PDF 1,3 MB - Deutsche Bank

Finanzierung_Interview
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Wilhelm von Haller
prägt das Firmenkundengeschäft der
Deutschen Bank.
Jetzt zieht er eine
Bilanz
FOTO: THORSTEN JANSEN
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„Um den Mittelstand mache
ich mir überhaupt keine Sorgen“
Vor welchen Herausforderungen stehen deutsche Unternehmen? Und wie kann
sich ihre Hausbank auf die neuen Bedürfnisse einstellen? Ein Gespräch mit Wilhelm
von Haller, Co-Chef des Privat- und Firmenkundenbereichs der Deutschen Bank
Herr von Haller, die aktuelle Umfrage von
Deutscher Bank, BDI und IfM hat gezeigt, dass
es mittelständischen Unternehmen sehr gut
geht. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung vor Ort?
Die positive Stimmung spüre ich überall, und Gründe dafür gibt es genug: Der schwache Euro hilft,
das Wirtschaftswachstum bei uns und in den USA
ist intakt, auch die EU-Länder sind heute in ihrer
Gesamtheit stärker als noch vor zwei Jahren. Und
wir haben – den aktuellen Streiks zum Trotz – einen
sehr hohen Arbeitsfrieden in Deutschland. Das alles fördert die Produktivität. Der Mittelstand hat in
den vergangenen zehn Jahren seine Hausaufgaben
sehr gut gemacht.
hohen Cashflow. Und mit dem kann es sich selbst
finanzieren. Deshalb sind hohe Wachstumsraten
nicht automatisch mit einem hohen Schuldenstand
verbunden. Dennoch spüren wir seit einigen Monaten wieder eine anziehende Kreditnachfrage:
Unternehmen kaufen zu – auch der M&A-Markt ist
intakt –, oder sie investieren in die Forschung oder
die Steigerung des Working Capital. Das alles halte
ich für absolut richtig. Wir sehen derzeit in Deutschland eine gute Mischung in der Finanzierung aus
Cashflow und Kredit. Ich persönlich möchte nicht
mehr sehen, dass sich Unternehmen mit übermäßig
hohen Fremdfinanzierungen belasten.
War das schon einmal anders?
Was meinen Sie damit?
Wir sind flexibler und innovativer geworden. Der
Markenname „Made in Germany“ hat eine riesige
Strahlkraft. Wenn ich in China bin, bemerke ich eine
regelrechte Ehrfurcht vor deutscher Wertarbeit. Jeder dort versucht, deutsche Mittelständler zu kopieren. Das ist nicht immer erfreulich, aber es hilft auf
lange Sicht auch uns. Um den Mittelstand mache
ich mir jedenfalls überhaupt keine Sorgen.
Die Balance in der Finanzierungsstruktur ist in den
vergangenen 15 Jahren immer besser geworden.
Auch die Eigenkapitalquoten haben mittlerweile
ein sehr erfreuliches Niveau erreicht. Langfristig
betrachtet gab es schon sehr viel schlechtere
Zeiten mit höheren Steuern, weniger Cashflow
und höheren Krediten.
einem steigenden Bedarf an Finanzierungen führen.
Die Umfrage zeigt ja auch, dass die Stärkung des
Eigenkapitals für Unternehmen sehr wichtig
ist. Aber wäre es gerade jetzt nicht sinnvoller,
auf kreditfinanziertes Wachstum zu setzen?
Sie dürfen nicht verkennen: Wenn ein Unternehmen
intakt und erfolgreich ist, hat es prinzipiell einen
Statistisch gesehen waren die kurzfristigen Zinsen immer relativ günstig. Der Unterschied
Die derzeitige Lage müsste doch eigentlich zu
Wilhelm von Haller
Wilhelm von Haller, Jahrgang 1952, ist
Co-Leiter des Bereiches Deutsche Bank
Privat- und Firmenkunden. In diesem
Bereich werden insgesamt 9,5 Millionen
Kunden betreut, darunter rund
900 000 Geschäfts- und Firmenkunden.
Der gebürtige Münchner ist studierter
Diplomkaufmann und arbeitet seit
1986 für die Deutsche Bank. Bis 2009
stand er als Co-Chef dem Bereich
Firmenkunden vor, bevor er als Vorstandsvorsitzender die Bank Sal.
Oppenheim jr. & Cie. nach deren Übernahme durch die Deutsche Bank
leitete. Von Haller ist verheiratet und
hat zwei Kinder.
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„Es kommt
für eine Bank
darauf an,
die Geschäftsmodelle zu
durchdringen“
ist, dass heute auch die langfristigen Zinsen
sehr niedrig sind. Und ich rate Unternehmen, diese
Situation zu nutzen – aber vor allem für die Sicherung von Liquidität. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Zinssicherung und Liquiditätssicherung. Ich würde eine Phase, in der es mir gut
geht, immer dazu nutzen, mir langfristig Liquidität
zu sichern. Das kostet etwas, denn dafür müssen
die Banken Eigenkapital vorhalten. Man muss die
Linien auch nicht notwendigerweise in Anspruch
nehmen. Aber es kann bei jedem Unternehmen mal
der schwarze Schwan durchs Zimmer gleiten, und
für solche Zeiten muss man gewappnet sein.
Auch kleinere deutsche Unternehmen werden
immer internationaler …
… und das ist sehr gut so. Wir haben inzwischen viele
Kunden, die von zwanzig Millionen Jahresumsatz
sechzig oder siebzig Prozent im Ausland machen.
Wenn Sie sich die Weltwirtschaft ansehen, die derzeit zwischen drei und vier Prozent wächst, und die
deutschen BIP-Steigerungen von gut einem Prozent,
dann ist es eine gute Idee, ins Ausland zu gehen.
Was bedeutet das für Sie als Bankmanager?
Kommt es weniger auf das Kreditangebot als
auf die internationale Expertise an?
Kredite sind wichtig. Aber ebenso sehr kommt es
für eine Bank in Zukunft mehr als bisher darauf
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an, die Geschäftsmodelle der Kunden wirklich zu
durchdringen. Je internationaler ein Unternehmen ist, desto vielfältiger die Einflussfaktoren.
Unsere Aufgabe besteht darin, die Variablen zu
verstehen, mit Kunden zu diskutieren und in
ein intelligentes Cashflow- oder Unternehmensentwicklungsmodell zu überführen. Wir wollen
unsere Kunden über die Entwicklungsstufen
hinweg begleiten. Nehmen Sie zum Beispiel die
Gründerszene in Deutschland. Die Szene professionalisiert sich, und wir begleiten sie mit
professionellen Teams, in denen Ingenieure,
Naturwissenschaftler, Informatiker sich mit den
Geschäftsmodellen befassen.
Sie sind vor zwei Jahren zur Deutschen Bank
zurückgekehrt, um das Firmenkundengeschäft
neu aufzustellen. Haben Sie das erreicht?
Wir sind da angekommen, wo wir hinwollten. Uns
geht es vor allem um die richtige Betreuung von
Firmenkunden: Dazu gehört, ihre Bedürfnisse
zu verstehen, die Fähigkeiten der Bank genau
zu kennen und beides intelligent zu verbinden.
Offenbar machen wir dabei einiges richtig, denn
die Zahl unserer neuen Kunden steigt erfreulich
an. Und auch bei einigen Produkten sehen wir
zweistellige Zuwachsraten. Was wir uns vorgenommen haben, sieht man also auch in den Zahlen reflektiert.
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„Unsere Strategie rückt den Mittelstand noch mehr ins Zentrum“
Unsere neue Strategie rückt den klassischen Mittelstand, also auch die kleineren Unternehmen, noch
mehr ins Zentrum als bisher. Dabei setzen wir auf
Digitalisierung und direkte Betreuung durch einen
sehr kompetenten Kundenbetreuer, der bereitsteht, sobald es Diskussionsbedarf gibt. Die Nähe
zum Kunden ist auch in der neuen Strategie fest
verankert.
Aber noch einmal: Was heißt das, nicht mehr
„alles für jeden“ zu sein?
Das heißt vor allem: den Kunden nur das anzubieten, was sie auch tatsächlich brauchen. Dabei
kommt es nicht darauf an, ob sich das für die
Bank sofort lohnt. Wir investieren gern in junge
Geschäftsverbindungen, die sich hoffentlich irgendwann zu einer für beide Seiten profitablen
Partnerschaft entwickeln. Wir müssen nur das
Gefühl haben, dass sich das in vertretbarer Zukunft rechnen wird. So macht es doch jeder gute
Unternehmer.
Gleichzeitig will die Deutsche Bank in die Digitalisierung investieren. Brauchen Firmenkunden das?
Unternehmen denken bei der Digitalisierung
gern an ihre eigene Schnittstelle zur Bank – Apps,
Websites oder Softwareverbindungen. Das ist
natürlich wichtig: Stellen Sie sich vor, Sie können
Avalurkunden oder Garantien sofort digital zur
Verfügung gestellt bekommen. Oder nehmen Sie
das Devisengeschäft: Zahlungseingänge in fremder Währung direkt in Euro umrechnen zu lassen
erleichtert das Leben erheblich. Fast noch wichtiger aber sind die bankinternen Abläufe. Wir wollen
maximale Sicherheit bieten und gleichzeitig sehr
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Dennoch liest man, die Deutsche Bank wolle
nicht mehr „alles für jeden sein“. Was bedeutet
das für Firmenkunden?
viel schneller, flexibler und kosteneffizienter werden. Das kostet zunächst Geld, aber es wird uns im
Wettbewerb weit nach vorn bringen.
Welche Rolle spielen denn Berater im Zeitalter
zunehmender Automatisierung überhaupt noch?
Es geht nicht um Automatisierung, sondern um
Erweiterung. Wenn der Computer die Währungsumrechnung macht, kann sich der Firmenkundenbetreuer um wichtigere Dinge kümmern – und die
Qualität der Betreuung wird auch weiterhin unser
Unterscheidungsmerkmal sein.
Was heißt das konkret?
Vor zehn Jahren war so etwas wie strukturierte
Finanzierung im Mittelstand praktisch unbekannt, heute haben wir pro Monat 200 Projekte
in der Pipeline. Bei fast allen Produkten gibt es
heute zehnmal so viele Varianten. Entsprechend
wichtiger wird die Beratung. Darauf reagieren
auch die Unternehmen. Es gibt den klaren Trend,
die Zahl der Bankverbindungen zu reduzieren.
Unternehmen arbeiten nicht mehr mit sechs
oder sieben Partnern, sondern beschränken sich
auf zwei oder drei echte Hausbanken. Die Fokussierung auf weniger Partner bedeutet natürlich
für jeden mehr Anteil am Geschäft. Davon können
wir nur profitieren.
I N T E R V I E W : B O R I S B U R AU E L
„Wir haben
viele Kunden,
die 60 oder
70 Prozent
ihres Umsatzes
im Ausland
machen“