Flucht und wie wir lernen müssen, damit umzugehen

00 / 2015
Newsletter des Departments
Migration und Globalisierung
EDITORIAL Flucht und wie wir lernen müssen, damit umzugehen Können „bauliche Maßnahmen“ und Zäune mit Toleranz und Integration verknüpft werden? Darüber kreisen heute die aktuellen Debatten um Flucht nach Österreich und Europa. Es ist klar, es ist eine Gratwanderung zwischen der moralischen und auch gesetzlichen Pflicht, Menschen in Not zu helfen, und dem Verlangen weiter Teile der Bevölkerung nach Sicherheit. Aber können Zäune eine Sicherheit vermitteln? Die Politik ist gefordert, hin und her gerissen zwischen „das Boot ist voll“‐
Argumenten und „das schaffen wir schon“‐Beschwörungen. Inhalt
Editorial Tagung „Die Kunst der Gemeinwesenarbeit“ 27.10.2015 Studie „Migration und Sucht“ abgeschlossen Kooperationsprojekt „Building Inclusive Urban Communities“ gestartet Lehrgang „Neo‐Salafistischer Islamismus“ Delegation aus Indonesien 6.11.2015 Jahrestagung des NÖ Integrationsservice 6.11.2015 Und irgendwo dazwischen spielt sich die Realität für den Großteil Dialogforum 2015 und 2016 jener Menschen ab, die auf der Flucht vor Terror, Krieg oder Erster „Interkultureller Salon“ widrigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Um‐
22.9.2015 ständen die Grenzen Europas erreichen. Auch in Österreich stellen Call for Papers – „Migration in Austria“ sich spätestens jetzt mit Nachdruck offen gebliebene Fragen der Turkish Migration Conference 2016 Integration und der humanitären Möglichkeiten und Ressourcen. Wir werden eines Tages daran gemessen werden, wie wir mit diesen Fragen umgegangen sind, und welche Antworten wir gefunden haben. An diesem Diskurs führt kein Weg vorbei und wir wollen mit unserem Lehrprogramm, unseren Seminaren, unserer Forschung und unserem persönlichen Engagement einen Beitrag zu diesem Diskurs leisten. Wir wollen Sie mit unserem Newsletter darauf aufmerksam machen und hoffen, dass Sie einige Schritte mit uns gehen wollen. Unser Department hat den Fokus auf Migration und Integration und unser Lehrprogramm und unsere Forschung spiegeln das. Drei Lehrgänge starteten wir diesen Herbst: „Provokationspädagogik“, „Migrationsmanagement“ sowie „Interkulturelle Kompetenzen“. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich die TeilnehmerInnen bei ihrem Abschluss das Wissen angeeignet haben werden, das sie brauchen, um anstehende Herausforderungen im Umgang mit spezifischen Fragestellungen von Migration und Integration zu verstehen und zu erfassen; sie haben aber auch gelernt, Instrumente zu entwickeln und anzuwenden, die sie einer Lösung der anstehenden Probleme und Herausforderungen näher bringen. Dass Migrationsthemen auch langfristig relevant sind, belegt die derzeitige Welle der Fluchtzuwanderung; die intensive Forschungsarbeit des Departments für Migration und Globalisierung an der Donau‐Universität Krems nimmt sich dieses Themas ebenso an wie der Entwicklung von Konzepten für ein besseres Zusammenleben mit anderen Kulturen. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre mit unserem neuen Newsletter, der Sie von nun an jeweils vierteljährlich über neueste Entwicklungen in unserer Lehre und Forschung informieren wird! Univ. Prof. Dr. habil. Gudrun Biffl, Department Leiterin Dr. Tania Berger, Chefredakteurin des Newsletter Download und Bestellung des Newsletter: www.donau‐uni.ac.at/mig/newsletter 1 FORSCHUNG Schaffung von kostengünstigem Wohnraum ist Gebot der Stunde Tagung „Die Kunst der Gemeinwesenarbeit“ am 27.10.2015 war Auftakt für neues Forschungsprojekt Das Thema war brandheiß: rund 80 TeilnehmerInnen sind unserer Einladung gefolgt, mit uns „Die Kunst der Gemeinwesenarbeit“ zu diskutieren und dabei insbesondere über mögliche Wohnlösungen für Flüchtlinge nachzudenken. Bereits die 2014 von uns abgeschlossene Studie „Sozialraumanalyse: Konzepte und Empfehlungen zur Umsetzung von Integration in Niederösterreich“ (www.donau‐uni.ac.at/mig/sozialraumanalyse) hatte gezeigt, dass Beratung (inkl. Einzugsbegleitung in Neubau und Bestand), Konfliktmediation und ‐prävention sowie Quartiersarbeit wirkungsvolle Instrumente sind um ganz allgemein das Zusammenleben im Wohnumfeld einer zunehmend diversen Gesellschaft tolerant und möglichst konfliktfrei zu gestalten. In einem neuen – von der NÖ Wohnbauforschung geförderten – Projekt „Konzept NÖ Netzwerk Wohnen“ sollen nun bestehende Strukturen auf Gemeinde‐ und auch Landesebene hinsichtlich ihrer Anschlussfähigkeit für koordinierte Unterstützungsstruk‐
turen im Wohnbereich analysiert und geprüft werden, inwie‐
weit sie intelligent für die Umsetzung von Einzugsbegleitung, Konfliktmanagement und Quartiersarbeit auch in kleineren Wohnanlagen genutzt werden können. Die Tagung am 27. Oktober stellte den Auftakt dieses Vorhabens dar. Dabei plä‐
dierten einige dafür zumindest für die allerersten Monate der Aufnahme im Gastland Sammelunterkünfte anzubieten, an denen Kräfte gebündelt und entsprechende Angebote (Gesund‐
heitsversorgung, psychologische Betreuung, Sprachkurse, etc.) auf hohem Niveau und dennoch effizient angeboten werden können. Andere forderten dagegen mit Rücksicht auf lokale EinwohnerInnenschaft kleinere, persönlicher wirkende Auf‐
nahmekontingente, die ein wechselseitiges Kennenlernen auf Augenhöhe ermöglichen. Einig waren sich jedoch alle, dass der derzeit für Neuzuziehende zur Verfügung stehende Wohnraum quantita‐
tiv nicht ausreichen wird und daher Schaffung von neuem, kostengünstigem Wohnraum – nicht nur für diese Bevölkerungsgruppe! – ein absolutes Gebot der Stunde darstellt. (tb) Hier finden Sie Vortragsfolien und Audiomitschnitte: www.donau‐uni.ac.at/mig/gemeinwesenarbeit FORSCHUNG Migration und Sucht Neue Studie zeigt Implikationen für Prävention in einer pluralisierten Gesellschaft Auch wenn Migration an sich kein Auslöser für Suchtverhalten ist, so kann doch das Zusammenwirken vieler Faktoren, etwa migrationsbedingte Erlebnisse in Kombination mit den Lebensumständen in Österreich, die Prävalenz für Sucht beeinflussen. Zu diesem Thema liegt nunmehr eine detaillierte Studie unseres Departments vor. Suchtprävention ist an eine sehr breite und heterogene Zielgruppe gerichtet, die über Maßnahmen wie Vorträge, Programme zur Förderung der Lebenskompetenzen, Arbeitsplatzmaßnahmen, Informationsmater‐
ialien etc. erreicht werden soll. Segmente der Präventionsarbeit zielen auf unterschiedliche Risikogruppen, z.B. Personen, die bereits einen hohen Konsum bzw. riskanten Umgang mit Suchtmitteln haben, die straffällig geworden sind, ökonomisch und/oder sozial benachteiligt werden, psychische Probleme haben (u.a. von Trauma betroffen sind) wie auch ethnischen und weiteren Minderheiten einer Gesellschaft angehören. Solche Faktoren stehen in einem dynamischen Zusammenspiel und unterscheiden sich bei Mitgliedern der Mehrheits‐
gesellschaft und MigrantInnen nicht. Allerdings sind MigrantInnen in höherem Ausmaß von den genannten Risiken betroffen. Die besondere Ge‐
fährdung von MigrantInnen für Suchterkrankungen ergibt sich durch Aspekte, die in direkter Beziehung zur 2 Migrationserfahrung stehen und verstärkend auf suchtbegünstigende Faktoren wirken können. MigrantInnen stellen somit eine wesentliche Zielgruppe von Präventionsarbeit dar. Inwiefern allerdings gehen österreichische Konzepte der Präventionsarbeit mit dem Verständnis von abhängi‐
gen Personen der verschiedenen MigrantInnen‐Gruppen einher und sprechen diese daher auch auf gewünsch‐
te Weise an? Ob Präventionsmaßnahmen dem möglichen Bedarf von Risikogruppen entsprechen und wie Maßnahmen in der Präventionsarbeit angepasst werden sollten, waren Fragestellungen im Fokus des Forschungsprojektes „Das Verständnis von Sucht von Migranten/innen in Österreich und Implikationen für die Präventionsarbeit“. Über 15 Monate forschte das Projektteam wie mögliche Unterschiede im Verständnis von Sucht und Drogen unter Personen mit und ohne Migrationshintergrund entstehen, und welche Rolle dabei kultur‐ und migrations‐
spezifische Faktoren spielen. Im Zentrum stand hierbei die Umsetzung in die Praxis, die einer Pluralisierung der Bevölkerung entgegenkommt. Mit dem Symposium „Migration und Abhängigkeit ‐ Suchtprävention in einer heterogenen Gesellschaft“ konnte das Projekt im März 2015 erfolgreich abgeschlossen werden. Im Forschungszeitraum wurden MigrantInnen der ersten Generation qualitativ befragt und zudem eine quanti‐
tative Online‐Erhebung umgesetzt. Die Auswertung der Ergebnisse und darauf basierende Schlussfolgerungen waren umfangreich und umfassten u.a. das komplexe multifaktorielle Zusammen‐ und Wechselspiel zwischen Sucht und Migration und darauf basierend einen Aktionsradius auf unterschiedlichen Ebenen der Präventions‐
arbeit, die in der Suchtprävention und ‐behandlung berücksichtigt werden müssen. Es wurden primär Implika‐
tionen für die strukturelle und universelle Suchtprävention herausgearbeitet, während selektive und indizierte Suchtprävention nur summativ behandelt wurden. Der Forschungsprozess im Detail, Resultate und Schlussfolgerungen können in der Publikation „Suchtverhalten & Migration. Zur Praxis der Präventionsarbeit in Österreich“ nachgelesen werden. (lr) Projektteam: Univ.‐Prof. Dr. Gudrun Biffl, Mag. Lydia Rössl, Mag. Anna Faustmann Webseite zum Projekt: www.donau‐uni.ac.at/mig/sucht LEHRE Ausbildung von indischen ArchitektInnen im Fokus Dreijähriges Kooperationsprojekt „Building Inclusive Urban Communities“ gestartet Rasante Urbanisierung in Indiens Städten bringt es mit sich, dass wirtschaftlich schwache Bevölkerungs‐
gruppen oft nur in informellen Stadtquartieren mit ungenügender Infrastruktur Wohnraum finden können. Zur Etablierung sozial nachhaltiger Stadtquartiere dagegen braucht es gut ausgebildete ArchitektInnen und StadtplanerInnen. Im Projekt „Building Inclusive Urban Communities“ (BInUCom), das unser Department diesen Herbst im Rahmen des europäi‐
schen ERASMUS+ Programmes gestartet hat, werden 4 indische und 3 europäische Universitäten kooperieren um die Ausbild‐
ung von ArchitektInnen und StadtplanerInnen in Indien zu professionalisieren und Studierende insbesondere zu befähigen Fragen der sozialen Inklusion, Nachhaltigkeit und Partizipation erfolgreich in ihre Arbeit mit informellen Stadtquartieren zu integrieren. Was im Volksmund als Slum bezeichnet wird, ist oft ein schwie‐
riger Platz um zu wohnen: fehlende Rechtssicherheit etwa, keinerlei Miet‐ oder Eigentumsverträge dh. die Bewohner können jederzeit vertrieben werden. Sie leben nicht nur ständig in Angst, nicht bleiben zu können. Da sie ohne existenziellen Rechtstitel formal nicht existieren, bleiben ihnen oft auch die Strom‐ oder Wasser und Kanalanschlüsse verwehrt. Dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als illegal Strom anzuzapfen. Auch ihre Unterkünfte sind häufig konstruktiv mängelhaft, gesund‐
heitsgefährdend und extrem dicht bewohnt. 3 Sprungbrett für Zugereiste Dennoch sind informelle Siedlungen sehr pragmatische Lösungen, die auch Vorteile für ihre BewohnerInnen bieten. Sie sind vielfach ein Sprungbrett für Zugereiste aus ländlichen Gebieten, um in der Stadt Fuß fassen und sich eine Existenz aufbauen zu können. Denn es lässt sich dort vergleichsweise billig leben und wohnen. Für einkommensschwache StadtbewohnerInnen ist es essenziell, in der Nähe ihrer potenziellen Absatzmärkte zu wohnen – bei Tagelöhnern etwa in der Nähe von Fabriken, Frauen in der Nähe der Mittelschicht, um als Haus‐
haltshilfe beim Putzen oder Kochen Geld zu verdienen. In der Architekturausbildung an indischen Universitäten werden soziale Aspekte solcher informellen Siedlungen derzeit kaum berücksichtigt. Meist beschränkt man sich auf den technischen, rein planerischen Aspekt, wenn informelle Siedlungen Platz für neue Immobilienentwicklungen machen müssen. Es ist wichtig, dass die Menschen weiter an ihrem angestammten Platz bleiben können. Werden sie dagegen in billige Neubauten an den Stadtrand verfrachtet, ist es schwierig für sie, zu ihren Verdienstquellen zu kommen. Hier setzt das Projekt „Building Inclusive Urban Communities“ an. So soll die Ausbildung an den Hochschulen in den vier indischen Städten Ahmedabad, Coimbatore, Mumbai und Vijayawada verbessert werden. Die Donau‐
Universität Krems als Koordinatorin wird von der Universität Twente in den Niederlanden und der Lunds Universitet in Schweden unterstützt. (tb) Webseite zum Projekt: www.donau‐uni.ac.at/mig/binucom LEHRE Über den langwierigen Prozess des Ausstiegs Kurz‐Lehrgang „Neo‐Salafistischer Islamismus“ startet erneut im Sommersemester 2016 Vor dem Hintergrund des Vormarsches des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) in Syrien und im Irak ab Sommer 2014 baute unser Zentrum für Religion und Globalisierung sehr rasch ein neues niederschwelliges Weiterbildungsangebot auf, das im März 2015 startete. Ziel ist eine wissenschaftlich fundierte, systematische Orientierung zu diesem Phänomen für Personen, die in ihrem Tätigkeitsbereich von der Rekrutierung junger Menschen für die global agierende jihadistische Organisa‐
tion betroffen sind. 37 Interessierte aus den Bereichen Jugend‐ und Sozialarbeit, Schule (u.a. Schulpsycholo‐
gInnen, LehrerInnen), Bewährungshilfe, Flüchtlings‐ und Integrationsarbeit, Weltanschauungs‐ und Sektenbe‐
ratung, Polizei und Innenministerium nehmen seit März 2015 am Kurz‐Lehrgang „Neo‐Salafistischer Islamis‐
mus: Grundlagen – Analyse – Prävention“ teil. Mit Hilfe von führenden Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Islamwissenschaft, Terrorismusforschung und Präventionsarbeit aus Österreich, Deutschland und Norwegen wird Grundlagenwissen u.a. zur geschichtlichen Entwicklung der neo‐salafistisch‐jihadistischen Organisationen, ihrer Ideologie, ihren Strategien v.a. im Internet sowie zu Radikalisierungsfaktoren vermittelt. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit effizienten Präventionsmaßnahmen in verschiedenen Bereichen. Ein wichtiges Element des Lehrgangs bilden Kamingespräche mit weiteren Fachleuten, u.a. der Nahostexpertin Gudrun Harrer oder dem stellvertretenden Direktor des Verfassungsschutzes Wolfgang Zöhrer. Einen wert‐
vollen Programmpunkt bildete am 28. Oktober das ausführliche Gespräch mit Irfan Peci, einem ehemaligen Mitglied der „Globalen islamischen Medienfront“, die als Propagandaabteilung der al‐Qaida für den deutschen Sprachraum von Wien aus tätig war. Er berichtete anschaulich über seinen persönlichen Weg, der ihn in dieses radikale Milieu hineinführte, über die innere Dynamik einer solchen Gruppe sowie über den schwierigen und langwierigen Prozess des Ausstiegs. Die intensive Beschäftigung mit der salafistisch‐jihadistischen Mobilisierung im Lehrgang führt zur Erkenntnis, dass weit größere Anstrengungen bei der Prävention und ein größerer Einsatz von finanziellen Mitteln dafür seitens des Staates und der Gesellschaft dringend nötig wären. Der Start des 2. Durchganges des Lehrgangs ist für Sommersemester 2016 geplant. (ef) Webseite zum Lehrgang: www.donau‐uni.ac.at/religion/salafismus 4 VERANSTALTUNG Interkonfessioneller Besuch aus dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Erde Delegation aus Indonesien spricht offen über Radikalisierungen Im Rahmen des 5. Österreichisch‐Indonesischen Religionsdia‐
logs, der vom österreichischen Außenministerium von 5.‐7. November 2015 durchgeführt wurde, fand auch ein Besuch der DialogteilnehmerInnen an der Donau‐Universität Krems statt. Die 11‐köpfige multireligiöse Delegation wurde angeführt vom Generalsekretär des Amtes für religiöse Angelegenheiten der indonesischen Regierung, Professor H. Nur Syam, und umfasste Vertreter des indonesischen Außenministeriums, des Religions‐
ministeriums, den Rektor der Staatlichen Islamischen Univer‐
sität Syarif Hidayatullah sowie VertreterInnen der muslimi‐
schen, christlichen und hinduistischen Religionsgemeinschaften in Indonesien. Die Vizedekanin der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung, Professor Dr. Barbara Brenner, begrüßte die hochrangige Delegation aus Indonesien, die VertreterInnen des Ministeriums sowie Wissenschaft‐
erInnen aus Wien und Innsbruck am Freitag den 6. November und stellte den Gästen die Donau‐Universität Krems vor. Anschließend präsentierte der Leiter des Zentrums für Religion und Globalisierung PD Mag. Dr. Ernst Fürlinger die laufenden Lehrgänge „Interreligiöser Dialog“, „Neo‐Salafistischer Islamismus“ sowie „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“. Im abschließenden Gespräch wurden gemeinsame Problemfelder benannt, u.a. das Phänomen salafistisch‐
djihadistischer Radikalisierung, das auch für den traditionellen offenen und toleranten Islam Indonesiens eine Bedrohung darstellt. Seitens der indonesischen Institutionen besteht ein Interesse an verstärkter Forschung und wissenschaftlicher Zusammenarbeit in diesem Bereich. (ef) VERANSTALTUNG Zur aktuellen Aufnahme von Flüchtlingen in Niederösterreich Jahrestagung des NÖ Integrationsservice stand ganz im Zeichen der aktuellen Entwicklungen Die gegenwärtigen verstärkten Fluchtbewegungen nach Europa wirken sich natürlich auch auf die Asyl‐
situation in Niederösterreich aus. Die Jahrestagung des NÖ Integrationsservice am 6. November 2015 stand daher unter dem Motto „Von der Flucht zur Integration“. Mag. Peter Anerinhof, Leiter der Abteilung IVW2 Staatsbürgerschaft und Wahlen, die seitens der Landes‐
regierung für die Flüchtlingshilfe zuständig ist, berichtete über die aktuelle Situation: 9700 AsylwerberInnen befinden sich zurzeit in Niederösterreich in der Grundversorgung, das sind 15,6% aller AsylwerberInnen in Grundversorgung in Österreich (62.000 bundesweit). Die Prognose bis Ende des Jahres lautet für Niederöster‐
reich auf 12.000 AsylwerberInnen in Grundversorgung, bundesweit auf bis zu 90.000. Die Hauptgruppen kommen – wie in ganz Österreich – aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, von denen derzeit 80% aller Asylanträge in Österreich stammen. Etwa 70% der Asylwerber sind alleinreisende Männer, viele davon verheiratet. Zwei Drittel bis drei Viertel aller Gemeinden in Niederösterreich haben Flüchtlinge aufgenommen. Überall bilden sich rund um die organisierten Quartiere für Asylwerber Plattformen von ehrenamtlichen HelferInnen, die Deutschkurse, Lernhilfe für Kinder und Freizeitaktivitäten organisieren. Die Zahl der freiwilligen HelferInnen wird für Niederösterreich auf 1000 Personen geschätzt. Die dringlichste Herausforderung besteht in der Organisation von Wohnplätzen ‐ derzeit fehlen in Niederöster‐
reich bis Ende 2015 noch 3000 bis 5000 Wohnplätze. Bundesweit wird die Zahl der obdachlosen Asyl‐
werberInnen derzeit auf 2000 bis 4000 Personen geschätzt. In Niederösterreich wurden eigene Obdachlosenquartiere für Flüchtlinge in St. Gabriel und im Helenental eingerichtet. Zugunsten einer Bündelung der Zuständigkeiten im Bereich der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) wurde eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die Dr. Peter Rosza (NÖ Landesregierung, Abteilung Kinder‐ und Jugendhilfe) leitet. Von den insgesamt etwa 4000 UMF – hauptsächlich 14‐17jährige, fast ausschließlich Burschen – befinden sich 2500 in Niederösterreich, vorwiegend in Traiskirchen und in den Außenstellen von Traiskirchen in Klosterneuburg, Korneuburg und Mödling. 5 In den Berichten von VertreterInnen der NGOs Diakonie, Caritas und Rotes Kreuz wurde der derzeitige Arbeits‐
druck aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen deutlich. Auf vorsichtige Weise wurde auf das Problem hinge‐
wiesen, dass die nötige Unterstützung und Beratung der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer den Druck noch verschärft. Die NGO‐VertreterInnen unterstrichen, dass sich der Staat bei Integrationsmaßnahmen nicht zu stark auf private Angebote verlassen dürfe. In der Diskussion wurde das Problem der Mobilität von Asylwerbern betont: Der „Verein Wohnen“ wies auf das Problem hin, dass Quartiere in abgelegenen Orten angeboten werden, wo aber weder eine Einkaufsmöglich‐
keit, Arzt oder öffentlicher Bus zur Verfügung stehen. Mobilität müsse den Flüchtlingen umsonst ermöglicht werden. Eine Vertreterin des Flüchtlingsnetzwerks Perchtoldsdorf schlug vor, seitens des Landes einen Mobili‐
tätspass für erwachsene Flüchtlinge (wie in Wien) einzuführen. Auch wurde das Problem obdachloser Flüchtlinge am Beispiel St. Pölten angeschnitten, die – wie auch im Fall von Traiskirchen – von privaten Hilfsvereinen aufgefangen werden müssen. Warum werden zurzeit vor diesem Hintergrund keine weiteren privaten Quartiere für die Grundversorgung von Flüchtlingen in St. Pölten akzeptiert? Seitens des Landes wurde darauf hingewiesen, dass seit Jänner 2015 der Beschluss gilt, dass die Zahl der Flüchtlinge an einem Ort in privaten Quartieren maximal 2% der Bevölkerung betragen darf. Als Defizit der Präsentation seitens des Landes könnte man das Fehlen genauerer Angaben, welchen Schutz‐
status wie viele Flüchtlinge erhalten, oder über die Zusammensetzung der AsylwerberInnen, z.B. hinsichtlich ihrer beruflicher Qualifikation, betrachten. Insgesamt beeindruckten bei dieser Veranstaltung der sachliche, konstruktive Zugang der VertreterInnen der Landesregierung, das Engagement der vielen privaten Netzwerke und Plattformen und die offene, kritische Diskussion. (ef) VERANSTALTUNG Das Dialogforum 2015 und 2016: Rückblick und Vorschau 2015 fand das schon traditionelle Dialogforum unseres Departments erstmalig in Krems an der Donau statt. Von 29. Juni bis 2. Juli wurden im Kolpinghaus am Campus Krems aktuelle und brennende Themen zu Migration und Integration behandelt. Das Programm für das Jahr 2016 ist noch in Arbeit, aber ohne Zweifel wird Integration und Fluchtmigration ein zentrales Thema sein. Das Dialogforum 2015 war von vielen Änderungen geprägt und sicherlich war der Abschied von Gmunden und dem Seeschloss Ort kein leichter. Trotzdem sind die Veranstaltung, das Projektteam und unsere Teilnehmer /innen gut in Krems „angekommen“. Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, Sebastian Kurz, übernahm wiederum den Ehrenschutz für die Veranstaltung und schickte uns eine Videobotschaft, die die viertägige Veranstaltung einleitete. An den Vormittagen präsentierten bekannte WissenschaftlerInnen Forschungsergebnisse sowie aktuelle Erkenntnisse und regten zur Diskussion an. Die Themen 2015 umfassten „Integrierte Schulstandorte als Beispiel für schulische Innovation“, „Business Migration im internationalen Vergleich“, „Verwundbare Gesellschaften ‐ Europäische Rechtsstaaten vor der Herausforderung des globalen Djihadismus“ und „Willkommenskultur: Österreich beschreitet neue Wege“. An den Nachmittagen konnten die Themen in den Workshops vertiefend behandelt werden; auch der Ländertag fand an einem Tag im Rahmen von Vorträgen und einer Open Space Konferenz am Nachmittag statt. Ausgestattet mit umfangreichem Feedback und Anregungen haben wir mit der Planung des Dialogforums 2016 begonnen. Mit einem Blick auf die humanitäre Krise im Nahen Osten und die damit einhergehende Fluchtwelle nach Europa und in die EU, setzen wir uns mit den Herausforderungen für die National‐
staaten, die Aufnahmegesellschaften und die Flüchtlinge aus‐
einander. Das Dialogforum wird sich 2016 der Frage stellen, wie diese neuen Herausforderungen von der Gesellschaft gemeistert werden können und welche Maßnahmen es braucht, um den sozialen Frieden zu gewährleisten und den Betroffenen an der Schnittstelle der Integration unter die Arme Phil Martin (University of California), Gudrun Biffl (Donau‐Universität zu greifen. (lr) Krems) und Julia Rutz (International Organization for Migration) trugen am
30. Juni zum Thema „Business Migration“ vor. (von li nach re) Foto: Cem Cemil Firat (www.cemfirat.com) Webseite Dialogforum: www.dialogforum‐integration.at oder www.donau‐uni.ac.at/dialogforum 6 VERANSTALTUNG Von „Zivilisation“ im Plural reden Auftakt unserer Veranstaltungsreihe „Interkultureller Salon“ im Spannungsfeld zwischen Flüchtlingskrise und Globalisierung Es ist eine Diskussion zwischen Grundsatzfragen und aktuellen Themen , der sich das Podium des 1. Interkulturellen Salons am 22. September 2015 im Wiener Café Museum gestellt haben: Im Rahmen einer Informationsveranstaltung zum umfangreichen Lehrgangsangebot unseres Departments wurde der Begriff der Interkulturalität aus verschiedensten Blickwinkeln untersucht. Journalsitin und Nahost‐Expertin Karin Kneissl zeigt sich bereits optimistisch, wenn gerade in der Wissenschaft von Zivilisation im Plural gesprochen würde. Aber allein das unterstreicht schon, wie sehr die Debatte von begrifflichen Unklarheiten durchzogen ist, und daher eine Antwortfindung bisweilen schwerer fällt als gedacht. Denn, so Sprachwissenschaftlerin Inci Dirim, das Konzept der Interkulturalität ist längst überholt. Es gehe von Prämissen aus, die zu falschen Schlüssen führen würden, und daher spreche sie lieber von Migrationspädago‐
gik. Der Unterschied zwischen wissenschaftlichem Diskurs und erlebter Realität an „der Front“ der Geschehnis‐
se mache es deutlich: Nach wie vor sei Interkulturalität in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) viel zu wenig thematisiert, so EZA‐Berater und Trainer Friedbert Ottacher. Und vielfach geht es dabei keineswegs um eine Entscheidung zwischen richtig oder falsch, subsummiert Amadou‐Lamine Sarr, Historiker an der Universität Wien, der hervorstreicht, dass Interkulturalität weder positiv noch negativ sei. Die Frage, welcher Begriff den der Interkulturalität ersetzen könnte, und was dahinter stehen müsste, kann Theodora Bauer, Schriftstellerin und Moderatorin des Abends, schließlich auch nur unbeantwortet in den Raum stellen. Denn der Interkulturelle Salon hat einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Diskurse zu führen, Fragen aufzuwerfen, und die Gefahr in Kauf zu nehmen, dass es (noch) keine zufriedenstellenden Antworten darauf geben kann. Diese Unsicherheit macht auch einen Teil der Angst aus, die in der Bevölkerung mancher‐
orts spürbar ist. Und dieser Angst muss zumindest in einem offenen Dialog begegnet werden. (at) CALL FOR PAPERS Special Session „Migration in Austria“ Turkish Migration Conference 2016, University of Vienna, 12‐15 July Die „Turkish Migration Conference 2016” ist die vierte einer Reihe, die 2012 ihren Anfang nahm, als Ibrahim Sirkeci, Direktor des Zentrums für Transnationale Studien der Regent's University London, die erste Konferenz in London ins Leben rief. Da die türkische Migration ganz Europa umfasst und auch darüber hinaus reicht, fand die Konferenz 2015 in Prag statt, 2016 wird Wien der Tagungsort sein. Obschon der Schwerpunkt der Vorträge und „Special Sessions“ auf Migrationen im Zusammenhang mit der Türkei liegt, wird auch eine von unserem Department ausgerichtete Session stattfinden, die sich mit den Migrationen in Österreich auseinander setzt. Sie sind eingeladen, im Rahmen dieser Session „Migration in Austria“ Ihre Forschungsergebnisse zu unter‐
schiedlichen Aspekten der Migrationen in Österreich zu präsentieren. Da wir den Dialog zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis fördern wollen, treten wir für eine Perspektivenvielfalt ein. Die „Special Session“ zur Migration in Österreich versteht sich als Forum für interdisziplinären Austausch, für Anregungen und Kritik und dient der Vernetzung von Menschen in der Migrationsforschung, der Politik, der öffentlichen Verwaltung und der Umsetzung in der Praxis. Thematisch begrüßen wir Arbeiten, die sich mit migrations‐ und integrationspolitischen Fragestellungen beschäftigen, Österreich in vergleichender Perspektive betrachten und/oder einen Bezug zur Praxis herstellen. Dieser Fokus ist nicht zwingend, Einreichungen zu anderen migrationswissenschaftlichen Themenstellungen sind auch willkommen. Bitte senden Sie Vorschläge für ein Paper als pdf‐Datei bis 15. Jänner 2016 an renate.porstendorfer@donau‐
uni.ac.at mit folgenden Angaben: 1. Vorläufiger Titel 2. Kontaktdaten: Autor/in bzw. Autor/inn/en, Adresse, Telefonnummer, E‐Mail‐Adresse 3. Abstract: kurze Zusammenfassung mit genauer Fragestellung und Erläuterung des Zugangs, max. 300 Wörter 4. Paper: maximal 7 Seiten (3.000 Wörter), siehe Vorlage auf der conference website http://tplondon.com/conf/index.php/tmc/2016/about/submissions#authorGuidelines 7 Die Auswahl erfolgt bis 1. Februar 2015. Die ausgewählten (revidierten) Papers sind bis 10. Juni 2016 abzugeben, wenn Sie in die Wahl für den Best Paper Award aufgenommen werden wollen. Es ist vorgesehen, ausgewählte Beiträge in den Migration Letters, Special edition, zu publizieren. Bei Fragen kontaktieren Sie bitte: Renate Porstendorfer Tel. 02732/893/2416, renate.porstendorfer@donau‐uni.ac.at Wir freuen uns auf zahlreiche Einreichungen! Anmeldung zur Konferenz: http://tplondon.com/conf/index.php/tmc/2016/about/submissions TERMINE 2016 14.‐17. Jänner 2016 Seminar „Interkulturelle Mediation“ mit Benedikta Deym‐Soden, Donau‐Universität Krems 10.‐12. März 2016 Symposion Dürnstein 2016 „Vertrauen in unsicheren Zeiten. Optionen für die Zukunft“, Stift Dürnstein www.symposionduernstein.at 22. März 2016 Konferenz AMBER ROAD, Donau‐Universität Krems 26.‐29. Mai 2016 Seminar “Human Resource Management und Diversity” www.donau‐uni.ac.at/ikdiversity 6. Juni 2016 5. Globalisierungsforum, Haus der EU, Wien 27.‐30. Juni 2016 8. Dialogforum ‐ Summer School, Donau‐Universität Krems 12.‐15. Juli 2016 Turkish Migration Conference 2016, Session Migration in Austria, Wien Webseite der Veranstaltungen des Departments: www.donau‐uni.ac.at/mig/veranstaltungen IMPRESSUM © Donau‐Universität Krems, Department für Migration und Globalisierung Dr.‐Karl‐Dorrek‐Straße 30, 3500 Krems, www.donau‐uni.ac.at/mig Für den Inhalt verantwortlich: Univ.‐Prof. Dr. Gudrun Biffl Redaktion: Dr. Tania Berger migration@donau‐uni.ac.at Newsletter bestellen / abbestellen unter www.donau‐uni.ac.at/mig/newsletter 8