Fokus Produktionsumgebung Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen Verfahren nach Hygenic Design oder strömungstechnischen Grundsätzen Dr.-Ing. Markus Rochowicz, Markus Keller, Frank Bürger . Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Abteilung Reinst- und Mikroproduktion, Stuttgart Zusammenfassung Bei der Herstellung von kontaminationskritischen Produkten in der pharmazeutischen Industrie aber auch in anderen Branchen ist nicht nur die Reinheit der verwendeten Substanzen, Werkstoffe und Bauteile sowie der Fertigungsumgebung relevant, sondern insbesondere auch die reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen. Diese Gerätschaften bekommen hinsichtlich erreichbarer Produktreinheit, Qualität und Ausbeute zunehmend eine Schlüsselrolle, da sie oft in direktem Produktkontakt stehen und der Mensch als „traditionelle Quelle Nummer eins“ von Verunreinigungen durch die zunehmende Automatisierung immer mehr aus dem Produktumfeld verschwindet. Der Begriff „Reinheit“ oder „reinheitsgerechte Auslegung“ und was man darunter verstand, war in der Vergangenheit stark durch die jeweilige Branche geprägt, in der er zur Anwendung kam. Auf der einen Seite ist beispielweise in den Life Science Branchen oder der Lebensmittelindustrie der Begriff Reinheit klassisch mit Keimfreiheit und guter Reinigbarkeit verknüpft. Auf der anderen Seite in der Reinraumtechnik, deren Entwicklung und auch Normung maßgeblich durch die Halbleiterindustrie geprägt wurde, ist die Reinheit mit der Partikelabgabe in die Umgebungsluft und dem strömungstechnischen Verhalten einer Komponente verbunden. Seit einigen Jahren wird zum einen durch ein tieferes technisches Verständnis von Verunreinigungsmechanismen oder durch neue Regelwerke zum anderen aber auch durch den „Blick über den Tellerrand“ der Begriff Reinheit wesentlich umfassender und je nach Anwendung differenzierter gesehen. Branchengrenzen verwischen und neue technologische Konzepte zu einem reinheitsgerechten Design werden umgesetzt. Für alle drei Aspekte werden im Rahmen diese Artikels Beispiele erläutert. Es geht zum einen um das Hygenic Design in der Life Science Industrie und die konsequente Umsetzung der hygienischen Designvorgaben am Beispiel eines Edelstahlmöbels. Zum anderen wird die Prüfung der Reinraumtauglichkeit betrachtet. Konkret am Partikelemissionsverhalten und den strömungstechnischen Aspekten am Beispiel von Produktionsanlagen für den Reinraum. Zuletzt zeigt der Beitrag neue übergreifende Ansätze im Bereich Hygenic Design und optimiertes Strömungsverhalten am Beispiel eines Analysegeräts. 1. Grundlagen des Hygenic Design in der Life Science Industrie In der Life-Science-Industrie ist eine hygienische Fertigungsumgebung Voraussetzung im Bestreben nach geringen kontaminationsbedingten Ausschüssen und die Einhaltung der Reinheit und gegebenenfalls Sterilität 394 der prozessierten Produkte. Die Produktqualität wird vor allem durch Mikroorganismen, aber auch andere Verunreinigungen wie Partikel und chemische Rückstände negativ beeinflusst. Um die Gefahr einer Produktkontamination während des Produzierens zu minimieren, dürfen Betriebsmittel in der jeweiligen Fertigungsumgebung nach EU-GMP An- Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen nex 1 keine Kontaminationsquellen darstellen [1]. Der GMP-Leitfaden schreibt im Anhang 1: „In reinen Bereichen sollten alle exponierten Oberflächen glatt, undurchlässig und ohne Risse sein, um eine Abgabe oder Ansammlung von Partikeln oder Mikroorganismen möglichst gering zu halten und die wiederholte Anwendung von Reinigungs- und gegebenenfalls Des- TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only Korrespondenz: Dr.-Ing. Markus Rochowicz , Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Reinst- und Mikroproduktion, Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart; e-mail: [email protected] 1.1 Konsequente Umsetzung der hygienischen Designvorgaben am Beispiel eines Edelstahlmöbels 1.1.1 Eingesetzte Werkstoffe Geeignete Werkstoffe müssen für den Einsatz in der Life-Science Industrie beständig gegen die eingesetzten chemischen Reinigungsund Sterilisationsmittel sein. Sie dürfen von Mikroorganismen nicht besiedelt und verstoffwechselt werden. Die Oberflächenbeschaffenheit muss so gestaltet sein, dass eine einwandfreie Reinigung gewährleistet ist. Von den Materialien dürfen keine Substanzen in das Produkt migrieren. Meist kommen bekannte Materialien, wie Edelstahl und verschiedene geprüfte und zugelassene lebensmittelunbedenkliche Elastomere, Kunststoffe und Schmiermittel zum Einsatz. Neue Werkstoffe mit entsprechender Qualifizierung werden die aktuelle Werkstoffauswahl entscheidend erweitern. Die Werkstoffauswahl für Produktionsanlagen hinsichtlich minimaler Kontaminationen ist für die Industrie ein äußerst wichtiges, bisher allerdings kaum erforschtes Anliegen. Einige Richtlinien geben prinzipielle Materialempfehlungen, wie das EHEDG Document 8: „Gestaltungskriterien für hygienegerechte Maschinen“ oder DIN EN ISO 14159: „Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen“ [4], [5]. Nach EHEDG DOC 8 dürfen Materialien aus Polycarbonat (PC), Polyetheretherketon (PEEK), schwach verzweigtes Polyethylen (HDPE), Polytetrafluorethylen (PTFE), Acetal (POM), Polypropylen (PP) und Polyvinylchlorid (PVC) verwendet werden. Die DIN EN ISO 14159 fordert folgende grundlegend notwendige Materialeigenschaften: korrosionsbeständig, nicht toxisch, sie dürfen das Produkt und Laugen und kann für eine Vielzahl an Produkten für die Lebensmittelindustrie, die pharmazeutische und kosmetische Industrie, chemische Apparatetechnik, Medizinprodukte, Küchengeräte und im Sanitärbereich eingesetzt werden. 1.1.2 Designdetails Türen und Scharniere Durch die folgend skizzierte Umsetzung wurde die Forderung einer kompletten Entleerbarkeit aus EHEDG DOC 8 [4] und aus DIN EN ISO 14159 [5] „eine Ansammlung von Flüssigkeiten ist zu vermeiden“ gewährleistet. Die Türen (Abb. 1) bestehen aus doppelschalig nahtlos lasergeschweisten Edelstahlelementen, welche an der Oberseite und Unterseite eine Schräge von 45 Grad aufweisen. Damit können Flüssigkeiten ungehindert komplett ablaufen. Besonders hervorzuheben sind die dreidimensional verstellbaren Türscharniere. Durch die Einbeziehung der Anschrägung in die Scharniere und Minimierung auf einen kleinen beweAbb. 1: Türen und Scharniere – Detailansicht (Bildquelle: genden Stift, welcher in Friedrich Sailer GmbH, Neu-Ulm). einer nach unten offenen Buchse geführt wird, ist auch hier eine nicht kontaminieren und dürfen vollständige Entleerung gewährleisnicht adsorbierend wirken (Material- tet. Flüssigkeit kann sich an und im migraton) und müssen temperatur- Scharnier nicht ansammeln. Das beständig für die jeweiligen Prozesse Scharnier wurde mit einer entsprechenden Dichtung nahtlos an die sein. Bei den hier maßgeblich verwende- Türe befestigt. Flüssigkeit kann nicht tem Material handelt es sich um ein in den Befestigungsspalt des ScharEdelstahl der Güte 1.4301 (USA AISI niers eindringen. Somit kann von den Type 304; Japan JIS SUS 305). Dieser Scharnieren ausgehend kein Konaustenitische 18/10 Cr-Ni-Stahl bie- taminationsrisiko entstehen. Das tet eine ausreichende Widerstands- Material der Dichtung ist ein von fähigkeit gegen atmosphärische Kor- der FDA zugelassener Silikondichtrosion. Das Material ist sehr gut po- stoff. lierbar und kann durch formgebende Methoden (Tiefziehen, Rollen, Bie- Spülbecken und Ablauf gen) sehr gut bearbeitet werden. Das Spülbecken weist durchgehend Der Stahl ist widerstandsfähig gegen einen Rundungsradius von r > 3 mm Wasser und Wasserdampf, schwache auf und erfüllt somit die Anfordeorganische und anorganische Säuren rungen der EHEDG Doc. 8 [4]. Der TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen 395 Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only infektionsmitteln zu ermöglichen“ [1]. Ausrüstungsgegenstände, welche nach den Prinzipien des hygienegerechten Designs konzipiert wurden, reduzieren erheblich das Risiko einer Kontamination, sei es partikulär oder mikrobiologisch. Vergleichbare Anmerkungen sind im ISPE Baseline Guide Active Pharmaceutical Ingredients, Chapter 11: Facility and Equipment Cleaning zu finden [2]. Die für die Lebensmittelindustrie verfügbaren Gestaltungsrichtlinien der für hygienegerechtes Design (DIN EN 1672-2 [3], EHEDG Doc. 8 [4] und ISO 14159 [5] sind für die LifeScience Industrie ebenfalls direkt anwendbar und finden eine immer breitere Zustimmung. Grundlegende Details werden bei einer am Fraunhofer IPA mit dem Projektpartner Friedrich Sailer GmbH durchgeführten „Tested Device“-Qualifizierung und Optimierung der hier vorgestellten Edelstahlmöbel detailliert betrachtet und werden in diesem Artikel vorgestellt. Fokus Produktionsumgebung ni e gi hy isk r c ni e gi hy .k. o ni e gi hy .k. o c c ign s de = 2. Grundlagen der Reinraumtauglichkeit hinsichtlich Partikelemission und Strömungsverhalten = Abb. 2: Hygienische Ausführungen zur restlosen Entleerbarkeit: Abläufe (Bildquelle: Fraunhofer IPA). Ablauf (Abb. 2) wurde direkt in das Spülbecken eingelasert, sodass auch hier keine Fuge entsteht. Die Einfassung des Spülbeckens ist ebenfalls mit entsprechenden Schrägen konstruiert, damit Flüssigkeiten direkt in das Spülbecken (Abb. 3) fließen können. Horizontale Flächen wurden soweit als möglich vermieden. Eine durchgehende Entleerbarkeit als Forderung für eine hygienegerechte Ausführung nach EHEDG Doc. 8 ist somit gewährleistet. Innenraumgestaltung Die Innenräume der Hygienemöbel sind durchgehend ohne Naht gefertigt. Alle Rundungsradien liegen bei r = 15 mm. Dies entspricht einer Hygieneklasse H3 nach DIN 18865-9 und gewährleistet eine einfache Reinigung aller Oberflächen [6]. Einlegeboden Die Einlegeböden (Abb. 4) sind ebenfalls doppelschalig nahtlos lasergeschweißt. Die Schweißnähte sind anschließend poliert, sodass 396 Die Güte eines Reinraums definiert sich bspw. nach DIN EN ISO 14644-1 [7] oder VDI 2083 Blatt 1 [8] über die Größe und Anzahl von Partikeln die in einem Normvolumen Reinraumluft vorhanden sein dürfen (siehe auch Tab. 1). Dementsprechend ist auch der Begriff der Reinraumtauglichkeit zu verstehen: So gilt eine Gerätschaft, eine Komponente oder eine Maschine als tauglich für eine bestimmte Reinraumklasse, wenn durch deren Eigenpartikelabgabe die entsprechende Reinraumklasse nicht verschlechtert wird. Zur Bestimmung dieser Reinraumtauglichkeit werden Luftpartikelzähler eingesetzt, die auf der Basis von Laserstreulicht die Anzahl und Größe von Partikeln zwischen 0,1 μm und 5 μm messtechnisch bestimmen können, die von einem Ausrüstungsgegenstand in die Umgebungsluft abgegeben werden. Die gleichen Partikelzähler werden eingesetzt, um auch die Klassen von Reinräumen zu bestimmen. Die Bestimmung des Par- eine durchgehende homogene Oberflächenqualität erreicht wird. Die Aufnahme der Regalböden geschieht durch Prägungen, welche nahtlos in die Schrankwand eingearbeitet wurden. Die Ausführungen der Prägungen erfolgte ebenfalls mit der konsequenten Umsetzung der von der EHEDG Doc. 8 geforderten Rundungsradien von mindestens 3 mm und der in DIN EN ISO 14159 aufgeführten Designprinzipien. Keinerlei spitze Winkel oder Kanten können eine Reinigung erschweren, sodass die Aufnahmen der Regalböden ebenfalls sehr einfach und vollständig reinigbar sind. Unter Berücksichtigung der genannten Aspekte können die hier betrachteten Edelstahlmöbel der Firma Friedrich Sailer GmbH aus Neu-Ulm für reine und hygienekritische Bereiche Abb. 3: Hygienegerechter Spültisch (Bildquelle: Friedrich Sailer ausnahmslos eingeGmbH, Neu-Ulm). Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only ni e i g hy isk r c ign s de setzt werden. Diese Beurteilung basiert neben der Materialauswahl auf der fast komplett durchgängigen Reinigbarkeit. Somit können Kontaminationen effektiv entfernt werden. Eine gegebenenfalls notwendige Sterilisation (nasschemisch oder gasförmig durch beispielsweise Wasserstoffperoxid-Benebelung) kann aufgrund der Materialverträglichkeit ohne Einschränkung durchgeführt werden. ecv Wissenschaft und Technik in der Anwendung Ex. Computervalidierung im GxP-regulierten Umfeld ISBN 978-3-87193-412-4 • € 64,00 • Neuauflage 2010, 208 Seiten Ex. Gute Hygiene Praxis ISBN 978-3-87193-379-0 • € 64,00 • 2. überarbeitete Auflage 2008, 248 Seiten Ex. GMP für die WirkstoffHerstellung ISBN 978-3-87193-297-7 • € 64,00 • 1. Auflage 2003, 192 Seiten Ex. GMP- / FDA-Compliance in der Biotechnologie ISBN 978-3-87193-329-5 • € 64,00 • 1. Auflage 2006, 192 Seiten Ex. Good Engineering Practice ISBN 978-3-87193-330-1 • € 64,00 • 1. Auflage 2005, 160 Seiten Fertigspritzen ISBN 978-3-87193-393-6 • € 64,00 • 1. Auflage 2009, 176 Seiten Ex. FDA-Anforderungen an die CGMP-Compliance ISBN 978-3-87193-272-4 • € 64,00 • 1. Auflage 2005, 220 Seiten GMP- / FDA-gerechte Validierung ISBN 978-3-87193-376-9 • € 64,00 • 2. überarbeitete Auflage 2010, 248 Seiten Ex. Die Qualified Person ISBN 978-3-87193-362-2 • € 64,00 • 1. Auflage 2007, 144 Seiten Ex. GMP-Inspektionen und -Audits ISBN 978-3-87193-381-3 • € 86,00 • 2. überarbeitete Auflage 2010, 176 Seiten Ex. GMP- / FDA-Anforderungen an die Qualitätssicherung ISBN 978-3-87193-380-6 • € 64,00 • 1. Auflage 2009, 214 Seiten Zielgruppen • Pharmaunternehmen • Zulieferindustrie • Behörden / Überwachungsämter • Hochschulen / Universitäten • Planungs- / Beratungsunternehmen Herausgegeben von Tel. +49 (0)7525-940 148, Fax: +49 (0)7525-940 147, eMail: [email protected] Onlineshop, Leseproben und Inhaltsverzeichnisse – www.ecv.de Bestellung Bitte liefern Sie mir die oben aufgeführten Ausgaben des pharma technologie journal. Zahlungsweise Name Land Vorname Umsatzsteuer-Id.-Nr. (nur Europa) Position eMail Firma Telefon Nummer Anschrift Fax Gültig bis Postleitzahl / Ort Datum / Unterschrift Inhaber Rückgabegarantie: Sie haben das Recht, diese Bestellung innerhalb von 14 Tagen ohne Begründung zu widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Preisänderungen vorbehalten. Alle Preise inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten. Rechnung Kreditkarte (Amex, Visa, Mastercard) ECV · Editio Cantor Verlag Fokus Produktionsumgebung Tabelle 1 Klassifizierung der Luftqualität: luftgetragene Partikel gemäß EU-GMP Annex 1, DIN EN ISO 14664-1 und US Fed 209E. Nomenklatur DIN EN EG-GMP Maximal zulässige Partikelzahl gem. DIN EN ISO 14644-1 entsprechend verschiedener Partikelgrößen EG-GMP US Fed. ISO "at "in Standard pro 0,1 μm pro pro pro pro pro pro pro pro pro pro pro 14644-1 rest" operation" 209E* m³ cbf m³ cbf m³ cbf m³ cbf m³ cbf m³ cbf 10 1 2 3 4 10 5 A 0,3 0,3 μm 2 0,1 0,5 μm 100 3 24 1 10 0,3 4 0,1 30 237 7 102 3 35 1 1.240 35 265 8 106 3 35 1 10.000 300 2.370 67 1.020 29 352 9,9 12.000 340 2.650 75 1.060 29 353 10 100.000 2.833 23.700 671 10.200 289 3.520 100 3.520 100 20 0,6 3.520 100 29 0,8 293 8 B 100 1.000.000 28.329 26.500 750 10.600 300 3.530 100 237.000 6.710 102.000 2.890 35.200 997 35.300 1.000 352.000 9.972 352.000 352.000 1.000 7 C B 10.000 8 D C 100.000 9 Abb. 4: Einlegeböden (Bildquelle: Friedrich Sailer GmbH, Neu-Ulm). tikelemissionsverhaltens von Betriebsmitteln ist in VDI 2083 Blatt 9.1 [9] beschrieben. Aktuell existieren weltweit keine weiteren Regelwerke zu diesem Thema. Auf internationaler Ebene wurde 2011 ein Vorschlag für ein „New Work Item Proposal“ für die Erarbeitung eines neuen Regelwerks 398 5,0 μm 1.000 A 6 1,0 μm 8 0,2 83 2 832 24 8.320 235 29 0,8 247 7 2.930 83 9.972 2.900 82 9.972 2.900 82 353.000 10.000 2.470 70 3.520.000 99.716 29.300 830 3.520.000 99.716 29.000 821 3.520.000 99.716 29.000 821 3.530.000 100.000 24.700 700 35.200.000 997.167 8.320.000 293.000 8.300 83.200 832.000 2.357 23.569 235.694 Abb. 5: Messaufbau zur Bestimmung der Reinraumtauglichkeit (Bildquelle: Fraunhofer IPA, Stuttgart). eingereicht und bestätigt. Erfahrungsgemäß kann die Erstellung eines solchen Regelwerks vier bis sechs Jahre in Anspruch nehmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt in einem Reinraum und damit auch bei der Bestimmung der Reinraumtauglichkeit ist das Strömungsverhalten von Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen Gerätschaften. Insbesondere in Reinräumen mit turbulenzarmer Verdrängungsströmung, wie sie in den höchstwertigen Reinräumen der Halbleiterindustrie zum Einsatz kommt, ist die Strömungsführung um und in Anlagen sehr wichtig. So kann bei einer geeigneten Luftführung das kontaminati- TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only 1 0,2 μm TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen 399 Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only einem Roboter der erkennen ist, hier an Achse 1 des Firma KUKA gezeigt. KUKA-Roboters. Nach einer statistiDie Testprozedur be- schen Bewertung der Messergebnisse steht dabei aus mehre- erfolgt eine Zuordnung für die Eigren Schritten. Das zu nung in einer Luftreinheitsklasse qualifizierende Be- nach DIN EN ISO 14644-1 (siehe auch triebsmittel wird in Tab. 1). Dem hier gezeigten Roboter den Prüfreinraum konnte die Eignung für die Luftrein(siehe Abb. 6) einge- heitsklasse 4 bescheinigt werden und schleust und abgerei- durch das Prüfsiegel „IPA Tested Denigt, um zu vermeiden, vice“ bescheinigt werden. Am Fraundass anhaftende Par- hofer IPA wurden seit 2000 ca. 900 tikel vermeintlich als Industrieprodukte qualifiziert, über Eigenpartiklabgabe ge- 50 % hinsichtlich der Abgabe parwertet werden. Nach tikulärer Kontaminationen unterAufbau und Inbetrieb- sucht. Ein großer Teil der Ergebnisse nahme werden die ist in der Fraunhofer TESTED DEPrüfparameter fest- VICE® Datenbank verfügbar (www. gelegt. Da die Partikel- tested-device.de). Die Integration eiabgabe maßgeblich nes Betriebsmittels in den Reinraum durch Reibung be- aus strömungstechnischen Gesichtsstimmt wird, haben punkten ist in Form einer Computer gestützten Simulation in Abb. 7 geGeschwindigkeiten, Kräfte und Momente zeigt. Es ist gut zu erkennen, wie einen großen Einfluss die zunächst laminare Erstluft aus auf die Partikelerzeu- dem Reinraum oder einer Anlagen gung und -abgabe. Die integrierten Reinluftversorgung beim Abb. 6: Turbulenzarmer Referenzreinraum der ISO Klasse 1 Prüfparameter orien- Kontakt mit Einbauten in der Anlage (Bildquelle: Fraunhofer IPA, Stuttgart). tieren sich dabei am abgelenkt wird. In ungünstigen Fälspäteren Betrieb und len kann es zur Ausbildung von Wironskritische Produkt mit hochreiner werden zusammen mit dem Herstel- beln und Turbulenz kommen, so dass Erstluft aus dem Reinraum umströmt ler des Betriebsmittels festgelegt. In eine Beherrschung von potentiellen werden und gleichzeitig Partikel von Abb. 5 ist dies durch das Gewicht am Partikelquellen in der Anlage nicht Kontaminationsquellen wie bewegten Roboterarm, das eine und reibungsbehafteten Komponen- typische Last darstellt, ten in unkritische Bereich der Anlage zu erkennen. Anschlieoder des Reinraums abgeführt werden. ßend folgt eine 24Als Werkzeuge zur Strömungsoptimie- stündige Betriebspharung werden beispielsweise CFD-Si- se, die das Einlaufen mulationen (Computer Fluid Dyna- der Bewegungselemic) eingesetzt, um bereits bei der Pla- mente ermöglicht. Die nung und Konstruktion einer Anlage, Festlegung der Messderen Strömungsverhalten zu optimie- stellen erfolgt daraufren. Die Strömung, die sich im Betrieb hin zunächst manuell, im Reinraum dann letztendlich ein- um die kritischen und stellt, kann z. B. mit Reinstwasser-Ne- Partikel generierenden belgeneratoren visualisiert werden. Punkte an einem Betriebsmittel mit Hilfe 2.1 Partikelemissionsverhalten eines Luftpartikelzähund strömungstechnische lers festzulegen. DaAspekte am Beispiel von raufhin werden die Produktionsanlagen für den QualifizierungsmesReinraum sungen mit feststehenDie Prüfung der Reinraumtauglich- den Partikelsonden keit hinsichtlich der Eigenpartikel- durchgeführt, was Abb. 7: Simulierte Strömungsführung im Inneren einer Anlage abgabe ist beispielhaft in Abb. 5 an ebenfalls in Abb. 5 zu (Bildquelle: Fraunhofer IPA, Stuttgart). Fokus Produktionsumgebung mehr möglich ist. Durch eine Optimierung der Einbauten in der Anlage sowie eine entsprechende Positionierung von Absaugungen, kann die Strömungsführung in der Anlage so gestaltet werden, dass das Kontaminationsrisiko für das Produkt minimiert wird. 400 Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only lohnen könnte, ist die Prüfung der Bauteilsauberkeit nach VDA 19 [10]. Dieses Regelwerk, das für die Automobil- und Zulieferindustrie entwickelt wurde, beschreibt die qualifizierte Erstellung von Extraktionsprozeduren zur Erfassung 3. Neue übergreifende von PartikelverunreiAnsätze nigungen an Bauteilen. Ein Beispiel für neue übergreifendere Das Neue bei dieser Ansätze im Thema Reinheitstaug- Vorgehensweise ist die lichkeit spiegelt sich in der aktuellen Qualifizierung dieser Version des EU-GMP Annex 1 [1] wie- Extraktionsprozeduren der. Erkennbar ist eine stärkere Hin- durch sog. Abklingwendung zu den Luftreinheitsklas- messungen sowie der sen nach DIN EN ISO 14644-1 [7]. Nachweis der PrüftaugTab. 1 vergleicht die verschiedenen lichkeit über die BeGrenzwerte der maximal zulässigen stimmung von BlindPartikelzahl für die jeweilige Größ- werten. Die dort beenklasse für entsprechenden Luft- schrieben Methoden Abb. 9: Visualisierung der guten Umströmung im Reinraum (an reinheitsklassen nach DIN EN ISO eignen sich prinzipiell einem Raman Spektrometer der Fa. RapID) (Bildquelle: 14644-1, EU-GMP Annex 1 und dem ebenfalls sehr gut für Fraunhofer IPA, Stuttgart). zurückgezogenen Standard US Fede- die Prüfung der Saural Standard 209E: berkeit von z. B. VerDas bedeutet für die Praxis der packungen in der Pharma-Industrie Größenanalyse von Partikeln eingereinheitsgerechten Auslegung von oder auch zur Prüfung von Instru- setzt wird, die auf einer AnaAnlagen und Maschinen: Wird die menten oder Implantaten in der Me- lysemembran abgeschieden werden. Reinraumtauglichkeit eines Betriebs- dizintechnik. Dieses System kann für Analyseframittels bezüglich Partikelabgabe gestellungen in verschieden Brannach VDI 2083 Blatt 9.1 bestimmt, 3.1 Hygenic Design und chen eingesetzt werden, z. B. zur kann nun prinzipiell dessen Eignung optimiertes StrömungsKontrolle von Wirkstoffen im pharfür die entsprechenden GMP Rein- verhalten am Beispiel eines mazeutischen Bereich aber auch zur Analysegeräts heitsklassen übertragen werden. Analyse von Schadpartikeln in der Ein weiteres Beispiel, wo sich ein Manchmal sind es aber nicht gesetz- Halbleiterindustrie. Blick über den „Branchen-Tellerrad“ liche Regelungen oder neue techDer Hersteller dieses Systems hat nologische Entwick- sich deshalb dazu entschieden, Reinlungen, die dazu füh- heitsforderungen aus mehreren ren, dass bei der rein- Branchen in die Geräteentwicklung heitsgerechten Aus- einfließen zu lassen. Im Speziellen legung von Anlagen sind dies: und Maschinen Rein- . Die sehr gut Abreinigbarkeit und Materialbeständigkeit, die nach heitsaspekte aus verRegeln des Hygenic Design umgeschiedenen Branchen setzt wurden, wie sie im Beispiel in mit berücksichtigt Abschnitt 2.2 beschrieben wurden. werden – manchmal sind es auch ganz . Die strömungstechnische Optimierung für den Einsatz in einem pragmatische GrünReinraum mit turbulenzarmer de, wie im folgenden Verdrängungsströmung. Dies zeigt Beispiel. Abb. 8 zeigt die Strömungssichtbarmachung in ein RamanspektroAbbildung 9, die das sehr geleichmeter der Fa. RapID, Abb. 8: Raman-Spektrometer der Fa. RapID (Bildquelle: mäßige und turbulenzfreie Abdas zur Material- und Fraunhofer IPA, Stuttgart). strömen der Reinraumluft über das Gerät demonstriert, visualisiert mit einem Reinstwasser-Nebelgenerator. 4. Fazit 5. Danksagung Unser besonderer Dank gilt Herrn Christoph Mützel und dem Team der Friedrich Sailer GmbH, Neu-Ulm, für die für die Durchführung einer Tested-Device Hygiene-Qualifizierung am Fraunhofer IPA, für die Bereitstellung des Bildmaterials eines konsequent hygienisch gestalteten Edelstahlmöbels, welches in diesem Artikel als Referenzobjekt vorgestellt wurde, und für die inhaltliche Unterstützung bei dieser Publikation. Weiterhin bedanken wir uns bei der Fa. KUKA Robot Group, Augsburg für TechnoPharm 2, Nr. 6, 394–401 (2012) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) die Durchführung der Tested-Device Reinraumtauglichkeits-Qualifizierung und die Freigabe des Bildmaterials sowie bei der Fa. RapID, Berlin insbesondere Herrn Dr. Valet für die gemeinsame reinheitsgerechte Auslegung des Ramanspektrometers. Fachliteratur [1] EU-GMP Guide to Good Manufacturing Practice, Annex 1. Manufacture of sterile medicinal products. Brussels : European Commission, 2008. [2] ISPE Baseline Volume 1, second edition. Active Pharmaceutical Ingredients. Tampa : International Society for Pharmaceutical Engineering, 2007. [3] DIN EN 1672-2. Nahrungsmittelmaschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Teil 2: Hygieneanforderungen. Berlin : Beuth Verlag, 2009. [4] EHEDG Doc 8. Gestaltungskriterien für Hygienegerechte Maschinen, Apparate und Komponenten. Frankfurt : European Hygienic Engineering and Design Group, 2004. [5] DIN EN ISO 14159. Sicherheit von Maschinen – Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen. Berlin : Beuth Verlag, 2002. [6] DIN 18865-9. Großküchengeräte – Ausgabeanlagen – Teil 9: Schrankinnenräume in Standard- und in Hygieneausführung. Berlin : Beuth Verlag, 1997. [7] DIN EN ISO 14644-1. Reinräume und Zugehörige Reinraumbereiche – Teil 1: Klassifizierung der Luftreinheit anhand der Partikelkonzentration. Berlin : Beuth Verlag, 2010. [8] VDI 2083 Blatt 1. Reinraumtechnik – Partikelreinheitsklassen der Luft. Berlin : Beuth Verlag, 2005. [9] VDI 2083 Blatt 9.1. Reinraumtechnik – Reinheitstauglichkeit und Oberflächenreinheit. Berlin : Beuth Verlag, 2006. [10] VDA Band 19. Prüfung der Technischen Sauberkeit – Partikelverunreinigung funktionsrelevanter Automobilteile. 1. Auflage. Frankfurt a. M. : VDA, 2004. [11] DIN EN ISO 846. Einwirkung von Mikroorganismen auf Kunststoffe Bedarfsgegenstände. Berlin : Beuth Verlag, 1997. [12] DIN EN ISO 2812-1. Beschichtungsstoffe – Bestimmung der Beständigkeit gegen Flüssigkeiten – Eintauchen in Flüssigkeiten außer Wasser. Berlin : Beuth Verlag, 2007. [13] ISO 22196. Kunststoffe – Messung von antibakterieller Aktivität auf Kunststoffoberflächen. Berlin : Beuth Verlag, 2007. [14] VDI 2083 Blatt 17 – Entwurf. Reinraumtechnik – Reinraumtauglichkeit von Werkstoffen. Berlin : Beuth Verlag, 2011. Rochowicz et al. . Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen 401 Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only Bei der reinheitstauglichen Auslegung von Anlagen und Maschinen sind heute in vielen Fällen mehr Aspekte zu berücksichtigen als noch vor wenigen Jahren. Dies kann mehrere Gründe haben, wie beispielsweise die Ausweitung von gesetzlichen Vorgaben (siehe EU-GMP Annex 1) oder der Wunsch ein Gerät in mehreren Branchen zu vermarkten (siehe Beispiel 4.2). Die Bewertung der Reinheitstauglichkeit von Maschinen und Anlagen wird damit zu einer mitunter komplexen Fragestellung die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen erfordert. In der Abteilung Reinst- und Mikroproduktion des Fraunhofer IPA in Stuttgart wird aus diesem Grund die Thematik seit vielen Jahren konsequent ausgebaut. In einem Team aus Ingenieuren verschiedener Disziplinen, Biologen, Chemikern und anderen Naturwissenschaftlern werden Fragestellungen der Reinen Produktion umfassen untersucht. Für die Reinheitsgerechte Auslegung von Maschinen und Anlagen können je nach Zielbranche oder Kundenanforderung die verschiedensten Reinheitsaspekte geprüft und optimiert werden: . Das Hygenic Design von Anlagen . Die Abreinigbarkeit von Partikeln, filmischen Verunreinigungen oder Keimen von Oberflächen . Die Validierung von Reinigungsverfahren hinsichtlich Ihrer Wirksamkeit . Die Partikelabgabe von Komponenten in die Reinraumumgebung . Die Visualisierung und Simulation des Strömungsverhaltens von Anlagen im Reinraum Die Verstoffwechselbarkeit von Werkstoffen nach ISO 846 [11] . Die chemische Beständigkeit nach ISO 2812-1 [12] . Mikrobizide Eigenschaften von Werkstoffen nach ISO 22196 [13] . Das Ausgasungsverhalten von Materialien oder Verunreinigungen nach VDI 2083 Blatt 17 [14] Bei der Ausrichtung der Forschungsund Entwicklungsarbeiten der Abteilung Reinst- und Mikroproduktion stehen dabei nicht akademische Fragestellungen oder das technisch Machbare im Vordergrund, sondern aktuelle Fragestellungen aus der Industrie. So wurden beispielsweise im Rahmen eines Industrieverbundes (CSM Cleanromm Suitable Materials) zahlreiche der oben genannten Verfahren entwickelt oder in die Reinheitsprüfung integriert. In der öffentlichen Datenbank www.ipaqualification.com sind eine Vielzahl an geprüften Ausrüstungsgegenständen und Materialien einsehbar. Um neues Technologien und vorhandenes Knowhow möglichst schnell für die Industrie nutzbar zu machen, bildet die Mitarbeit in zahlreichen Normungsgremien sowie die Personalschulung zum Fertigen unter reinen Bedingungen einen wichtigen Eckpfeiler der Aktivitäten der Abteilung. .
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