JURISTISCHE FAKULTÄT MÜNCHENER EXAMENSTRA INING PROBEKLAU SUR SCHWERP UN KTBEREICHE WS 2015/ 16 Schwerpunktbereich 6 Der 75-jährige Valentin Veitl, Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht a.D., bewohnt ein ihm gehörendes Einfamilienhaus in Starnberg. Valentin ist überdies Eigentümer von drei großen Mehrfamilienhäusern, aus denen er im Jahr 2014 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 200.000 € und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 100.000 € erklärte. In dem Werbungskostenbetrag waren Aufwendungen für ein in dem Objekt in Starnberg befindliches häusliches Arbeitszimmer enthalten , das ist mit einem Schreibtisch, einem Computer, einem Büroschrank und mit Regalen ausgestattet ist. In den Regalen befinden sich in diversen Leit zordnern sämtliche Unterlagen, die Valentin für die umfangreiche Verwaltung seiner Immobilienobjekte benötigt. Seit seiner Pensionierung übte Valentin außer seiner Immobilienverwaltung keine andere berufliche Tätigkeit mehr aus; eine frühere Kommentierungstätigkeit im „Palandt“ hatte er nach seinem Ausscheiden aus dem Richterdienst aufgegeben. Allerdings hat Vale ntin im Ruhestand sein altes Hobby – die Naturphotographie – wieder entdeckt, seit er erkannte, dass sich durch die digitale Bildbearbeitung hierfür ganz neue Möglichkeiten ergeben. Valentin hat – einem inneren Impuls folgend, der ihn zeitlebens zu höchster Korrektheit gemahnte – einen „Tätigkeitsbericht“ über alle im Jahr 2014 im Arbeitszimmer erledigten Arbeiten erstellt. Hieraus ergibt sich, dass Valentin 60% der Arbeitszeit, die er im Arbeitszimmer verbrachte, für die Immobilienverwaltung aufwandte. 40% dagegen entfielen auf private Tätigkeiten, insbesondere die digitale Bearbeitung seiner Fotos von Wildblumen aus dem Ammergebirge. Dementsprechend hatte Valentin 60% der gesamten Aufwendungen in Höhe von 10.000 €, die auf den Unterhalt des im eigenen Haus befindlichen häuslichen Arbeitszimmers entfielen (etwa in Form der Absetzung für Abnutzung und anteiliger sonstiger Kosten), und mithin einen Teilbetrag von 6.000 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. ******* Anfang Januar 1996 erwarb Valentin ein neu hergestelltes Einfamilienhaus in Sachsen. Die Anschaffungskosten betrugen umgerechnet 218.000 €; hiervon entfielen 18.000 € auf den dazugehörenden Grund und Boden. Valentin vermietete das Einfamilienhaus, bis er es mit notariell beurkundetem Vertrag vom Ende Dezember 1999 für 200.000 € wieder veräußerte. Dabei entstanden ihm Veräußerungskosten in Höhe von 2.000 €. Valentin nahm für das Gebäude im Jahr 1996 zulässigerweise eine Sonderabschreibung nach den maßgeblichen Bestimmungen des Fördergebietsgesetzes in Höhe von umgerechnet 100.000 € vor. Zudem hat Valentin zwischen dem Erwerb des Objekts Anfang Januar 1996 und seiner Veräußerung Ende Dezember 1999 Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 4 zulässigerweise reguläre Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG vorgenommen. In seiner Einkommensteuererklärung für 1999 hatte Valentin zwar einen nach den maßgeblichen Bestimmungen des § 23 Abs. 3 EStG selbst ermittelten Gewinn aus der Veräußerung des Einfamilienha uses in Sachsen erklärt, gleichzeitig aber verfassungsrechtliche Zweifel an der Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre durch das am 31.3.1999 verkündete Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geäußert. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1999 die von Valentin erklärten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, ließ aber seinen hiergegen gerichteten Einspruch wegen eines laufe nden Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Frage der Verfassungsm äßigkeit der Verlängerung der „Spekulationsfrist“ nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhen. Anfang Januar 2015 erhält Valentin ein Schreiben des Finanzamts, in dem darauf hingewiesen wird, dass nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 gesetzlich normierte Verlängerung der Frist von zwei auf zehn Jahre für die Veräußerung von Wirtschaftsgütern im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG als solche grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Es sei daher beabsichtigt, den von ihm erzielten steuerbaren W ertzuwachs gemäß einschlägiger Verwaltungsanweisungen entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit linear (monatsweise) zu ermitteln und zu besteuern. Danach ergebe sich für Valentin folgender Gewinn aus der Veräußerung des Einfamilienhauses in Sachsen: Veräußerungspreis: abzüglich Anschaffungskosten gemindert um AfA 1/1996 bis gemindert um SonderAfA (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG) 218.000 12/1999 – 16.000 1996 – 100.000 102.000 abzügl. Veräußerungskosten Gesamtbesitzzeit: 48 Monate (1/1996 bis 12/1999) = 2.000 € Wertsteigerung pro Monat davon nicht steuerbar: 39 Monate (1/1996 bis 3/1999) = 39 x 2.000 € davon steuerbar: 12/1999) = 9 x 2.000 € 9 Monate (4/1996 bis € € € € 200.000 € – 102.000 € – 2.000 96.000 € € 78.000 € 18.000 € Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 3 VON 4 Valentin müsse daher einen Gewinn im Sinne des § 23 Abs. 3 EStG in Höhe von 18.000 € versteuern. In dem Schreiben des Finanzamts wird Valentin gebeten, innerhalb einer angemessenen Frist hierzu Stellung zu nehmen. Valentin hält die Auffassung der Finanzverwaltung für falsch. Die Gesetzesänderung sei doch von vorne bis hinten verfassungswidrig. Überdies habe er keinen Gewinn, sondern einen Verlust erzielt. Jedenfalls dürfe man ihm die Abschreibungen, die er vor der Gesetzesänderung geltend gemacht habe, nicht nachträglich wieder wegnehmen. ******* Valentin besitzt überdies ein Haus mit Gewerbeeinheit in München, das 2001 errichtet wurde. Das Erdgeschoss hat Valentin an den Inhaber einer Modeboutique vermietet. Mit dem Mieter hatte er vereinbart, dass er zusätzlich zur Miete noch Umsatzsteuer zahlen soll. Im ersten Obergeschoß – über der Modeboutique – wohnt Oma Kunigunde, die Großmutter von Valentins altem Schulfreund Jonathan. Valentin ist der Meinung, dass Oma Kunigunde auch Umsatzsteuer zur Miete zahlen soll; schließlich müsse er selbst ja auch auf alles Umsatzsteuer zahlen. I m Hof vermietet Valentin überdies zwei Pkw-Stellplätze an Nachbarn, die keine eigene Garage haben. Im Jahr 2014 mussten sowohl die Fenster im gewerblich genutzten Erdgeschoss als auch in dem an Oma Kunigunde vermieteten Obergeschoß gestrichen werden. Außerdem musste die Stellplatzmarkierung im Hof ausgebessert werden. Valentin stellte dem damit beauftragten Malermeister die hierfür benötigte Farbe, die er im Baumarkt verbilligt e rworben hatte, zur Verfügung. Der Handwerker brauchte daher keinerlei eigene M aterialien zu verwenden; er stellte Valentin für seine Leistung eine Rechnung mit 19 % Umsatzsteuer aus. Bearbeitervermerk: 1. Kann Valentin die anteiligen Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 6.000 € als Werbungskosten bei seinen E inkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen? 2. Entwerfen Sie die Stellungnahme Valentins zu dem Schreiben des Finanzamts und berechnen sie die Höhe der Einkünfte Valentins aus der Veräußerung des Einfamilienhauses in Sachsen. Nehmen Sie dabei auch zu der Frage Stellung, inwieweit diese Einkünfte mit anderen Einkünften Valentins im Jahr 2014 oder mit Einkünften in anderen Veranlagungszeiträumen verrechnet werden können. 3. Hat Valentin den vollen Vorsteuerabzug aus der Handwerkerrechnung des Malers? Hinweis: Soweit erforderlich, liegen ordnungsgemäße Rechnungen im Sinne von §§ 14, 14a UStG vor. Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 4 VON 4 Abgabe: ausschließlich im Klausurtermin Besprechung: 28.01.2016, 16-18 Uhr, Raum 122, Ludwigstraße 28/ Rgb. Rückgabe und Korrektorensprechstunde: nach Ankündigung auf Homepage der Bitte wenden!
© Copyright 2024 ExpyDoc