Institut für Medizinische Genetik Genetische Beratung im hausärztlichen Alltag 123RF.com Ärztekongress Arosa 2016 Dr. med. Silvia Miranda Azzarello-Burri, FMH Medizinische Genetik Institut für Medizinische Genetik Universität Zürich Wagistrasse 12 CH-8952 Schlieren [email protected] Institut für Medizinische Genetik DAS IMG IM ÜBERBLICK • Genetische Sprechstunde • Chromosomen-Diagnostik • Molekulare Diagnostik • Genomdiagnostik • Forschung http://www.medgen.uzh.ch Institut für Medizinische Genetik Wann denke ich in der hausärztlichen Sprechstunde an eine genetische Beratung? Institut für Medizinische Genetik KINDERSPRECHSTUNDE Diagnostische Abklärung und genetische Beratung z. B. bei: • Chromosomenstörungen • Syndromalen Erkrankungen • Fehlbildungen (z. B. Herzfehler) • Neurologischen Erkrankungen • Mentaler Retardierung • Skelettdysplasien • Wachstumsstörungen • abnormalem Kopfumfang • monogene Erkrankungen (z.B. NF) • Störungen der Geschlechtsentwicklung • erbliche Formen der Gehörlosigkeit Institut für Medizinische Genetik ERWACHSENENSPRECHSTUNDE Diagnostische Abklärung und genetische Beratung z. B. bei: • neurologischen Erkrankungen • Mentaler Retardierung • Haut-Bindegewebserkrankungen • Kardiovaskuläre Erkrankungen • Nierenerkrankungen • Angeborene Seh- und Hörstörungen • Komplexe/syndromale Erkrankungen • Infertilität, Sterilität • Habituelle Aborte Institut für Medizinische Genetik Beispiel aus unserer Sprechstunde: 55 jähriger Mann mit schwer einzuordnenden Symptomen Anamnese: Der Patient sei immer kleiner und zierlicher gewesen als seine Geschwister, beim Sport hätte ihm oft die körperliche Kraft gefehlt. Bei einem Zusammenbruch (Epilepsie oder Synkope) sei es zu mehreren Wirbelfrakturen gekommen, es seien eine Osteoporose und ältere Frakturen festgestellt worden. Institut für Medizinische Genetik Beispiel aus unserer Sprechstunde: 55 jähriger Mann mit schwer einzuordnenden Symptomen Familienanamnese: Mutter mit Osteoporose nach der Menopause, ansonsten keine Osteoporose oder vermehrte Frakturen in der Familie bekannt. Befunde: Ausgeprägte Kyphose, eher flaches Fussgewölbe, springender 4. Zeh links, Haut mit Neigung zu Hämatomen und Blasen an den Händen. Institut für Medizinische Genetik Diagnose: COL1A1-Genmutation Institut für Medizinische Genetik Patientenbeispiel • Junger Mann mit St.n. einmaliger Synkope und z.T. komischem Gefühl in Herzgegend • Abklärungen mittels Belastungs-EKG und 24h-EKG unauffällig Diagnose? Brugada-Syndrom Institut für Medizinische Genetik PRÄNATALDIAGNOSTIK • • • • Ausschluss einer Chromosomenstörung des Feten Ausschluss einer molekulargenetisch oder molekular-zytogenetisch diagnostizierbaren Krankheit bei betroffenen Familienmitgliedern bzw. bekannter Anlageträgerschaft Aufklärung über die Risiken der Pränataldiagnostik Genetische Beratung bei pathologischen Befunden Institut für Medizinische Genetik TUMORGENETIK • • • • • • • • • • Hereditärer Brust-Ovarialkrebs Hereditärer Dickdarmkrebs Multiple endokrine Neoplasien Hamartosen (NF1, Tuberöse Sklerose, Cowden-Syndrom, Peutz-Jeghers-S.) Syndrome mit hohem Malignitätsrisiko (Fanconi-Anämie, Bloom-Syndrom, Ataxia teleangietatica) Li-Fraumeni-Syndrom Gorlin-Syndrom Von-Hippel-Lindau Syndrom Xeroderma pigmentosum Familiäres Melanom etc. Institut für Medizinische Genetik Genetik von familiären Krebserkrankungen Brustkrebs Genetische Testung bei (National Comprehensive Cancer Network Guidelines Version 1.2016): • Brustkrebs ≤ 45 Jahre • Brustkrebs ≤ 50 Jahre mit zusätzlichem primärem Brustkrebs oder mind. 1 naher Verwandter mit Brustkrebs oder Pankreaskrebs, ein Verwandter mit Prostatakrebs oder unbekannte oder limitierte Informationen zur Familiengeschichte • Triple negativer Brustkrebs ≤ 60 Jahre Institut für Medizinische Genetik • Brustkrebs unabhängig von Erkrankungsalter bei - ≥ 1 engem Verwandten mit Brustkrebs ≤ 50 Jahre - ≥ 2 engen Verwandten mit Brustkrebs - ≥ 1 enger Verwandter mit Ovarialkarzinom - ≥ 2 engen Verwandten mit Pankreaskarzinom oder Prostatakarzinom - enger männlicher Verwandter mit Brustkrebs - Ethischer Abstammung mit höherer Mutationsfrequenz • Ovarialkrebs • Männlicher Brustkrebs Institut für Medizinische Genetik • Prostatakarzinom mit ≥ 1 engem Verwandten mit Brustkrebs, Ovarialkarzinom, Pankreaskarzinom oder Prostatakarzinom • Pankreaskarzinom mit ≥ 1 engem Verwandten mit Brustkrebs, Ovarialkarzinom, Pankreaskarzinom oder Prostatakarzinom • Pankreaskarzinom und Ashkenazi jüdische Abstammung • Positive Familienanamnese ohne Erkrankung beim Ratsuchenden: - Erst- oder zweitgradig Verwandter mit einem oben genannten Kriterium - Drittgradig Verwandter mit Brustkrebs oder Ovarialkrebs, der ≥ 2 enge Verwandte mit Brustkrebs (mind. einmal ≤ 50 Jahre) oder Ovarialkrebs hat. Institut für Medizinische Genetik Darmkrebs/ Lynch-Syndrom Stark erhöhtes Lebenszeitrisiko für folgende Tumoren: • 52-82% für kolorektales Karzinom (mittleres Alter bei Diagnose 44-61 Jahre) • 25-60% für Endometrium-Karzinom (mittleres Alter bei Diagnose 48-62 Jahre) Zusätzlich erhöhtes Risiko für: Magenkarzinome (6-13%, mittleres Alter bei Diagnose 56 Jahre) und Ovarialkarzinome (4-12%, mittleres Alter bei Diagnose 42.5 Jahre, ca. 30% vor dem 40. LJ) Zusätzlich leicht erhöhtes Risiko für weitere Tumore Institut für Medizinische Genetik Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen Institut für Medizinische Genetik Welche Rolle spielen Pharmakogenetik und personalisierte Medizin heute? Individualisierte Krankheitsprävention und Therapie Institut für Medizinische Genetik SNP - Single Nucleotide Polymorphism Proband 1 1621 cgtggacatc atgagagaca tcgcctctgg gctaatagga ctacttctaa tctgtaagag 1681 cagatccctg gacaggcgag gaatacagag ggcagcagac atcgaacagc aggctgtgtt 1741 tgctgtgttt gatgagaaca aaagctggta ccttgaggac aacatcaaca agttttgtga Proband 2 1621 cgtggacatc atgagagaca tcgcctctgg gctaatagga ctacttctaa tctgtaagag 1681 cagatccctg aacaggcgag gaatacagag ggcagcagac atcgaacagc aggctgtgtt 1741 tgctgtgttt gatgagaaca aaagctggta ccttgaggac aacatcaaca agttttgtga 1 SNP / 1000 bp, ~ 5 Million SNPs im menschlichen Genom Institut für Medizinische Genetik Beispiele für medikamentöse Wirkungen/ Nebenwirkungen aufgrund genetischer Variation Gen HLA-B TPMT HLA-B CYP2C19 CFTR UGT1A1 CYP2D6 Medikament Abacavir Azathioprin Carbamazepin Clopidogrel (Plavix) Ivacaftor Nilotinib Tetrabenazin Genotyp HLA-B*57:01 TPMT*2, TPMT*3A, TPMT*3C HLA-B*15:02 CYP2C19*2, CYP2C19*3, CYP2C10*17 G551D (rs75527207) UGT1A1*28, TA6/TA7 promotor CYP2D6*3, *4, *5, *6, *XN Institut für Medizinische Genetik Beispiel Abacavir Institut für Medizinische Genetik Beispiel Tamoxifen Institut für Medizinische Genetik Analyse von genetischen Variationen in 231 Genen Institut für Medizinische Genetik Personalisierte Medizin am Beispiel Brustkrebs 1 Gen kann mit verschiedenen Krebserkrankungen assoziiert sein z.B. BRCA1-Mutation Brust Eierstock Prostata www.eesom.com Deshalb unterschiedliche Vorsorgeuntersuchungen www.krebsliga.ch Institut für Medizinische Genetik Personalisierte Medizin am Beispiel Brustkrebs http://www.cancer.gov Institut für Medizinische Genetik Beispiel aus unserer Sprechstunde: 40 Jahre alte Patientin mit unilateralem Brustkrebs Brusterhaltende Operation mit anschliessend fraktionierter Bestrahlung Exome Sequencing Institut für Medizinische Genetik 2 Varianten im ATM-Gen c.3576G>A (p.K1192K) c.2251-4A>G Institut für Medizinische Genetik Ataxie-Teleangiektasie-Syndrom • Klinik: Progressive zerebelläre Ataxie, okulomotorische Apraxie, Choreoathetosis, Teleangiektasien der Konjunktiven, Immunschwäche, häufige Infektionen, erhöhtes Risiko für bösartige Tumore v.a. Leukämie und Lymphome, ausgeprägte Strahlensensitivität. • Das Ataxie-Teleangiektasie-Syndrom folgt einem autosomalrezessiven Erbgang durch Mutationen im ATM-Gen. • Heterozygote Anlageträger haben ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, v.a. erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Institut für Medizinische Genetik Wie lese ich einen Gentest, den mein Patient über das Internet hat machen lassen? Institut für Medizinische Genetik Monogene vs. Komplexe Erkrankungen Monogene Erkrankungen Komplexe Erkrankungen Ein einzelner Gendefekt bedingt die Erkrankung Mehrere genetische und nichtgenetische Dispositionsfaktoren 5-7% der Bevölkerung betroffen Erkrankungen häufig (Volkskrankheiten) Vorhersagewert eines Gentests Vorhersagewert eines Gentests gering sehr hoch(Krankheitsvorhersage) (Risikomodifikation) Institut für Medizinische Genetik Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
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