Das Magazin vom 30.01.2016

N ° 4 — 30. Ja N ua r 2016
Die Europaallee
EDIToR IAL/INHALT
DA S M AGA Z I N 04/2016 — BI L D C oV E R : PE T E R T I L L E S S EN; BI L D E DI T oR I A L: PI E R Lu IGI M AC oR
Das Problematische (und im Grunde genommen
auch das Langweilige) an Meinungen ist, dass es
sehr billig ist, über alles irgendeine zu haben. Architektur und Städtebau sind Felder, die besonders reizen zur ungewaschen subjektiven Meinungsäusserung. In Zürich ist die Europaallee so ein Ding, über
das sich jeder auslässt. Auch die Redaktion dieses
«Magazins» hat in den vergangenen zwei Jahren
schon unzählige Male über das gigantische Bauprojekt auf dem ehemaligen Areal des Güterbahnhofes
in Zürich diskutiert. Irgendwann kam der Punkt, als
wir uns eingestehen mussten, eigentlich doch recht
wenig zu wissen über die Entstehungsgeschichte
der Retortenstrasse im Zentrum Zürichs.
Mein Kollege Miklós Gimes hat deshalb im vergangenen Herbst mit den Recherchen begonnen.
Er hat mit sehr vielen Beteiligten gesprochen, mit
Anwohnern der Allee, mit Architekten, Vertretern
der SBB und mit Kritikern. Der Komplexität der Materie entsprechend ist sein Text ein langes Lesestück geworden, unsere Titelgeschichte. Wer sich
eine fundierte Meinung über die Europaallee bilden will, blättert auf Seite 10. Finn Canonica
S. 10 Wer wohnt eigentlich in der Europaallee?
S. 10 Was soll man von der Europaallee am Zürich HB halten? Eine Stadtreportage von Miklós Gimes
S. 28 Warum es richtig ist, wieder über Mode zu sprechen. Mit Fotobeweisen von Scott Schuman
„Die Verführerische...“
...ein ganz individueller Charakter –
wie alle 15 Connaisseurs-Pralinés.
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Grosseingriff in Zürich: Die Europaallee ist ein neuer Boulevard und zugleich
ein ganz neuer Stadtteil direkt am Hauptbahnhof. Bauherrin ist die SBB.
Die Europaallee ist Zürichs grösste Baustelle.
Entsteht hier das neue Zentrum oder eine Retortenstadt?
Vermutlich beides.
Von Miklós Gimes
Bilder Peter Tillessen und Pierluigi Macor
Wie in einer Kulissenstadt
«Und», fragt Jürg Stöckli, «wie haben Sie geschlafen in der
Europaallee?» Stöckli ist Mitglied der SBB-Konzernleitung
und für deren Immobilien zuständig. Die Europaallee ist
Stöcklis bedeutendstes Projekt, eine Investition von 1.2 Milliarden, mitten in Zürich. Büros, Läden, Wohnungen, eine
Hochschule. Auf dem ehemaligen Gleisfeld neben dem Bahnhof: eine Stadt in der Stadt, höher und breiter, als Zürich es je
gekannt hat. Mehr als die Hälfte ist bereits gebaut. Es war tatsächlich schön, beantworte ich Stöcklis Frage, in der Luxuswohnung, hoch über den Gleisen.
Am folgenden Tag hingegen, beim Spaziergang durch die
Allee, überkam mich ein Gefühl von Gottverlassenheit. Bei der
Pädagogischen Hochschule war zwar Betrieb, und aus einer
Ladenpassage heraus kam eine kleine Menschenherde, doch je
weiter ich ging, desto einsamer wurde die Gegend. Ich fühlte
mich wie in den Kulissen eines bereits abgedrehten Films. Ich
blickte in hübsche kleine Geschäfte ohne Kunden, während die
Gebäude immer mächtiger wurden und der Wind durch die
Häuserschneisen pfiff. «Vergessen Sie nicht, der Ort ist immer
noch eine Baustelle», sagt Stöckli, als hätte er meine Gedanken
gelesen. Was seine grösste Angst ist? «Dass das Quartier nicht
lebt», sagt er. Er sei jede Woche einmal vor Ort. «In dieser
Branche muss man spüren, riechen, wie es läuft.»
Sehr gut läuft es auf jeden Fall einen Kilometer weiter, am
anderen Ende der Langstrasse. Wo diese in die Badenerstrasse
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mündet, steht ein wuchtiger Bau mit Restaurants, Läden und
den Houdini-Kinos. 250 Menschen wohnen hier, darunter
sechzig Kinder; die Mieter unterhalten gemeinsam eine Bibliothek, eine Sauna, ein Nähatelier, einen Jugendkeller. Entstanden ist das Projekt etwa zur gleichen Zeit, als die Planer der SBB
die Europaallee skizzierten. Ein paar Architekten und engagierte Bürger aus dem Quartier fragten sich, was man dagegen
tun könne, dass Menschen mit bescheidenem Budget an den
Rand der Stadt vertrieben werden. Sie gründeten eine Genossenschaft und beteiligten sich am Wettbewerb, den die Stadt
ausgeschrieben hatte, weil sie keine Investoren fand, die auf
dem Areal der Tramremise an der Kalkbreite bauen wollten.
Die Genossenschaft gewann die Ausschreibung, die Stadt gab
Boden im Baurecht. Heute ist das Quartier im Aufschwung, die
Kalkbreite ist Zürichs Vorzeigebeispiel für städtisches Leben.
So sind im Stadtzentrum in den letzten Jahren zwei neue
Pole entstanden: die Europaallee, ein Investment, als Modell
für eine Entwicklung von oben; und die Kalkbreite als Modell
für eine Entwicklung von unten, erarbeitet in unzähligen Versammlungen im Quartier, mit dem Geld der Bewohner. Es ist
erstaunlich, wie schnell die Zürcher Bevölkerung die Kalkbreite belebt hat. Wird sie das auch mit der Europaallee tun,
wenn die im Jahr 2020 fertig gebaut ist? Wer wird hier spazieren, die Restaurants und Läden besuchen? Ist echtes Leben
auf diese Weise planbar? Einer, der leise zweifelt, ist Daniel
Kurz, Chef der Architekturzeitschrift «werk, bauen+wohnen».
«Die Europaallee ist eine künstliche Welt», sagt er. «Alles ist
artifiziell, das Urbane, die Diversität, jeder Türgriff ist organisiert. Man spürt halt die Planung, das Investment.»
Wir wollen urban sein. Aber was heisst das?
Städte müssen verdichtet werden. Es ist der einzige gangbare
Weg, um eine Zersiedelung der Landschaft zu vermeiden.
Dazu kommt, dass Zürichs Landreserven langsam aufgebraucht sind. Die Stadt hat Erfahrungen gemacht mit grossen
Überbauungen an der Peripherie, in Zürich-West, in NeuOerlikon, in Altstetten. Wer durch diese neuen Quartiere
geht, sieht Wohnbauten von durchaus ansprechender Qualität. Ein richtig städtisches Gefühl findet man aber nur dort,
wo zwischen dem Neuen Reste des Alten liegen geblieben
sind. In Zürich-West in den Klubs bei den Lagerschuppen und
Wiesenstücken entlang der Bahngleise. Oder um den Contai-
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Die Wohnung schwebt hoch über dem Gleisfeld, durch die
raumhohen Fenster leuchten die Lichter der Stadt. Weit unter
mir liegt das Schienenmeer, ab und an quietscht und ächzt ein
Zug. Was früher einmal gebaut worden ist, die alte Stadt, wirkt
von hier oben irgendwie kümmerlich im Verhältnis zu dem,
was hier neu entsteht, an der Europaallee in Zürich.
Die SBB haben mir für ein Wochenende eine leere Wohnung überlassen, ein sogenanntes Penthouse im zehnten Stock.
Sie besteht aus einem grossen, verwinkelten Raum mit Glas
nach allen Seiten. Dazu kommen ein Küchenabteil, eine Badewanne über den Gleisen, drei Duschen, Cheminée und
Wintergarten, 5500 Franken für 120 Quadratmeter. Im Dunkeln auf dem geheizten Parkettboden sitzend, blicke ich vom
Üetliberg bis zum Pfannenstiel, ein grosses Kino der Nacht direkt vor meinen Augen.
Lebst du noch, oder wohnst du hier? Google und UBS dominieren an der Europaallee.
«Global Cities» nennt die amerikanische Soziologin Saskia Sassen Städte,
die sich dank der gleichen Architektur, Werte und Brands kaum voneinander unterscheiden.
Wie Dubai. Oder Zürich.
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nerturm des Taschenlabels Freitag, im kolonieartigen Areal
von Frau Gerolds Garten etwa, der beliebt ist bei den Anwäl­
ten und Finanzleuten, die im Prime Tower arbeiten. Noch
dringlicher stellt sich allerdings in einer verdichteten Innen­
stadt die Frage der Urbanität. Denn eine Stadt ist mehr als die
Summe der Strassen und Gebäude; sie hat eine Stimmung,
einen Klang, eine Mentalität.
«Städtisch heisst Differenz, Abwechslung», sagt Christi­
an Schmid, Stadtforscher an der ETH und einer der profilier­
testen Urbanistiker der Schweiz. «Es gibt in der Stadt keine
scharfen Trennlinien zwischen innen und aussen. Es gibt
Übergänge, Eingänge, das Material ist nicht glatt, sondern
rau, farbig, porös. Städtisch heisst Leben – Tag und Nacht.»
In den Achtzigerjahren habe er in Zürich einen Paradig­
menwechsel in der Stadtentwicklung beobachtet, sagt Schmid.
Am Anfang jenes Jahrzehnts habe man die Zürcher Hard­
brücke hässlich gefunden, eine städtebauliche Schandtat, das
Gegenteil von urban. «Ein paar Jahre später galt sie als cool,
als städtisch, ein Stück New York in Zürich.» Bis dahin habe
man unter «Urbanität» das Nebeneinander von kleinen Lä­
den verstanden, die ständig wechselnde Szenografie von
Hinterhöfen, Handwerksbuden, Bars und Cafés. «Und auf ein­
mal wurde ‹städtisch› gleichgesetzt mit grossen Volumen,
kantigen Bauten, monotonen Fassaden.» Es habe sich ein ei­
gener Zürcher Stil herausgebildet, sagt Schmid. «Das beginnt
meist mit wilden Partys in leeren Fabrikgebäuden und endet,
wie in Zürich­West, mit Tiefgaragen, teuren bis sehr teuren
Eigentumswohnungen und Büros internationaler Unterneh­
men. Entstanden sind so am Ende aber nicht urbane, sondern
vorstädtische Räume. Man baut nicht weiter an der Stadt,
sondern an der Agglomeration.» Das habe mit der austausch­
baren Architektur zu tun, aber auch mit einer falsch verstan­
denen Idee von Urbanität, sagt Schmid.
«Zürich ist eine Art Dubai von Europa geworden», sagte
die prominente amerikanische Soziologin Saskia Sassen einer
Zeitung. «Zürich ist eine Plattform. Viele Firmen nutzen Zü­
rich als europäisches Hauptquartier.» Saskia Sassen hat den
Begriff «Global Cities» geprägt, der das internationale Netz­
werk der grösseren Städte beschreibt, verflochten über ge­
meinsame Werte und Brands. Zürich habe sich einen hervor­
ragenden Platz in der Rangliste dieser Städte erkämpft.
Die Europaallee ist konzentrierte Global City. 78000
Quadratmeter, rund zehn Fussballfelder, hatten die SBB aus­
gesteckt, als sie 2003 mit den Stadtbehörden zu verhandeln
begannen. «Wir wussten ziemlich genau, was wir entwickeln
wollten», sagt SBB-Immobilienchef Stöckli. «Der Ausbau der
Infrastruktur bewirkt, dass der Wert des Landes rund um den
Bahnhof steigt. Darum ist es vorteilhafter für die SBB und so­
mit für den Bund, das entwickelte Gebiet zu behalten.» Die
einzige Ausnahme war das Gebäude der UBS, das 2009 an die
Bank verkauft wurde. Ähnliche Projekte wie die Europaallee
werden auch in den Bahnhofsgegenden von Basel, Lausanne,
Genf und Luzern vorangetrieben, «den lokalen Gegebenhei­
tem angepasst», sagt Stöckli. Eines Tages wird man sie in der
Schweiz überall sehen, wie die Einkaufszentren unter den
Bahnhöfen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aber
keines der Projekte ist so gross und so zentral wie die Europa­
allee: 8000 Arbeitsplätze, 4800 Studenten, 400 Wohnun­
gen, 60 Geschäfte, 13 Restaurants und Bars. Gleichzeitig ent­
steht auf der anderen Seite des Bahnhofs, auf einem kleineren
Grundstück der SBB im Kreis 5, ein neues Wohnquartier, für
Genossenschaften und freien Wohnungsbau. Eine Brücke für
Fussgänger und Velofahrer, der Negrellisteg, soll dieses Vier­
tel mit der Europaallee verbinden, eine elegante weisse Röh­
re über das gesamte Gleisfeld. Es ist ein schönes, architekto­
nisch kühnes Projekt. Um die 50 Millionen Franken koste der
Steg, sagt Andreas Steiger, Projektleiter der SBB, es wäre der
einzige städtische Beitrag, doch aus Spargründen wurde der
Plan zurückgestellt, jetzt sucht man eine Finanzierung.
Das Drama der Europaallee
Die Bundesbahnen haben viel beigetragen zur guten Archi­
tektur in der Schweiz. Santiago Calatrava, Herzog&de Meu­
ron, Meili Peter, Knapkiewicz & Fickert, Max Vogt, Morger
Degelo haben für die SBB gebaut. Die Europaallee hingegen
ist insgesamt etwas langweilig geraten. Das hätte nicht so
kommen müssen, schliesslich kamen grosse Architekten zum
Zug. Annette Gigon und Mike Guyer, Caruso St John Archi­
tects und David Chipperfield. Es gab Wettbewerbe zu jedem
Baufeld, zeitlich so gestaffelt, dass man auf den bereits ge­
planten Nachbarbau eingehen konnte. Trotzdem müsse man
sich fragen, sagt Christian Schmid: «Was für ein Quartier wird
hier gebaut?» Die Architektur bleibe distanziert, sie vermitt­
le keine Anregungen, keine Inspiration, schaffe keine leben­
digen Räume, «das ist das Drama der Europaallee».
Mehr Futter
für Ihr Sparschwein.
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Langstr asse
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Shoppingcenter und Pädagogische Hochschule
Büros, noch keine Mieter
UBS
Google
Kantonalbank und Mietwohnungen
Mietwohnungen, Büros, Google
Miet­ und Eigentumswohnungen, Altersresidenz Gustav
Kosmos Kino, Kulturhaus und 25hours Hotel
Aus Zürcher Perspektive wird man neidisch, wenn man sich –
auch wenn die Ausgangslagen sehr unterschiedlich sind – mit
Basel vergleicht, wo Herzog&de Meuron das Meret Oppen­
heim Hochhaus für die SBB bauen. Oder mit Lyon, wo am Zu­
sammenfluss von Rhone und Saône der Zürcher Architekt und
ETH-Professor Christian Kerez an der Überbauung Conflu­
ence mitarbeitet – nach einem Masterplan von Herzog&de
Meuron. Leicht resigniert fragt sich Patrick Gmür, Chef des
Amts für Städtebau, ob Zürich wirklich eine innovative Stadt
sei: «Sind wir so weltoffen, wie wir gern wären? Ich glaube, un­
sere architektonische Seele ist diskret. Das Neue, Überra­
schende ist in Los Angeles eher möglich. Oder eben in Basel.»
Aber die Europaallee ist nicht fertig. Es werden noch ent­
stehen: ein 60 Meter hoher Turm von Boltshauser Architekten
sowie ein Glassockel mit zwei zehnstöckigen Kuben, gebaut
vom holländischen Büro Wiel Arets Architects. Dieses Gebäu­
de hat sich Google bereits gesichert. Dazu kommt noch ein an­
thrazitfarbener Bürobau von Stücheli Architekten als Auftakt
der Allee. In der Jury hatten einige das Projekt von Christian
Kerez an diesem prominenten Ort favorisiert, einen längli­
chen, eleganten Entwurf, mit einer sichtbaren Trägerkon­
struktion im Innern. «Die Jury hat sich nicht für das mutigste,
innovativste Projekt entschieden, das von Kerez», sagt Patrick
Gmür, «sondern für das von Stücheli Architekten, weil man
überzeugt war, es setze städtebaulich einen stärkeren Ak­
zent.» Wieso ein langweiligeres Projekt einen stärkeren städ­
tebaulichen Akzent setzen soll, bleibt ein Zürcher Geheimnis.
Christian Kerez, der die Schweiz an der nächsten Biennale
vertreten wird, mag Kollegen nicht kritisieren. Der Gestal­
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tungsspielraum für die Architekten sei durch die Vorgaben der
Bauherren beschränkt gewesen, erklärt er. «Mit der Europa­
allee hat Zürich eine Chance vergeben. Die Möglichkeiten des
neuen Massstabs haben sich nicht in einer neuen Qualität nie­
dergeschlagen, geblieben ist Fassadenkunst auf Weltniveau.»
Mit Blick auf das Bürohaus, das den markanten Abschluss
zum Bahnhof hin bilden soll, spricht er von einer «Architek­
tur, die unsichtbar bleibt, aus Angst, die Gebäude könnten
Diskussionen auslösen». Die Europaallee, sagt der Architekt
Mike Guyer, sei halt ein Abbild unserer Architekturkultur und
damit unserer Gesellschaft. «Nicht visionär, manchmal etwas
saturiert und langweilig, aber grundsolide.» Bereits gebaut
sind: die Pädagogische Hochschule mit dem erhöhten Pau­
senplatz von Max Dudler; die vier Flügel des UBS-Gebäudes
von Max Dudler, David Chipperfield und Gigon/Guyer, die
einen ruhigen Innenhof umschliessen; die Wohntürme von
Caruso StJohn Architects und Bosshard Vaquer Architekten
mit ihrem raffinierten Retrolook, der an die Mailänder Arka­
den der Fünfzigerjahre und an Manhattan 1910 erinnert; und
der höchste Turm des Ensembles von Graber Pulver Architek­
ten aus Zürich und Bern. Der Architekt Tom Pulver sagt, er und
sein Kollege hätten sich an den eleganten Zürcher Geschäfts­
häusern der Fünfziger­ und Sechzigerjahre orientiert, «wie
man sie am Bleicherweg oder am Schanzengraben sieht».
«In zehn, zwanzig Jahren», sagt Patrick Gmür vom Zürcher
Amt für Städtebau noch, «wird die Europaallee vielleicht ein le­
bendiges Quartier sein, dann werden nicht die Handschrift und
die Baukunst der Architekten im Vordergrund stehen.»
Demonstranten zerstörten alle Schaufensterscheiben
Ich mache mich auf die Suche nach dem, was jetzt schon lebt
in der Europaallee. An einem Freitagabend toben ein paar Ju­
gendliche zwischen den Schaufenstern und den Baugruben
ihre Pubertätskräfte aus, die Europaallee ist die direkteste
Verbindung zwischen der Langstrasse und den S-Bahnen in
die Agglomeration. «In der Nacht ist es hier etwas ungemüt­
lich und leer», sagt Cornelia Alb, eine junge Frau, die von den
SBB angestellt worden ist, um die Europaallee zu beleben,
eine Atmosphäre zu schaffen, also das, was der Architektur
bisher nicht gelingt. «Es ist noch kein Ort zum Verweilen.»
Also organisiert Alb zum Beispiel einen Wettbewerb für Ur­
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W er Wohnt denn da?
ban Gardening. Auch das winterliche Eisfeld war ihre Idee.
Unter dem Slogan «Wintermärliallee» wurde in der ganzen
Stadt geworben, als wäre der Platz zwischen den beiden Wohn­
türmen in St.Moritz. «Es braucht noch mehr Spannung, mehr
Brüche im neuen Stadtteil», sagt sie. Cornelia Alb hat in Luzern
Community Development studiert. Ein halbes Leben lang
schon wohnt sie im Kreis 4. Lässt sich etwas vom Zusammen­
leben in ihrem Quartier in die Europaallee exportieren? «Ex­
portieren? Unmöglich», sagt sie.
Unter der Arkade seines Restaurants Neo am Gustav­Gull­
Platz steht Gregory Schmid und raucht. Er hoffe, dass sich hier
etwas Neues entwickelt, «etwas zwischen Bahnhofstrasse
und Langstrasse». Schmid und sein Kollege haben viel Geld
ins Lokal gesteckt. Das Design ist stilsicher, eigenwillig, man
kann essen vom Morgen bis Abend, irgendwann werden die
Tische weggeschoben, dann ist Party. Schmids Geschäfts­
partner, der Künstler Pius Portmann, hat das Konzept in New
York und Tokio entdeckt. Vor dem Restaurant Loft Five am
anderen Ende der Allee liegen Kunstschnee und ein Stapel
Brennholz. Das Lokal ist Vintage­Kitsch; kein Klischee wird
ausgelassen. Drinnen geht es hoch zu und her, wie jeden
Abend, das Loft Five ist die Hausbar der UBS.
Die Bewohner der Europaallee hingegen entdecken den
Kreis 4. «Sie schwärmen aus», erzählt die Schneiderin Eva
Bräutigam, die an der Lagerstrasse 96 ein Atelier gemietet
hat. «Wir leben ja hier im Niemandsland», sagt der Inhaber
einer Eigentumswohnung im Turm über ihrem Atelier, ein
etwa vierzigjähriger Jurist. 1.6 Millionen Franken hat er an der
Versteigerung für 125 Quadratmeter geboten, plus 13 Qua­
dratmeter Loggia, Aussicht auf den Üetliberg. Seine Frau ar­
beitet in einer anderen Stadt, deshalb müsse der Bahnhof in
der Nähe sein, «wir sind Nomaden», sagt er, ein Auto haben
sie nicht. Er habe Nachtessen geholt im Palestine Grill an der
Langstrasse, erzählt er, da habe ihm ein Passant guten Appe­
tit gewünscht. «Das ist mir am Zürichberg nie passiert, wo ich
vorher gewohnt habe.»
Früher hat die Sihl zwischen bürgerlicher und proletari­
scher Welt getrennt. Jetzt scheint sich die Grenzlinie über den
Fluss zur Lagerstrasse hin verschoben zu haben. Auf der einen
Strassenseite ist das Pflegeheim «Erlenhof» für sozial schwä­
chere Bürger. Gegenüber liegt nun eine Residenz für urbane
Senioren mit viel Geld. Ende 2014 kamen Demonstranten
von «Reclaim the Streets» auf die andere Strassenseite und
haben alle Schaufenster eingeschlagen. Der Optiker, der Ge­
würzladen, der Schuhmacher, die Goldschmiedin – niemand
wurde verschont. «Es war das Beste, was der Europaallee pas­
sieren konnte», sagt ein Wirt im Kreis 4, «seitdem kennt man
sie in der ganzen Stadt.»
Schon 2011 war zwischen den SBB und den Zürcher Akti­
visten ein kurzer Konflikt aufgeflammt, als die Bahn das Ge­
lände des alten Güterbahnhofs im Kreis 4 dem Kanton ver­
kaufte, der dort ein Polizeigefängnis bauen will. Es gab Pläne
für Ateliers, Kindergärten, autonome Schulen; eine Gruppe
wollte dort tausend günstige Wohnungen bauen. Die regie­
renden Sozialdemokraten hätten es in der Hand gehabt, das
Gefängnis zu verhindern. Zuvorderst engagiert war der Stadt­
planer Richard Wolff. Vor zwei Jahren wurde er als Vertreter
der Alternativen Liste zum Polizeivorstand der Stadt Zürich
gewählt. Wolff wollte sich zur Europaallee nicht äussern. Er
mische sich nicht in die Belange der anderen Departemente
ein, liess er durch seinen Pressesprecher ausrichten. Ob die
Allee jetzt polizeilich bewacht wird, werde aus polizeitakti­
schen Gründen nicht mitgeteilt.
Der Kreis 4 ist das Quartier der Unangepassten, gross­
städtisch, ein Wahrzeichen von Zürich. Doch die Gentrifizie­
rung hat schon lange angefangen, spätestens als die Stadt be­
gann, Häuser zu kaufen, um das Sexgeschäft einzudämmen.
Und heute, sagt Urbanist Christian Schmid, «hat die Lang­
strasse den Punkt überschritten, ab dem es kein Zurück mehr
gibt. Das Ökosystem hat gedreht.» Ausdruck dieser «coolen»
Gentrifizierung ist das auf diesen Frühling geplante Gross­
café auf dem Helvetiaplatz mit eigener Bäckerei, ein Gemein­
schaftsprojekt Zürcher Szenegastronomen.
Der fette Deal der SBB
Gemeinderat Niggi Scherr, langjähriger Präsident des Mieter­
verbands, erzählt von einem Haus an der Tellstrasse im Kreis
4, das 2005 für drei Millionen verkauft wurde, sechs Jahre
später kostete es mehr als doppelt so viel, als Begründung sei
die Nähe zur Europaallee angeführt worden. «Die Europaal­
lee ist ein Asset», sagt er. «2006 glaubten einige Sozialdemo­
kraten, dass sie den Aufwertungsdruck vom Quartier fernhal­
te, als eine Art Containment. Aber die Entwicklung läuft um­
gekehrt, in unglaublichem Tempo. Die Europaallee ist das
Trojanische Pferd der Gentrifizierung.» Die SBB hielten alle
Jetzt mit Mi-Fonds
ordentlich zulegen.
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Trümpfe im Spiel, weil der Ausbau des Bahnhofs mehr Menschen nach Zürich bringe, was wiederum eine Wertsteigerung
des Bodens um den Bahnhof bewirke, sagt Scherr. Dabei sei
die Infrastruktur für eine effizientere Linienführung der Bahn
mit unseren Steuern bezahlt worden, die Hälfte der Ausgaben
habe der Kanton Zürich übernommen. «Eine perverse Logik,
wir finanzieren die SBB, und sie setzen unseren Quartieren
das Messer an den Hals.»
Das Land der SBB war 1858 bis 1860 von der Nordostbahn
unter Alfred Escher den Gemeinden Aussersihl und Zürich abgekauft worden. Bei der Verstaatlichung 1902 haben die Aktionäre die Parzellen beim Bahnhof behalten wollen, um sie als
Immobilien verwerten zu können. Stadt- und Regierungsrat
setzten sich jedoch mit einer Petition erfolgreich dafür ein,
dass das ganze Areal in Staatsbesitz überging, eine Delegation
unter Führung der Freisinnigen ist dazu eigens zum Bundesrat
nach Bern gereist, erzählt Niggi Scherr. «Hundert Jahre später,
unter dem Sozialdemokraten Moritz Leuenberger, ist der Plan
der Privataktionäre aufgegangen», sagt Scherr.
Im Herbst 1998, während der Schweizer Wachstumskrise, haben die SBB rund zehntausend Bahnbeamte in Frührente geschickt. Seither muss die Pensionskasse saniert werden.
Der Bundesrat verpflichtete die Bahn, «den Grundstücksbesitz ertragreich zu bewirtschaften, um die Verluste im Eisenbahngeschäft aufzufangen». In Zürich hatte es schon 1975
einen Projektwettbewerb gegeben, wie man das Bahnhofsgelände mit Büros und Läden nutzen könnte. Den Zuschlag erhielt der Zürcher Architekt Ralph Bänziger mit dem HB Südwest, einem gigantischen Einkaufs- und Bürokomplex über
den Gleisen. Zweimal wurde das Projekt an der Urne bestätigt, trotzdem blieb es über zwanzig Jahre lang blockiert, es
gab Einsprachen, technische Probleme und politischen Gegenwind: Der HB Südwest galt als das Gegenteil von urban
und war zu offensichtlich auf Rendite aus.
Der Masterplan
Ende der Neunzigerjahre wurde das Projekt redimensioniert.
Es nannte sich jetzt Eurogate, doch 2001 stiegen die Investoren unter Führung der Crédit Suisse aus, nachdem man 80
Millionen in den Sand gesetzt hatte. Der Ausbau der Verbindung Altstetten–Oerlikon hatte Vorrang, die Züge sollten im
Kopfbahnhof keine Zeit verlieren. Dadurch wurden entlang
der Lagerstrasse Gleise frei. 2003 begannen die Planungsarbeiten für das neue Projekt Europaallee. Die SBB suchten von
Anfang die enge Zusammenarbeit mit der Stadt. Es gab einen
Workshop mit drei Teams: Die Genfer Devanthéry & Lamunière zerlegten die Parzelle entlang der Gleise in einen längli-
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chen Park, auf dem drei Blockrandbebauungen zu liegen kamen. Eine Zürcher Gruppe mit Theo Hotz, Gigon/Guyer und
Burkhalter/Sumi präsentierte ein Projekt mit fünf Hochhäusern, während der gebürtige Holländer Kees Christiaanse nur
einen Raumplan vorlegte.
«Der Städtebauer», sagt er, «ist eher eine Art Regisseur
oder Koordinator, der einen Rahmen schafft, in dem sich individuelle Architekturprojekte entfalten können. Stadtentwicklung ist heute ein komplexes Kraftfeld zwischen mehreren
Parteien – dadurch gibt es nicht mehr, wie früher, einen einzigen ‹Autor›. Die Kunst des Städtebauers ist es, dieses Kraftfeld
zu moderieren», sagt er, «mit mehr oder weniger Erfolg.»
Christiaanse zog die Süd-Nord-Strassen aus dem Kreis 4 geschickt weiter bis zu den Gleisen und kreuzte sie mit der Lagerstrasse. Dann zeichnete er eine Diagonale quer durch die Parzelle, von der Olé Olé Bar an der Langstrasse bis zum Bahnhof.
Die neu geschaffene Verbindung war die Attraktion des Plans:
die Europaallee. «Er kam nicht mit einem brüsken Entwurf»,
sagt Architekt Andreas Steiger, Projektleiter der SBB, «sondern bestimmte einzig den Ort für die Häuser und Plätze und
legte die Regeln fest, wie gebaut werden darf: Höhe, Volumen,
wie die Gebäude zueinander stehen sollen. Er wollte an der europäischen Stadt weiterbauen. Das hat die Jury überzeugt.»
Anschliessend wurde für jedes der acht Baufelder ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die SBB, die Stadt und Christiaanse
sassen in allen Preisgerichten. Kees Christiaanse hat in Holland mit Rem Koolhaas gearbeitet, bevor er eine eigene Firma
gründete, mit Büros in Rotterdam und Zürich. Er ist ein feingliedriger Mann mit wirrem grauem Haar, als wir uns treffen,
trägt er einen grobmaschigen violetten Pulli über dem weissen Hemd. «Ich bin nicht von allem begeistert, was bisher gebaut wurde», sagt er. Manche Übergänge vom privaten zum
öffentlichen Raum seien zu wenig durchlässig. Der Hof der
UBS sei kalt und unattraktiv, der Platz vor der Pädagogischen
Hochschule liege zu hoch und sei dadurch schwer sichtbar
und zugänglich. «Überhaupt, der ganze Block der Schule ist
zu massiv und hätte besser aus mehreren Architekturprojekten zusammengestellt werden sollen.»
Aber in der Europaallee gehe es nicht in erster Linie um
die Ikonenwirkung des einzelnen Baus, sagt Christiaanse,
wichtiger sei der Zusammenhang zwischen Baukörper und
öffentlichem Raum. Er hat ein paar Stilelemente definiert, die
Idee eines Sockels mit kleinen Türmen zum Beispiel, und sonst
den Architekten freie Hand gelassen.
«Was ist überhaupt eine Stadt?», fragt Christiaanse mit
leichtem Rudi-Carrell-Akzent, um die Frage gleich selbst zu beantworten: «Eine Stadt hat eine hohe Dichte an Individuen und
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Die Europaallee, sagt der Architekt Mike Guyer, sei ein
Abbild unserer Gesellschaft: nicht visionär, manchmal
saturiert und langweilig, aber grundsolide.
(K)ein schlechter Trip? In der Europaallee findet man sowohl Grossanbieter wie
Starbucks oder Coop als auch kleine Läden wie Schuhmacher oder Goldschmiede.
Ist Zürich eine Grossstadt? Der Innenhof der UBS,
linker Flügel von den Architekten Gigon/Guyer, rechter Flügel von Max Dudler gebaut.
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sozialen Gruppen mit multikulturellem Hintergrund. Die Reibung zwischen diesen Gruppen erzeugt Stadtkultur, Marktwirkung und Innovation, der amerikanische Urbanist Richard Florida hat es auf eine Formel gebracht: Technologie, Talent, Toleranz.» Für seine bescheidene Grösse sei Zürich erstaunlich
grossstädtisch und bilde einen internationalen Hub mit den
Schwerpunkten Finanzplatz, Kultur, Bildung und Forschung.
Die Europaallee, sagt Christiaanse, sei eine Ergänzung
des Zentrums, vergleichbar mit vielen Bahnhofsprojekten, wie
Kings Cross in London oder Zuidas in Amsterdam, die als
«Transit Oriented Developments» am europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden sind. In Zürich entstünden
über die ganze Stadt verteilt solche Nebenzentren, sagt er,
«die ursprünglich zentrumsorientierte Stadt entwickelt sich
zu einer polyzentrischen Agglomeration». Er zeichnet ein paar
kleine Kreise auf den Stadtplan. «Es gibt Zürich-West, Oerlikon, Altstetten, den Flughafen. Die Frage ist, wie sie komplementär funktionieren können.»
Zürich habe diese Zentren in der Räumlichen Entwicklungsstrategie (RES) festgelegt, sagt er, und verfolge damit
eine ähnliche Strategie wie andere Städte mit einer hochentwickelten Planungskultur wie Amsterdam, Hamburg oder
Kopenhagen. Amtschef Patrick Gmür bestätigt: «Die Stadt erhält damit einen neuen Massstab, denjenigen einer ‹richtigen› Grossstadt. Oerlikon wird gewaltig aufgewertet. Altstetten auch. Zürich kann nur gewinnen, wenn wir nicht zentrumsfixiert sind. Aber das braucht Zeit.»
Man wollte etwas Spezielles
Weil das Projekt Europaallee über die Zonenordnung hinausgeht, mussten die SBB mit der Stadt einen Gestaltungsplan ausfeilschen. «Verhandlungsurbanismus» nennt Patrick Gmür den
Prozess. Der Wohnanteil wurde auf vierzig Prozent festgelegt,
aber die Gespräche drehten sich vor allem um die Frage des öffentlichen Raums. Das Hochbauamt verlangte Plätze und eine
konsequente Erdgeschossnutzung; damals schwärmte man für
die italienische Piazza. Die Stadt hätte vielleicht mehr aus den
Verhandlungen herausholen können, meint Daniel Kurz, Chefredaktor der Architekturzeitschrift «werk, bauen + wohnen».
«Aber Stadtpräsident Elmar Ledergerber war froh um Investitionen, und Kathrin Martelli, die damals dem Hochbauamt vorstand, fand es unanständig, Forderungen zu stellen.»
Es war die Zeit nach dem Abgang von SP-Stadträtin Ursula Koch, der roten Hexe, mit ihrer investorenfeindlichen Haltung. Zurückhaltung sei damals das Gebot gewesen, erzählt
die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, «meine Partei wollte nicht wieder als Verhinderer dastehen. Wow, sagten
wir, vierzig Prozent Wohnanteil haben wir rausgeholt!» Sie
hätten über die Europaallee intensiv diskutiert in der Partei.
An Ideen habe es nicht gefehlt. «Aber das Traurige ist, dass
die Stadt wenige Möglichkeiten hat, ein solches Projekt inhaltlich zu beeinflussen», sagt Badran. Der einzige Hebel sei
die Zonenordnung. Sie dürfe nicht daran denken, was möglich gewesen wäre auf diesem Gelände. «Eine andere Architektur mit Seele, mit Mut, mit Fantasie. Aber eben, am Schluss
entscheiden die Eigentumsverhältnisse.»
Kees Christiaanse, der Planer, ist dennoch zufrieden. Die Nutzungsmischung sei für ein solches Projekt einzigartig. Besonders gefällt ihm «die Verpflichtung zu offenen und flexiblen
Erdgeschossen, auch günstige kleinteilige entlang der Lagerstrasse». Auch die wenigen Parkplätze zugunsten des öffentlichen Verkehrs seien eine gute Sache. André Odermatt, der
heutige Hochbauvorsteher der Stadt, hat damals noch im Gemeindeparlament die Verhandlungen mit den SBB verfolgt.
Der Gustav-Gull-Platz zwischen den drei Türmen der Allee
und der Europaplatz beim Bahnhof werden sehr gut funktionieren, sagt er. «Aber die Belebung der Stadt beginnt im Erdgeschoss. Mit Dichte allein kann man keine Urbanität herstellen. Oder anders gesagt: Was geschieht, wenn die GoogleLeute abends nach Hause gehen? Lebt der Ort nach Bürozeit
weiter? Ein lebendiger Stadtteil braucht öffentliche Erdgeschosse, Begegnungsräume, eine gute Mischung von Nutzungen und noch andere Ideen. Und um das mussten wir mit den
SBB ein Stück weit auch kämpfen.»
Auf Druck der Behörden organisierten die SBB einen Workshop. Eingeladen war auch die Firma Fischer, spezialisiert auf
Zwischennutzungen. Steff Fischer kommt aus der Achtzigerbewegung, in seiner Firma steckt die Erfahrung von alternativen Wohnmodellen wie Karthago und Kraftwerk, er bringt
die Wilden und die Immobilienbesitzer zusammen.
Fischer schlug für die ganze Länge der Lagerstrasse eine
Reihe von kleinen Geschäften vor, «keine Brands», sagt er, «wir
nennen sie Autorenshops». Eine weitere Idee war die Sockelmiete, die bei steigendem Umsatz hochgeht, als eine Art Quersubvention, eine geschützte Werkstatt des Kleingewerbes. «Wir
haben uns gefragt: Was passt hierher?», erinnert sich Jürg Stöckli an den Workshop. «Wir wollten keine grossen Marken. Die
Kunden mögen das nicht mehr. Wir wollten etwas Spezielles.»
So kam der Optiker in die Lagerstrasse, der Schumacher, die
Goldschmiedin, die kleine Modelinie, der Urban Outdoor Store,
die Coiffeurs, das Reisebüro, die Schokoladenboutique, der edle
Whisky, Urban Gardening, Yoga, Massage, Schminken, Naturkosmetik, Biokosmetik, die Schuhe aus Pferdeleder, der Teeladen, die Visagistin und Eva Bräutigam, eine der letzten Massschneiderinnen, die noch alles selber näht. Wenn man einen guten Bäcker gefunden hätte oder einen guten Metzger, erzählt
Steff Fischer, hätte man ihn sofort genommen. Aber damals sei
Zürich noch nicht so weit gewesen, dass sich ein Junger getraut
hätte, gegen die Grossbäckereien sein Glück zu versuchen.
Aus ihrem Kellerlokal im Kreis 6 ist Eva Bräutigam in ein
Atelier mit viel Licht gezogen, hat alles selber gestaltet, wie
die meisten anderen Ladenbesitzer auch, einige arbeiten sogar nebenbei, um sich ihren Lebenstraum leisten zu können.
«Wir helfen uns gegenseitig», sagt Bräutigam. Die Leute im
Erdgeschoss sind offenbar das heimliche Netzwerk der Allee.
Die Europaallee sei sein Glück gewesen, sagt der Optiker Bernhard Baldinger. «Man könnte für Ladenlokale dreibis viermal mehr Miete verlangen an diesem Standort.» Dass
keine grossen Ladenketten hier sind, das verdanke man der
Stadt und den SBB. «Und der Fischer AG, die dieses Konzept
der Start-up-Hilfe ausgearbeitet und Stadt und SBB beraten
hat», sagt Baldinger.
21
Entstanden sind am Ende aber nicht urbane,
sondern vorstädtische Räume. Man baut nicht weiter an
der Stadt, sondern an der Agglomeration.
Aber wer soll da wohnen?
Nachdem der Zürcher Gemeinderat den Gestaltungsplan einstimmig genehmigt hatte, wurde 2006 das Projekt an der Urne
angenommen. Die Alternative Liste hatte das Referendum ergriffen, wegen der Wohnungen war es zu Widerstand gekommen. Der vereinbarte Wohnanteil von vierzig Prozent wurde
zwar eingehalten, aber man wohnt teuer an der Europaallee,
und Hotelzimmer werden als Wohnraum gerechnet. Sieben
Jahre später verlor die Alternative Liste ein zweites Referendum. Die SBB hatten der Öffentlichkeit alle Strassen und Plätze geschenkt. Bedingung war, dass sich die Stadt mit 8.9 Millionen Franken an der Verbreiterung der Lagerstrasse beteilige. Die Stadt habe sich von den SBB über den Tisch ziehen
lassen, sagt Gemeinderat Niggi Scherr. «Das würde ich nicht
stehen lassen», findet Jürg Stöckli, «es waren harte Verhandlungen. 18000 Quadratmeter Land gehen für immer und ewig
ins Eigentum der Stadt über. Und mit der Miete der Pädagogischen Hochschule Zürich sind wir nicht ans Limit gegangen,
auch das ist eine Form der Mehrwertabgabe.» Ach was, sagt
Jacqueline Badran, «dieser Mietvertrag ist eine Gelddruckmaschine, weil wettbewerbsfrei: Ein Anbieter – ein Nachfrager.
Das heisst: Niemand zahlt auf lange Sicht so zuverlässig wie
eine kantonale Schule, die ja nicht von einem Tag auf den andern wegziehen kann. Private Public Partnership nennt man
das. Die Immobilienleute lieben es.» Die SBB haben den Wert
ihres Landes um Hunderte von Millionen Franken steigern
können, sagt Niggi Scherr, ohne dass sie der Stadt etwas vom
Mehrwert weitergeben müssten.
Das Renditedenken der SBB hat später auch im Bundesrat zu reden gegeben, erzählt Ernst Hauri, Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen. 2014 sei auf Antrag der Landesregierung abgeklärt worden, was die SBB zur Linderung
der Wohnungsknappheit in den Städten beitragen könnten.
Schliesslich sei am Leistungsauftrag der SBB festgehalten
worden. Wenn es nach ihm gegangen wäre, sagt Hauri, der in
22
Zürich-Wipkingen wohnt, hätte eine Genossenschaft der
Durchmischung der Europaallee gutgetan.
Es sei damals tatsächlich ein Thema gewesen, ob eine Genossenschaft in der Europaallee bauen soll, erinnert sich Stadtrat André Odermatt, «es sind auch Verkäufe angestanden, die
aber an unterschiedlichen Preisvorstellungen scheiterten. Später war klar, dass die SBB lieber selber Projekte entwickeln.»
Der soziale Wohnungsbau passe nicht an die Europaallee, findet Jürg Stöckli, der Immobilienmann der SBB: «Die Durchmischung muss funktionieren, aber wenn das Gefälle zu gross
wird, muss man auch mit negativen Auswirkungen rechnen.
Wenn sich zu verschiedene Schichten mischen, kann das auch
zu Spannungen führen, davor hatten wir Respekt.» Günstiges
Wohnen hätten sie ermöglicht in der Zollstrasse oder in der
Überbauung Letzibach in Altstetten. «Es waren aber sicher
auch finanzielle Überlegungen im Spiel. Wir können nicht
überall preisgünstige Wohnungen bauen, sonst kommen unsere Ziele unter Druck, die Pensionskasse zu stabilisieren und
die jährliche Ausgleichszahlung von 150 Mio. Franken an die
SBB-Infrastruktur zu leisten.»
Die Lehren aus dem Projekt
2011 wurde die Initiative für mehr gemeinnützigen Wohnungsbau in Zürich angenommen. Damals erst habe sich die
Diskussion verlagert, sagt André Odermatt. Die Stadt sei
nicht mehr in der Krise gewesen, es ging nicht mehr darum,
Menschen anzulocken, im Gegenteil: «Die Diskussion bewegte sich weg von der Festlegung des Wohnanteils und weg
von der Qualität des öffentlichen Raums hin zum gemeinnützigen Wohnungsbau. Die Frage lautet jetzt: Wer wohnt dort?
Das war auch der nächste Legislaturschwerpunkt, das sind die
politischen Lehren, die man aus der Europaallee gezogen
hat.» Dieser Lernprozess sei dann in Zusammenarbeit mit den
SBB an der Zollstrasse zum Tragen gekommen. Stadt und SBB
haben den Streifen Land entlang der Gleise im Kreis 5 an die
Genossenschaft Kalkbreite verkauft, nachdem die auch diesen
Wettbewerb für eine Wohnsiedlung gewonnen hatte. Diesmal
mit einem neuen Konzept, aus der Welt der Hausbesetzer. Gebaut wird eine grosse Halle, das Forum, für Veranstaltungen,
für Theater, rundherum gibt es Wohnungen. Zurzeit wird mit
Quartierbewohnern diskutiert, wie das Konzept umgesetzt
werden könnte, das Interesse sei extrem gross, sagt Sabine
Wolf vom Vorstand der Genossenschaft. Es wird Wohnungen
für 170 Menschen geben, vierzig Prozent Gewerbeanteil, frei
zugängliche Dachterrassen, Kinderkrippen, Cafés.
Im Innenhof der UBS ist der Eingang zur öffentlichen Mensa der Bank, die vom Frauenverein geführt wird. «Sehen Sie die
DA S M AGA Z I N 04/2016
«Man kann die Europaallee auf vielen Ebenen kritisieren»,
sagt der Architekt Mike Guyer, «aber gut erscheint mir an ihrer Geschichte, dass jetzt nicht alles auf einmal, sondern vorsichtiger in Etappen realisiert wird. Neue Erkenntnisse fliessen jeweils in nächste Etappen ein.» Der Weg vom Shoppingcenter zu den kleinen Läden war so ein Lernprozess.
Die nächste Etappe wären die Läden auf der noch ungebauten Seite der Allee. Steff Fischer weiss nicht, wie es weitergehen
soll. «Die Europaallee ist die neue, junge Bahnhofstrasse. Gehobenes Niveau, innovativ, kreativ», habe er vorgeschlagen, als
die SBB ein Konzept wollten. Seither habe er nichts mehr gehört.
Wie eine grosse Familie
Einer der Bohemia­Leute ist Daniel Kehl, Mitinhaber von Jack
& Jo, wo die Leute für nachhaltige Hamburger anstehen, eine
Erfolgsgeschichte. «Ich würde mir auch mehr unverwechselba­
re, unabhängige Beizen wünschen», sagt er, aber dafür müssten
die SBB wie bei den Ladengeschäften eine niedrige Sockelmie­
te anbieten, um den Einstieg für einen Kleinen zu erleichtern.
Kehl ist begeistert von der Europaallee: «Urban, visionär, cool,
wenn ich mit dem Velo zwischen den Häusern durchfahre, habe
ich das Gefühl, in New York oder London zu sein.» In Zürich­
West zum Beispiel würde er zurzeit kein Lokal aufmachen, dort
finde kein Leben statt. Er suche Orte, wo Menschen wohnen, ar­
beiten, ausgehen, alles gleichzeitig, die Europaallee könne so
ein Quartier werden, mit einem eigenen Gesicht.
Je weiter man Richtung Langstrasse geht, desto teurer wird
es. Die Residenz Gustav ist sozusagen der Zürichberg der Euro­
paallee, 150 Quadratmeter für zehntausend Franken. Aber die
Mieter können sich, sollte einer den Wunsch haben, nachts um
eins ein Steak braten lassen und ins Zimmer bestellen. Ein
Hausdienst steht zur Verfügung, Limousinenservice, Sauna im
zwölften Stock mit Whirlpool auf der Dachterrasse. Die Alters­
residenz mit medizinischer Betreuung ist noch teurer. Man
fährt mit dem Lift ins Restaurant hinunter, 14 Gault­Millau­
Punkte, aber das Haus ist halb leer, erst ein Drittel der Wohnun­
gen sind vermietet, an Senioren, die genug haben vom Hecken­
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schneiden an der Goldküste. Oder an Geschäftsleute, die ein
paar Tage pro Woche da sind. «Wenn wir alles vermietet haben,
sind wir wie eine grosse Familie», sagt Geschäftsführer Toni
Albino, ein Italiener aus Deutschland mit grossen traurigen Au­
gen. Bisher sei auch noch niemand ausgezogen.
Albino führte das Restaurant Triangel in Zumikon, als
ihm die Brüder di Gallo anboten, das Gustav zu übernehmen.
Die Firma hat mit Altersheimen und Privatkliniken in der Ost­
schweiz Geld gemacht, es gab Zeitungsberichte, dass sie Per­
sonal aus Osteuropa zu Dumpinglöhnen beschäftigt. Toni Al­
bino zeigte mir die Musterwohnung im zehnten Stock, die ein
französischer Anwalt für ein halbes Jahr gemietet hat, auf dem
Sideboard stehen die Fotos einer Musterfamilie. Unten im
Restaurant grüsst ein freundliches Paar, mittleres Alter, sie
wohnen im Turm mit den Eigentumswohnungen, zuoberst.
«Die sehen bis nach Rapperswil», sagt Albino.
Kaserne der technischen Intelligenz
Mitte 2014 hörte Projektleiter Andreas Steiger von einem ano­
nymen Interessenten, der Büros mieten wolle. Dann hätten
sie erfahren, dass Google hinter der Anfrage stand. Die hätten
gleich die Hälfte der gesamten Bürofläche gemietet. Google
Zürich hat 2004 in einem kleinen Büro am Limmatquai mit
zwei Leuten angefangen, jetzt sind es 1600 im Hürlimann
Areal, im Jahr 2020 an der Europaallee wird eine Fläche zur
Verfügung stehen, die mehr als doppelt so gross ist. Zürich ist
Forschungsstandort Nummer eins in Europa.
Im Herbst werden die ersten Googler in der Europaallee
einziehen. Lucas Stolwijk ist Facility Manager, einer der Aus­
länder aus 75 Nationen, die bei Google Zürich hängen geblie­
ben sind, «Zooglers» nennen sie sich, die wenigsten sind über
35. Er hat die Mitarbeiter gefragt, was sie sich vom Umzug
wünschen. Ab und zu mal selber kochen, war ein Vorschlag –
Lucas klärt ab, ob Kurse mit den Köchen der Europaallee mög­
lich sind. Oder ob man die Turnhallen der Pädagogischen Hoch­
schule benutzen kann. «Wir reden mit allen», sagt Stolwijk,
«wir wollen in den Standort investieren.» Der Gang an die Eu­
ropaallee sei auch ein Schritt hinaus aus der Werkstatt, Sicht­
barkeit ist das entscheidende Wort. Man überlege sich, ein
Auditorium in einem der Bürohäuser einzubauen, sagt Stol­
wijk, aber noch sei nichts entschieden, «wer weiss, was in fünf
Jahren sein wird. Das ist eine sehr lange Zeit.»
Gegenwärtig wird an der Europaallee an einem verschach­
telten Bau von E2A Architekten vorne an der Langstrasse ge­
arbeitet. Im Erdgeschoss entsteht das Kulturzentrum Kosmos,
gegenüber wird das 25hours Hotel stehen, dazwischen ein
kleiner Platz, wo halb Zürich Apéro trinken werde, wenn die
Sonne über der Stray Cat Bar untergeht, auf der anderen
Strassenseite, «der schönste Sonnenuntergang der Stadt»,
sagt der Filmemacher Samir, er trägt Gummistiefel und einen
roten Bauarbeiterhelm. Samir hat sich mit Bruno Deckert zu­
sammengetan, der in Zürich 5 das Sphères führt, Café und
Buchladen, Deckert hat die intellektuelle Studierstube zum
Stil gemacht. Mit Erfolg.
Die beiden haben im Herbst 2010 ihr Konzept vorgestellt,
die SBB übernahmen den Grundausbau der sechs Kinos im
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Übergänge zwischen den Gebäuden?», fragt eine junge Bank­
angestellte, wir sitzen am Fenster. «Es soll wirken, als hätte der
Hof eine Geschichte, als seien die Gebäude organisch zusam­
mengewachsen, wie in einer Grossstadt.» Aber Zürich sei keine
grosse Stadt, sagt sie nach einer Pause, und das sei gut so. «Zü­
rich braucht das nicht. Zürich hat seinen eigenen Charme.»
Sie wisse nicht, ob das Konzept der Europaallee mit dem
urbanen Lebensstil aufgehen wird, sagt die junge Frau. In ih­
rer Abteilung kämen viele aus dem Aargau, aus Solothurn, Lu­
zern, die meisten mit dem Zug, und nach Arbeitsschluss gingen
sie nach Hause. «Wer noch bleibt, geht an die Langstrasse oder
ins Pub auf der anderen Strassenseite der Lagerstrasse. Und die
Studenten der Hochschulen und die Leute von der Bank kom­
men eh nicht zusammen. Es ist aber auch zu teuer hier.»
Drei Stockwerke unter «meiner» Wohnung in der Num­
mer 35 wohnt das japanisch­schweizerische Ehepaar Baum­
gartner­Suzuki. Für ihre 100 Quadratmeter zahlen sie 3500
Franken, eine schöne, helle Wohnung, mit Blick auf die Berge.
Sie sind von der Forch hierhergezogen. Sie haben in der Nähe
ein japanisches Restaurant geführt, das sie aufgeben muss­
ten, als der Bund die Arbeitsbewilligung für ihren japanischen
Koch nicht mehr verlängerte. Nun haben sie im Kreis 4 einen
Laden gemietet, geben Kochkurse und verkaufen den besten
japanischen Reis. Sie sind beide etwas über dem Pensions­
alter, eine herzliche Japanerin und ein Ingenieur, der die Welt
gesehen hat. Sie fühlen sich wohl. Sie schätzen die Ruhe, er sei
nicht hierhergezogen, um Freunde zu finden, sagt Herr Baum­
gartner, Freunde habe er genug. Die Baumgartners bedauern,
dass es fast bloss Grossgastronomen an der Allee gibt wie Bo­
hemia, Bindella oder Hiltl.
Stillleben in der Europaallee: Mann mit Smartphone.
8000 Arbeitsplätze, 4800 Studenten, 400 Wohnungen, 60 Geschäfte, 13 Restaurants und
Bars, ein Kinokomplex entstehen hier. Und irgendwann, so hoffen die Planer, auch Leben.
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wäre die Alternative? Gar nichts. Oder aber die Gelegenheit
nutzen und selbst etwas Gutes auf die Beine stellen.»
Es sei nicht ganz einfach gewesen, erzählt Stöckli. «Haben Sie schon mal ein Kino gebaut? Wir auch noch nicht. Aber
mit Samir und der Stadt Zürich gibt das eine tolle Sache.» Jetzt
freue er sich auf die ersten Leute von Google. «Google ist innovativ, wir haben schon Anfragen von Firmen, die neben
Google einziehen möchten.» Ob sie mit dem Grossmieter Glück
gehabt hätten? «Wenn es nicht Google gewesen wäre, wäre
ein anderer gekommen», sagt er. «Man muss an den Standort
glauben, man muss auch in dreissig Jahren vermieten können, wenn es gewisse Branchen nicht mehr gibt. Der Standort
ist entscheidend, und wenn Sie nicht mehr am Zürcher Hauptbahnhof vermieten können – dann wo?»
Untergeschoss, rund 800 Plätze. «Sie hätten mehr Investoren
haben müssen, um die Baukosten zu decken», erzählt SBBProjektleiter Andreas Steiger, «also haben wir uns gesagt, investieren wir. Damit ihre Energie nicht draufgeht, dem Geld
nachzurennen.» Zehn Millionen Franken als Zeichen, dass
die SBB an Kosmos glauben. Das Geld für den Innenausbau
haben Deckert und Samir aufgetrieben – ihr Bankberater von
Raiffeisen begleitet unsere Baubesichtigung im roten Helm.
Die Eröffnung ist auf Frühling 2017 geplant. Patrick Gmür aus
dem Amt für Städtebau ist dankbar für die Risikobereitschaft
der Leute von Kosmos. «Und trotz aller Diskussionen mit den
SBB», sagt er, «muss man auch anerkennen, dass es sehr mutig von ihnen war, ins Projekt Kosmos einzusteigen.»
Samir ist Mitglied der Alternativen Liste, und bevor er mit
den SBB zu verhandeln begann, traf er seinen Gemeinderat
Niggi Scherr. «Niggi, ich muss dir etwas gestehen», habe er
gesagt. Wobei, für Samir ist Kosmos ein politisches Projekt.
Mit der Europaallee werde die Gentrifizierung von Kreis 4
endgültig Tatsache, erklärt er, «der Kreis 4 ist das SoHo von
Greater Zurich geworden.» Sie hätten sich halt gefragt, ob sie
diesem Prozess einfach zuschauen wollten. «Es heisst, Kosmos sei das kulturelle Feigenblatt der Europaallee – aber was
M I K L Ó S GI M E S ist Reporter bei «Das Magazin»; [email protected]
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