Sinnvolle Beschäftigung Longierarbeit mit Viel mehr als nur Hunden im Kreis laufen ... Wenn man sich vorstellt, dass ein Mensch in der Mitte eines Kreises steht und ein Tier ihn entlang des Kreisrandes umrundet, denkt man eigentlich eher an ein Pferd als an einen Hund. Werden dabei noch Hürden übersprungen, verstärkt sich diese Zuordnung. Wofür sollte es auch gut sein, einen Hund zu longieren, so nämlich heißt der passende Begriff? Wird es ihm nicht langweilig, dauernd stupide im Kreis zu laufen? Und wie bringt man ihn überhaupt dazu, das zu tun? Wir sprachen über dieses Thema mit Lynn Hesel, der Inhaberin der Hundeschule DreamTeam. Lynn Hesel mit ihren Hunden Lucas und Leni DHM: In Ihrer Hundeschule bieten Sie verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten an, darunter auch das Longieren. Wie sind Sie darauf gekommen? Lynn Hesel: So genau weiß man nie, wann man zum ersten Mal von einer Sache hört, aber ich erinnere mich, dass ich in einem Buch von Thomas Baumann übers Longieren gelesen habe. Die Argumente dafür schienen mir einleuchtend, und deshalb habe ich es einfach mal selber ausprobiert. Die Begeisterung vor allem von Leni, meiner Deutsch-Kurzhaar-Hündin, hat mich dann vollends überzeugt. DHM: Wie bringe ich meinen Hund dazu, am Kreisrand entlangzulaufen, wenn ich in der Mitte stehe? Lynn Hesel: Es gibt sicher verschiedene Wege, das Longieren aufzubauen. Natürlich brauche ich zuerst einmal einen Kreis. Ich nehme Weidezaunpfähle mit 50 Zentimetern Höhe, die verbinde ich mit einem rot-weißen Absperrband. Am Anfang reicht ein Kreisdurchmesser von circa zehn Metern. Womit man den Kreis absteckt, ist nicht so wichtig, aber vor allem zu Beginn des Trainings sollte man darauf achten, dass der Hund sich an der Absperrung nicht verletzen kann und dass das Absperrband etwa auf Augenhöhe angebracht ist. Im Interview: Lynn Hesel Schon seit 1999 ist sie als Hundetrainerin aktiv, 2003 eröffnete Lynn Hesel ihre eigene Hundeschule „DreamTeam“ in der Nähe von Freising / Bayern. Darüber hinaus führt sie zusammen mit ihrer Schwester ein kleines Tierheim in Niederbayern. Derzeit begleiten sie zwei eigene Hunde, der siebenjährige Border Collie Lucas und die zweijährige Deutsch-Kurzhaar-Dame Leni. Mehr Informationen erhalten Sie unter u www.hundeschule-dreamteam.de u www.tierfreunde-niederbayern.de! 40 Das Deutsche Hunde MagaziN 12/2011 Anfangs dient der Futterbeutel als Hilfsmittel Ich stehe am Anfang nah am Flatterband, der Hund ist außerhalb des Kreises. In die Richtung, in die der Hund laufen soll, halte ich einen Futterbeutel als Motivationshilfe. Ich halte den Beutel so hoch, dass der Hund ihn durch Springen nicht erreichen kann, und setze mich am Flatterband entlang in Bewegung, der Hund läuft außen mit. Nach etwa einem Viertel des Kreises werfe ich den Futterbeutel in Laufrichtung außerhalb des Kreises, steige über das Band und belohne den Hund aus dem Beutel. Wichtig ist, dass der Hund draußen belohnt wird. Die Größe des Kreises richtet sich nach der Größe des Hundes. Je größer der Hund, desto größer der Kreis, das schont die Gelenke und die Wirbelsäule des Hundes. Ich würde sagen, für kleine Hunde acht bis zehn Meter Durchmesser, mit Leni longiere ich manchmal auch um einen Kreis mit 20 Metern Durchmesser. Sollte der Hund in den Kreis springen, schubse ich ihn einfach unter dem Flatterband wieder nach draußen, ich verwende dazu auch „Raus da!“ Das Errichten der Tabuzone Innenkreis ist ein wesentlicher Bestandteil des Longierens. u Deutliche Handzeichen geben die Richtung an Schrittweise nimmt der Hundebesitzer seine Position am Kreismittelpunkt ein www.deutsches-hundemagazin.de 41 Sinnvolle Beschäftigung Hier longieren zwei Hundehalter mit ihren Hunden, jeder Vierbeiner ist vollkommen auf „seinen Menschen“ konzentriert Der Grund hierfür ist, dass die meisten Hundebesitzer im Alltag, versuchen ihren Hund bei sich zu halten. Nun den Spieß umzudrehen und dem Hund zu sagen: „Bleib weg von mir!“ ist eines der faszinierenden Dinge des Longierens, weil genau diese Tatsache zur Folge hat, dass der Hund näher kommen möchte. Thomas Baumann beschreibt es so, dass der Fokus stärker auf dem Hundebesitzer liegt, wenn der Hund auf Distanz bleiben muss. Je mehr der Hund versteht, draußen bleiben zu müssen, desto länger wird die Strecke, die der Hund außen mitlaufen soll, bevor man ihn mit dem Futterbeutel belohnt. Sehr bald sollte man auch die Richtung wechseln, also mal im Uhrzeigersinn, mal gegen den Uhrzeigersinn. Zum Wechseln der Richtung nehme ich dann den Futterbeutel in die andere Hand und kündige den Richtungswechsel auch mit dem Wort „Wechsel“ an. All das soll später ja auf große Distanz und ohne das Flatterband funktionieren. Zum einen wird also die Strecke, die der Hund außen läuft, bevor er belohnt wird, länger, zum anderen „arbeitet“ der Besitzer sich immer mehr in Richtung Kreismitte. Kunststücke können in die Longierarbeit eingebaut werden 42 Das Deutsche Hunde MagaziN 12/2011 Das Endprodukt sieht dann so aus, dass der Hund außen seine Kreise zieht und der Hundebesitzer am Mittelpunkt des Kreises steht. DHM: Macht es den Hunden tatsächlich Spaß, die ganze Zeit im Kreis zu laufen? Lynn Hesel: Natürlich würde es für Hunde langweilig werden, nur im Kreis zu laufen. Wobei man wirklich unterschätzt, wie gerne Hunde rennen. Aber ich baue schon relativ früh verschiedene Dinge am Longierkreis auf. Es bieten sich zum Beispiel verschiedene Kommandos an, die auf Distanz geübt werden können: Sitz, Platz, Steh und die verschiedenen Gangarten wie Schritt, Trab und Galopp. Auch verschiedene Tricks aus dem Dogdance-Bereich kann man üben, wie Diener, Drehungen, SeitwärtsGehen, Piaffieren usw. Und natürlich lieben die Hunde es, wenn man ein paar Geräte aus dem Agility aufbaut: Hürden, Tunnel, Weitsprung, Reifen. Auch für Apportierübungen ist Platz am Longierkreis, wobei ich meine Hunde nicht in den Kreis apportieren lasse, sondern ihnen das Apportel am Flatterband abnehme. DHM: Wie lange dauern die Übungseinheiten bei Ihnen im Kurs? Für die Hunde ist das Longieren (im Gegensatz zu ihren Besitzern) wohl körperlich recht anstrengend? Lynn Hesel: Das hängt natürlich vom Ausbildungsstand des Hundes ab. Je fortgeschrittener der Hund, desto länger kann er am Kreis arbeiten. Wie lange ein Hund sich konzentrieren kann, ist natürlich auch ausschlaggebend, genauso wie seine körperliche Verfassung, sehr junge oder sehr alte oder gehandicapte Hunde weniger lang als körperlich fitte Hunde. Wer gerne rechnet, kann mal einen Taschenrechner konsultieren und feststellen, dass die Strecke bei einem Kreis mit 20 Metern Durchmesser ganz schön zu Buche schlägt. Baut man dann noch ein paar Aufgaben ein, sind die Hunde auch geistig gefordert – für mich eine sehr gute Kombination. DHM: Ist das Longieren ausschließlich dazu gedacht, den Hund körperlich auszulasten, oder hat es noch einen anderen Zweck? Es braucht einiges an Training, bis ein Hundehalter seine zwei Hunde gleichzeitig longieren kann Während Lucas auf seinen Einsatz wartet, läuft Leni trotz fehlendem Absperrband am Kreisrand entlang und meistert die Hindernisse Lynn Hesel: Wie ich vorher schon bemerkt habe, ist das Phänomen beim Longieren, dass die Hunde aufmerksamer werden. Meist ist es ja so, dass man seinen Hund immer nah bei sich haben möchte, vor allem draußen. Immer heißt es: „Geh nicht so weit weg“, „Komm aus der Wiese raus“ etc. Beim Longieren dreht man den Spieß nun komplett um und sagt dem Hund: „Bleib weg!“ Das sind die Hunde nicht gewohnt, und man erreicht dadurch, dass sie eigentlich näher kommen möchten: Distanz schafft Nähe. So erreicht man beispielsweise bei den zu viel Selbstständigkeit tendierenden Rassen (beispielsweise die Terrier-Rassen), dass sie sich besser auf ihren Besitzer konzentrieren. DHM: Wirkt sich das Longieren auch auf das Verhältnis zwischen dem Hund und seinem Besitzer außerhalb der Übungseinheiten aus? Lynn Hesel: Zum einen ist hier die bessere Konzentration auf den Besitzer zu erwähnen, die wirkt nämlich auch noch nach der Lon- gierarbeit. Zum anderen habe ich festgestellt, dass zum Beispiel sehr lauffreudige Hunde den Spaß beim Longieren natürlich auch mit ihrem Besitzer verknüpfen, was sich wiederum auf die Beziehung zwischen Hund und Besitzer positiv auswirkt. Ich habe in meinen Longierkursen viele sogenannte SüdländerHunde (Galgos, Podencos), die aufgrund ihres Jagdtriebes selten Freilauf genießen. Dass sie beim Longieren so richtig rennen dürfen, rechnen sie ihren Besitzern natürlich hoch an. DHM: Welche Hundetypen kann man für diese Beschäftigung begeistern? Lynn Hesel: Eigentlich finden sich in meinen Longierkursen viele verschiedene Hundetypen: vom kleinen Terrier bis zur Dogge. Was ich noch nicht getestet habe, ist beispielsweise der Typ Herdenschutzhund. Ich denke, den Ausschlag gibt, ob ein Hund Spaß daran hat, sich zu bewegen, zu laufen. Das ist nun mal das Hauptmerkmal beim Longieren. DHM: Braucht der Hund bestimmte körperliche Voraussetzungen, damit er beim Longieren mitmachen kann? Lynn Hesel: Mit Welpen würde ich es noch nicht tun: Zum einen ist die Wahrnehmung bei Welpen noch ein wenig eingeschränkt, zum anderen sollte Bewegung bei ihnen nur fein dosiert verabreicht werden. Aber ab der Pubertät kann man durchaus schon anfangen, vor allem weil hier bei unseren vierbeinigen Freunden der Freiheitsdrang einsetzt und man mit dem Prinzip: „Distanz schafft Nähe“ schon die Konzentration auf den Hundebesitzer fördert. Wenn man das Longieren mit Herz und Verstand macht, kann auch ein gehandicapter Hund longieren – ich würde aber dazu raten, vorher einen Hundephysiotherapeuten zu kontaktieren, um ganz sicherzugehen. Wie bei allen Hundesportarten gilt: Das Wohlbefinden und die Unversehrtheit des Hundes stehen an erster Stelle. DHM: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch! DHM Text und Fotos: Michaela Kohl Beim gleichzeitigen Longieren muss immer ein Hund warten, während der andere läuft www.deutsches-hundemagazin.de 43
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