Rechtswissenschaftliches Institut Damian Fischer Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M. [email protected] Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht (FS 2016) Fall 4: Aktienrecht Gruppe 1 (A-H): Dienstag, den 15. März 2016 (12.15 – 13.45 Uhr) Hörsaal: KOL-F-121 Gruppe 2 (I-P): Mittwoch, den 16. März 2016 (14.00 – 15.45 Uhr) Hörsaal: RAI-G-041 Gruppe 3 (Q-Z): Freitag, den 18. März 2016 (12.15 – 13.45 Uhr) Hörsaal: KOL-F-117 Die Tiefbau AG ist eine nicht börsenkotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Sie beschäftigt rund 150 Arbeitnehmer in der Schweiz und hat den folgenden statutarischen Gesellschaftszweck: «Betrieb eines Tiefbau-, Strassenbau- und Belags-Unternehmens; Ausführung von allgemeinen Bauarbeiten; Beteiligungen, Erwerb, Belastung und Veräusserung von Grundstücken». Ihr Aktionariat besteht aus einem Kreis von rund 30 Personen, der sich aus Mitgliedern der Gründerfamilie, ehemaligen Mitarbeitern und externen Investoren zusammensetzt. G ist Geschäftsführer und sitzt gleichzeitig im dreiköpfigen Verwaltungsrat der Tiefbau AG. Wegen eines Todesfalles in der Familie erbte G ein Grundstück, welches nahe an einer dicht befahrenen Autobahn liegt. Weil er das geerbte Grundstück privat nicht verwenden konnte, beabsichtigte er, den im Grundstück enthaltenen Wert durch Verkauf an die Tiefbau AG zu realisieren. Es gelang ihm, seine beiden Mit-Verwaltungsräte davon zu überzeugen, dass das Grundstück der Tiefbau AG als Lagerstandort dienen könnte, um Baumaschinen der Tiefbau AG zwischen ihren Einsätzen abzustellen. Weil bei der Tiefbau AG in der Tat Bedarf an Abstellraum bestand, einigte man sich auf einen Kauf des Grundstückes. G schlug vor, für die Bewertung des Kaufpreises auf eine Schätzung der langjährigen Revisionsstelle der Tiefbau AG, der Revisions-AG, abzustellen. Mangels eines einfach eruierbaren Marktpreises für das fragliche Grundstück stimmte der Gesamtverwaltungsrat diesem Vorschlag zu. G kontaktierte tags darauf die Revisions-AG und mandatierte sie mit der Erstellung einer Kaufpreisschätzung. Am Telefon wies G den leitenden Revisor der Revisions-AG darauf hin, dass im Hinblick auf eine künftige Zusammenarbeit die Festlegung eines für G «guten» Kaufpreises zu begrüssen wäre. So kam es, dass der Kaufpreis für das Grundstück in der Schätzung der Revisions-AG auf CHF 2.1 Mio. festgesetzt wurde, obwohl der tatsächliche Marktpreis kaum über CHF 1.5 Mio. liegt. In einem öffentlich beurkundeten Grundstückkaufvertrag zwischen G und der Tiefbau AG wurde das Grundstück im folgenden Monat zu dem von der Revisions-AG festgestellten Kaufpreis von CHF 2.1 Mio. verkauft und im Grundbuch übertragen. Nach Abschluss des Geschäftsjahres machte sich die Revisions-AG wie jedes Jahr daran, den Abschluss der Tiefbau AG zu prüfen. In ihrem Revisionsbericht, der den Aktionären mit der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung zugesandt wurde, wurde allerdings verschwiegen, dass die Revisions-AG als Kaufpreisschätzerin tätig war. Wie zu erwarten war, wirkte sich der Erwerb des überteuerten Grundstückes negativ auf den Jahresabschluss der Tiefbau AG aus. Der Jahresgewinn fiel wesentlich tiefer aus, so dass dieses Jahr nur eine geringe Dividende ausgerichtet werden konnte. An der ordentlichen Generalversammlung der Tiefbau AG kam es deshalb zu heftigen Diskussionen. Trotz Opposition von einigen Aktionären, insbesondere von A, einem Architekten, der einen Anteil von 12% an der Tiefbau AG hält, wurden der revidierte Jahresabschluss und die beantragte Dividendenausschüttung von der Generalversammlung genehmigt. Am folgenden Wochenende inspizierte A auf einem Sonntagsspaziergang das von der Tiefbau AG erworbene Grundstück und stellte mit seinem geschulten Auge sofort fest, dass dieses Grundstück kaum einen Marktwert von CHF 2.1 Mio. hat. Er schliesst daraus, dass die Tiefbau AG das Grundstück massiv überzahlt hat, und hegt den Verdacht, dass beim Grundstückkauf nicht alles mit rechten Dingen zu- und hergegangen ist. 1/2 Rechtswissenschaftliches Institut Frage 1: A kommt rund eine Woche nach der ordentlichen Generalversammlung der Tiefbau AG aufgewühlt zu Ihnen in die Anwaltskanzlei und fragt Sie, ob und was er gegen diesen Grundstückkauf zum jetzigen Zeitpunkt noch unternehmen könne. Welche Optionen sehen Sie? (Erstellen Sie eine Auslegeordnung). Strafrechtliche Aspekte sind nicht zu prüfen. Frage 2: Wie beurteilen Sie die Chancen von A, gerichtlich erfolgreich gegen die Revisions-AG vorzugehen? Begründen Sie, warum Sie zu diesem Schluss kommen. Frage 3: Wie beurteilen Sie die Chancen von A, gerichtlich erfolgreich gegen G vorzugehen? Begründen Sie, warum Sie zu diesem Schluss kommen. Frage 4: Was hätte G vorkehren sollen, um den umstrittenen Grundstückkauf vor Kritik zu schützen? ***** 2/2
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