoom: Teilhabe
Nachhaltigkeit
ehrenamtlichen
Engagements
Abmeldung
vom
Religionsunterricht
800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
beschäftigten sich beim Bundeskongress
Soziale Arbeit unter dem Titel „Politik
der Verhältnisse – Politik des Verhaltens:
Widersprüche der Gestaltung Sozialer Arbeit“
mit aktuellen Entwicklungen in der Sozialen
Arbeit. Der Kongress wurde gemeinsam von
der EHD und der Hochschule Darmstadt
ausgerichtet.
Verlieren Menschen, die im Bereich der Sozialen Arbeit arbeiten, die gesellschaftlichen
und politischen Ursachen für Armut und
Ungleichheit aus dem Blick, weil sie sich
mehr auf die „Wiedereingliederung“ von
Individuen konzentrieren statt auf strukturelle Ursachen? Tragen sie unabsichtlich zur
Stabilisierung herrschender Verhältnisse
bei, indem sie „Problemgruppen“ behandeln
und nicht die grundlegenden gesellschaftlichen Missstände?
„Die Evangelische Hochschule Darmstadt
steht für eine Gesellschaft, in der ein jeder
und eine jede teilhaben soll am Miteinander
der Menschen. Nichts, was Menschen im
Laufe ihres Lebens zustößt, soll sie daran
hindern“, bemerkt EHD-Präsidentin Prof. Dr.
Marion Großklaus-Seidel bei der Eröffnung
des Kongresses. „Betroffene an den Rändern
des gesellschaftlichen Miteinanders werden
deshalb ermutigt und befähigt, einen ersten
oder einen weiteren Zugang zu wagen. Und
sie werden dabei unterstützt von Menschen,
die wissenschaftlich ausgebildet einen analytischen Blick auf die Situation haben, die
ihre eigene Werthaltung weiterentwickeln
und mit gesellschaftlichen Problemlagen
abgeglichen haben und die deshalb anders
sind als der `barmherzige Samaritaner´.
Es geht nicht nur um den einzelnen, in Not
geratenen Menschen, sondern auch um die
Rahmenbedingungen, die die Not verursacht
haben.“
Auf dem Bundeskongress Soziale Arbeit: Prof. Dr. Johannes Stehr,
Prof. Dr. Susanne Spindler (h_da), Prof. Dr. Roland Anhorn
Das bundesweite Treffen in Darmstadt
eröffnete gemeinsame Diskurse, in welchen
fachliche Positionierungen, Interessensbündnisse und Orientierungen für eine konfliktorientierte, politische Soziale Arbeit artikuliert
und weiterentwickelt werden konnten.
In den vier thematischen Schwerpunkten
„Konfliktperspektiven in Fall-, Feld- und
Sozialraumorientierung“, „Partizipation,
Inklusion und Diversität im Neoliberalismus“,
„Praktiken der Normierung, Normalisierung,
Disziplinierung und Ausschließung“ sowie
„Macht- und Wissensverhältnisse in Ausbildung und (Lohn-)Arbeit“ kamen namhafte
Expertinnen und Experten aus Forschung,
Theorie und Praxis zu Wort. Ein Tagungsband
wird in Kürze die Beiträge zusammenfassen.
Magazin der Evangelischen Hochschule Darmstadt
Nr. 42 Oktober 2015
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EHD Profil
Personalia
Julia Christen betreut als Sachbearbeiterin
Studierende der Sozialen Arbeit und der
Childhood Studies. Ebenfalls führt sie für
das Dekanat des Fachbereichs Sozialarbeit/
Sozialpädagogik das Sekretariat.
Nachruf
Prof. Dr. Markus Emanuel wurde für Theorien,
Forschung und Handlungsansätze in der
Sozialen Arbeit berufen. Zu seinen Lehr- und
Forschungsschwerpunkten zählen Erziehung
und Bildung in der Kinder- und Jugendhilfe,
Kommunale/Regionale Bildungsplanung und
Ökonomik der Sozialen Arbeit.
Alles vermag ich durch ihn,
der mir Kra gibt.
(Philipper 4,13)
Die Evangelische Hochschule Darmstadt trauert um
Prof. Dr.
Hans-Claus Leder
der am 19.05.2015 im Alter von 84 Jahren verstorben
ist. Mit seinem Engagement beim Aufbau des
Studienschwerpunktes Straffälligenhilfe und seinem
Wirken als Fachbereichsleiter und Prorektor hat er
die EHD nachhaltig geprägt.
Wir werden sein Andenken in Ehren bewahren.
Unsere tief empfundene Anteilnahme gilt seinen
Hinterbliebenen.
Prof. Dr. Marion Großklaus-Seidel
Präsidentin
Prof. Dr. Sabine Fischer wurde für Pädagogik
berufen. Zuvor lehrte sie an der Hochschule
Ludwigshafen. Die Erzieherin und Dipl.
Pädagogin hat an der Universität Heidelberg
über soziale und emotionale Probleme von
Kindern und Jugendlichen im Kontext von
Schulsozialarbeit promoviert.
Jonas Hufeisen ist wissenschalicher
Mitarbeiter im Studiengang Soziale Arbeit
am Studienstandort Hephata. Zuvor war der
Dipl. Sozialpädagoge und Diakon u.a. in der
Betreuung und Beratung von Flüchtlingen
und Personen mit Migrationshintergrund
tätig.
Dr. Ulrike Manz ist wissenschaliche Mitarbeiterin für Gesundheitsförderung/
Gesundheitswissenschaen. Die Arbeitsschwerpunkte der examinierten Krankenschwester und Soziologin liegen in den
Bereichen Körpersoziologie, Prävention und
Biopolitik sowie chronische Erkrankungen.
Michaela Weiß verantwortet die Lohn- und
Finanzbuchhaltung.
Prof. Dr. Simone Wedler wurde für Kinderund Jugendhilferecht/Familienrecht berufen.
Zuvor arbeitete die Juristin am Lehrstuhl
für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschasstrafrecht der Universität Mannheim
sowie am Institut für Kriminologie der
Universität Heidelberg. Sie promovierte zu
einem jugendstrafrechtlichen Thema.
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Ruhestand
Positionen
Prof. Dr. Erik Weber ist stellvertretender
Vorsitzender des Berufs- und Fachverbandes
Heilpädagogik (bhp) e.V., des 5000 Mitglieder
umfassenden Berufsverbandes der
Heilpädagoginnen und Heilpädagogen in
Deutschland.
Rainer Kluth ging im Sommersemester in den Ruhestand. Seit 1980
leitete er die Buchhaltung der EHD. In 35 abgeschlossenen Haushaltsjahren hat er 165 Millionen Euro verwaltet. Der Haushaltsansatz
der EHD hat sich in den Jahren seiner Tätigkeit von 4 Millionen DM
(1980) auf 9,4 Millionen Euro (2015) mehr als vervierfacht. Über die
Buchhaltung hinaus engagierte sich Herr Kluth im Wahlausschuss
und in der Gestaltung der Mittwochsandachten.
Alles inklusive?!
Episch altern
Samuel Koch und Samuel Harfst gastierten an der EHD
Zur Nacht der Kirchen präsentierte die Studierendenschaft eine Stück mit Clajo Herrmann vom Babenhäuser Pfarrerkabarett. In
„Älter werden, ohne den Unmut zu verlieren –
Ein Mann in der zweiten midlife crisis“ redete
Herrmann über seine momentane Befindlichkeit und seinen Altersprozess, erzählte von
Computern mit Migräne, seinem Navi namens
Lisa oder Haushaltsgeräten, auf denen das
Schild „Lass die Finger weg, du Depp!“ klebt.
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Die EHD war Mitveranstalterin des Darmstädter Festivals „Alles inklusive?!“. 28 Veranstaltungen an 12 Spielorten in ganz Darmstadt machte
Inklusion für die breite Öffentlichkeit erfahrbar. „Als Hochschule ging
es uns vor allem darum, die Diskussion um Inklusion aus der EHD in
die Stadtgesellscha und Kulturszene zu bringen“, betont Mitorganisator Prof. Dr. Erik Weber. „Entsprechend haben wir am Staatstheater
ein Symposium ausgerichtet, in dessen Rahmen man sich intensiv
mit Inklusion als gesellschalichem Aurag auseinandersetzen und
namhae Experten zum Thema hören konnte.“
Umgekehrt gastierten Samuel & Samuel an der EHD. Auf einer gemeinsamen Konzert-Lesung las Samuel Koch, Mitglied des Ensembles des
Staatstheaters Darmstadt, aus seiner Autobiographie „Zwei Leben“.
Seit einem schweren Unfall sitzt er im Rollstuhl. Samuel Harfst
präsentierte dazu Lieder aus dem Album „Schri Zurück“. Gemeinsam
erzählten sie, was sie in Freundscha verbindet.
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EHD Profil
Zwischen
Abstiegsangst
und
Fremdenfeindlichkeit
Die Auseinandersetzung mit PEGIDA, dem
Verein „Patriotischer Europäer gegen die
Islamisierung des Abendlandes“, beschäigt
die EHD. PEGIDA demonstriert in Dresden und
anderen Städten gegen Asylmissbrauch und
Ausländerkriminalität. Fremdenfeindlichkeit und
Rechtsextremismus schwingen in den Kundgebungen
und Verlautbarung mit und haben ihrerseits
Gegenbewegungen hervorgerufen. Eine kontroverse
Diskussion über grundlegende Probleme des
gesellschalichen Miteinanders ist entstanden.
PEGIDA steht exemplarisch für gesellschaliche
Radikalisierungstendenzen. Das wir zahlreiche
Fragen auf, die die Studierenden in einem
Hochschultag erörterten.
Drinnen
und Draußen
Oliver Nachtwey, Ökonom und Soziologe an der
TU Darmstadt, legte dar, welche gesellschalichen
und politischen Bedingungen zur Entstehung
PEGIDAs führten. PEGIDA stellt für ihn keineswegs
ein plötzlich auretendes Phänomen dar, sondern
vielmehr eine absehbare Konsequenz einer
Fragmentierung der gesellschalichen Mie.
Aus der Gesellscha des sozialen Aufstiegs der alten
Bundesrepublik sei inzwischen eine Abstiegsgesellscha geworden. Die Mie sieht er in den unteren Bereichen geschrump, Abstiegsängste haben
sich ausgebreitet. Durch die Alternativlosigkeit der aktuellen Form der Demokratie würde
versucht, aus der (unteren) „Mie der Gesellscha“
fragwürdige Alternativen zu stellen.
Studierende des Masterstudiengangs Soziale Arbeit
präsentierten das ästhetische Projekt „Drinnen und
Draußen“. Unter der Leitung von Prof. Dr. Katja
Erdmann-Rajski, Professorin für Kulturpädagogik/
Kulturelle Bildung, erarbeiteten sie über zwei Semester
hinweg drei Inszenierungen zu den Themen Flüchtlingsrealität, Migration und Inklusion.
Im Format der Tagesschau wurden in einer EHD-Show
aktuelle Themen, die sowohl Migranten als auchAsylbewerber in Deutschland betreffen, stark pointiert
dargestellt. Die Performance Rundschreiben nahm das
Kreismodell des Inklusionsbegriffs zum Anlass, um
auf den gesellschalichen Aurag zur Teilhabe und
Einbeziehung aller Menschen aufmerksam zu machen.
Inspiriert durch ihre Erfahrungen in einem Heim für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, akzentuierten
Studierende in der Inszenierung Wellengang die
Flüchtlingssituation auf den Weltmeeren.
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Heimlichmilch –
Eine Geschichte von Flucht
und Überleben
Autorin Gisela Stammer (links) stellte ihr Buch „Heimlichmilch“ im Rahmen
einer Forschungswerkstatt von Prof. Dr. Cornelia Mansfeld vor
Vergessene Denker
»Unbekannte Verbannung –
Zur Aktualität vergessenen Denkens«
war das Thema einer Fachtagung der
Luria-Gesellscha an der EHD.
Gegenstand war die Auseinandersetzung mit Denkern, die heute
weitgehend verbannt, selbst innerhalb
kritischer Diskurse nahezu
unbekannt sind.
Die Referenten widmeten sich den
vergessenen Schrien von
Henri Wallon, Kurt Goldstein,
Heinz-Joachim Heydorn und
Franco Basaglia, um die in ihnen
entfalteten, schlummernden Potentiale
für kontra-hegemoniales Denken
und Handeln freizulegen und erneut
zur Geltung zu bringen.
In einer öffentlichen Miagslesung im Rahmen der Forschungswerksta „Lesen
und Schreiben als Lebensbewältigung“ stellte die Darmstädter Schristellerin
Gisela Stammer ihr Buch „Heimlichmilch“ (Verlag Atelier im Baumhaus,
Fischerhude, 12,90 Euro) vor.
Die Geschichte handelt von Inge Jungnitz, eine jetzt 84-jährige Frau, die heute in
einem Dorf in Norddeutschland lebt. Sie ist 1945 in Ostpreußen zurückgeblieben,
während die großen Flüchtlingstrecks schon unterwegs waren. Damals war sie 14
Jahre alt und hae in den Kriegswirren den Kontakt zu ihrer Familie verloren. Als
Kuhhirtin musste sie auf einer neugegründeten sowjet-russischen Kolchose arbeiten. Mit 64 Jahren kamen die damals erlebten Traumata wieder in Erinnerung. Sie
beginnt zu schreiben und notiert ihre Erinnerungen auf kleine Zeel, die sie ganz
hinten in der Küchenschublade versteckt.
Die Darmstädter Schristellerin Gisela Stammer hat im engen Kontakt mit Inge
Jungnitz ihre Geschichte aufgeschrieben und auf diese Weise dokumentiert, wie
ein Trauma nach Jahrzehnten wieder auricht aber auch durch Schreiben und
Sprechen bewältigt werden kann. An diesem Beispiel konnte während der Lesung
wie auch in darauf folgenden Seminarstunde gezeigt werden, dass Lesen und
Schreiben eine bedeutsame sozialpädagogische Aktivität ist: Das Schreiben im
Dialog zwischen Inge Jungnitz und der Schristellerin Gisela Stammer hat Inge
Jungnitz nicht nur langsam ermöglicht, ihr Traumata zu bewältigen, sondern es
war auch ein partizipativer Akt. Gisela Stammer konnte durch ihre empathische
Art es ermöglichen, dass Inge Jungnitz die Erlebnisse bearbeiten konnte.
Im Gespräch mit der Autorin war es den Studierenden besonders wichtig zu
erfahren, wie der gemeinsame Schreibprozess so produktiv werden konnte und
zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits entstand ein spannendes, überraschendes
Buch, das viele Einblicke in die Zeit gewährt und andererseits konnte Inge Jungnitz durch das gemeinsame Schreiben gesunden.
Eine Geschichte, die zeigte, dass die Folgen des 2. Weltkrieges auch 70 Jahre
danach immer noch spürbar sind. Eine Geschichte, die ahnen lässt, wie die
Traumata der Flucht auch heute für viele Flüchtende prägend sind.
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EHD Zoom
Teilhabe
von Prof. Dr. Marion Großklaus-Seidel
„Die Hannelore“ hat tellergrosse Augen und lange,
türkisgrüne Beine. Eigentlich sieht sie der realen
Hannelore nicht ähnlich. Ein Foto von Hannelore führen
wir nämlich in ihrer studentischen Akte. Neben meinem
Schreibtisch in der 7. Etage des EHD-Hochhauses hängt
„Die Hannelore“. Es ist eins von drei farbenfrohen
Bildern, die der behinderte Künstler Robert Wilhelm
geschaffen hat. Die beiden anderen Abgebildeten, Jürgen
und Dagmar, sind genau wie Hannelore Studierende der
Sozialen Arbeit. Sie werden als „Kopffüßler“ dargestellt.
Hannelore, Jürgen und Dagmar haben in der Behindertenwerksta Bergstrasse ihr Praktikum absolviert
und sind dort dem Künstler Robert Wilhelm begegnet.
Engagierte junge Menschen, die für ihr Studium einen
helfenden Beruf gewählt haben und sich in der Praxis
erproben, werden ihrerseits zum Gegenstand der Arbeit
ihrer Betreuten. Unterschiedliche Begabungen treffen
zum Wohle aller aufeinander und bereichern sich gegenseitig. Jährlich findet in der Aula der EHD ein Treffen
behinderter Künstler_ innen und Studierender der EHD
sta. Die Zusammenarbeit zwischen der Hochschule
und der Behindertenwerksta ist eines von zahlreichen
Beispielen der Gestaltung von Teilhabe im Alltag der
EHD. Die entstandenen Bilder werden in regionalen
Ausstellungen gezeigt und finden eine begeisterte
Käuferscha. Ich freue mich jeden Tag über das bunte
Farbenspiel der Bilder und entdecke bei der Betrachtung
immer neue Details in der Darstellung. Das entspannt
mich bei meiner Arbeit, bei der ich in Zusammenarbeit
mit anderen Verantwortlichen und den Gremien der
EHD das Miteinander in und außerhalb der Hochschule
organisiere. Somit habe auch ich einen gestaltenden und
einen empfangenden Anteil an einem Miteinander, das
Robert Wilhelm, Hannelore, Jürgen und Dagmar durch
die ihnen gestieten Talente bewirkt haben.
Teilhabe zu gestalten und zu leben ist die Leitidee der
Evangelischen Hochschule Darmstadt und die daraus
resultierende Kultur des Sozialen findet ihre Umsetzung
in allen Bereichen: in der Lehre, in der Forschung und in
der Fort- und Weiterbildung, aber auch im alltäglichen
Umgang miteinander und im Beitrag der EHD zum
Gemeinwesen. Mit dem Begriff der Teilhabe ruht der
Blick auf dem Ganzen, auf einer Wirklichkeit, in der
alle Menschen integriert sind und an der alle teilhaben
können. Aus christlicher Sicht hat jeder Mensch eine
besondere Berufung, d.h. eine besondere Begabung
oder Fähigkeit, die er oder sie in die Gemeinscha
einbringen kann. Dass dies für jeden Menschen gilt, gerät
insbesondere dann in Vergessenheit, wenn Menschen
uns als „schwach“ erscheinen und einen offensichtlichen
Unterstützungsbedarf durch Behinderung, Krankheit,
Alter oder soziale Ungleichheit haben. Dann ist es
notwendig, das eigene Denken sowie den aktuellen
gesellschalichen Status quo kritisch zu hinterfragen
und sich daran zu erinnern, dass jeder Mensch diese
eine besondere Berufung hat. Sie ist wertvoll und darf
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zum Wohle der Gemeinscha nicht verloren gehen. Wir
müssen dafür Sorge tragen, dass sie zum Zuge kommen
kann. Vor diesem Hintergrund hat es sich die EHD in
Lehre und Forschung zur Aufgabe gemacht, die Gründe
für Ausschließung von Menschen zu untersuchen
und Ideen für Teilhabe zu entwickeln und praktisch
auszugestalten.
Der Gedanke der Teilhabe hat biblische Grundlagen. Im
1. Brief an die Korinther in Kapitel 12 zeichnet Paulus
das Bild vom Leib Christi. Hier werden Menschen
als verschiedene Glieder dieses Leibes dargestellt.
Da gibt es beispielsweise den Fuß und die Hand, das
Ohr, das Auge und das Gehör oder die Nase als Ort
des Geruchs. Sie alle gehören zum Leib und sind in
ihrer Funktionsweise höchst unterschiedlich. Paulus
argumentiert, dass kein Glied des Leibes für sich
beanspruchen kann, das Höherwertigere zu sein. Kein
Glied steht über dem anderen, vielmehr sind gerade die
vermeintlich schwächeren Glieder die Notwendigsten.
Die Zusammensetzung der einzelnen Glieder macht
Sinn, denn Go hat sie so zusammengefügt. Der Leib
ist eine Metapher für das menschliche Miteinander. Die
Wirklichkeit der Welt wird als ein organisches Ganzes
gedacht, in dem Menschen mit ihren Möglichkeiten und
Potenzialen spezifische Funktionen erfüllen, so wie die
Glieder eines Leibes.
Die Leitidee der Teilhabe durchzieht wie ein roter
Faden die Studiengänge der EHD. Dort geht es nicht
nur darum, Fachkräe auf Hochschulniveau aus- oder
weiterzubilden, damit sie helfend oder disponierend und
konzipierend in den Arbeitsfeldern des Sozial- und
Gesundheitswesens ihre Arbeit verrichten. Dass
Sozialarbeiter_innen z.B. das Sozialrecht kennen
und zum Wohle ihrer Klienten anwenden, dass
Pflegewissenschaler_innen und studierte
Heilpädagog_innen fachgerechte Diagnosen erstellen,
dass Kindheitswissenschaler_innen theoriefundiert
Bedürfnisse des Kindes wahrnehmen und adäquat
reagieren – das alles ist selbstverständlich. Das können
auch Absolvent_innen anderer Hochschulen. Das
Besondere der Studiengänge an der EHD ist neben einem
besonders hohen wissenschalichen Standard in der
Lehre ihre ethische Ausrichtung und Wertorientierung.
Vom ersten bis zum letzten Semester üben sich die
Studierenden in kritischer Reflexion eigener und
gesellschalicher Normen. Das Studium vermielt
ihnen orientiert am Maßstab der Teilhabe eine klare
Haltung zu der Frage, wie sich eine professionell helfende
Person einem vermeintlich Hilfsbedürigen gegenüber
zu verhalten hat. Es geht um das Bewusstsein dafür,
dass Menschen stets auch Ressourcen haben, die sie in
ihre eigene Lebensgestaltung und in die Gemeinscha
einbringen können. Herausfordernd wird eine solche
helfende Haltung insbesondere dann, wenn es die
unterstützungsbedürigen Menschen längst selbst
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„Hannelore“, „Jürgen“, „Dagmar“:
drei Arbeiten des Künstlers Robert Wilhelm
vergessen haben, über welche Fähigkeiten sie verfügen.
Auch zahlreiche EHD-Forschungsprojekte kreisen um
die Frage, wie Teilhabe gestaltet und gefördert werden
kann. Gemeinwesenbezogene Themen sind dabei
ebenso Gegenstand der Forschungsarbeiten
wie gesellschaspolitische Fragestellungen in Theorie
und Praxis. Im internationalen Kontext untersuchen
Forschungsvorhaben Dynamiken des Ausschlusses in
unterschiedlichen Ländern.
Teilhabe ist als Leitbild zu verstehen für die Kooperation von Menschen. Damit anerkannt ist das Streben
jedes Einzelnen nach Wohlstand innerhalb einer
Gemeinscha, in der alle sich einbringen und aufeinander angewiesen sind. Dies führt aktuell zu großen
Herausforderungen, denn wie lässt sich beispielsweise
die Teilhabe von Flüchtlingen gestalten? In unmittelbarer Nachbarscha zur EHD wurden jüngst 530
Flüchtlinge in der Starkenburg-Kaserne unterbracht,
weitere 1000 Flüchtlinge befinden sich im Stadtgebiet.
Das Thema „Migration“ hat die EHD bereits in
Seminarveranstaltungen und in öffentlich zugänglichen
Vorlesungsreihen beschäigt. Nun stellt sich das
Thema und damit die Frage nach der Gestaltung von
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Teilhabemöglichkeiten völlig neu. Als Hochschule stehen
wir vor der Frage, wie wir offener für Flüchtlinge werden
können, die als Studierende in den Blick kommen. Hier
gilt es in Kooperation mit dem Wissenschasministerium
und anderen Hochschulen in Hessen bestehende
Barrieren abzubauen, die einen Hochschulzugang
bislang behindern oder gar unmöglich machen. Auch die
Qualifizierung von Ehrenamtlichen für die Begleitung
und Unterstützung sollte in Kooperation mit anderen
kirchlichen Einrichtungen angegangen werden.
„Die Hannelore“, „Jürgen“ und „Dagmar“ schauen mir
bei meiner Arbeit am Schreibtisch des Präsidialamts
über die Schulter. Sie erinnern jeden Tag daran, dass
alle Menschen über Teilhabe in einer Gemeinscha
miteinander zusammenhängen und dass auch Macht
in Leitungspositionen nur treuhänderisch verliehen ist.
Was also kann der Beitrag der EHD zum Ganzen sein?
Malen wie Robert Wilhelm kann kaum einer von uns.
Vielleicht liegt es in unserer Verantwortung, eine gute
Kombination von befähigenden und kooperierenden
Strukturen zu schaffen, in denen gegenseitige Unterstützung und gegenseitiges Fordern und Fördern
verankert ist.
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EHD Forschung
Abmeldung vom Religionsunterricht
Prof. Dr. Carsten Gennerich (EHD) und seine Kollegin Prof. Dr. Mirjam Zimmermann von der Universität Siegen untersuchten
Gründe für die Abmeldung vom Religionsunterricht. Klassischer Religionsunterricht spricht autonomieorientierte Jugendliche
wenig an. Die beiden Religionspädagogen plädieren für eine Mischung konservativer und progressiver Theologien.
K&Q: Herr Gennerich, inwieweit stellt die Abmeldung vom
Religionsunterricht eine Herausforderung dar?
Gennerich: Über 40 Prozent der evangelischen Schüler
melden sich in manchen Schulzweigen und Bundesländern im Laufe ihrer Schulzeit vom evangelischen
Religionsunterricht ab. Ich sehe das als Signal, dass etwas
mit der Konzeption der Praxis des Religionsunterrichtes
nicht stimmt. Die Abmelderinnen und Abmelder sagen
z.B., dass ihnen der Religionsunterricht nichts nütze,
dass sie ihn nicht brauchen. Das ist eine Anfrage an den
Religionsunterricht an sich.
K&Q: In ihrer Studie befragten sie Schülerinnen und
Schüler, die vom Religions- in den Ethikunterricht
gewechselt sind. Welche Gründe waren für den Wechsel
ausschlaggebend?
Gennerich: Die zentrale Erkenntnis ist, dass die Schüler
inhaltliche Gründe benennen. Diejenigen, die sich vom
Religionsunterricht abmelden, machen die Erfahrung,
dass sie mit den Inhalten des Religionsunterrichtes
für sich selber nichts anfangen können. Die Art des
Unterrichtes ist so, dass sie keinen Gewinn für die
persönliche Lebensdeutung damit verbinden. Das ist
bemerkenswert, weil Lehrerinnen und Lehrer, die wir
parallel befragt haben, äußere Gründe wie Orientierung
an Freunden, Verhältnis zum Lehrer oder Vermeiden
ungünstiger Zeitschienen vermutet haben. Es herrscht
eine große Perspektivendifferenz. Die Schüler sagen
sehr deutlich, dass sie sich inhaltlich nicht angesprochen
fühlen.
K&Q: Wer sind die Abmelder?
Gennerich: Einerseits gibt es einen klaren Trend über
die Klassenstufen. In der Grundschule liegen so gut wie
keine Abmeldungen vor, in Sekundarstufe I steigen sie
sehr stark, vor allem ab der 8. und 9. Klasse. Das korreliert
mit einer Lebensphase in der Jugendliche neugierig
sind, Anregung suchen, Neues ausprobieren wollen.
Andererseits konnten wir die Schüler aufgrund ihrer
Werthaltung typologisieren. Die inhaltliche Kritik am
Religionsunterricht korreliert mit einer Werthaltung, die
Autonomie und Offenheit für Wandel betont. Wir sind
überzeugt, dass es mit einer progressiven Theologie, die
inhaltlich überrascht, unter dieser Schülergruppe deutlich
weniger Abmeldungen geben würde.
K&Q: Die gegenwärtige Form des Religionsunterrichtes
spricht also hauptsächlich wertkonservative Schüler an,
verfehlt autonomieorientierte Schüler?
Gennerich: Ja, das muss man so sagen. Die Abmeldungen
sind zudem nur die Spitze des Eisberges. Vorgängerstudien
haben gezeigt, dass autonomieorientierte Schülerinnen
und Schüler weniger zufrieden mit dem Religionsunterricht sind. Mit unserer Studie haben wir jetzt den Beleg,
dass diese Unzufriedenheit sich mit der Abmeldung in
eine bewusste Handlung niederschlägt, was geradezu
alarmierend ist.
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Prof. Dr. Carsten Gennerich
K&Q: Wie können adäquate Zugänge für diese Schülergruppen aussehen?
Gennerich: Aus unserer Sicht muss man das didaktisch so
lösen, dass in den Religionsunterricht unterschiedliche
theologische Richtungen einfl ießen. Es kommt auf eine
Mischung konservativer und progressiver Theologien an,
um allen Schülergruppen gerecht zu werden. Religionsunterricht wird dadurch interessant, dass es die Gelegenheit
zum Diskurs zwischen den Schülerinnen und Schülern
mit ihren unterschiedlichen Wertorientierungen eröffnet.
K&Q: Können Sie ein Beispiel geben?
Gennerich: Nehmen wir den Sündenbegriff. Von Konfirmandenunterricht her verbinden die Jugendlichen damit
Gewalt, Stehlen, Vertrauensmissbrauch. Sünde lässt sich
nach Gräb-Schmidt in Rückgriff auf Sören Kierkegaard
auch fast gegenläufig formulieren: So zeigt die Geschichte
des Sündenfalls, mit dem die Ordnungskonstruktion
„gut - böse“, „gefällt mir – gefällt mir nicht“ in die Welt
kommt, dass der Mensch mit seiner Freiheit überfordert
ist und lieber Eindeutigkeit herstellt. Jede Kategorisierung
bedeutet gleichzeitig Ausschluss, hat dysfunktionale
und lebensverhindernde Konsequenzen. Unter diesem
Blickwinkel werden Ordnungskonstruktionen selbst zur
Sünde, die in ihren starren Anwendungen das soziale
Miteinander beschädigen. Auch Jesus ist in seinem Leben
immer wieder in Kritik zu bestehenden Ordnungen
geraten, sein Leben lässt sich als durchgehende Ordnungskritik lesen: Er vergemeinschaete sich mit Zöllnern
und Sündern. Jugendlichen sind solche Zusammenhänge
meist gar nicht klar. Sie sehen in Kirche und Theologie
die Tradition und das Konservative, dabei kann Theologie
auch Autonomie bereitstellen und ermöglichen.
Literatur: Carsten Gennerich / Miriam Zimmermann,
Abmeldung vom Religionsunterricht
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2016.
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„Zuhören sta Tipps geben.“
Was bleibt nach einem psychosozialen Ehrenamt?
„Zuhören statt Tipps geben“ – das ist eine der Antworten, die die ehemalige Peerberaterin Jule im Rahmen einer Gruppendiskussion einer Studie von Prof. Dr. Marc Weinhardt äußert. Hunderte von Mails hat sie an verzweifelte Jugendliche
geschrieben, als sie sich im Alter von 15 bis 18 Jahren mehrere Stunden pro Woche ehrenamtlich für Gleichaltrige in Lebenskrisen und bei Suizidgefahr im Onlineberatungsprojekt youth-life-line.de engagiert hat. Zehn Jahre später wird sie
– zusammen mit ihren damaligen Ehrenamts-Kolleg_innen – im Rahmen einer Studie zur Nachhaltigkeit ehrenamtlichen
Engagements nach ihrem Lebensverlauf und den aus dem Engagement resultierenden Lern- und Bildungsprozessen befragt.
Um was geht es in der Studie?
Das Forscher-Team (v.l.n.r.): Prof. Dr. Marc Weinhardt
mit seinen Mitarbeiter_innen Markus Urban und Janina Baaken
(Foto: Marc Weinhardt)
Die von der Landesstiung Baden-Würemberg im Rahmen
des Aktionsprogramms Psychische Gesundheit finanzierte
Untersuchung bearbeitet die Frage, ob aus einem intensiven
psychosozialen Ehrenamt von den Engagierten etwas
Bedeutungsvolles in das spätere Leben mitgenommen wird.
Für diesen Bereich liegen bisher nur sehr wenige Studien
vor, obwohl gerade hier neben dem Gewinn für die direkt
unterstützten Personen häufig auf Seiten der sich Engagierenden Lern- und Bildungseffekte erwartet werden, die
das bearbeitete Thema multiplikatorisch in die Gesellscha
tragen sollen. Die hier exemplarisch untersuchten jungen
Erwachsenen waren – dies waren die Einschlusskriterien für
die Studie – im Alter zwischen 15 und 18 Jahren mindestens
ein Jahr im Beratungsprojekt tätig. Zu diesem Engagement
gehört eine 60 Stunden umfassende Ausbildung sowie die
permanente Begleitung und Supervision der Beratungsarbeit
durch sozialpädagogische Fachkräe.
Forschungszugang und
erste Ergebnisse
Peerberaterinnen bei der Arbeit in der Onlineberatungsstelle
INFO
Peer-Beratung bezeichnet die Beratung
durch gleichartige Menschen,
z.B. Jugendliche und Studierende.
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In einem ersten Schri konnten alle ehemaligen
Peerberater_innen, die den Einschlusskriterien entsprechen,
online befragt werden. In der zweiten Erhebungswelle
wurden Gruppendiskussionen und Einzelinterviews mit
theoretisch ausgewählten StudienteilnehmerInnen geführt.
Die derzeitige Datenauswertung erlaubt, erste Ergebnisse zu
ausgewählten Teilfragen berichten zu können. Interessant
ist zunächst, dass das Engagement von einem beträchtlichen
Teil der Befragten als wichtige Station der beruflichen
Entscheidungsfindung dargestellt wird. Sehr häufig wurde
auch ein Studienberuf aus den Humanities (Psychologie,
Medizin, Soziale Arbeit, Lehramt) gewählt – ein Befund, der
die Rede über neue didaktische Strukturen wie das Service
Learning in solchen Studiengängen zu bereichern vermag.
Bezüglich der erworbenen Kompetenzen zeigt sich, dass
die Mehrzahl der Befragten auch nach zehn Jahren diese
sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich einsetzen,
beispielsweise im Umgang mit belasteten Kolleg_innen oder
konkreten Unterstützungsangeboten für Freude wie das
Anbieten von Entlastungsgesprächen und die zielgerichtete
Weitervermilung in professionelle Angebote. Und schließlich
werden über diese unmielbare verwertungsorientierte
Nutzung auch Persönlichkeitsbildungsprozesse deutlich,
beispielsweise in der Erweiterung normativer Deutungsfolien
auf eigene und fremde Lebensentwürfe.
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EHD Outside
Freiwilligenmanagement
mit Jugendlichen
Prof. Dr. Michel Vilain spricht zum Freiwilligenmanagement
in der Kalkscheune/Berlin, Foto: Thomas Kunsch
Entgegen negativer Szenarien der letzten Jahrzehnte
zeigen aktuelle empirische Untersuchungen, dass
Vereine und Verbände weiterhin der zentrale Zugang
und Ort des freiwilligen Engagements junger Menschen in Deutschland sind. Berichte und Klagen von
Verantwortlichen in vielen Jugendorganisationen
über Mitgliederschwund und wachsendes Desinteresse der Kinder und Jugendlichen stehen dazu im
Gegensatz und werfen Fragen auf. Offensichtlich
gelingt es einigen Jugendorganisationen besser als
anderen, Kinder und Jugendliche für gesellschaliches Engagement zu gewinnen. Eine vom Institut
für Zukunsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtscha (IZGS) der EHD und der Bertelsmann
Stiung gemeinsam durchgeführten Fachtagung in
Berlin stand deshalb unter dem besonderen Fokus
des Managements von Freiwilligen.
Seit vielen Jahren nun schon haben sich unzählige
Empfehlungen, Anleitungen, Handreichungen sowie
Tipps und Tricks zum Thema Freiwilligenmanagement etabliert. Omals weisen diese Managementkonzepte den Organisationen eine klare Richtung,
mit der sie vermeintlich auf kürzestem und schnellstem Weg ans Ziel gelangen. Propagiert werden eine
effektivere und effi zientere Arbeit mit Freiwilligen.
Bei genauerer Betrachtung der Praxis fällt jedoch
auf, dass dieses Versprechen omals nicht eingelöst
werden kann und viele Jugendorganisationen
bewusst oder unbewusst andere Wege gehen – und
dies sehr erfolgreich. Im Rahmen der Fachtagung ist
diesem Phänomen auf den Grund gegangen worden.
Kinder schützen –
Familien fördern
Grundsätzlich besteht bei Angeboten im Bereich der
Frühen Hilfen die Herausforderung darin, Eltern, die
über einen Unterstützungsbedarf verfügen, zur Teilnahme an entsprechenden Angeboten zu motivieren.
Das Darmstädter Modell „Kinder schützen – Familien
fördern“ beschreitet neue Wege, indem frühe und
präventive Angebote für alle Eltern mit Neugeborenen
bereitgestellt werden. Im Rahmen eines Begrüßungsservice heißen Sozialarbeiterinnen im Aurag der
Stadt jedes neugeborene Kind willkommen. Die dabei
gleichzeitig geleistete Information und Beratung
der Eltern soll helfen, Verunsicherungen abzubauen,
Stresssituationen entgegenzuwirken, zur Stärkung
der Elternkompetenz und damit zum Kindeswohl
beizutragen.
Prof. Dr. Marga Günther und Sylke Israel haben das
Modellprojekt evaluiert. Die Ergebnisse zeigen, dass
es mit diesem Ansatz insgesamt sehr gut gelingt, die
Hemmschwelle zur Annahme von Hilfen zu überwinden und damit auch Familien zu erreichen,
die üblicherweise von sich aus nicht den Weg ins
Kinder- und Jugendhilfesystem suchen. Parallel
konnten die Bedarfe der Eltern erhoben und
Vorschläge zur Steuerung und damit zur erhöhten
Wirksamkeit der Maßnahme unterbreitet werden.
Ausgehend von den Ergebnissen der von Prof. Dr.
Michael Vilain und Tobias Meyer zusammen mit der
Bertelsmann Stiung durchgeführten Studie zum
„Freiwilligenmanagement in Jugendorganisationen“,
wurde im Austausch zwischen Theorie und Praxis
gemeinsam mit über 80 Praktikern diskutiert.
Jugendorganisationen müssen abhängig von ihren
individuellen Strukturen der Entscheidungsfindung
und der Priorisierung von Werten, Themen und
Aufgaben demnach jeweils sehr differenzierte Wege
zum Erreichen ihrer Ziele einschlagen.
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Gefragt
Über „Gesichter des Widerstands in der Diakonie“ sprach
Prof. Dr. Birgit Bender-Junker in der Gedenkstäe Deutscher Widerstand in Berlin beim einem Symposium zur
Soziale Arbeit in der NS-Zeit.
Die Zielerarbeitung und -formulierung im Rahmen
der Hilfeplanung unter größtmöglicher Betroffenenbeteiligung war Thema eines Fachtages mit Prof. Dr.
Markus Emanuel in Pforzheim. Ferner moderierte er das
Fachforum „Soziales Darmstadt – Teilhabe gemeinsam
gestalten“.
„Early Help for newborns. Instruments of child protection
between help and control“ war das Thema von
Prof. Dr. Marga Günther auf der 3. International Staff
Week „In the field of EARLY LIFE FAMILY CARE“ an der
Fachhochschule Kärnten/Österreich. „Zur Komplexität
in der psychosozialen Beratungsarbeit“ sprach sie auf
der Jubiläumsfeier des Beratungszentrums Mie des
Diakonischen Werkes in Dietzenbach.
Technologien und Menschen
zusammenbringen
Das Institut für Zukunsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtscha (IZGS) der EHD
präsentierte auf Einladung des Hessischen
Wirtschasministeriums beim 8. AALKongress in Frankfurt/Main Ergebnisse
aus den Forschungsprojekten rund um das
Thema Altersgerechte Assistenzsysteme.
In den aktuellen BMBF-Forschungsprojekten ENGESTINALA („Entwicklung hybrider
Geschäsmodelle zur Stärkung innovativer
ambienter Lebensstrukturen im Alter“)
und ZELIA („Zuhause eigenständig leben
im Alter“) entwickelt das IZGS innovative
Modelle, um älteren Menschen mit Hilfe von
Technologien wieder ein selbstbestimmtes
und aktives Leben zu ermöglichen.
Prof. Dr. Cornelia Mansfeld predigte zum „Guten Leben
und die Krisen“ im Rahmen der Reihe „Bürgerkanzel“ in
der Stadtkirchen-Gemeinde Rotenburg (Wümme).
Über Forschendes Lernen als Möglichkeit einer kritischen
Reflexion sozialer Ausschlussverhältnisse in Studiengängen der Sozialen Arbeit sprach Prof. Dr. Elke Schimpf
gemeinsam mit Studierenden auf der Jahrestagung der
Sektion Forschung der Deutschen Gesellscha für
Soziale Arbeit.
Im Zukunsforum der Diakonie Deutschland sprach
Prof. Dr. Andreas Schröer über die „Zukunsfähigkeit
Sozialer Dienste“.
Beim Fachtag „Ehrenamt und Flüchtlingshilfe – Chancen,
Besonderheiten, Bedarfe, Grenzen“ der FreiwilligenAgentur Münster berichtete Prof. Dr. Michael Vilain in
seinem Vortrag darüber, wie ehrenamtliches Engagement
in der Flüchtlingsarbeit in einer Stadt oder Kommune
zum Erfolg werden kann und wo Potentiale, Grenzen und
Herausforderungen liegen.
Prof. Dr. Erik Weber sprach „Zur Situation von Menschen
mit geistiger Behinderung in forensischen Einrichtungen“
beim Hainaer Forensik Seminar in Gießen und auf der
International Association of Forensic Mental Health
Services Converence in Manchester sowie über das
„Spannungsfeld zwischen Individuum, Unterstützungssystemen und Gesetz“ bei einem Fachtag der Betreuungsund Pflegeaufsicht und der Landesarbeitsgemeinscha
Wohnen in Hessen e.V.
Sebastian Wegner sprach beim ASB Landesverband
Hessen e.V. zur „Lage und Zukunsperspektive des
Geschäsfeldes Hausnotruf“.
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EHD Pinnwand
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Damit wir klug werden (Ps 90,12)
Termine
14.10.2015
Semestereröffnungsgottesdienst,
12:00 Uhr, Darmstadt
In der Losung des 35. Evangelischen Kirchentages fanden sich die
Evangelischen Hochschulen unmittelbar wieder. Auf dem Markt
der Möglichkeiten stellten sie ihre Studienangebote vor. Auch
Oberkirchenrätin Ulrike Scherf, die stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN, zählte zu den Besuchern. Foto: Martin Reinel
15.10.2015
Semestereröffnungsgottesdienst,
12:30 Uhr, Hephata
16.10.2015
Abschlussfeier,
17 Uhr, Darmstadt
Zeile für Zeile
Marga Günther /
Anke Kerschgens / Lote Rose /
Rhea Seehaus (Hrsg.),
Vater, Mutter, Kind? Geschlechterpraxen in
der Elternschaft,
Budrich Verlag 2015,
300 Seiten, 38 Euro,
ISBN-13: 978-3847406709
Eberhard Bolay /
Angelika Iser / Marc Weinhardt
(Hrsg.): Maja Heiners Impulse
zur Professionalisierung der
Sozialen Arbeit,
Wiesbaden: VS-Verlag 2015,
172 Seiten,
ISBN: 978-3-658-09728-8
Michael Vilain /
Sebastian Wegner (Hrsg.):
Social Talk 2014 Was kann Fundraising noch
in einem modernen
Finanzmanagement leisten?
Tagungsband des Instituts für
Zukunftsfragen der Gesundheitsund Sozialwirtschaft (IZGS) der
Evangelischen Hochschule
Darmstadt,
Epd-Dokumentation Nr. 24/2015,
Frankfurt am Main:
Gemeinschaftswerk der
Evangelischen Publizistik (GEP)
16.11.2015
Gesamtkongress der
GemeindepädagogInnen der EKHN,
Darmstadt
18.11.2015
Gottesdienst zum Buß- und Bettag,
Hephata: 10:15 Uhr,
Darmstadt: 11 Uhr
02.12.2015
Social Talk: Am Wendepunkt?
InnenPerspektiven der Sozialwirtschaft,
Tagung in Darmstadt
21.01.2016
Impressum
Kreuz&Quer - Magazin der Evangelischen Hochschule Darmstadt
Herausgeberin: Die Präsidentin, Zweifalltorweg 12, 64293 Darmstadt,
Telefon 06151-87980, Fax 06151-879858
Semesterabschlussgottesdienst,
12:30 Uhr,Hephata
Redaktion: Marion Großklaus-Seidel, Tobias Ehrig
26.01 - 28.01.2016
Mit Beiträgen von: Tobias Ehrig, Marion Großklaus-Seidel, Cornelia Mansfeld,
Tobias Meyer, Marc Weinhardt
hobit,
Darmstadt
Mit Fotos von: Tobias Ehrig, Sabrina Groß, Clajo Herrmann, Thomas Kunsch, Martin Reinel,
Staatstheater Darmstadt, youth-life-line.de, Marc Weinhardt
Gestaltung: Claudia Lorenz-Blumöhr, Griesheim
Druck: Plag Druck GmbH, Schwalmstadt
[email protected], www.eh-darmstadt.de
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