Die Energieströme einer Marke lenken

MARKENARTIKEL 7/2015
MARKETINGAGENTUR
MARKENFÜHRUNG
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Die Energieströme
einer Marke lenken
Die als Marketingagentur positionierte Pahnke Markenmacherei
will die Bedeutung hinter Marken herausarbeiten und zu einem
Ganzen zusammenfügen. Wie das konkret gehen soll, erklären im
Interview die Firmenlenker Martin Pahnke und Lars M. Lammers.
MARKENARTIKEL: Ihre Agentur, die für Marken wie
Crunchips, Meica, Merci, Toffifee und Zott arbeitet,
nennt sich Markenmacherei. Ist das nicht irreführend?
Schließlich machen Ihre Auftraggeber die Marken.
MARTIN PAHNKE: Markenmachen bedeutet, unsere Kunden dabei zu unterstützen, ein Geschäftsmodell zu haben. Denn erst wenn Dinge für einen Menschen Bedeutung haben und er eine bestimmte Haltung zu ihnen
einnimmt, gewinnen sie an Schwung. Unsere Aufgabe ist, diese Bedeutungen herauszuarbeiten und dafür
zu sorgen, dass sie so konfiguriert sind, dass sie insgesamt wie bei einer schönen Intarsienarbeit ein bedeutungsvolles Ganzes ergeben.
Trotzdem haben diese Marken jeweils spezielle Anhänger und Käufer. Das liegt daran, dass die Dinge, die
hinter dem Produkt stehen, für die Menschen eine Bedeutung haben. Uns geht es darum, diese Bedeutungen
zu erkennen und miteinander zu vernetzen. Dazu gehört nicht nur die Werbung, sondern zum Beispiel eine besondere Verpackungsform, die ebenfalls eine bestimmte Bedeutung hat. Wir haben über die Jahre ein
enormes Spezialwissen angehäuft und können sagen,
welche Bedeutungslandkarten hinter Objekten stecken.
Marken kann man nicht machen, weil sie in Köpfen
von Menschen existieren. Aber man kann sie so konfigurieren, dass möglichst alles in ihnen Sinn ergibt und
die Menschen anspricht.
MARKENARTIKEL: Geht es etwas konkreter?
PAHNKE: Die Technik bei Mercedes, BMW und Audi dürfte im Großen und Ganzen recht ähnlich sein.
Foto: Pahnke
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MARKENARTIKEL: Aber die Markenhoheit liegt nicht bei
Ihnen, sondern bei Ihren Auftraggebern…
Martin Pahnke erlernte das Marketing-Handwerk in Düsseldorf bei
der Werbeagentur Spiess & Ermisch, besuchte die Werbefachliche
Akademie Köln und wechselte dann zur August Storck KG, wo er bis
zum Mitglied der Geschäftsleitung aufstieg, bevor er in die 1989
von seinem Vater gegründete Agentur Pahnke Markenmacherei
wechselte, bei der er geschäftsführender Gesellschafter ist.
Dr. Lars M. Lammers, ausgebildeter Industriekaufmann, arbeitete
nach seinem BWL-Studium für eine Management-Beratung und
promovierte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt,
wo er heute einen Lehrauftrag hat. Zu Pahnke kam er 2010. In der
Geschäftsleitung verantwortet er die Pressearbeit, strategische
Beratung und interne organisatorische Unternehmensentwicklung.
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PAHNKE: Selbstverständlich, aber uns als Agentur würde es nicht geben, wenn die Unternehmen diese Bedeutungen locker aus dem Ärmel schütteln könnten. Das
ist eine sehr spezielle Arbeit. Warum ist ein Produkt
braun und nicht weiß? Warum hat es eine bestimmte
Konsistenz? Warum wurde gerade diese Öffnung gewählt? Das alles sind Fragen, die uns als Markenmacherei genauso interessieren wie die Werbung.
MARKENARTIKEL: Sie glauben also, näher an den Produkten zu sein als eine klassische Werbeagentur?
LARS M. LAMMERS: Ganz sicher sogar! Wir machen uns
zum Beispiel tiefgehende Gedanken darüber, warum
jemand etwas Spezielles isst. Viele Produkte, für die
wir arbeiten, werden von den Leuten sicherlich nicht
unbedingt gekauft, weil sie gerade hungrig sind. Diese Artikel haben keine einzigartige funktionale Bedeutung, sondern es geht um die Bedeutungen dahinter –
darüber erfolgt die Differenzierung.
MARKENARTIKEL: Allerdings gibt es in vielen Produktbereichen eine breite Palette austauschbarer Artikel...
PAHNKE: Unsere Aufgabe ist es, bei den Menschen eine
Präferenz für die Marke herauszuarbeiten, für die wir
arbeiten. Natürlich ist zum Beispiel bei einer Schokolade der Geschmack wichtig, aber man muss viel tiefer in
das Thema eindringen: Was empfinden die Menschen,
wenn sie Schokolade essen? Was verändert sich, wenn
Nüsse hinzukommen? Was passiert, wenn das Produkt
im Mund nicht nur schmilzt, sondern auch knackt?
Wie viele Zähne möchten Menschen beim Schokoladeessen gebrauchen? Was für Schokolade mögen Männer,
was für eine Frauen? Nur wenn man so eine Denktiefe
erreicht, kann man Markenmacher werden.
MARKENARTIKEL: Zur Pahnke-Philosophie gehört laut
Selbstdarstellung, dass Sie markenbildende mit abverkaufsfördernden Maßnahmen verbinden wollen. Glauben Sie nicht an kurzfristige Abverkaufskampagnen?
Für die Eigenmarken von Rossmann realisierte die Agentur
jüngst eine Imagekampagne
PAHNKE: Durchaus, aber entscheidend ist immer die
Zielsetzung. Kennt man die Energieströme, warum
ein Produkt in das Leben von Menschen passt, dann
ist die Chance groß, Dinge zu entwickeln, die auf die
Marke einzahlen. Wir versuchen, den Energieschub einer Marke bis an den Point of Sale zu tragen, anstatt
bloß nach Aufmerksamkeit zu haschen.
MARKENARTIKEL: Energieströme? Klingt nach Esoterik…
LAMMERS: …dabei ist es knallharte Ökonomie. Wir laden Marken mit Bedeutung auf und erklären den Menschen, warum sie gerade dieses Produkt in ihrem Leben
haben sollten. Ökonomisch betrachtet wäre es geradezu verrückt, Abverkaufsaktionen durchzuführen, ohne
dieses Markendepot, das wir ja bereits aufgeladen haben, anzustechen. Wenn ich eine reine 'Kauf mich!'-Aktion starte, funktioniert das vielleicht für einen gewissen
Zeitraum. Aber wenn die Käufer dann gar nicht wissen,
welche Bedeutung das Produkt in ihrem Leben haben
soll, werden sie es in der Regel nicht noch einmal kaufen.
Wenn hingegen das Depot genutzt wird, profitiert die
Marke viel stärker davon. Deshalb trennen wir markenbildende nicht von abverkaufsfördernden Maßnahmen.
MARKENARTIKEL: Aber ist für Konsumenten der Preis
nicht doch wichtiger als eine Markenenergiewelle?
PAHNKE: Wir haben sehr erfolgreiche Abverkaufskampagnen durchgeführt, die nicht über den Preis, sondern über Mehrwert funktionierten. Nehmen wir eine
Harley Davidson: Für die geben die Käufer sehr gerne
sehr viel Geld aus – und das bei, salopp gesagt, veralteter Landtechnik...
MARKENARTIKEL: Die Marke hatte freilich auch Krisen...
PAHNKE: ...und zwar genau deshalb, weil sie die Bedeutung, die sie für Menschen hat, nicht mehr richtig nach
vorne getragen hat. Als diese Bedeutung wieder klarer wurde, ging es auch wieder aufwärts mit dem Unternehmen.
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MARKENARTIKEL: Die Anforderungen an Werbeagenturen
haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Macht sich das auch bei Ihnen bemerkbar?
PAHNKE: Kunden sind über die Jahre mit dem Modell
des reinen Werbemachens immer unzufriedener geworden. Immer mehr Marketingmanager auf Kundenseite erwarten, dass ihnen bei den Agenturen Leute auf
Augenhöhe begegnen für ihre immer kleinteiliger werdenden Probleme. Das Werbemodell ‚Anhauen, Umhauen, Abhauen‘ ist seltener geworden, stattdessen ist
immer mehr vernünftige Substanz hinzugekommen.
Das heißt nicht, dass ungewöhnliche Werbung nicht
mehr gewünscht wird – die muss es weiter geben! Aber
Unternehmen erwarten von Agenturen heute ein klares
Verständnis ihres Geschäftsmodells und eine vernünftige Einsortierung.
LAMMERS: Das Verständnis von Industrie- und Geschäftsmodellen spielt heute eine viel größere Rolle.
Und die Einbindung des Kunden ist heute viel integrierter, etwa durch Workshops. Außerdem werden die
Projekte immer kleinteiliger vergeben, wodurch bei uns
der Administrationsaufwand immer mehr steigt.
MARKENARTIKEL: Und welche Herausforderungen ergeben sich durch den Vormarsch der Handelsmarken?
PAHNKE: Ein Händler nutzt Eigenmarken, damit sie auf
PAHNKE MARKENMACHEREI:
IM EINSATZ FÜR 50 MARKEN
Die Hamburger Pahnke Markenmacherei, die von Inhaber Martin Pahnke geführt
wird, wurde 1989 gegründet und ist positioniert als Marketingagentur,
die strategische Markenberatung mit klassischer Werbeagenturen verknüpft. Die etwa 155 Mitarbeiter betreuen aktuell rund 50 Marken mit
einem Mediavolumen von ca. 200 Millionen Euro. Zu den Kunden, für
die die Agentur seit mehr als 15 Jahren arbeitet, gehören Storck (u.a.
Werther's, Toffifee, Merci, Nimm 2, Knoppers), Meica (u.a. Curryking
und Deutschländer), Lorenz Snack-World (u.a. Crunchips, Chipsletten)
und Zott. Auf der Kundenliste stehen u.a. auch Bonduelle, Gewoba Bauen und Wohnen, Hengstenberg, Rossmann und Schwartau.
Storck, hier Werbung für Nimm 2, gehörte 1989 zu den
Gründungskunden der Pahnke Markenmacherei
ihn abstrahlen, kann dabei aber nicht so tief in die Einzelprofilierung gehen wie Industriemarken. Diese müssen deshalb noch eindeutiger in eine Bedeutungsprofilierung gehen. In Produktkategorien, die zu generisch
sind, haben es Handelsmarken besonders leicht. In
nicht so austauschbaren Märkten ist die Gefahr durch
Handelsmarken entsprechend kleiner. Bei Süßwaren
zum Beispiel ist ihre Quote nicht sonderlich hoch, ganz
anders als zum Beispiel bei Klopapier.
LAMMERS: Überall dort, wo Bedeutungen eine große Rolle spielen, sind Handelsmarken nicht so stark. Markenartikel müssen deshalb nicht nur in der Funktion, sondern auch in der Bedeutung innovativ sein. Schwieriger
wird es für B- und C-Marken: Sie haben oft kaum noch
einen Bedeutungsvorteil gegenüber Handelsmarken,
die auch noch billiger angeboten werden. Wir überlegen mit unseren Auftraggebern deshalb häufig, wie
man den funktionalen und emotionalen Veredelungsprozess weiter vorantreiben kann – um einen Veredelungsgrad zu erreichen, bei dem der Händler mit Eigenmarken nicht mithalten kann.
MARKENARTIKEL: Zum Schluss bitte noch ein kurzer Ausblick: Welche Themen wird die Pahnke Markenmacherei in naher Zukunft besonders beschäftigen?
LAMMERS: Zum einen beschäftigen wir uns derzeit intensiv mit dem Thema Innovationsprozess. Wir versuchen
– Stichworte sind hier Open Innovation und Co-Creation – stärker mit den Konsumenten zusammenzuarbeiten, um mit Hilfe moderner Technik die Prozesse
bis zur Marktreife eines Produktes zu verkürzen. Das
zweite Thema, das uns derzeit besonders beschäftigt,
ist die Mediakompetenz in der strategischen Planung.
Die klassische Agenturaufteilung in Deutschland mit
Werbe- und Mediaagenturen hat zu einer starken Trennung geführt. Durch die neuen digitalen Möglichkeiten
sind jedoch Botschaft, Inhalt und Medium an vielen
Stellen gar nicht mehr klar voneinander zu trennen:
Man muss verstehen, wie ein Medium genutzt wird,
um eine Botschaft zu entwickeln, die relevant für dieses Nutzungsverhalten ist. Bislang fehlt da noch eine
ganzheitliche Verknüpfung – dabei stecken in dem Thema noch viele Möglichkeiten. Interview: Torsten Schöwing