Gesundheit & Heilen Wie das Krankheitserleben verstehen? Krankheitserleben, Normen, Werte, soziale Situation Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Literatur: Siegel, B. (1994): Prognose Hoffnung – Liebe, Medizin und Wunder. Düsseldorf Simonton, O., Simonton, St., Creighton, J. (1982): Wieder gesund werden. Eine Anleitung für Krebspatienten und ihre Angehörigen. Hamburg Simon, F. (1995): Die andere Seite der Gesundheit. Ansätze einer systemischen Krankheits- und Therapietheorie. Heidelberg Pott, G. (2004): Der angesehene Patient. Ein Beitrag zur Ethik in der Palliativmedizin, Stuttgart Aulbert, E., Zech, W. (1997): Lehrbuch der Palliativmedizin. Stuttgart Schuller, A., Heim, N., Halusa, G. (Hrsg.): Medizinsoziologie – ein Studienbuch., Köln 1992 Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Gesundheit/Krankheit: Biographische und geschichtliche Dimensionen? Erfahrungen mit Verlust von Leistungsfähigkeit u. Attraktivität? Welche Belastungen wurden schon ertragen/durchlitten? Welche Unterstützung/Zuwendung wurde gebraucht und gewährt/nicht gewährt? Wie aggressiv/rücksichtslos wird in anderen Lebensbereichen mit Gesundheit umgegangen (Arbeit, Sport, Familie)? Welche Abhängigkeiten wurden schon eingegangen? Welche Anpassungen an Umstände und Personen wurden schon erzwungen? …. Folgen/Konsequenzen für Gesundheit/Krankheit? Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Krankheit in der Biografie Anerkennung der Subjektivität (Menschen nicht nur aus dem Blick der Naturwissenschaften, Psychoanalyse, Sozial- o. Kulturwissenschaften betrachten): Körperliche u. seelische Krankheiten sind keine Phänomene isolierter, gestörter Organabläufe o. neurologische Pannen des Seelenapparates o. unerklärbare Irrläufer der Lebensenergien, sondern ereignen sich in psychosoziale Beziehungen, werden dort geprägt = sind insofern Produkt auch dieser psychosozialen Geflechte. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Warum ist es wichtig, sich mit dem Krankheitserleben von Klienten auseinanderzusetzen? Aufgaben auch von Sozialer Arbeit Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Widerstandskraft gegenüber Krankheiten: Menschen mit hoher Widerstandkraft Menschen mit geringer Widerstandkraft Aktiver Bewältigungsstil: Passiver Bewältigungsstil: Hohes Verantwortungsgefühl für sich selbst, für Bezugspersonen, ihre Arbeit und gegenüber Werten u. Zielen. Spüren von Entfremdung sich selbst u. der Umwelt gegenüber. Finden sich u. a. eher langweilig/bedeutungslos. Vertrauen in die Wirksamkeit des Handelns, mit Gefühl, Einfluss nehmen zu können. Gefühl von Sicherheit, wenn das Leben gleichförmig u. ohne Schwankungen verläuft. Veränderungen werden als Herausforderung u. Wachstumschance erlebt. Reaktion eher abwartend, ängstlich, misstrauisch, mit körperlichen Beschwerden, meiden Auseinandersetzung. Veränderungen erzeugen eher Bedrohung. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Körper reagiert auf Botschaften des Geistes Überlebensmechanismen: Sterbemechanismen (Todestrieb Kampf oder Flucht nach Freud): Erstarren Aggressiver Stress = Auseinandersetzung mit Krankheit Aktives Hoffen = darauf achten, dass das gewünschte Ergebnis auch eintritt und darauf hinarbeiten Probleme als Anlässe für neue Wege sehen = Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Selbstvertrauen Gefühl, dass das Leben nicht mehr lebenswert ist, machtlos ausgeliefert Bewusst = Art zu essen, zu schlafen, Bewegung, Risiken zu bedenken usw. Passives Wünschen = warten, dass etwas eintritt. Unbewusst = Abwehr wird behindert, Körperfunktionen verlangsamt. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Kunstheilung (pathogenetisch orientiert): Ausschaltung der Ursache/Erreger, Korrektur von Normabweichungen durch pharmakologische Lenkung, künstliche Stützung o. vollständiger Ersatz. Organismus mehr passiv dem Eingriff ausgesetzt. Selbstheilung (hygiogenetisch orientiert: Schonung zur Erholung Anregung der Selbstordnung/stabilisierung hin zur Normalisierung durch ungewohnte Belastungen, die adaptive Kompensationsleistungen auslösen Training hin zur Kräftigung Organismus an Heilung direkt beteiligt, Setzt bestimmte Fähigkeiten voraus. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Krankheit in der Biografie Den Betroffenen sehen: In seiner Geschichtlichkeit, In seiner Sozialität, Mit seinen Perspektiven, Mit seiner Finalität, Sozialarbeit In seiner Einbettung in einen Lebensentwurf, In seiner Ausrichtung auf ein Lebensziel, In Bezug auf Verpasstes, etwas, was nicht Tatsache wurde. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Sozialarbeit: Wie dem Klienten mehr Einsicht in die Einordnung/Stellung von Krankheit in seinem Leben geben? Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen 1. Grundsatzfragen mit Blick auf den Willen zu leben/gesund zu werden Wollen Sie hundert Jahre alt werden? Oft nur beantwortet, wenn irgendeine Garantie für Gesundheit daran geknüpft wird = nicht ohne weiteres die Verantwortung dafür übernommen, das Leben lebenswert zu machen. Wird damit auch bedacht, jetzt und hier selbst etwas für Körper und Geist tun zu müssen? Hat jemand sein Leben unter Kontrolle oder eher Furcht vor der Zukunft? Hat jemand Mut, länger als andere zu leben: „Der letzte Apfel am Baum zu sein!“ Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Grundsatzfragen mit Blick auf den Willen zu leben/gesund zu werden 2. Was passierte mit Ihnen ein oder zwei Jahre vor Ihrer Krankheit? Faktoren, die einer Krankheit vorausgingen = Identitätskrisen, Aufgabe von Träumen und Visionen, Belastungen im sozialen Nahfeld u. ä. Wie hat der Betroffene darauf reagiert = welche typischen Muster gibt es, die nun auch bei der Bewältigung der Krankheit wichtig werden? 3. Was bedeutet die Krankheit für Sie? Welche Vorstellungen, Visionen, Ängste verbinden sich mit dieser Erkrankung für den Betroffenen und sein soziales Nahfeld? Was kann er dazu aussprechen, was wird in seinen Handlungen dazu sichtbar (z. B. Planungen in die Zukunft) Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Wie wird Kranksein zu einem Ergebnis sozialer Prozesse Aufgaben auch von Sozialer Arbeit Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Subjektive Theorien zu „gesund“ und „krank“ Alltagswissen/Alltagstheorien: Krankheitsbezogene Vorstellungen/Deutungsmuster und Bewältigungs- und Vermeidungsstrategien von medizinischen Laien, die einen „Sinn“ für die Bewältigung von Krankheit haben (sozialer Zuschreibungsprozess). Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Subjektive Theorien zu „gesund“ und „krank“ Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Subjektive Theorien zu „gesund“ und „krank“ Beinhalten Vorstellungen über Krankheiten, deren soziale Definitionen u. kollektive Deutungen. Lösen bestimmte Handlungsfolgen und Assoziationen aus. Haben bei existentiellen Fragen eine besondere Bedeutung für die individuelle Orientierung und bei der Ausrichtung des Handelns Bestimmen, wie Verunsicherungen interpretiert werden und wie und welche Möglichkeiten individuellen Handelns gesehen werden. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Subjektive Theorien zu „gesund“ und „krank“ Bestimmte Interpretationsmodi sind sozialstrukturell geprägt = soziale Milieus fungieren als bestimmte Wissensgemeinschaften. Es existiert eine Kontextgebundenheit von Einstellungen u. Verhaltensweisen. Welche Bedeutung haben diese Theorien für die Sozialarbeit Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Gesundheit als soziale Verfasstheit: Komplexes Bewältigungsverhalten im Alltag abverlangt: Gestaltet sich positiv als Entfaltungsmöglichkeit u. negativ als Zwangslage. Dabei oft auch mitmenschlich unterstützt. Viele Unterstützungssysteme funktionieren jedoch eher als System von Regeln, Zeichen, Hinweisen (Geschäfts- und Berufsleben, Nutzung öffentlicher Dienste, Straßenverkehr, sozialer Umgang). Wer weniger weiß, hat mehr auszuhalten. Seiner selbst und seiner Umgebung nicht mächtig zu sein, bedeutet Beeinträchtigung. Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Körperliche Leistungsfähigkeit Zugänge zu Lebens-Qualität Befindlichkeit, Daseinsgefühl Mitmenschliche Beziehungen Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Der Mensch als Wesen aus Leib und Seele Krankheit eine Einheit aus: Objektivierbaren Krankheitssymptomen Individueller Leidenserfahrung Gemeinschaftlichem Umgang mit der Krankheit Leid: macht hässlich, wirkt abstoßend ängstigt das soziale Nahfeld erschreckt und wirkt ausstoßend Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Sozialarbeit: Wie dem Klienten Unterstützung bei der Bewältigung seiner Krankheit geben? Prof. Dr. Gundula Barsch Gesundheit & Heilen Kranksein in der westlichen Gesellschaft Zusammenarbeit mit den Betroffene: Klären, welche Erwartungen (auch Ängste) mit „Heilung“ verbunden sind. Vertrauen, Zuversicht u. Frieden des Geistes fördern = damit Energie in die Heilung gehen kann u. nicht an schwelende Konflikte gehen muss. Sorge tragen, dass Patienten Behandlung verstehen und mitbeteiligt werden. Patienten helfen, Entscheidungen zu treffen. Patienten Verantwortung für sein Leben und seine Behandlung mitübernehmen lassen = geteilte Verantwortung erhöht die Zusammenarbeit u. vermindert Ressentiments, die oft zu falschen Behandlungsmethoden führen. Achtung und würdevolle Behandlung. Kein „Wohlmeinender Betrug“ = Patienten wissen mehr oder weniger bewusst, was in ihrem Körper los ist. Zuversicht, Glauben, Hoffnung verbreiten: „Angesichts von Ungewissheit kann Hoffnung nicht schaden!“ (Simonoton). Spielen und Humor („Musik des Lebens“). Prof. Dr. Gundula Barsch
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