Das Staunen motiviert ihn immer wieder - IHK Bonn/Rhein-Sieg

TITELTHEMA
Serie
(Teil 5)
In seinem Weiterbildungsinstitut Alaksa bereitet
Dr. Anastasios Mintopoulos
angehende Fachwirte
auf die IHK-Prüfung vor.
Als junger Mann absolvierte
Dr. Mintopoulos drei Ausbildungen.
Dr. Anastasios Mintopoulos kam als Kind griechischer Einwanderer nach Deutschland. Er hat sämtliche Chancen unseres Bildungssystems genutzt
und bis zum Doktortitel manchen Umweg in Kauf
genommen. Mit ihm schließen wir unsere Serie
go!. Insgesamt haben wir sechs Führungskräfte
portraitiert, deren Karriere mit einer Lehre begann.
Portrait:
Dr. Anastasios Mintopoulos
Das Staunen motiviert
ihn immer wieder
In seiner Troisdorfer Grundschulklasse saß der kleine Tasso mit zwei weiteren Gastarbeiterkindern
in einer Ecke und malte. Dem Unterricht konnte er kaum folgen. Er war aus Alexandroupoli im
Nordosten Griechenlands ins Rheinland gekommen,
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Die Wirtschaft Dezember 2015/Januar 2016
Deutsch konnte er nicht. Das brachte ihm auch niemand bei, Sprachförderung für Migrantenkinder
gab es in den späten 70-er Jahren nicht. „Meinen
Hauptschulabschluss habe ich mit Ach und Krach
geschafft“, sagt Dr. Anastasios Mintopoulos. Heute
ist er promovierter Wirtschaftswissenschaftler.
Das Thema seiner 300-seitigen Doktorarbeit: „Der
deutsche Weg zur sozialen Marktwirtschaft.“
Mintopoulos hat jede Chance zur Bildung,
die das Duale Ausbildungssystem bietet, genutzt.
Dabei hat er auf die Beratung der IHK Bonn/RheinSieg vertraut. Die Fachleute für Aus- und Weiterbildung der IHK zeigten ihm immer wieder neue
Wege, wenn seine Karriere in einer Sackgasse zu
enden drohte.
Zunächst absolvierte Mintopoulos drei Ausbildungen, eine zum Former und Gießer, eine zum
Koch und eine zum Einzelhandelskaufmann. Das
Kaufmännische liegt ihm besonders, bei Saturn war
er 18 Jahre lang beschäftigt. Dort hat er sich berufsbegleitend zum staatlich anerkannten Handelsassistenten weitergebildet. Jürgen Hindenberg,
Geschäftsführer Berufsbildung und Fachkräftesi-
REPORTAGE
Serie
(Teil 5)
Go! Duale Berufsbildung:
Von der Hauptschule zum Doktortitel
cherung der IHK Bonn/Rhein-Sieg, riet Mintopoulos
anschließend, sich zum Betriebswirt IHK fortzubilden.
Umwege über Österreich
und Rumänien
Sein nächstes Ziel: Der „Master of Business Administration“. Allerdings schob das deutsche Recht
dem einen Riegel vor: Ohne Abitur kein Masterstudium. Diesmal gab die Weiterbildungsgesellschaft
der IHK Bonn/Rhein-Sieg den entscheidenden Impuls: Sie kooperiert als einziger Bildungsanbieter
in Nordrhein-Westfalen mit dem IfM – Institut für
Management in Salzburg. Weiterbildungsgesellschaft und IfM haben ein gemeinsames MBA-Programm entwickelt, das Mintopoulos erfolgreich absolvierte.
Erst dieser Umweg über das europäische Recht
ermöglichte schließlich die Promotion, zu der sein
Mastervater Prof. Lutz Rosenstiel Mintopoulos ausdrücklich ermunterte. Der Trick: Der MBA-Titel aus
Österreich musste in Deutschland anerkannt werden. Damit war der Weg zur Doktorarbeit frei. Die
schrieb Mintopoulos an einer rumänischen Universität. „Das Staunen treibt mich immer wieder an“,
sagt er zu seiner Motivation. „Das Staunen über
Dinge, von denen ich ursprünglich nie gedacht
hätte, sie jemals zu können.“
Die Schwächen stärken
Mintopoulos ist an drei verschiedenen Instituten als Dozent tätig. Er unterrichtet angehende Wirtschafts- und Handelsfachwirte, Kaufleute
und Betriebswirte in Fächern wie Marketing, Personalmanagement, Logistik und Rechnungswesen.
Außerdem hat er ein eigenes Weiterbildungsinstitut gegründet. Alaksa lautet dessen griechischer
Name. Übersetzt heißt das etwa: „Ich habe mich
verändert, weil ich gelernt habe.“
Während seines Unterrichts sieht Mintopoulos häufig, dass seine Teilnehmer gerade in ihren
schwachen Fächern Stärken entwickeln. Beispiel
Mathematik: „Schon mehrmals haben technische
Fachwirte mir erzählt, sie könnten komplexe Mathematikaufgaben nicht lösen. Bei der Prüfung
schreiben sie dann in der Kosten- und Leistungsrechnung die beste Note.“
In seinen Schülern sieht Mintopoulos ein Stück
seiner selbst. Auch auf ihrem Karriereweg liegt der
eine oder andere Stolperstein. Mintopoulos hat gelernt, solche Stolpersteine zu umgehen.
Ursula Katthöfer, freie Journalistin, Bonn
Dr. Anastasios Mintopoulos – ein Mann will nach oben. Ich lernte ihn kennen,
als er Ausbildungsleiter bei Saturn war. Wir unterhielten uns über seine Mitwirkung in einem Prüfungsausschuss der IHK. Seine Lebensgeschichte packte
mich: Am Anfang hatte er es wegen schlechter Sprachförderung nur zu einem
Hauptschulabschluss gebracht. Jetzt bewies er durch konsequente berufliche
Weiterbildung und durch seine drei Berufsabschlüsse, dass er sein berufliches
Ziel noch längst nicht erreicht hatte.
In seinem Büro haben wir dann per Handschlag seine nächste Weiterbildung zum Betriebswirt (IHK) vereinbart. Das machte ihn erst richtig hungrig
auf Bildung. Das System der Undurchlässigkeit zwischen akademischer und
beruflicher Bildung, wie wir es uns heute noch in Nordrhein-Westfalen leisten, zwingt IHKs, Kooperationsmodelle mit Hochschulen im Ausland zu suchen. Er konnte sich auf Grund einer Kooperation unserer IHK mit einem Institut in Salzburg zum MBA weiterbilden - unter Anrechnung eines Großteils
seiner IHK-Leistungen. Daraufhin seine Idee: „Jetzt promoviere ich!“ Das Ergebnis erfuhr ich von einer Postkarte aus Las Vegas: „Ihr Dr. Mintopoulos“!
Dr. Mintopoulos hat alle Stufen des Deutschen Qualifizierungsrahmens
durchlaufen. Er ist ein Beispiel dafür, dass insbesondere bei Mitarbeitern
mit Migrationshintergrund viele ungeschliffene Rohdiamanten sind, die wir
als Personalentwickler fördern müssen. Ihnen fehlt es nicht an
Intelligenz, sondern an den richtigen Startbedingungen.
Die Chancen für die Unternehmen, unter den Menschen
mit Migrationshintergrund erfolgreiche Fachkräfte zu
finden, werden immer besser – denken Sie nur an die
Flüchtlinge! Auch für sie gilt unser Motto: „Go! Duale
Berufsbildung – dein starker Weg“!
Jürgen Hindenberg;
Geschäftsführer Berufsbildung und Fachkräftesicherung der IHK Bonn/Rhein-Sieg
Tel.: 0228 2284 146, E-Mail: [email protected]
Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR)
Für mehr Vergleichbarkeit zwischen beruflichen und akademischen Abschlüssen
sorgt der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR). Er
ordnet die Abschlüsse acht
Qualifikationsniveaus zu.
Fortbildungsberatung zu
den IHK Fortbildungsregelungen:
www.ihk-bonn.de
Webcode 2683
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