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Neue Ticket-Gebühr: Lufthansa ruft die Branche zur Revolution auf
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NEUE TICKET-GEBÜHR
Lufthansa ruft die Branche zur Revolution
auf
Autor:
Datum:
Jens Koenen
24.08.2015 12:16 Uhr
Ab nächster Woche müssen Lufthansa-Kunden, die ihr Ticket über ein
externes Reservierungssystem kaufen, eine Extragebühr bezahlen. Andere
Gesellschaften könnten folgen. Der Lufthansa geht es jedoch um mehr als nur
Geld.
PREMIUM
Lufthansa-Maschine bei der Landung
Geschäftsreisende beklagen Intransparenz bei der Buchung. (Foto: dpa)
Frankfurt. Der Aufschrei ist immer noch groß. Doch Lufthansa
bleibt hart. Europas größte
Fluggesellschaft wird von Dienstag kommender Woche an für Flugtickets, die über sogenannte
globale Reservierungssysteme (GDS) gekauft werden, eine Extragebühr von 16 Euro erheben. „Die
Gebühr wird kommen“, heißt es bei Lufthansa. Die „Distribution Cost Charge“ werde über eine
Standardfunktion in den Reservierungssystemen implementiert, bestätigt Amadeus, einer der drei
weltweit tätigen Reservierungs-Spezialisten.
Lufthansa lehnt sich damit weit aus dem Fenster. Zwei von drei Lufthansa-Tickets werden derzeit
über solche Systeme gekauft. Viele Unternehmenskunden, Reisebüros und auch Onlineportale
nutzen ein GDS. Sie warnen, dass Kunden künftig verstärkt auf die Angebote anderer Airlines
ausweichen werden. So hatten bei einer Blitzumfrage unter den Mitgliedern des GeschäftsreiseVerbandes VDR knapp 70 Prozent angegeben, das Geschäft „von der Lufthansa-Gruppe
wegzusteuern“.
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Damit nicht genug. Jürgen Szech, der Vizepräsident der
deutschen ASR, der Allianz Selbstständiger
Reiseunternehmen, hat sogar schon an EUWettbewerbskommissarin Margarethe Vestager
geschrieben und um Intervention gebeten. Ein
Kritikpunkt: Wer die Gebühr umgehen wolle, müsse
Infografik: Die Reservierungsspezialisten
Amadeus, Sabre und Travelport im Vergleich
Um die Grafik zu vergrößern, klicken Sie auf die
Lupe.
künftig auf der Lufthansa-Website buchen. Dort seien aber
keine Angebote der Wettbewerber zu finden, das
Vorgehen sei also eine Behinderung des Wettbewerbs.
Doch die massive Kritik bringt die Lufthansa-Spitze nicht
von ihrem Plan ab, die Strafgebühr einzuführen. „Wir sind
fest davon überzeugt, uns klar im Rahmen des geltenden Wettbewerbsrechts zu bewegen“, erklärt
ein Sprecher.
Nicht nur Lufthansa, auch vielen anderen Fluggesellschaften in Europa oder Nordamerika ist es
schon seit langem ein Dorn im Auge, dass sie für Dienstleistungen der Reservierungssysteme zahlen,
die am Ende vor allem den Kunden zugutekommen. Dazu gehört zum Beispiel die enge Einbindung
der Reservierungssysteme in die Finanzbuchhaltung der Unternehmen.
Zudem ärgert es die Airlines, dass die großen Reservierungssysteme – das Geschäft wird weltweit
von drei Anbietern beherrscht – hohe Margen abschöpfen, Geld, das die margenschwachen
Fluggesellschaften dringend selbst benötigen. Lufthansa behauptet, die Abwicklung eines TicketKaufs koste bei Amadeus 18 Euro, bei Lufthansa intern aber nur zwei Euro. Dem widerspricht
Amadeus, dessen Deutschlandchef Holger Taubmann unter anderem beklagt, dass Lufthansa bei
dieser Rechnung die Marketingkosten nicht berücksichtigt habe.
DIE VIELEN BAUSTELLEN DER LUFTHANSA
„Gefährliche rote Zone“
Noch wird bei der Lufthansa gerechnet, aber auch für 2014 wird Europas größter Luftverkehrskonzern im März voraussichtlich
keine überragenden Ergebnisse präsentieren. Rund eine Milliarde Euro operativer Gewinn ist angekündigt, nach knapp 700
Millionen Euro vor einem Jahr. Doch das Management warnt für 2015 bereits vor einer „gefährlichen roten Zone“, auf die man
sich zubewege. Die Luft wird immer dünner, weil der Dax-Konzern eine Vielzahl von Baustellen hat:
Quelle: dpa
Expansive arabische Konkurrenten
Nicht zufällig schickte Qatar Airways im Januar den weltweit ersten Airbus A350 XWB zum Jungfernflug ins Lufthansa-Herz nach
Frankfurt. Wie Emirates und Etihad verstärkt Qatar-Chef Akbar Al Baker die Präsenz mit modernsten Jets an Europas Flughäfen,
begrenzt nur von den heftig kritisierten Einschränkungen durch die bilateralen Verkehrsrechte. Zudem geht die Einkaufstour der
Araber in Europa weiter: Knapp zehn Prozent der British Airways und Iberia-Mutter IAG gehen an Qatar. Etihad aus dem
Nachbar-Emirat Abu Dhabi sitzt längst bei Air France, Air Berlin, Air Serbia und Alitalia mit am Steuerknüppel.
Schärferer Preiskampf durch billiges Kerosin
Der aktuelle Preisverfall beim Flugbenzin hilft vor allem Fluggesellschaften, die sich kaum gegen Preisschwankungen
abgesichert haben. Lufthansa gehört nicht dazu, sondern würde gerne einen guten Teil der dennoch erzielten Ersparnis ihren
Aktionären zugutekommen lassen. Dauerhaft wird das aber nicht klappen. Ryanair-Chef Michael O'Leary hat bereits
angekündigt, „die allermeisten, wenn nicht alle“ Ersparnisse an die Kunden weiterzureichen, also die Ticketpreise zu senken.
Anhaltende Probleme mit dem Personal
Ein Großteil der Tarifprobleme bleibt ungelöst. Der Dauerstreit mit den Piloten kann jederzeit wieder zu Streiks eskalieren, wie sie
im Vorjahr fast an der Tagesordnung waren. Zusätzlich hat sich die Kabinengewerkschaft Ufo die grundsätzliche Zustimmung
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ihrer Flugbegleiter für Arbeitskämpfe geholt. Knackpunkt sind hier unter anderem die Betriebsrenten, für die Lufthansa nicht mehr
die Renditen garantieren will. Für das Bodenpersonal verlangt Verdi 5,5 Prozent mehr Geld. Stark sinkende Personalkosten sind
jedenfalls nicht in Sicht.
Langsame Reformen im Konzern
Der neue Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat zwar Reformen im Geschäftsmodell angeschoben, doch die kostengünstigere
Billigmarke „Eurowings“ geht erst im Oktober 2015 so richtig an den Start. Offen bleibt die Frage, wie die Kosten bei der
bisherigen Germanwings weiter abgesenkt werden können, die rund zwei Drittel der künftigen Billig-Flotte stellen soll. Bislang
sind ihre Kosten noch deutlich höher als bei der Konkurrenz von Easyjet und Ryanair, aber auch als bei der konzerninternen
Konkurrenz Eurowings und SunExpress. Positiv: Die Neugestaltung der Kabinen bei der Lufthansa-Mutter wird im Herbst
abgeschlossen.
Schwacher Heimatmarkt Europa
Harter Wettbewerb, ineffiziente Infrastruktur, hohe Verwaltungskosten und Steuern dämpfen nach Auffassung der AirlineOrganisation IATA die Gewinne der Airlines auf dem europäischen Markt. In diesem Jahr sollen sie dennoch auf 4 Milliarden
Dollar (3,2 Milliarden Euro) steigen nach 2,7 Milliarden Dollar 2014. Pro Passagier bleiben im Schnitt in Europa nur gut 4 Dollar
bei der Fluggesellschaft hängen. Weltweit erwartet die IATA 7 Dollar pro Passagier.
Ärger mit wichtigen Kunden
Große Unternehmen wie zuletzt BMW und Bosch haben sich der Zivilklage der Deutschen Bahn angeschlossen, die unter
anderem von der Lufthansa Schadenersatz für jahrelang zu hohe Kerosin- und Sicherheitszuschläge bei Frachtsendungen
erstreiten will. Lufthansa selbst hatte das Kartell mit zahlreichen anderen Fluggesellschaften platzen lassen und war als
Kronzeuge von EU-Bußgeldern verschont geblieben. Das bedeutet aber auch: Es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass die
Gebühren überhöht waren. Laut „Wirtschaftswoche“ summieren sich die Forderungen an die Lufthansa und weitere
Fluggesellschaften auf knapp drei Milliarden Euro.
Lufthansa geht es aber um mehr als nur Geld. Der Konzern will direkten Zugang zu den
Kundendaten, um darüber Zusatzgeschäfte aufbauen zu können. Das wiederum sehen Vermittler
wie Reisebüros skeptisch. Sie fürchten, dass die Airline mit den Daten die Ticketpreise künftig zum
Nachteil der Kunden gestalten kann. Wer zum Beispiel jeden Dienstag von Frankfurt nach London
fliege, für den könnten die Flüge dann teurer sein als am Mittwoch, weil die Airline wisse, dass der
Kunde dienstags reisen müsse.
„Dieser Prozess ist unter dem Begriff Dynamic Pricing bekannt“, so Szech von der ASR.
Wie ernst es Lufthansa meint, zeigt eine neue
THEMA: LUFTHANSA
LUFTHANSA-BUCHUNGSGEBÜHR
Reiseverband schaltet Kartellamt ein
BILLIG-AIRLINE DER LUFTHANSA
Eurowings schon vor Marktstart begehrt
GUTTENBERG BERÄT LUFTHANSA
Vom Plagiator zum Innovator
Technologiepartnerschaft mit der SAP-Tochter Concur,
einer Spezialistin für Reisemanagement. Damit soll es
Firmenkunden auch bei einer direkten Buchung bei
Lufthansa künftig leicht gemacht werden, die Reise im
Buchhaltungssystem zu bearbeiten.
Bislang ist der Lufthansa noch keine andere
Fluggesellschaft gefolgt. Doch die Zustimmung in der
Branche ist da. Auf dem Treffen des Weltluftfahrtverbandes IATA vor einiger Zeit in Miami zeigte
sich etwa Christoph Müller, Chef von Malaysia Airlines, begeistert. Zudem arbeiten einige Airlines
ebenfalls an neuen Direktkanälen, so etwa der Golf-Carrier Emirates. Gut möglich also, dass am 1.
September nicht weniger als eine kleine Revolution im Reisemarkt startet.
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der Angaben.
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