KAB - Pressenotiz 60 Jahre gesteuerte Migration aus Italien Akademie, ACLI und KAB veranstalten Festakt zum Anwerbeabkommen mit Italien Die Unterzeichnung des Anwerbeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien am 20.Dezember 1955 feierten Vertreter/-innen von ACLI, KAB und von Politik und Gesellschaft in der Katholischen Akademie in Hohenheim. Klaus Barwig, Referent für Migration an der Akademie erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass das Abkommen bereits 10 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs unterzeichnet wurde. Darin wurde die Zuwanderung von überwiegend süditalienischen Arbeitskräften für die Landwirtschaft und den Straßenund Brückenbau im Nachkriegsdeutschland geregelt. Diese Abkommen wurde Vorbild für weitere Verträge mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal, und Jugoslawien. Was zunächst mit dem Begriff „Gastarbeiter“ als zeitlich begrenztem Arbeitsaufenthalt (Rotationsprinzip) Länder geplant war, entpuppte sich bald für viele als faktische Einwanderung. Familiennachzug und Sesshaftwerdung waren die häufig unterschätzten Folgen. Bischof Dr. Gebhard Fürst wies in seiner Rede auf den Beitrag dieser ersten Pioniere eines Europas ohne Grenzen hin, mit geistigen und kulturellen Blockaden aufgeräumt zu haben, die sich aus der Vorkriegs- in die Nachkriegszeit gerettet hatten. Arbeitsmigration wurde zum alltäglichen Phänomen. Bischof Fürst würdigte Don Battista Mutti, Italienerseelsorger der ersten Stunde. Er wurde bereits 1951 von seinem Heimatbischof 1951 nach Stuttgart geschickt, um sich um die Italiener zu kümmern. Und gleich im Jahr der ersten größeren Arbeitskräfte-Zuwanderung, 1956, wurde in Stuttgart die erste Italienischkatholische Mission gegründet – mit Battista Mutti als erstem Seelsorger. Landesminister Peter Friederich betonte in seinem Referat, dass der Satz „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ viel zu lange die Migrationspolitik bestimmte, obwohl die Realität schon längst einer andere geworden war. Msgr. Giancario Perego von der italienischen Bischofskonferenz beindruckte mit konkreten Zahlen. Im Unterschied zu den anderen Anwerbenationen ist bei der italienisch geprägten Arbeitskräftewanderung stärker das Phänomen der Pendelmigration zu beobachten. Insgesamt 4,6 Millionen Italiener sind seit 1955 nach Deutschland ausgewandert. Davon sind jedoch 3,6 Millionen wieder zurück nach Italien zurückgegangen. Ministro Alessandro Gaudiano von der italienischen Botschaft betonte, „Rückblickend können wir heute behaupten, dass dieses Abkommen auch eine Voraussetzung für das „Wirtschaftswunder“ war, das Deutschland in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte. Das Abkommen war auch der Ausgangspunkt für die europäische Mobilität. Noch zwei weitere Jahre, nämlich bis 1957, dauerte es bis zur Verkündigung des Prinzips der Freizügigkeit von Arbeitnehmern innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Letztendlich war es auch der Anfang des Prozesses der Einwanderung und Integration von Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen, der heute ein Merkmal der offenen deutschen Gesellschaft geworden ist.“ KAB-Bundesvorstand Peter Niedergesäss forderte, erst die politische Teilhabe mache aus Migranten Mitbürger. Um das zu ermöglichen, muss auch die einheimische Gesellschaft bereit sein, sich zu verändern. An dieser Aufgabe müsse die Zivilgesellschaft und damit auch die Akademie, ACLI und katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB weiterarbeiten. Im Hinblick auf die aktuellen Terroranschläge von Paris und Bagdad machte er deutlich, wenn Jugendliche keine Lebens- bzw. keine Berufsperspektive hätten, würden sie anfällig werden für den IS. „Mich wundert diese Perspektivlosigkeit angesichts der jahrelang anhaltenden prekärer Zustände in den Vororten von Paris bzw. Brüssel nicht. Diese Jugendlichen lechzen nach Anerkennung, Geborgenheit und einer Perspektive für das Leben. Deshalb ist es dringend geboten, dort und auch in Deutschland mehr in die Berufliche Qualifizierung zu investieren. Am Ende des Symposium forderte Betriebsseelsorger Wolfgang Herrmann, Migration als eines der wesentlichen Zeichen der Zeit zu verstehen und daraus ableitend die notwendigen Konsequenzen für ein Einwanderungsgesetz, faire Bedingungen für Arbeitsmigrant/-innen und die Etablierung verlässlicher Beratungsstellen zu ziehen. Gianni Bottalico Präsident von ACLI-International (ACLI – Associazioni Cristiane Lavoratori Italiani – Christliche Vereinigung der italienischen Arbeitnehmer) betonte, „Ich möchte auch darauf hinwiesen, dass diese Vereinbarung einer der ersten Schritte in Europa zu wirtschaftlicher Integration und Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewesen ist. Von den ersten "Gastarbeiter" vor sechzig Jahren, hat es bis heute zu einer starken und stabilen Gemeinschaft geführt die mit dem deutschen Gesellschaft wirtschaftlich und kulturell interagiert.“ Für Peter Niedergesäss, KAB-Diözesansekretär war diese Veranstaltung ein Auftakt. „ Wir müssen dringend die Frage nach den beruflichen Perspektiven von Jugendlichen in Europa vertiefen und politische Vorschläge entwickeln. Daran sollten wir auch die Jugendlichen selber beteiligen, sie kennen ihre Notwendigkeiten am besten.“ Bildunterschrift: Von links, am Rednerpult Peter Niedergesäss, KAB-Diözesansekretär; Wolfgang Herrmann, Leiter der Betriebsseelsorge; Klaus Schmitz, ehemaliger Sozialreferent an der deutschen Botschaft in Rom, Hildegard Rothenhäusler, Ministerialrätin Ministerium für Kultus, Jugend und Sport; Wilfried Wienen, Grundsatreferent KABDeutschland; Laura Moitzi, Pflegeheim-Leiterin, Rorschach; Gianni Bottalico, Präsident ACLI Italien, Muhammet Karatas, IHK Stuttgart
© Copyright 2025 ExpyDoc