Titel_L-MAG_U2_U3_U4_01_16_Layout 1 07.12.15 15:02 Seite 2 Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90 www.l-mag.de | Januar/ Februar Das Magazin für Lesben MAG GROSSE GEFÜHLE Carol – der Film des Jahres GROSSE KLAPPE Skunk Anansie – Skin im Interview 2016 JahresHoroskop EventVorschau Superstar Cate Blanchett in Carol Das Romantik-Heft Sehnsucht nach Liebe Zu Tränen gerührt oder zu cool für Kitsch? Titel_L-MAG_U2_U3_U4_01_16_Layout 1 04.12.15 19:53 Seite 3 *03 Editorial_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 04.12.15 18:20 Seite 3 INTRO L-MAG Januar/Februar 2016 Das Romantik-Heft L-MATES Coverfoto: Cate Blanchett im Film „Carol“ Jetzt wird’s romantisch. Und da geht es heiß her. Denn Romantik ist ein hochbrisantes Thema, zu dem wirklich alle eine starke und leidenschaftliche Haltung haben. Das passt nicht nur wunderbar zum Film des Jahres, „Carol“, der grandios große Gefühle und Anspruch miteinander verbindet, sondern auch zu den von uns ausgewählten „Lesbian Pulp-Fiction“-Buchcovern. Die wilde Mischung von Trash, Kitsch und Drama zierte auch den allerersten Roman seiner Art, „Spring Fire“ von Vin Packer (aka Marijane Meaker), 1952 in den USA erschienen. ANJA HINRICHS, 52, ist auch ohne Smartphone in der Großstadt überlebensfähig und achtet im L-MAG-Verlag Special Media SDL streng auf die Einhaltung von Verwaltungs vorschriften. Sie verfügt über Wissen aus vielen Lebensbereichen und hat für uns Cornelia Scheels Buch gelesen. CAMILLA STORGAARD, 26, studiert Fotografie in Berlin. Neben vielen anderen Tätigkeiten gehört ihre Leidenschaft dem Porträtieren der LGBTCommunity, indem sie den Menschen in Berlin „unter die Haut“ geht. Für dieses Heft kam sie sechs Lesben aus sechs Ländern beim Thema Romantik näher. Coverfoto: dcm, Fotos: Privat Das Romantik-Heft Sehnsucht nach Liebe Zu Tränen gerührt oder zu cool für Kitsch? L-MAG SUSANNE LÜCK, 47, ist Sprach-Liebhaberin und schreibt, übersetzt und lektoriert Bücher, Artikel oder Werbung. Sie lebt mit Hund, Frau und Home Office in Köln. Sie hat Roman autorinnen und Verlegerinnen zum Thema Romantik befragt. 3 *04-05 Inhalt_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:52 Seite 4 INHALT 3 EDITORIAL 50 FOTO Partyfotos aus London von Egle Trezzi 4 INHALT 6 LESERINNENPOST/ IMPRESSUM 8 MAGAZIN Verabschiedung der Nationalspielerinnen Nadine Angerer und Celia Šašić | Nachruf auf Gudrun Hauer | Anti-Diskriminierungsgesetz in der Ukraine| Keine „Homo-Propaganda“ in Litauen | Heldin: Frieda Belinfante 11 L-KAMPAGNE Rock-Ikone: Melissa Etheridge 12 MAGAZIN REGIO Berlin: Stolperstein für Elli Smula | München: Rainbow City | Berlin: UnisexToilette in Senatsverwaltung | BadenWürttemberg: „Netzwerk LSBTTIQ“ 14 JAHRES-HOROSKOP 18 POLITIK Flucht aus Syrien: Der Traum von einer Zukunft Frauenarmut: Für immer ohne Kohle 22 PERSONALITY Künstlerin Toni Schmale: Geliebte Knochenarbeit 26 INTERNATIONAL Südafrika: Perverses Paradies 30 ABO 54 MUSIK Skunk Anansie:„Wir lieben Widersprüche“ | Eliot Sumner: Einfach Eliot 60 MUSIK L-SOUNDS 62 FILM „Carol“ – Ganz große Gefühle | „The Danish Girl“ | „Janis: Little Girl Blue“ 68 BUCH „Hannah Arendt – Eine Denkbiografie“ | „Mädchen für alles“ | „Endlich daheim“ | „The Rental Heart and Other Fairytales“ | „Anti-Genderismus“ | „Mildred Scheel – Erinnerungen an meine Mutter“ 72 DIGITALES LEBEN Digitale Romantik – Widerspruch oder Ergänzung? 74 EROTIK Kamin-Stimmung im Bett – romantisches Sexpsielzeug 76 EVENTS 2016 Jahresvorschau: Festivals, CSDs und Großereignisse im kommenden Jahr 80 KLATSCH 82 KOLUMNE 32 TITELTHEMA ROMANTIK 4 EVENTS 2016 Tanzen, Feiern und Demonstrieren David Bowie | Jeanne Added | Amy Antin | Savages | Bianca Casady | Dota | Mynabirds | Für Hilde Runter vom Sofa Romantik heute und gestern | Roman oder Romantik – Expertinnen im Gespräch | Umfrage: Zwischen Heteronorm und Kerzenschein | Baldrian fürs Volk: Anti-Romantik | Mord, Vampirinnen, Tod: Die dunkle Seite | Pro und Contra Valentinstag: Im Namen der Rose? | Wie romantisch bist du? – Der L-MAG-Romantik-Check 76 62 FILM „Carol“: Große Gefühle L-MAG im Internet: www.l-mag.de L-MAG *04-05 Inhalt_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:52 Seite 5 L-MAG JANUAR / FEBRUAR 2016 32 ROMANTIK: SEHNSUCHT NACH LIEBE Zu Tränen gerührt oder zu cool für Kitsch? 54 MUSIK Skunk Anansie – Skin im Interview 50 FOTO Party in London [Velvet Ibiza Festival, dcm, Jackie Baier, Egle Trezzi, Illustration: Barye Phillips ] L-MAG 5 *06-07 Leserinnenpost_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 04.12.15 20:02 Seite 6 LESERINNENPOST Keine Lust, zum Laden zu gehen? ÜBER Die aktuelle L-MAG-Ausgabe bequem und portofrei online bestellen bei: www.magazineshoppen.de Ein kleines Lob zwischendurch heitert den Alltag der Redaktion auf: Hallo, liebes L-MAG-Team, ich bin seit Jahren treue Leserin und wollte euch auch schon lange dafür loben, dass ihr seit einiger Zeit weitestgehend die geschlechtergerechte Sprache verwendet. Herzliche Grüße aus dem Rheinland, Beate Anregungen von Leserinnen unterstützen unsere Kreativität: Sehr geehrte Redaktion, mich würde es sehr freuen, wenn Sie einen Artikel zum Thema Asexualität machen könnten. Es gibt unter uns Asexuellen auch homoromantische Asexuelle, also auch lesbische Asexuelle. Leider kommt das Thema so selten irgendwo vor, dass viele erst mit über 20 Jahren oder noch später überhaupt darauf kommen, dass es das gibt und sie damit nicht allein sind. Liebe Grüße Luca Liebes L-MAG-Team, meine Partnerin und ich sind seit Jahren treue und begeisterte Leserinnen. Besonders gefallen uns die Vielseitigkeit der Beiträge und die Aktualität. Was wir (und auch andere) jedoch extrem vermissen, ist das Thema Regenbogenfamilie. Lesben und Schwule sollten als selbstverständliche und gleichwertige Mitglieder in der Gesellschaft integriert sein. Genau so selbstverständlich muss es dann aber auch sein, dass sie Familien gründen können. Da uns das der deutsche Gesetzgeber nicht gerade leicht macht, wäre es toll, wenn L-MAG nicht nur als „Motor“ für Partys und Freizeit gilt, sondern auch bei der Familiengründung unterstützt. Konkret wünschen wir uns: – eine Übersicht über die rechtlichen Möglichkeiten zur Insemination in verschiedenen Ländern, Samenspende und Eizellenspende – In welchen Ländern ist die ROPA-Methode (Eizellspende der Partnerin) erlaubt? – Vorstellung amerikanischer Kliniken – Erfahrungsberichte (vielleicht ein Serie) von lesbischen Paaren, die ihren Kinderwunsch erfüllt haben Es wäre toll und zeitgemäß, wenn ihr das mal im Team besprechen könntet! Viele Grüße Sabine Liebe Sabine, L-MAG plant für das Jahr 2016 eine Ausgabe mit dem Themenschwerpunkt Familie, die viele deiner Fragen beantworten wird. Es heißt also: Nur noch ein wenig Geduld. Dein L-MAG-Team Die nächste L-MAG, Ausgabe März/April 2016, erscheint am 26. Februar 2016 Post(s) von L-MAGFreundinnen auf Facebook 17.000 FANS! Eine neue Studie fand heraus, dass die meisten Frauen entweder lesbisch oder bisexuell sind: Ciara S.: Das weiß ich schon seit der Schule, hatte nur eine Freundin, die Frauen strikt abgelehnt hat, der Rest war jedenfalls nicht abgeneigt. Jaina S.: Glaub ich sofort, wenn es um Sex geht. Aber ansonsten bevorzugen die meisten Frauen das „sorgenfreie“ Leben mit einem Mann!!! Eine Britin muss acht Jahre ins Gefängnis, weil sie sich beim Sex als Mann ausgab: Stefanie H.: Ich hab auch keine Ahnung, dass ich mit einer Frau verheiratet bin. Das hat mich total überrascht. Oder, M.? Claudia B.: Das kann mir keine Hetera erzählen, dass sie den Unterschied zwischen Mann und Frau, einem natürlichen bzw. künstlichen Penis nicht erkennt. Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Martina R.: Rechts- und Machtmissbrauch kommt mir da so in den Sinn. IMPRESSUM L-MAG ist Deutschlands Magazin für Lesben. Es erscheint zweimonatlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Verlag: Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin, Tel.: (030) 23 55 39-0, Fax: -19 Geschäftsleitung: Gudrun Fertig, Manuela Kay Creative Director online: Gudrun Fertig Creative Director print und Chefredaktion: Manuela Kay (V.i.S.d.P.) Redaktion: Dana Müller Artdirektion: Sandy Volz Grafik & Layout: Stef Morgner Redaktion www.l-mag.de: Karin Schupp 6 Gestaltungskonzept: Ann Katrin Siedenburg Online-Design und Programmierung: Büro Dedering Anzeigenverkauf: Tel.: (030) 23 55 39-34, [email protected] Es gilt die Anzeigenpreisliste für 2016 Anzeigenschluss für L-MAG 2/16: 5.2.2016 Vertrieb: Partner Medienservices GmbH, 70597 Stuttgart, Tel.: (0711) 725 24 41 Kleinanzeigen (nur online): [email protected] Druck: Möller Druck, 16356 Ahrensfelde, www.moellerdruck.de Einzelverkaufspreis: Deutschland: 4,50 €, Schweiz: 5,90 CHF, Österreich: 5,20 €. Im Special Media SDL Verlag erscheint außerdem: SIEGESSÄULE Queer Berlin, www.siegessaeule.de Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung und Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Vom Verlag gestaltete Anzeigen sind urheberrechtlich geschützt. Eine anderweitige Verwendung ist nur mit Genehmigung des Verlages und nach Zahlung einer Nutzungsentschädigung möglich. Gerichtsstand ist der Sitz des Verlages. Kontakt: Special Media SDL GmbH, Redaktion L-MAG, Ritterstraße 3, 10969 Berlin, Tel.: (030) 23 55 39-0, Fax: -19, [email protected] L-MAG Abo-Service: MMV GmbH, Zeppelinstr. 6, 16356 Ahrensfelde, OT Blumberg, Tel.: (030) 41 90 93 36, Fax: (030) 41 90 93 20, Mo.–Fr., 9–17 Uhr E-Mail: [email protected] Die Abo-Einzüge werden turnusgemäß laut Online-Formular eingezogen. Die Special Media SDL GmbH Gläubiger-ID: DE88ZZZ00000661768 L-MAG im Internet: www.l-mag.de www.facebook.com/MagazinLMAG Veröffentlichung nach §7a des Berliner Pressegesetzes: An der Special Media SDL GmbH sind Gudrun Fertig, Journalistin und Dipl. Volkswirtin, Berlin, und Manuela Kay, Journalistin, Berlin, mit je 45 % beteiligt. L-MAG *06-07 Leserinnenpost_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 04.12.15 20:02 Seite 7 LESERINNNEN Wer liest L-MAG? Wir stellen die Leserin des Monats vor Unsere treuste Abonnentin: Brigitte Stadelmann (46) aus Bregenz in Österreich Werde auch du Leserin des Monats. Schreib uns, warum es lohnt, dich vorzustellen, an: [email protected] Foto: privat Brigitte Stadelmann ist L-MAG-Abonnentin der ersten Stunde und Vollzeit-Aktivistin. Sie ist die Erste in unserer neuen Reihe „Wer liest L-MAG“. Brigitte wohnt gemeinsam mit zwei Frauen und zwei Kindern am Bodensee. L-MAG wird von allen im Haushalt gelesen. Im Alter von 28 hatte Brigitte ihr Coming-out. Heute ist sie als queerfeministische Mädchenarbeiterin bei Amazone angestellt, einem Verein zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit. Ansonsten ist Brigitte ehrenamtlich beim LGBT-Verein Go West aktiv. Ihr Traum: eine Anlaufstelle mit Café, Kultur und vielleicht sogar einer WG für LGBT in ihrer Region zu errichten. Wer war die erste Frau, in die du dich verliebt hast? Das war wahrscheinlich schon die Lehrerin in der Volksschule oder die Kindergärtnerin. Das hab ich aber stark verdrängt. Ich habe sehr lange in einer Hetero-Beziehung gelebt, die L-MAG eigentlich sehr glücklich war, nur irgendwie nicht ganz. Ich hatte immer das Gefühl, nicht ganz zu leben. Nach der Trennung ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Gab es etwas in deinem Coming-out, das dich bis heute prägt in deinem Umgang mit dem Lesbischsein? Ja, meine Mama. Sie war auch schon damals nicht mehr die Jüngste und ist sehr katholisch aufgewachsen. Auch wenn mir bewusst war, dass sie mich niemals fallenlassen würde und mich immer lieben wird, hatte ich trotzdem Angst, dass sie Schwierigkeiten damit haben könnte. Doch ihre erste Reaktion war: „Das ist der schönste Tag in meinem Leben, denn jetzt weiß ich, dass du wirklich glücklich bist.“ Wie bist du auf L-MAG aufmerksam geworden? Über eine Freundin, die hat das am Lindauer Bahnhof gekauft. Mittlerweile kriegt man L-MAG ja fast überall am Kiosk. Aber damals war das noch sehr anrüchig: das „Magazin für Lesben“ war in der Pornoecke deponiert. Warum hast du L-MAG abonniert? Zum einen zur Unterstützung. Es ist wichtig, mit dem Abo ein Stück weit die Zeitung zu sichern. Und weil es einfach bequem ist, sie zu Hause im Briefkasten zu finden. Was liest du als erstes im Heft? Ich schaue mir immer als Erstes Musik und Literatur an, weil das meine Quelle für reflektiertere Dinge im Kulturbereich ist. Danach alles zum Thema Feminismus und Menschenrechte. Aber eigentlich schau ich mir das ganze Heft sehr genau an – sogar das Horoskop, obwohl ich absolut nicht esoterisch bin. Was würdest du gern an L-MAG ändern? Ich bin sehr kritisch und stänkere immer überall rein, aber bei euch fällt es mir echt schwer. Am Anfang fand ich die Abbildungen von Frauen sehr einseitig, aber das hat sich mittlerweile verändert. Insgesamt finde ich, L-MAG hat eine super Mischung aus tiefsinnigen Themen und Klatsch und Trasch. Und wen wünscht du dir auf dem Cover? Ellen DeGeneres. // dm 7 *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 20:08 Seite 8 L.MAGAZIN 26. November in Duisburg: Verabschiedung und Ehrung von Nadine Angerer (2. v. links) und Célia Šašić (2. v. rechts) mit Noch-Bundestrainerin Silva Neid (ganz links) GOODBYE GIRLS Nadine Angerer und Célia Šašić beenden ihre Fußball-Karriere Nadine Angerer ist die Weltfußballerin des Jahres 2013, Célia Šašić ist aktuell „Europas Fußballerin des Jahres und steht in diesem Jahr neben Carli Lloyd (USA) und Aya Miyama (Japan) als Weltfußballerin zur Wahl. Gemeinsam gewannen sie Bronze bei den Olympischen Spielen 2008 und wurden 2009 und 2013 Europameisterinnen. 2007 wurde Angerer Weltmeisterin, Šašić brach sich kurz vorher das Schienbein und verpasste diesen Titel. Die eine wurde mit dem goldenen Handschuh als beste Torhüterin bei der Weltmeisterschaft 2007, die andere mit dem goldenen Schuh als beste Torschützin bei der WM 2015 geehrt. Kapitänin Nadine Angerer und Stellvertreterin Celia Šašić gaben in diesem Jahr das Ende ihrer aktiven Karriere nach der Weltmeisterschaft bekannt. Im Rahmen des Länderspiels gegen England am 26. November wurden sie zunächst für ihre über 100 8 Länderspiele ausgezeichnet. 14 von 21 Nationalspielerinnen kamen nach Duisburg, um diese Auszeichnung entgegenzunehmen. Darunter auch Renate Lingor, Pia Wunderlich, Silke Rottenberg, Steffi Jones und Silvia Neid, die im Anschluss die offizielle Verabschiedung übernahm. Mit Nadine Angerer und Celia Šašić verlassen zwei Leistungsträgerinnen und Gesichter des Frauenfußballs das DFB-Team und hinterlassen eine große Lücke. Célia wird nun erst einmal ihr Studium beenden und Natze wird, wie Anfang Dezember bekannt wurde, Trainerin bei ihrem Ex-Verein in den USA, den Portland Thorns. Zunächst aber soll alles angesagt sein, was Spaß macht, denn Natze hat „im Moment überhaupt keinen Bock auf Sport“ und spielt lieber eine Nebenrolle bei ihrer Lieblingsserie „Die Rosenheim Cops“. // Uta Zorn L-MAG *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 20:08 Seite 9 Abschied von Gudrun Hauer Österreichische Bewegungsakteurin ist gestorben Mit Gudrun Hauer hat Österreich eine entschieden feministisch und herrschaftskritische Akteurin der Lesben- und Schwulenbewegung verloren. Sie wirkte als Journalistin, Wissenschaftlerin und Aktivistin. Bereits in den 1970er Jahren nahm sie an der ersten Demonstrationen zum Frauentag teil. Seit Beginn der 1980er Jahre war sie zunächst bei der Homosexuellen Initiative (HOSI) Salzburg und später in Wien aktiv. 1985 wurde die überzeugte Feministin als erste Frau in den Wiener Vorstand der HOSI gewählt. Sie verfasste unzählige Beiträge und Leitartikel für die lesbisch-schwule Zeitschrift Lambda-Nachrichten der HOSI und war die letzten zehn Jahre auch deren Chefredakteurin. Gudrun Hauer beförderte die Auseinandersetzung mit dem Thema Lesben und Homosexualität im Nationalsozialismus, dem sie sich mit Leidenschaft widmete: schreibend, forschend, demonstrierend, im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen und in ihrer Funktion als HOSIMitarbeiterin. Außerdem arbeitete sie als promovierte Politikwissenschaftlerin und unterrichtete viele Jahre an der Universität Wien. Auch dort trug sie maßgeblich dazu bei, feministische und lesbische Perspektiven und Themen zu etablieren. Am 4. November 2015 starb Gudrun Hauer nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 63 Jahren. // Julia Roßhart Bereit für die EU? Fotos: Uta Zorn, HOSI Wien, istock Ukrainisches Parlament stimmt gegen Anti-Homo-Gesetz Mit einer knappen Mehrheit von 234 Stimmen haben die 450 Abgeordenten des ukrainischen Parlaments im Oktober ein Gesetz verabschiedet, das Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen sexueller Orientierung verbietet. Das „Ja“ zur umstrittenen Gesetzesänderung kam für Beobachterinnen über raschend und war erst im fünften Anlauf an einem Sitzungstag durchgekommen. Damit schafft die krisengeschüttelte Ukraine eine von der EU geforderte Voraussetzung für visafreies Reisen in den Schengen-Raum. Präsident Petro Poroschenko hatte den Obersten Rat mehrfach aufgefordert, den Antidiskriminierungspassus anzunehmen. Parlamentschef Wladimir Groisman hatte noch vor der letzten Abstimmung klar formuliert: „In der Ukraine wird es keine gleichgeschlechtliche Ehe geben. Das wird nicht geschehen, und Gott bewahre, dass dies geschehe.“ Die Regierungspartei stehe für „familiäre Werte“, betonte er weiter. Nun beinhaltet das Arbeitsgesetz einen Passus, der Arbeitgeberinnen und -gebern verbietet, Arbeitnehmerinnen und -nehmer „wegen Rasse, Hautfarbe, politischer oder religiöser Über zeugung sowie Geschlechts identität, L-MAG sexueller Ausrichtung und des Vorhandenseins beziehungsweise Verdachts auf HIV oder Aids“ zu benachteiligen. Ob die neue Regelung tatsächlich im Berufsalltag berücksichtigt wird, will die schwullesbische Community in der Ukraine genau beobachten: „Unsere Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt, dass neue Gesetze dieser Art selten akkurat angewendet werden“, erklärt Emma Cassidy, Pressesprecherin von ILGA-Europe (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) gegenüber L-MAG. „Sollte dies auch dieses Mal der Fall sein, werden wir das bei den ukrainischen Behörden ebenso beklagen wie bei EU-Institutionen.“ Die ILGA sei überrascht gewesen, wie viel Widerstand es gegen die Gesetzesreform im Parlament gegeben habe – dabei sei bereits in der aktuellen Verfassung der Schutz jedes Individiums festge schrieben. „Außerdem hätte die Gesetzesreform schon viel früher umgesetzt werden können, schließlich hat sich 2014 die Regierung gegenüber Brüssel dazu verpflichtet, um den Weg in die Europäische Union zu ebnen.“ // Jana Schulze www.ilga-europe.org 9 *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 20:08 Seite 10 L.MAGAZIN Frieda Belinfante DIE HELDIN Widerstandskämpferin, Dirigentin und Cellistin 1904 Amsterdam – 1995 Santa Fe (USA) Frieda Belinfante wurde 1904 in Amsterdam geboren. Ihre Mutter war Hausfrau, ihr Vater Pianist und Besitzer einer Musikschule. Er sorgte dafür, dass Belinfante und ihre drei Geschwister eine äußerst musikalische Kindheit und Jugend genossen. Als Teenager verliebte sie sich in die Komponistin Henriëtte Bosmans und führte sieben Jahre lang eine Beziehung mit ihr, von der allerdings nur ihr Freundeskreis wissen durfte. In dieser Zeit besuchte sie nicht nur das Konservatorium, sie entdeckte auch das heimliche politische Engagement für sich. Mit nur 16 oder 17 Jahren fälschte sie zum ersten Mal einen Pass, um einer russischen Freundin die Rückkehr zu ihrem Geliebten in Russland zu ermöglichen. Nachdem 1940 die Deutschen die Niederlande besetzten, begann Belinfante, ihr Fälscherinnentalent für Jüdinnen und Juden einzu setzen, die versuchten, sich vor den Nazis zu verstecken. Irgendwann begannen allerdings die deutschen Besatzerinnen und Besatzer, die gefälschten Papiere mit den im Bevölkerungsregister gelagerten Originalausweisen zu vergleichen und Belinfante war schnell klar: Das Register musste zerstört werden. Mit einer Gruppe, der unter anderem der schwule Maler Willem Arondel angehörte, plante sie einen Sprengstoffanschlag auf die Behörde. Der Anschlag glückte und wird heute zu den wichtigsten Aktionen des niederländischen Widerstandes gezählt. Fast alle ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter wurden verhaftet und ermordet. Belinfante selbst konnte sich verstecken, indem sie sich als Mann verkleidete und dabei so erfolgreich durchging, dass nicht einmal ihre eigene Mutter sie auf der Straße erkannte. Sie versuchte weiterhin, Papiere zu fälschen und flüchtete schließlich, um ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht zu gefährden, über Paris in die Schweiz. 1947 wanderte sie nach Kalifornien aus, arbeitete in Los Angeles an der University of California und gründete als Dirigentin mehrere Orchester. Bis kurz vor ihrem Tod schwieg sie über ihre Zeit im Widerstand. 1995 starb sie in Santa Fe (New Mexiko) an Krebs. // Katrin Kämpf „Ich habe nie ohne Grund etwas Gefährliches gemacht. Aber ich habe etwas getan, das getan werden musste“ Keine „Homo-Propaganda“ Litauisches Parlament lehnt Antrag nach russischem Vorbild ab 10 Er hatte sich gegen die Abstimmung über den Gesetzesentwurf ausgesprochen: „Wir glauben, dass das Gesetz in einem Rechtsstaat nicht möglich ist.“ Der Abgeordnete Vytautas Matulevičius wiederum bemerkte, es sei Ironie, dass ausgerechnet Gražulis als geschiedener Politiker den Entwurf eingebracht habe und sich auf den „Schutz der Familie“ berufe. Die litauische Lesben- und Schwulenorganisation LGL hatte den Entwurf als „höchst gefährlich für die LGBT-Bewegung in Litauen“ bezeichnet und davor gewarnt, dass sich Litauen damit von den europäischen Werten verabschiede. Diese allerdings fehlen bereits an einigen Stellen: Das Jugendschutzgesetz verbietet etwa Schulen und Bibliotheken, Informationen bereitzustellen, die „Minderjährige zu sexuellen Beziehungen ermutigen, die Familienwerte verunglimpfen oder ein Konzept von Ehe und Familie fördern, das nicht in der Verfassung vorgesehen ist“. // Jana Schulze Fotos: sndfilms, Brigitte Dummer Mit 64 „Ja“- und 10-„Nein“-Stimmen hat das Parlament in Vilnius im Oktober den Antrag des rechtsliberalen Politikers Petras Gražulis abgelehnt: Der hatte einen Gesetzesentwurf eingebracht, demzufolge die Verunglimpfung von „verfassungsmäßigen Familienwerten“ mit Geldstrafen geahndet werden sollte: Bei „Ersttätern“ zwischen 300 und 900 Euro, im Wiederholungsfall zwischen 900 und 1.800 Euro. Zudem sollte „jede positive Darstellung von Homosexualität“ verboten werden, dazu zählen auch Lesben- und Schwulenparaden. Als Begründung schrieb Gražulis, dass „Menschen, die heterosexuelle Beziehungen wertschätzen“, diskriminiert werden würden, wenn „für nicht-traditionelle Beziehungen geworben“ werde. Bereits 2014 hatte Gražulis versucht, dieses Gesetz im Parlament einzubringen – und scheiterte an der internationalen Kritik. Das Gesetz würde Grundrechte einschränken, erklärte der liberale Abgeordnete Eligijus Masiulis. L-MAG *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 20:08 Seite 11 Lesbisch – Like the Way I Do Sie schrieb DIE lesbische Hymne, deren Zeilen Generationen von Lesben bis heute im Gefühlstaumel herausbrüllen: „Baby, tell me does she love you like the way I love you?“ Melissa Etheridge ist eine lesbische Rockikone. Seit ihrer ersten Platte 1988 veröffentlichte sie mittlerweile 18 Alben, ein Oscar und zwei Grammys zieren ihre Trophäensammlung. 1993 zelebrierte sie mit ihrem Song „Yes I Am“ ihr öffentliches Coming-out. Seitdem setzt sie sich stark für die LGBT-Community ein. So spendete sie zum Beispiel die kompletten Einnahmen ihres Songs „The Uprising of Love“ an die russische LGBT-Gemeinde. 2014 heiratete sie ihre Lebensgefährtin Linda Wallem. L-MAG traf die sympathische Musikerin, die wie kaum eine andere für lesbsiche Sichtbarkeit steht, bei ihrem letzten Konzert in Berlin im April. // dm *12-13 Magazin Regio_00 Inhalt Relaunch 07.12.15 15:15 Seite 12 L.MAGAZIN REGIONAL „Staatsabträglich“ Stolpersteinverlegung für Elli Smula (1914–1943) in Berlin Vor rund 60 Menschen ist am 16. November in der Singer straße in Berlin-Mitte ein Stolperstein im feierlichen Gedenken an Elli Smula verlegt worden. Die Initiative dazu kam von Dr. Claudia Schoppmann, Historikerin und Mitarbeiterin der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Die Berliner Straßenbahnschaffnerin Elli Smula war im September 1940 von ihrem Arbeitgeber, den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), als lesbisch bei der Gestapo denunziert und angezeigt worden. Nach sechs Wochen Haft folgte die Deportation ins KZ RavensErinnerung an Elli Smula gegenüber der Singerstraße 120 in Berlin-Mitte brück, wo Smula wohl 1943 ermordet wurde. Die direkte Verfolgung von Homosexuellen nach Paragraf 175 bezog sich ausschließlich auf männliche Personen, was die Spurensuche bei verfolgten Lesben erschwert. Offiziell wurden letztere meist als „asozial“ oder – wie im Fall Smulas – „politisch“ verfolgt und inhaftiert, bei Smula jedoch mit Aktenvermerk „lesbisch“. Persönliche Aufzeichnungen existieren nicht; ob Elli Smula lesbisch war oder gelebt hat, ließe sich daher nicht mit letzter Sicherheit sagen, erklärt Claudia Schoppmann. Ein wichtiger Anhaltspunkt allerdings, auf den sie bei ihren Nachforschungen stieß, war der Name einer weiteren Frau, die mit Smula bei der BVG dienstverpflichtet war und mit ihr gemeinsam in das KZ nach Ravensbrück kam. „In diesem Fall konnte ich aus dem Gestapo-Dienststellenkürzel rekonstruieren, dass es sich um das Sachgebiet für Homosexuelle handelte, welches beide Frauen vernommen hatte“, erzählt die Historikerin. Aus dem Verhörprotokoll Margarete Rosenbergs ergeben sich weitere Hinweise zum Tatvorwurf, den die BVG beiden Frauen gegenüber der Gestapo zur Anzeige brachte: mit den Kolleginnen nachts ausschweifenden Partys gefrönt und lesbisch verkehrt zu haben. Durch verspäteten Dienstbeginn hätten die Frauen den reibungslosen Verkehrsbetrieb gestört – „staatsabträgliches Verhalten“ im NS-Jargon. // Melanie Götz Vorbild-Stadt München wird Rainbow City Die bayrische Landeshauptstadt München ist dem europäischen Netzwerk „Rainbow Citys“ beigetreten. Ziel der Vernetzung ist es, sich über Strategien, Praxisbeispiele und Hindernisse im Umfeld kommunaler Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit für LGBT auszutauschen. München setzt sich seit Jahren für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender ein und unterstützt entsprechende Maßnahmen: Erst vor wenigen Wochen wurde ein Regenbogenfamilienzentrum eingerichtet. Der gemeinnnützigeMünchener Verein LesMamas wird den Verein Lesbentelefon e. V. bei der Ausgestaltung der neuen Anlaufstelle unterstützen. Erste Maßnahmen sind bereits für Anfang 2016 geplant. // Sabine Mahler 2015: die Aktion „Wir sind für dich da“, vorgestellt von Ulrike Mößbauer (li.)und Andreas Unterforsthuber (re.) von der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Oberbürgermeister Dieter Reiter Fotos: Claudia Schoppmann, Michael Nagy/Presseamt, Uta Zorn www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/7460 12 L-MAG *12-13 Magazin Regio_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 17:53 Seite 13 Ein Klo für alle Senatsverwaltung in Berlin führt erste Unisex-Toilette ein Unisex-Toilette im 4. Stock der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Berlin In Berlin hatte die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zum Fototermin geladen. Staatssekretärin Barbara Loth schreitet zum Akt: Die Plexiglasscheibe wird hochgeschoben, das Piktogramm der Männer-Toilette wird herausgenommen und durch ein Papier mit dem Aufdruck „WC für alle Geschlechter“ ersetzt. Ein geeignetes Symbol, was auf geschlechtsspezifische Darstellung verzichtet, konnte noch nicht gefunden werden, deshalb soll es zunächst bei „WC“ bleiben. Die Landesbehörde möchte dazu beitragen, „dass trans- und intergeschlechtliche Menschen bei einer so alltäglichen Sache wie der Nutzung einer öffentlichen Toilette keine Diskriminierung mehr erleben“, erläuterte Roth. „Wir möchten vorangehen und zugleich andere öffentliche und private Einrichtungen ermutigen, dem Beispiel zu folgen.“ Unisextoiletten sind längst in der Bahn, im Flugzeug, in Kleinstgaststätten oder auch als City-Toiletten vorhanden. In dem großen Berliner Verwaltungsgebäude bedarf es allerdings guter Ortskenntnis, um die geschlechtsneutralen Einzeltoiletten im vierten Stock zu finden. // Uta Zorn Gemeinsame Positionen Landesweit qualifizierte Beratung in Baden-Würtemberg Beratungsstellen für die LSBT-Community sind wichtig. Hier können Ratsuchende ihre Ängste und Sorgen zum Ausdruck bringen, Gleichgesinnte finden oder rechtliche Informationen erhalten. Um das Beratungsangebot in Baden-Württemberg zu optimieren, hat das „Netzwerk LSBTTIQ – Baden-Württemberg“ nun das Projekt „Etablierung landesweiter Beratung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen“ gestartet. Durch enge Zusammenarbeit und intensiven Erfahrungsaustausch der verschiedenen LSBT-Mitgliedsgruppen sollen Synergieeffekte auf Landesebene entstehen. Das Beratungsangebot kann so deutlich verbessert werden. Zudem möchten die Mitgliedsgruppen zu zentralen Themen eine gemeinsame Position erarbeiten und diese dann auch gemeinschaftlich vor landespolitischen Entscheidungstragenden vertreten. // Sabine Mahler www.netzwerk-lsbttiq.net L-MAG Logo des neuen „Netzwerk LSBTTIQ – Baden-Würtemberg“ 13 *14-17 Jahreshoroskop_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:39 Seite 14 DAS JAHRESHOROSKOP 2016 Ein Mars-Jahr im Zeichen des Kampfes steht an: Zwölf Monate, in denen zwölf Sternzeichen allerhand erleben werden, weiß L-MAG-Astro-Experte Thomas Schneider Widder 21. März – 20. April Kristen Stewart Mit Mars als Leitstern des Jahres wird 2016 ein Widderjahr! Kämpfen lohnt sich, könnte das Motto des kommenden Jahres sein. Kämpfen ist natürlich ein komplexer Prozess, eine Philosophie für sich. Wie kämpft man am besten? Im Laufe des Jahres wird dieses Kämpfen ganz unterschiedliche Formen annehmen: mal ist es gut, direkt zu sein und sofort schnell zu handeln, auch anzugreifen und bestimmte Verhältnisse offen, möglicherweise auch aggressiv anzusprechen. Dann ist es wieder besser, mit Überraschungen zu arbeiten. Ab September kommt ein starker Jupiter in Waage-Einfluss dazu, hier ist wieder mehr der zivile Ungehorsam gefragt, also Widerstand leisten, sich nicht unterkriegen lassen. Diplomatie und Kompromisse sind dann die Mittel der Wahl. Für die Widder-Frau ein starkes Entwicklungsjahr, in dem der eigene Kampfgeist sehr stark geschult wird. Deine Kompetenz im Kämpfen, im Sich-Auseinandersetzen und SichDurchsetzen wird wachsen und du an Souveränität gewinnen. Wie kämpft man am besten, am schlausten, am effektivsten? Wie kämpft man in der Liebe? Wie kämpft man am besten im Bett? Wann kämpft man spielerisch? Am Ende des Jahres kommst du der Meisterschaft des Kämpfens, dass ist ja das Entwicklungsziel des Widderzeichens, ein großes Stück näher. Auch in der Liebe und im Bett. Zwillinge Im Mars-Jahr müssen wir unsere eigene Art zu kämpfen entdecken und entwickeln. Du als Zwillinge-Frau bist eigentlich eine Jongleurin. Du magst es mehr, mit den Bällen zu spielen, als sie zu werfen. Kreativität und Einfallsreichtum sind für dich unerlässlich beim Kämpfen, willst du nicht in eine dir fremde Dynamik hineingeraten. Spielerisch kämpfen entspricht dir am meisten. Witz, Humor, Schnelligkeit, Schlagfertigkeit sind deine Stärken. Verstehe 2016 als eine Art gesellschaftliches Brettspiel, bei dem eine oder einer am Ende gewinnt. Am besten: du! Das solltest du auch vor Augen haben – das Gewinnen-Wollen. Auch wenn du es als Zwillinge-Frau nicht schlimm findest, doch nicht zu gewinnen, denn es gibt ja noch so viele andere Spiele. Zum Beispiel das Spiel der Liebe. Auch hier magst du das Jonglieren sehr gerne und hast oft mehrere Flirtpartnerinnen gleichzeitig. Für dich ist diese Vielzahl von leicht erotischem Geknister sehr wichtig. Du solltest eine Partnerin haben, die das verstehen kann und dir auch deine Leichtigkeit darin nicht übelnimmst. Du als Zwillinge-Frau brauchst viele Kontakte. Du bist keine Krebs- oder Skorpion-Frau, die aus der Symbiose Kraft zieht. Für dich ist die Bedingung für Zweisamkeit, dass du neben der Zweier beziehung viele soziale und manchmal auch (verbal-) erotische Kontakte hast. 14 Stier 21. April – 20. Mai Ulrike Folkerts Ein Teil der Jahresaufgabe 2016 ist es, das Kämpfen zu entdecken und zu lernen. Kämpfen heißt ja weit mehr als draufhauen und losstürmen. Deine Kreativität ist gefragt. Wie erreichst du das, was du willst, am besten und am schlausten? Du als venusgeprägtes Zeichen hast Angst vor Aggressionen. Schuldgefühle abzuschütteln, was dein eigenes Wollen und Verlangen angeht, ist immer ein erster Schritt. Durch Jupiter in Jungfrau ist eine Hauptstrategie des Kämpfens und des Erreichen-Wollens die SalamiTaktik, auch eine Kriegstaktik: Schritt für Schritt vorankommen. Eine kleine Hürde nach der anderen nehmen, ist bis September beruflich der beste „Kriegspfad“. Es kommen ab Mai in Sachen Sex ungeahnte Intensitäten dazu. Die Liebe, der Sex wird „skorpionisch“. Vieles wird einen giftigen Stachel haben, einen leicht bitteren Nachgeschmack. Du selber wirst aber auch diese Intensität suchen oder zumindest provozieren. Also ein bisschen S/M wird wohl in der Liebe ab Mai mit von der Partie sein ... L-MAG Fotos: imago/APress, netflix, imago/Future Image 21. Mai – 21. Juni Lea DeLaria *14-17 Jahreshoroskop_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:39 Seite 15 Krebs 22. Juni – 22. Juli Bettina Böttinger Nach den Krisen im letzten Jahr ist 2016 eine Art Erntezeit. Du profitierst von dem, was du, auch über dich selbst, erfahren hast. Ein bisschen Rückzug und Verzicht im Privaten wird dir guttun, vor allem im Frühjahr. Du weißt sehr genau, worauf es für dich ankommt, und bist dir über den Unterschied zwischen „Haben“ und „Sein“ sehr bewusst geworden. Lass dich nicht von äußeren Dynamiken verwirren, sondern genieße und lebe das, worauf es dir ankommt. Das ist deine (Wahl-)Familie und die Intimität und Exklusivität von Beziehungen. Lilith im Skorpion kann diese Intimität, diese Enge in der Paar-Beziehung noch weiter – bis zum Klammern – aufheizen. In diesem Falle solltest du nicht gehen! Es geht auch darum, die eigene Freiheit in der Intimität nicht zu verlieren und sie nicht an die Partnerschaft zu „verkaufen“. Trotz dieser Intimität und Zweisamkeit fordert Lilith nämlich, dass man die eigene Freiheit nicht aufgibt, wie auch immer diese für dich persönlich aussehen mag. Jungfrau 24. August – 23. September Pink Löwe [Illustrationen: istock]Image, imago stock&people, imago/UPI Photo Fotos: imago/Future 23. Juli – 23. August Cara Delevingne L-MAG Du als Löwe-Frau weißt, wie man um Dinge und um Menschen kämpft. Das findest du zwar anstrengend und eigentlich magst du lieber das Leben genießen, aber es wird ein paar Unterbrechungen im Genießen geben: Kampf ist ein großes Jahresthema, ohnehin ist Auseinandersetzung Teil unseres täglichen Lebens und man sollte es dieses Jahr sportlich nehmen und bereit sein, sich darauf einzulassen, wenn nötig. Die Liebe ist aber auch in deine Richtung unterwegs. Schon am Jahresanfang könnte es nur so knallen. Löwe-Frauen verlieben sich ja gerne und Gelegenheiten wird es zuhauf geben. Auch in bestehenden Partnerschaften kann man sehr viel Tiefe erreichen, hier ist mit kleinen und größeren Kämpfen zu rechnen, die aber sehr intensivierend auf die Friedenszeit danach einwirken können. Bestenfalls hat man einen größeren, tieferen und echteren Frieden zu zweit erkämpft. Dafür lohnt es sich doch zu streiten! Jupiter in Jungfrau, das bedeutet in der Gegenwart die Aufnahme der Flüchtlinge (Jupiter) in Deutschland (Jungfrau), gebunden an einen höheren Zweck (Jupiter). Ein höherer Zweck, das muss für die Jungfrau immer etwas Nützliches sein. Diese Großzügigkeit, das Übergehen der eigenen Ängste, bleiben dir noch bis zum Herbst erhalten. Du musst für dich etwas suchen und finden, an das du deine Großherzigkeit (Jupiter) binden kannst, etwas, das auch für die Gemeinschaft nützlich ist (Jungfrau). Das kann sehr vieles sein – und muss natürlich überhaupt nichts mit Flüchtlingen zu tun haben. Es geht allerdings ums Helfen, darum, etwas Sinnvolles für eine Gemeinschaft zu tun. Das kann aber auch ein Betrieb oder ein Unternehmen sein, mit dessen übergeordneten Zielen du dich identifizierst. Es geht dir darum, im Dienste einer Sache oder Gemeinschaft zu stehen und dich darin mit deinen ganzen Fähigkeiten einzubringen. Jupiter lässt dich weiterhin große Schritte wagen und macht es möglich, aus Mut und nicht aus Angst zu handeln, das ist viel wert im Energiefeld der „German Angst“, in dem wir leben. Trau dich was, ist das Motto für die Jungfrau im kommenden Jahr! 15 *14-17 Jahreshoroskop_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:39 Seite 16 JAHRESHOROSKOP 2016 Waage 24. September – 23. Oktober Brittney Griner Schritt für Schritt geht es bis zum Herbst weiter. Hier eine kleine An erkennung, dort ein Schulterklopfen, hier einen, aber eben nur einen, Schritt weiter. Das ist der Rhythmus bis zum Herbst. Aber dann, ab August, und sehr viel stärker ab September, geht es los. Endlich machst du den großen Schritt, auf den du schon so lange hoffst. Vergiss aber nicht, wenn die große gute Laune (Jupiter) im September kommt, was du in den letzten zwei Jahren gelernt hast! Nämlich zu kämpfen! Dieses Jahr steht ganz im Zeichen des Mars, dem großen Lehrmeister der Waagen. Lieben, Frieden bringen, Kompromisse schließen, Verstehen und Nachgeben, das kannst du. Das muss dir niemand beibringen, ganz im Gegenteil. Dennoch gehört es für uns dazu, dass wir an unserem Gegenteil wachsen und das ist für dich der „Krieg“, der Kampf. In der Mythologie ist Harmonia ja die Tochter von Venus und Mars. Du hast in den letzten zwei Jahren gelernt, wie Kämpfen geht. Setze nun dieses Wissen ein, gepaart mit deiner Fähigkeit zur Friedensstiftung, und die Harmonie, die du dann erreichen wirst, ist echt und kann bleiben. Skorpion 24. Oktober – 22. November Nadine Angerer Lilith – ein rebellischer Geist – macht sich sehr unterirdisch in dir breit. Deine Empfindsamkeit, was Ungerechtigkeiten angeht, ist sehr hoch in diesem Jahr, und du wirst sehr private, sehr intime Kämpfe um deine persönliche Freiheit kämpfen. Vor allem im Sexuellen kannst du – mit Lilith an deiner Seite – viel erleben. Die dunklen Seiten wollen zu ihrem Recht kommen. Man findet Gefallen daran, zu lästern, sich zu rächen, „perverse Sachen“ auszuprobieren und Dinge zu tun, die einem andere oder man sich selbst nicht erlaubt. Der Spaß an Tabubrüchen, am Dionysischen (um einen ähnlichen, bekannteren Mythos zu zitieren) ist groß. Schummrige Partys mit „gefallenen Mädchen“ und illegalen Drogen sind ein weiteres Bild, dass die Lilith-Stimmung einfängt und wiedergibt. Davon fühlst du dich angezogen. Wie viel du davon auslebst, bleibt dir und deiner Vernunft überlassen. Hier ist eine strenge Steinbock- oder eine vernünftige Jungfrau- oder eine stabile Stier-Freundin als Ratgeberin sicherlich sehr hilfreich, um dich davon abzuhalten, in jeden Abgrund hineinzuschauen. Denn in Abgründe schauen ist das, was dich umtreibt in 2016. Belasse es oftmals beim Schauen und überlege dir gut, auf welche und vor allem auf wessen Abgründe du dich einlassen willst. Schütze Fotos: imago sportfotodienst, imago/Horst Galuschka, imago/ZUMA Press 23. November – 21. Dezember Sia Saturn lehrt dich, dass nicht nur Fülle und „Mehr“ glücklich machen können, sondern auch Verzicht und vor allem die Reduktion aufs Wesentliche. Auf das, was zu dir gehört und zu dir passt. Das ist nämlich auch das, was dich glücklich macht. Wenn du es ernst meinst, kannst du auch hoch hinaus wollen, überprüfe aber deine eigene Integrität. Bist du wirklich bereit, das, was du willst, voll und ganz zu verkörpern oder voll und ganz dahinter zu stehen? Die „Ein- oder Zwei-Augen-zumachen-Taktik“ funktioniert bei Saturn-Transiten schlecht. Es geht darum, in diesem zwei- bis dreijährigen Transit zu seinem eigenen „nackten“ Kern zurückzukehren und sich selbst von da aus neu zu starten. Alles Überflüssige, alles „Falsche“, alles, was nicht (mehr) zu einem passt, sollte abgeworfen werden. Um dann ein neues, wesensgerechteres Leben aufzubauen. Das ist Ziel dieses Saturn-Transits, der noch bis 2017 anhält. 16 L-MAG *14-17 Jahreshoroskop_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:39 Seite 17 Wassermann 21. Januar – 19. Februar Ellen DeGeneres Das könnte doch ein Jahr der Liebe werden – dieses Mars-Jahr 2016! Die Venus ist oft und lange gut gestellt zu deinem Sternzeichen und du bist im Herzen schüchtern, so dass die Liebe oftmals ein Schattendasein führt im Leben der Wassermann-Frauen. Dieses Jahr kann das anders werden. Du solltest dich aktiv auf die Suche machen. 2016 ist auch ein Jahr des Kampfes, also in der Sprache der Liebe gesprochen: ein Jahr der Eroberung. Mach dich also auf die Suche, und wenn dir jemand gefällt, dann ran an die Bouletten! Lass dich doch mal wieder auf Flirts und neue Bekanntschaften ein. Es ist viel los in Liebesdingen, und spätestens ab Herbst 2016 kann es auch richtig knallen oder auch richtig ernst werden. Beruflich geht es gut los, dann gibt es kleine Funkstörungen, die bis Ende Januar anhalten, schwächer werden und ab März ausgestanden sind. Dann kann es richtig losgehen. Ein gutes Jahr wartet auf dich! n t n t Steinbock Fotos: imago/PicturePerfect, imago/foto2press, imago/UPI Photo 22. Dezember – 20. Januar Steffi Jones Für viele Steinbock-Frauen zahlen sich die schweren Krisen der letzten Jahre aus. Du kannst deine Schätze öffnen. Nicht nur Geld kommt dabei zum Vorschein, sondern auch eine gewachsene, eine echte Souveränität, eine wirkliche Fähigkeit, zu helfen und andere zu coachen. Du bist zu wahrer Leitung fähig, die keine Verleugnungen oder Schönfärbereien enthält und vor allem auch die (eigenen) Grenzen kennt – und das ist das Entscheidende. Falsche Führung oder Leitung entsteht ja immer aus falschen Ansprüchen heraus. Viele Steinböcke erreichen 2016 Positionen großer beruflicher Souveränität, von wo aus sie viel Wirkung auf andere und auf die Leistungen des jeweiligen Unternehmens haben. Das ist, was du als SteinbockFrau willst. In Liebesdingen müsste es obendrauf auch noch gut laufen, denn die Jupiter-in-Jungfrau-Energien entsprechen deinen unpathetischen Liebesvorstellungen sehr und machen aus der Liebe eine Schritt-für-Schritt-Erfahrung, an der du langsam, aber sicher stärkere Gefühle und vor allem echte Bindungen aufbauen kannst. Fische 20. Februar – 20. März Ellen Page Durch das Saturn-Quadrat heißt es für viele Fische-Frauen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und das zu pflegen und wertzuschätzen, was da ist. Das Erreichte zu vertiefen und zu pflegen. Viele Fische mögen das Kämpfen überhaupt nicht, und da das Jahr unter Mars-Einfluss steht, wird es immer Herausforderungen in diese Richtung geben. Als Fische-Frau musst du dich nicht auf jeden Streit einlassen, und das „Aussitzen“ von Problemen und Streitereien ist ja eine durchaus erfolgreiche Methode. Das Glück ist dieses Jahr da, wo du es nicht vermutest. Das heißt, du wirst dich eher unverhofft auf dem Finanzamt verlieben als auf einer schicken Party. Auch in bestehenden Partnerschaften kann sich Alltag und Routine breit machen, hier kommt es auf die Fähigkeit der Wertschätzung und der Wachsamkeit im Kleinen an. Expansion ist nicht dein Thema 2016, sondern der Blick nach innen und das Entdecken des Wunderbaren im Alltag und im Unscheinbaren. 17 *18-19 Politik Flucht_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:24 Seite 18 POLITIK Der Traum von einer Zukunft Ein Abend in Berlin-Kreuzberg, eine Flasche Weißwein, Zigaretten und ein Laptop. Enana sitzt auf einer Matratze in ihrem WGZimmer. Sie sucht nach einem Musikvideo auf YouTube. Die Freundinnen und Freunde wissen, was jetzt kommt. Enana nimmt den Rhythmus langsam auf, wippt mit dem Fuß und beginnt leise zu singen, erst dann singen alle mit. Die Sängerin hat eine kräftige, gefühlvolle Stimme – etwas Besonderes. Vor wenigen Monaten hat die 21-jährige Enana ihre Heimat Syrien und alles, was sie liebte, verlassen. Vor ein paar Wochen fanden dann auch ihre Freunde Dani, Motaz und Noor aus Damaskus den Weg nach Berlin und zu ihr. „Ich kann mit den Menschen zusammen sein, die ich liebe, und ich bin in Sicherheit – das ist ein Privileg“, erzählt sie glücklich und teilt das wenige, das sie hat, mit ihren Freunden. Wein und Tabak werden herumgereicht, die Musik wird aufgedreht. Erst als durch das geöffnete Fenster ein Böller zu hören ist, wird die scheinbare Normalität, der chillige, gesellige Abend, für einen kurzen Moment unterbrochen. Das ist ja wie in Syrien, wird gescherzt, Sarkasmus macht sich breit. Doch Enana 18 schweigt und wird ernst. Sie regt sich über die Schadenfreude auf, die einige Syrerinnen und Syrer nach den Anschlägen von Paris auf Facebook verbreitet haben. Sie hingegen hat wie viele andere in Europa die französische Flagge für ihr Profil gewählt. Nicht als politisches Statement, sondern für die getöteten Menschen. Leute die nichts mit der Krise in Syrien zu tun haben. „Es ist unheimlich. Du bist hierher gerannt, um diesem Scheiß zu entfliehen. Und jetzt sind sie hier. Was ist nur los mit dieser Welt? Es ist, als würde sie auseinanderfliegen.“ Die letzten Tage steckte Enana in einer Krise, war deprimiert. Sie ist müde von den immer wiederkehrenden Fragen: Wo kommst du her? Wie war dein Leben in Syrien? Wie ist es dir auf der Flucht ergangen? Sie hilft regelmäßig am LAGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales, die Berliner Anlaufstelle für die Erstregistrierung von Geflüchteten). Und weil sie hervorragend Englisch spricht, wird sie nicht sofort als Geflohene erkannt und hört Sätze wie: „Oh wow, du bist Flüchtling und hilfst hier?“ Ihre Antwort ist kurz und scharf: „Habe ich etwa nur eine Hand?“ Enana hat diese Fragen satt, weil in jeder Antwort schon die nächste Frage liegt. Doch damit ist jetzt Schluss. Sie plant eine Show, mit der sie auf ihre Weise Antworten geben will. Es soll eine Art Stand-up-Comedy werden, ein Dialog mit ihrem Freund und Schauspieler Noor. Sie arbeiten gerade an einem Video als Auftakt. Der derzeitige Arbeitstitel lautet prägnant: „Do you think living in Syria was a perfect example of ,La vie en rose?‘“ (Glaubst du das Leben in Syrien ist ein Paradebeispiel für ,La vie en rose’“?) Die Arbeit an diesem Projekt hat ihr wieder Kraft gegeben. Wenn sie darüber spricht, leuchten ihre Augen. Die Vorfreude darauf, den Menschen, die sie immer das Gleiche fragen, einfach das Video zu zeigen, bringt sie zum Lachen. Enana hat immer von Deutschland geträumt. Die Fußball-WM 2006 hat sie im Libanon verfolgt. 2014, am Tag ihres zwanzigsten Geburtstags, hat sie die sieben Tore gegen Brasilien bei der WM als Geschenk angesehen. Basketball und Fußball (mit den Jungs auf der Straße) spielte sie auch in Damaskus. Jetzt kickt sie bei einem Kreuzberger Verein. Toreschießen ist nicht ihrs, sie verteidigt lieber Fotos: Uta Zorn Enana floh aus Syrien nach Berlin. Hier fühlt sie sich frei und tanzt auch mal auf der Straße. L-MAG traf die mutige Frau L-MAG *18-19 Politik Flucht_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:24 Seite 19 auf der Außenbahn und verteilt die Bälle. An der Uni konnte sie aus fünf europäischen Sprachen wählen. Sie entschied sich für Deutsch – zwei Semester lang. Es war aber nicht nur dieser Traum, der sie nach Berlin brachte, sondern die bittere Erkenntnis: „Es gibt keine Zukunft für Lesben oder Schwule in Syrien. In dieser Zeit ist es noch nicht einmal sicher, ob es für irgendjemanden eine Zukunft in Syrien gibt“. Aufgeflogen mit „L-Word“-DVDs Homosexualität ist illegal in Syrien. Wenn man mit Homophobie auf der Straße nicht schon in brutaler Form in Berührung kommt, wird sie laut Gesetz mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Doch Enana war schon früh in ihrem Freundeskreis offen lesbisch. Vor ihren Eltern versuchte sie es zu verheimlichen und gab ihren Freundinnen Männernamen. Erst die „L-Word“-DVDs aus einem Sexshop ließen sie auffliegen. Als sie von ihrer ersten großen Liebe verlassen wurde, machte sie einen schwerwiegenden Fehler. Getrieben von Selbstmordgedanken betrank sie sich in einer Bar. Dem Mann, der sie anmachte, antwortete sie, um ihn los zu werden „Sorry, I’m lesbian“. Das war unüberlegt und kindisch, urteilt sie heute. Mit ihrem L-MAG öffentlichen Coming-out hat sie sich selbst in Gefahr gebracht. Auf der Straße wurde sie als „halb Frau-halb Mann“ bezeichnet. Jetzt war sie öffentlich „die Lesbe mit dem rasierten Kopf“. einem Lautsprecher in der einen und einer Flasche Bier in der anderen Hand. Sie hört laut Musik und tanzt dazu. Die Passanten drehen sich noch nicht einmal nach ihr um und das findet sie „wirklich cool“. „Wie lebendig begraben“ Wenn vieles möglich wird Eine Freundin starb bei einem Bombenangriff. Sie selbst entging bei einer der willkürlichen Passkontrollen auf offener Straße nur knapp den Kugeln der Miliz. In dem Auto, in dem sie mit einem Freund unterwegs war, stecken noch immer die Patronenhülsen. „Es geht nicht darum, getötet werden zu können“, erklärt sie, „und es geht auch nicht darum, durch eine Bombe zu sterben. Es geht darum, dass deine Seele getötet wird. Es ist, als wenn du lebendig begraben wirst.“ Als sie von zwei Geheimpolizisten vom Fahrrad geholt, als Lesbe beschimpft und übel verprügelt wird, ist der Wendepunkt gekommen. Sie droht ihren Eltern, sich selbst anzuzünden, wenn sie ihr nicht das Geld für die Flucht nach Europa geben. Hier in Berlin interessiert es jetzt niemanden mehr, wie sie aussieht, was sie in der Öffentlichkeit tut und wen sie liebt. Freitags hat sie ein kleines Ritual: Bevor sie irgendwo „Party macht“, geht sie raus auf die Straße mit Die letzten Takte des Musikvideos sind zu hören. Enana schaut auf den Bildschirm, schaut sich selbst an und genießt noch einmal den Applaus. Es ist der Applaus aus einer anderen Zeit. Es ist der Befall aus dem vergangenen Jahr, den sie für ihre jazzige Interpretation von Adeles Song „Set Fire to the Rain“ in einem kleinen Club in Damaskus erhielt. Enana hatte bereits einige Auftritte und war durchaus in ihrer Generation bekannt. Jetzt fängt sie wieder bei null an. Sobald sie bleiben darf, möchte sie wieder studieren. In Damaskus hat sie zwei Jahre Englische Literatur studiert. Das könnte sie fortsetzen, doch sie möchte ein anderes Lied anstimmen und Gesang studieren. Dass es schwer wird, ist ihr bewusst. Sie will hart dafür arbeiten und sagt optimistisch: „Wenn du aus Syrien kommst und jetzt bist du plötzlich in Deutschland – wenn es möglich ist, hier zu sein, dann ist irgendwie alles möglich.“ // Uta Zorn 19 *20-21 Politik Frauenarmut_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:18 Seite 20 POLITIK Für immer ohne Kohle Beim Taschengeld fängt es an – bei der Rente hört es auf! Zum Start der Kampagne gegen Frauenarmut lohnt ein Blick auf die Verarmung von Lesben Wenn Christina M. durch die Dresdner Neustadt läuft, fällt niemand auf den ersten Blick auf, dass sie womöglich arm ist. Die 50-Jährige achtet auf ihr Äußeres, trägt schlichte schwarze Kleidung und passt in das Erscheinungsbild des trendigalternativen UmPostkartenmotive zur bundesweiten Kampagne gegen felds. „Es macht mir Frauenarmut (oben u. unten) nichts aus, dass ich kein Geld habe, um mir Reichtümer und Dinge anzuhäufen, die niemand braucht“, erzählt sie im Gespräch mit L-MAG. „Aber ich schäme mich, wenn mir der Strom abgestellt wird, weil ich die Rechnung nicht bezahlen kann und dass ich eigentlich immer in den Miesen bin.“ Aus ihrer letzten Wohnung wurde sie „geräumt“. Eine Sanierung, Nebenkosten und verspätete Zahlungen der Agentur für Arbeit führten zu einer Klage. Dem Kampf mit Behörden und Vermieter hielten ihre Nerven nicht stand. Christina leidet an einer schweren Depression. Wie die Armut sieht ihr die Krankheit niemand an. Seit drei Monaten lebt die gelernte Buchhändlerin nun in einer Wohngemeinschaft. Ein Zimmer, knapp zwanzig Quadratmeter, beherbergt alles, was sie hat; die Dinge, an denen sie wirklich hängt, wie sie sagt. Sie ist „Aufstockerin“ – Bürokratendeutsch für Hartz IV-Empfängerin mit wechselndem zusätzlichen Einkommen. In Zeiten von OnlineVersandhäusern werden auch Buchhändlerinnen nicht mehr gebraucht und so hält sie sich mit Aushilfsjobs über Wasser. „Im Sommer mache ich Urlaubsvertretungen, zur Weihnachtszeit helfe ich bei einem Buchdiscounter aus.“ Zwischen 800 und 1.000 Euro hat sie damit im Monat zur Verfügung. 980 Euro sind die offizielle Armutsgrenze Ist das arm? Darüber streiten sich Politiker und Wissenschaftler trefflich. Manche halten ein zu geringes Einkommen, vielleicht eine kleine Rente, für einen Indikator, andere das Leben in sozialen Brennpunkten, Obdachlosigkeit oder Überschuldung. Statistisch wird 20 Armut in der sogenannten Armutsquote ausgedrückt. Sie beziffert den Bevölkerungsanteil, der ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze bezieht. Die Armutsgrenze liegt in Deutschland derzeit bei rund 980 Euro im Monat. Auch für Christina eine magische Zahl. In guten Monaten liegt sie kaum darüber, in schlechten darunter. Was bedeutet dieses Leben am Existenz minimum für sie, will ich wissen. „Vor allem, dass mein Denken immer ums Geld kreist und darum, was alles nicht geht“, meint sie ohne zu zögern. In der DDR habe sie als Lesbe zwar kein angepasstes Leben geführt, aber Geldsorgen hätten sie nicht geplagt. Kurz vor der Wende reiste Christina aus und lebte danach lange Jahre im Rheinland. Nach einer schmerzlichen Trennung zog sie 2003 wieder nach Sachsen. Trotz einem guten Start in der Buchbranche erhielt sie schießlich 2006 die Kündigung. „Seither bekam ich ein paar Maßnahmen, war krank und hielt mich halt irgendwie über Wasser“, erzählt sie lakonisch. Ob nun die Arbeitslosigkeit zur Depression oder die Depression in die Armut geführt habe, wisse sie auch nicht. Es fehle grundsätzlich an Absicherung und Solidarität, findet Christina. Nie über die Rente nachgedacht Ortswechsel. Wenige Tage später besuche ich Inge K., eine pensionierte Fotografin aus Stuttgart. Mit einem kurzen Silberhaarschnitt und einem markanten Gesicht erinnert sie ein wenig an Jamie Lee Curtis. Inge lebt mit ihrer Lebensgefährtin in einem winzigen Reihenhaus aus der Nachkriegszeit im Stuttgarter Stadtteil Degerloch. Über ihr Alter schweigt sie L-MAG *20-21 Politik Frauenarmut_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:18 Seite 21 sich lieber aus. Sie sei ein „Late Bloomer“, eine spät erweckte Lesbe. Die Liebe zu einer Frau hatte zur Scheidung geführt. „Ich war gerne freiberuflich“, erzählt sie. Drei Kinder habe sie erzogen, sei über viele Jahre zuhause geblieben und habe ihren Job „nur nebenher“ gemacht. Ihr Mann, Finanzbeamter, sei wegen einem Herzleiden früh verrentet worden. Erst als sie die Scheidung eingereicht habe, hätte sie ihre Anwältin als Erste darauf angesprochen, wie es eigentlich um ihre Rente bestellt sei. „Darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Ich war immer sparsam und war davon ausgegangen, dass es schon reichen würde.“ Ihre Rente beträgt heute knapp 800 Euro. „Meine Freundin und ich teilen uns die Miete. Wenn sie nicht wäre, hätte ich hier schon lange ausziehen müssen.“ Auch Inge spricht von Scham und von ihren Kindern, die ihr manchmal aushelfen wie zuletzt mit einer Zuzahlung zu einer Kur. Inge ist kulturell interessiert, achtet aber darauf, dass sie Veranstaltungen besucht, die keinen Eintritt kosten. „Es gibt ja auch Vergnügen, die kostenlos sind“, meint sie. Einmal die Woche passt sie auf einen kleinen Jungen in der Nachbarschaft auf. „Das ist mein Taschengeld. Damit spare ich dann auf die Geschenke für die Enkel.“ Auf das Sterben von Lesbenbars und anderen alternativen Angeboten für Frauen angesprochen meint Inge, dass dies doch eher etwas für „junge Leute“ sei. Sie hätte ihren festen Kreis von Freundinnen, darunter natürlich auch lesbische Paare. „Da stehen private Unternehmungen im Vordergrund. Vielleicht mal eine Lesung oder ein Tanznachmittag im Frauencafé, aber eher selten.“ Illustrationen: Maike Przybill und Johanna Wolf Lesben sind noch häufiger von Armut betroffen Für die 1.900 Frauenbeauftragten der Kommunen, die im November die bundesweite Kampagne gegen Frauenarmut starteten, sind die beiden Fälle keine Überraschung. In Ost und West, in Städten und auf dem Land – überall „ist Frauenarmut ein Armutszeugnis“, so die Gleichstellungsbeauftragte des Berliner Bezirksamtes Pankow Heike Gerstenberger bei der Auftaktveranstaltung. Die Probleme sind nicht neu, aber gemeinsam mit der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig sind die Frauen beim Start der Kampagne wild entschlossen, diese nun offensiv zu bekämpfen. Elke Ferner (Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) bringt es auf den Punkt: „Wir haben hier kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit.“ Auf die Situation von Lesben angesprochen, wird aber in vielen Gesprächen schnell deutlich, dass es hier doch auch ein Erkenntnisdefizit gibt. So weist die Sozialwissenschaftlerin Gisela Notz seit Jahren darauf hin, dass Lesben in der Armutsforschung keine ausgewiesene Gruppe sind. Dabei ist zu vermuten, dass Lesben besonders häufig von Armut betroffen sind, da sie oftmals schon im Erwerbsleben auf Vorurteile stoßen und selten von „Versorgungsehen“ profitieren. So lange die heterosexuelle „Normalfamilie“ etwa durch Ehegatten splitting oder Witwenrente subventioniert wird, wird die Armut auch gerade für Lesben ein Thema bleiben. Daran wird auch die für 2017 vorgesehene Mindestrente kaum etwas ändern, denn mit 850 Euro liegt diese bereits heute unterhalb der Armutsgrenze. Als ich Christina die Postkartenmotive der Kampagne zeige, nickt sie zustimmend. „Arbeit für die Katz“ steht auf einer Karte. „Ja, das Gefühl kenne ich“. // Sonya Winterberg Kampagne gegen Frauenarmut: www.frauenbeauftragte.org Dachverband Lesben und Alter: www.lesbenundalter.de L-MAG 21 *22-25 Personality Schmale_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:02 Seite 22 PERSONALITY Geliebte Knochenarbeit Von der Fußballnationalspielerin über Profiboxerin hin zur Bildenden Künstlerin. L-MAG traf Toni Schmale aus Wien, die ihre schweren, massiven Kunstwerke in Berlin ausstellt „bend over your boyfriend“, 2010. Aus der Porträtserie „zwischen-durch“ 22 *22-25 Personality Schmale_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:02 Seite 23 „Es war schon irgendwie schizophren. Tagsüber in Formation zu spielen und dann am Abend wieder zurück in die Wagenburg“ Foto: Courtesy Galerie Christine König, Wien, Christin Lahr Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg: Eine schmale Gestalt sitzt vor dem neu renovierten Laden, der früher mal die legendäre Kneipe Bierhimmel war. Sie nippt an einer frisch geöffneten Flasche Gerstensaft und irgendwie weiß man, dass sie sich in der nächsten Sekunde eine Zigarette drehen wird. Gegenüber, in der O-Straße 25, erstrahlt im winterlichen Dunkel hinter der Buchhandlung Kisch & Co der Ausstellungsraum der nGbK (neue Gesellschaft für bildende Kunst), ein basisdemokratischer Kunstverein, der sich seit 1969 für Kunstschaffende jenseits des Mainstreams stark macht. Am nächsten Abend wird hier eine große Einzelausstellung mit Arbeiten von Toni Schmale eröffnen, und zuvor treffe ich sie. Toni Schmale ist Jahrgang 1980 und lebt in Wien. 2013 hat sie dort an der Akademie der bildenden Künste in der Klasse für Performative Bildhauerei ihr Studium beendet. Wir gehen ins Möbel Olfe, denn da darf man rauchen und Bier trinken, ohne dass jemand schräg guckt. Toni Schmale wurde in Hamburg geboren und war Profifußballerin, bevor sie Künstlerin wurde. Im Alter von sechs Jahren fing sie an zu trainieren, bis ihr die Disziplin in allen Poren steckte. „Es war schon irgendwie schizophren. Ich fühlte täglich die Ambivalenz, tagsüber in Formation zu spielen und dann am Abend wieder zurück in die Wagenburg, wo ich wohnte, und die für mich auch für Individualität und politische Engagement L-MAG stand.“ Toni spielte erst in der Regional-, dann in der Bundesliga und schließlich in der Frauen-Nationalmannschaft. Zeitgleich ging sie auf Demos und stromerte herum. Dabei entdeckte sie im Hamburger Freihafen diese leerstehenden Fabrikgebäude, Industriebrachen, die eine magische Anziehungskraft hatten, weil man dort machen konnte, was man wollte, keiner sah zu, die Leere dort lud förmlich zur Selbstentfaltung ein. Toni fing an, Fotos zu machen, sich selbst zu inszenieren. Irgendwann aber hält sie den Spagat zwischen Freiheit und Disziplin nicht mehr aus, kurz nach der Jahrtausendwende bricht sie ihren Jahresvertrag und wird gesperrt. „Ganz ehrlich, glaubst du, man kann ewig mit solch engmaschigen Regeln, wie sie im Fußballsystem üblich sind, leben? Die messen die zulässige Rasenhöhe in Millimetern!“, erinnert sie sich. Selbstverwirklichung beim Schweißen Toni geht für 18 Monate nach Berlin, bewirbt sich in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und zieht, als sie angenommen wird, mit ihrer damaligen Freundin dorthin. Obwohl sie im Studiengang Medienkunst eingeschrieben ist, verbringt sie die meiste Zeit in der Metallwerkstatt. Der Werkstattleiter entdeckt Tonis Talent, sie „hl. antonia“, 2015 Installationsansicht, nGbK 2015 23 *22-25 Personality Schmale_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:02 Seite 24 PERSONALITY „Ich habe nach und nach die Disziplin und die Verausgabung, die ich als Leistungssportlerin kannte, in die Kunst gelegt“ Foto: Christin Lahr „queening machine“, 2012 Installationsansicht, nGbK 2015 24 L-MAG *22-25 Personality Schmale_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:02 Seite 25 schweißt wie eine Eins und er macht sie zu seiner studentischen Hilfskraft. „Ich hab’ mich da einfach wohl gefühlt! Ich hab’ ja auch schon in Hamburg Metallschrott abgeschraubt und selbst verbaut. Und ich mag es auch, wenn alles ölig und schmierig ist, und dann dieser metallische Geruch“, schwärmt Toni und dreht sich noch eine Zigarette. Dann spricht sie darüber, dass Leipzig sie gut aufgenommen und weit nach vorn gebracht habe, aber ihr fehlte die queer Kultur, die sie in Hamburg umgab. Toni macht mit der Uni eine Exkursion nach Wien und hängt sofort ein Jahr Aufenthalt, gefördert durch das Erasmus-Programm, an. In Wien eröffnet sich ihr schlagartig eine neue Welt. Hier gibt es viel mehr künstlerische Freiheit und zudem eine funktionierende Community. „Ich habe nach und nach die Disziplin und die Verausgabung, die ich als Leistungssportlerin kannte, in die Kunst gelegt.“ Toni Schmale liebt die queer Community in Wien Das Leben der Künstlerin duftet nun nach Abenteuerspielplatz. Und andere werden auf sie aufmerksam. Ihre Arbeiten sind verwegen, brauchen keine Attitüde. Toni Schmale erhält 2011 den BirgitJürgenssen-Preis und 2013 den Preis der Akademie der Künste Wien. „Was mich antreibt, sind die inneren Verbindungen der Skulpturen, denn sie bestehen alle aus mehreren Teilen, aber von außen gesehen erscheinen sie als eins, dieses unsichtbare Innenleben mit seinen Nahtstellen bereitet mir wirklich Kopfzerbrechen,“ sagt die Künstlerin. Toni Schmale hat in Wien zwar eine eigene Wohnung, aber die nutzt sie eher als Abstelllager, denn wenn sie nach für gewöhnlich zwölf Stunden Knochenarbeit ihre Werkstatt verlässt, möchte sie nicht zurück in ihre eigenen vier Wände, sondern feiern, etwas trinken und den Abend mit ihrer Freundin genießen. Toni mag Wien, denn auch wenn die Kulturmetropole ihre grummeligen und unfreundlichen Seiten hat, sie ist auf angenehme Weise überschaubar und hat eine tolle queer Community. Wenn man die Skulpturen von Toni betrachtet, sieht man die viele Arbeit, die darin steckt, und auch eine Riesenportion Humor. Die L-MAG Arbeiten sind harsch und gleichzeitig wunderschön: „hafenperle“, „queening maschine“, „analdusche“, „kontaktgrill“ oder „bettwurst“ sind die humorvollen Titel der Bodenskulpuren aus Stahl. Sie sind feuerverzinkt oder pulverbeschichtet, kontrastiert mit Messing, teils aus Gummi oder Beton. Ungewöhnliche Materialien für eine Frau, Materialien von unerbitterlicher Härte, kühl, konsequent. Ohne Verausgabung im Atelier ist die Bearbeitung absolut undenkbar. Knochenarbeit. Geliebte Knochenarbeit. Fitnessgerät, Folterinstrument oder auch Sexspielzeug Die Arbeiten spielen damit, Fitnessgerät, Folterinstrument oder auch Sexspielzeug zu sein, sie beziehen sich auf queer Inhalte, überzeichnen diese aber auf großartige und ziemlich freie Weise. Die bekannten Inhalte sind plötzlich zu groß und passen nicht mehr ins Handtäschchen und schon gar nicht in eine Schublade. Die Werke sind keine Abbildungen von Inhalten. Sie sind Projektionsflächen ohne Vorgaben und man ist ganz auf sich gestellt beim Betrachten. Toni Schmales Skulpturen sind Angebote für den Kopf, sie sprechen von Begehren und von Unerreichbarkeit. Die Ausstellung in Berlin zeigt aber auch noch etwas ganz anderes: Winzige animierte Entwurfsskizzen der Künstlerin, aufgeblasen zu einem raumhohen, mit Musik unterlegten Kunstvideo „You can’t have a Hot Lover, a Hot Job and a Hot Apartment all in the Same City“ – dieser Loop trainiert die Lachmuskulatur: Bauchmuskeln, Mimik, Epidermis, alles wird bewegt, denn die gezeichneten Einzelbild-Animationen sind superlustig, supersexy und so eindeutig easy, dass es kracht. // Lena Braun Die Ausstellung „Superego“ läuft noch bis 24. Januar in der nGbK in Berlin-Kreuzberg, Oranienstr. 25 Führung mit der Künstlerin: Sonntag, 24. Januar, 18 Uhr 25 *26-29 International_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:03 Seite 26 INTERNATIONAL Perverses Paradies Kapstadt gilt als paradiesische Stadt in Südafrika – vor allem für Homosexuelle. Doch die Realität sieht für viele, insbesondere schwarze Menschen, anders aus. Rassismus und die Folgen von gnadenlosem Kapitalismus machen aus Kapstadt eine Insel für ein paar Privilegierte. Ein sehr persönlicher Reisebericht aus dem Frühjahr 2015 von L-MAG-Autorin Leila van Rinsum 26 L-MAG *26-29 International_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:03 Seite 27 Stiller Moment: L-MAG-Autorin Leila van Rinsum (re.) mit ihrer kenianischen Freundin in Kapstadt am Meer Allein trat ich um Mitternacht aus dem Flugzeug auf den geteerten Boden des Kapstädter Flughafens in Südafrika, wartete mit einigen wenigen auf mein Gepäck und zog schließlich meinen Koffer hinter mir her. Erst als ich Leute mit Schildern sah, auf denen verschiedene Namen standen und andere mich fragten, ob ich ein Taxi bräuchte, wunderte ich mich, wie ich durch die Grenzkontrolle gelangt war. Ich kramte meinen Pass hervor, und tatsächlich stand neben einem Stempel „drei Monate“. In Kapstadt war ich, da ich mich spontan entschieden hatte, meine Partnerin zu einem Mitarbeiterinnentreffen ihrer Arbeitsstelle zu begleiten. Allein war ich, da meine Partnerin – Kenianerin – ihr Visum noch nicht bekommen hatte. Schon in der südafrikanischen Botschaft in der kenianischen Hauptstadt Nairobi lächelte die Dame an der Auskunft beim Anblick meines deutschen Passes und sagte, ich würde das Visum am Flughafen erhalten. Dass dies jedoch so reibungslos geschehen würde, hatte ich nicht erwartet. Meine Partnerin durfte sich hingegen mit Formularen, Ausdrucken, Kopien und Schlangestehen in der Botschaft herumschlagen und musste zunächst in Nairobi zurückbleiben. Fotos: Daniel Müller Jansen, privat Ausländer sind Schwarze aus anderen Ländern Südafrika hat wie viele andere Länder seinen Grenzschutz hochgefahren, und zwar für jene, die keinen europäischen oder nord-amerikanischen Pass haben. Die Rhetorik der kapitalistischen Logik ist dabei die gleiche wie in Deutschland. Nicht das System, das den Reichtum in den Händen der Weißen und einer überschaubaren schwarzen Elite lässt, nicht Steuerhinterziehung, nicht Vormachtstellung von Konzerninteressen, nicht legale Arbeitsarmut, Landraub oder Gentrifizierung sind für die wirtschaftlichen Ungleichheiten, die Armut und Ausbeutung von Generationen an Südafrikanern und -afrikanerinnen verantwortlich, sondern Ausländer. Und nicht jene Ausländer und Ausländerinnen, die sich dieses Land nahmen und es sich samt der Bevölkerung aneigneten oder jene, die Dank der wirtschaftlichen Vormachtstellung ihrer Herkunftsländer als Banker, Manager, Entwicklungshelfer oder Berater diese Strukturen vertiefen und ausnutzen sind gemeint. Nein, „Ausländer“ sind Schwarze aus anderen afrikanischen Ländern. Nur ein paar Tage vor meiner Ankunft im April 2015 hatte die Welle der medialen Sensationsinszenierung „fremdenfeindlicher Angriffe“ in Südafrika begonnen. Südafrikaner in den armen Gegenden hatten zuvor afrikanische Einwanderer brutal ermordet. Als ich auf meinen Anschlussflug L-MAG in Johannesburg wartete, sah ich auf einem riesigen Flatscreen vor mir, dass der südafrikanische Präsident Jacob Zuma sich gegen Fremdenhass aussprach. Ein paar Tage später erklärte er auf einer Beerdigung, dass man aber auch sehen müsse, dass es viel zu viele „Ausländer“ gäbe. Das kam mir bekannt vor. Nur ein paar Tage später starben wieder hunderte Flüchtlinge vor Europas Küste, was natürlich „bedauerlich“ war. Aber: „Schließlich können wir nicht ,alle aus Afrika‘ bei uns aufnehmen“, so die wiederkehrende Polemik einiger deutscher Politikerinnen, Politiker und Medien. Unser Reichtum hat jedenfalls nichts mit den globalen Wirtschaftsstrukturen zu tun, eher scheinen wir einfach isoliert moralisch und wirtschaftlich überlegen zu sein. Da muss man mehr in Abwehrtechnologie investieren und militärisch gegen die Schlepper vorgehen! Wo queer draufsteht, sind meist nur Schwule drin Ich nahm also ein Taxi und beäugte müde die glitzernden Lichter der angeblich queersten Stadt Afrikas – Kapstadt. Am Morgen durchstöberte ich die Auslagen des Hotels und mir fiel das Out Africa Magazine in die Hände. Es war eine alte Ausgabe von 2010 und neben dem Titel „Out and Proud“ blickte mich mit zusammengekniffenen Augen ein halbnackter, mit Six-pack ausgestatteter, blonder Jüngling an. Dies war auch das Bild, das ich von meinem ersten Spaziergang durch den Schwulenbezirk entlang der Somerset Street bekam. Von dem queeren Backpacker-Hostel grölten weiße junge Männer herunter und die Bars waren besetzt von überwiegend weißen Männern, ein paar Frauen hier und da. Nur einige wenige Kellner waren schwarz und natürlich die unsichtbaren Arbeiterinnen und Arbeiter in der Küche. Dass die LGBT-Bewegung überwiegend von weißen, mittelständischen Männern dominiert wird, ist nicht neu. Auch in Deutschland stehen die Männer meist im Zentrum. Sie sind es, denen der Kapitalismus zugutekommt. Aus dem Kampf nach Anerkennung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wurde ein weißer männlicher Prototyp, der ganz „normal“ ist, nur eben schwul. Auch in Deutschland fällt auf, dass die meisten Restaurants, Bars oder Geschäfte von Schwulen für Schwule geführt werden. Politisch und wirtschaftlich werden Frauen noch immer in die Hinterreihen verbannt. Ihre Geschichten werden erst dann herausgekramt, wenn es um ganz spezifisch weibliche oder lesbische Inhalte geht. Die Lebensrealitäten von nicht-weißen Menschen und denjenigen die unterhalb des wirtschaftlichen Mittelstands leben, werden ausgeklammert. 27 *26-29 International_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:03 Seite 28 INTERNATIONAL Allein unter Weißen in der Szene Meine Partnerin erhielt nach knapp einer Woche bürokratischen Widerstands schließlich doch noch ihr Visum und kam verspätet am weißesten Zipfel Afrikas an. Bald erkundeten wir gemeinsam die städtische, nächtliche Szene und landeten nach ein paar Clubs in der berüchtigten lesbischen Bealuah Bar, die sich nach und nach zum Ersticken füllte. Meine Freundin war und blieb an diesem Abend die einzige Schwarze. Kapstadt, wie andere südafrikanische Städte, ist komplett segregiert. Schwarze Afrikanerinnen und Afrikaner wurden systematisch und noch bis in die späten 1980er aus ihren Siedlungen vertrieben und in die sogenannten Townships verfrachtet, die weit angelegten Slums, denen bis heute vieles an Infrastruktur fehlt. Die Innenstadt dagegen ist traumhaft gelegen, umringt vom Tafelberg und weiten Küstenstreifen. Aber schon die Straßennamen hier wie „Kloof“ und „Hertzog Boulevard“ bezeugen, dass sie den Weißen gehört. Täglich wandern tausende Schwarze von ihren Townships in die Stadt, um den Weißen zu dienen, ihre Häuser zu bauen und sauber zu machen, in den Kellern und Hinterzimmern der Restaurants, Hotels oder Läden zu arbeiten. Vom Kolonialismus zur kapitalistischen Apartheid Fotos von Daniel Müller Jansen aus der Serie „there is me & there is you“. In seiner Fotoserie stellt der Fotograf die Gegensätze der Townships, in denen Schwarze in Armut leben, und der Gated Communities (bewachte, abgeschlossene Wohngebiete für Reiche) in Kapstadt gegenüber 28 Fragt man queere Einwohnerinnen und Einwohner Kapstadts nach der Lage von Schwulen und Lesben in ihrer Stadt, so heißt es, es sei die freieste Stadt in Afrika, hier könne man ungestört Partys feiern. Aber in den Townships, da sei es noch schlimm. Die dann folgende Analyse endet meist auf die eine oder andere Weise damit, dass es in den afrikanischen Kulturen begründet sei, Homosexualität zu verachten. Fragt man Kapstädterinnen und Kapstädter aus den Townships, wird die Verbindung von Rassismus, Kapitalismus und Frauenfeindlichkeit klar: Hier geht es um eine Gesellschaft, der über Generationen ihr Land, ihre Würde, der Zugang zu Wasser, Gesundheit, Leben und Bildung genommen wurde. Es geht um Menschen, deren Geschichte, Gegenwart und Zukunft gewaltsam geraubt wurde – erst unter Kolonialismus, dann Apartheid und nun schließlich unter kapitalistischer Apartheid. Mehr als eine Barriere hindert sie daran, in die Bars in der Stadt zu gehen oder am CSD, dem weiß dominierten „Cape Town Pride“ teilzunehmen. Ihre Vorstellung von Freiheit hat wenig mit öffentlichem Händchenhalten zu tun. Die zahlreichen Fälle von Gewalt, von „korrigierenden Vergewaltigungen“ (Vergewaltigungen von Lesben, deren sexuelle Identität damit hin zur Heterosexualität „korrigiert“ werden soll) und Morden sind nicht bedauernswerte einzelne homophobe Vorfälle, sondern ein gewebtes Netz aus Rassentrennung, Gewalt und der Erschaffung und dem Erhalt von Armut. Nicht nur Armut an Geld, auch an Möglichkeiten zur Entfaltung sowie Armut an Lebensraum, Gerechtigkeit und einem menschenwürdigen Freiraum. Ob Kapstadt oder Berlin, Kapitalismus hat längst auch die LGBT-Community vereinnahmt und propagiert eine schmalspurige Akzeptanz, solange wir nicht gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Mechanismen der Ausgrenzung und Unterdrückung hinterfragen. Nur zu oft werden dabei die verschiedenen und sehr diversen Lebensumstände von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen ausgeklammert. Trotzdem bewegt sich auch in Südafrika einiges. Noch in unseren letzten Tagen in Kapstadt eroberte eine neuere Generation die Stadt. Studentinnen und Studenten erhoben sich in Massenprotesten und forderten die Entfernung kolonialer Relikte in ihrer Universität sowie bezahlbare Schulgebühren. Sie sprachen dabei von der Beziehung zwischen Kolonialismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Kapitalismus. Und so verließen wir Kapstadt, während sich die Proteste im ganzen Land ausbreiteten. L-MAG *26-29 International_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:03 Seite 29 *30-31 ABO _00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:33 Seite 30 L-MAG – Wo gibt L-MAG nicht am Kiosk? Das L-MAG-Abo Worauf wir stolz sind: L-MAG ist eine Zeitschrift, die es im Zeitschriftenladen gibt, nicht nur im Abo. Das ist uns wichtig, um lesbische Sichtbarkeit am Kiosk zu demonstrieren. Doch immer wieder fragen Leserinnen: „Wo kann ich L-MAG kaufen, bei meinem Zeitschriftenladen gibt es sie nicht?!“ Das hat verschiedene Gründe. In Deutschland gibt es rund 120.000 Stellen, an denen Zeitschriften verkauft werden – Kioske, Tankstellen, Supermärkte, Buchhandlungen. Wir drucken rund 17.000 Hefte, diese können also nur in einer bestimmten Auswahl an Läden im Regal liegen. Außerdem wird es generell immer schwieriger, ein Magazin dauerhaft im Kiosksortiment zu halten. Verkaufsstellen haben das Recht, eine Zeitschrift, die sich aus ihrer Sicht nicht genügend verkauft, völlig aus dem Sortiment zu schmeißen. Und das, obwohl die Pressefreiheit in Deutschland garantiert, dass ein Kiosk grundsätzlich alle Magazine in sein Sortiment nehmen muss. Das benachteiligt kleinere Verlage. Leserinnen, die sichergehen wollen, ihr Heft regelmäßig und pünktlich zu bekommen, sind am besten mit einem Abo bedient. Ein schöner Nebeneffekt: die Abonnentin spart Geld und beim Verlag bleibt im Vergleich zum Kioskverkauf mehr Geld hängen. STANDARD-ABO 12 Ausgaben für 49 Euro 6 Ausgaben für 27 Euro FAIR-ABO 12 Ausgaben für 39 Euro 6 Ausgaben für 23 Euro PROBE-ABO 3 Ausgaben für 10 Euro Wir wollen, dass L-MAG weiterhin im Zeitschriftenhandel erhältlich ist und alle, die bisher das Heft im Laden kaufen, dies auch weiter tun können. Dennoch werden andere Kanäle immer wichtiger, der Kioskverkauf kann die Zukunft des Magazins nicht sichern. Das Print-Abo bestellen: www.l-mag.de/abo *30-31 ABO _00 Inhalt Relaunch 07.12.15 15:13 Seite 31 bt’s denn sowas? L-MAG am Kiosk Überblick zum Verkauf am Kiosk in Deutschland auf www.mykiosk.de Überblick zum Verkauf am Kiosk in Österreich und der Schweiz auf www.l-mag.de/verkaufsstellen L-MAG online kaufen Bequem und portofrei bei www.magazineshoppen.de L-MAG als E-Paper Das E-Paper online bestellen bei www.l-mag.de/l-mage-paper E-Paper als Abo mit der kostenlosen L-MAG-App im Apple Store, bei Amazon oder Google Play bestellen. E-Paper als Abo ohne App bestellen bei www.pressekatalog.de Romantik *32-35 TT Aufmacher + Epoche_00 Inhalt Relaunch 07.12.15 15:18 Seite 32 *32-35 TT Aufmacher + Epoche_00 Inhalt Relaunch 07.12.15 15:18 Seite 33 Romantik: zwischen tiefen Gefühlen und trivialer Emotionsbeschwörung Im Journalismus gibt es sogenannte „weiche“ und „harte“ Themen. Letztere sind solche wie Politik, Krieg oder Krisen, „weiche“ Themen sind Liebe, Haustiere oder Wellness. Mit dem Thema Romantik dachte L-MAG eigentlich, bei einem weichen Thema gelandet zu sein. Doch welch Überraschung: Die Ansichten, Klischees und Abwehrhaltungen zur Romantik riefen gar starke Emotionen bei allen Befragten hervor. Romantik ist ganz offensichtlich ein Thema, das polarisiert. Überraschend heftig wurde sich dafür oder dagegen geäußert. Man könnte fast meinen, es handle sich um ein politisch brisantes Thema. Pro oder contra Romantik – die Gefühle waren groß, die Diskussionen lang und die Recherche intensiv. Viele Bekenntnisse zur Romantik und zur Sehnsucht nach großen Gefühlen stehen neben totaler Ablehnung und klaren feministischen Postionen. Somit wurde plötzlich politisch und anspruchsvoll, was so leicht daher kommen sollte. Das Ergebnis: Für hoffnungslose Romantikerinnen ist nun genauso viel geboten wie für Romantikhasserinnen und spät-berufene UndergroundRomantikfans. Viel Vergnügen! Ist es Kitsch oder ehrliches Gefühl? Was ist romantisch? L-MAG auf der Suche nach den Wurzeln der Romantik Illustration: Barye Phillips Bebildert haben wir das Thema mit Buchcovern sogenannter Lesbian Pulp Fiction, romantische Romane aus den 1950er Jahren, die milionenfach verkauft wurden und eine ganze Epoche prägten. Jede lesbische Frau in den USA hatte sie offen oder heimlich im Schrank. Das Bild links zeigt einen Ausschnitt des Original-Buchcovers von „Carol“, erschienen 1953 bei Bantam Books in den USA unter dem Titel „The Price of Salt“. Geschrieben hat es Patricia Highsmith unter dem Pseudonym Claire Morgan. Auch wenn es sich bei „Carol“ um Literatur handelte, wurde die damals gerade für lesbische Geschichten so beliebte, romantisch-sinnliche „Pulp“-Optik verwendet. 62 Jahre später wurde das Buch mit Cate Blanchett in der Titelrolle verfilmt. Ein Szenenfoto ziert das Cover dieses Hefts. Alles zu einem der romantischsten Liebesfilme des Jahres findet sich auf Seite 56. Werbung, Medien, Film und Literatur sind voll von romantischen Bildern und Anspielungen. Dabei geht es um Sehnsucht, Liebe, Wehmut und Verzweiflung Was die einen in den siebten Himmel der Gefühle versetzt, verursacht bei anderen Fluchtreflex und Abneigung. Romantik und was damit gemeint ist, hängt durchaus vom Auge der Betrachtenden ab. Gibt man das Adjektiv „romantisch“ bei Google ein, erscheint folgende Definition: 1. voller Gefühl oder das Gefühl ansprechend 2. die Romantik betreffend oder aus ihr stammend Die Romantik als kulturelle Epoche prägt die gegenwärtige Alltagsverwendung des Begriffs wesentlich – wenn diese auch arg trivialisiert erscheint. So bemerkt der Germanist und Lyriker Axel Sanjosé etwas verächtlich: „Wie weit entfernt ist diese ästhetische Grundsatzerklärung von dem, was als trivialisierter Begriff heutzutage unter dem Stichwort Romantik in den Köpfen herumschwirrt! Der verkitschte See bei Mondschein, das für zwei Personen gedeckte Tischlein mit Kerzenschimmer enthalten nur noch völlig degenerierte Spuren jenes Kunst- und Lebenskonzeptes.“ Diffuse Alltagsromantik Es ist nicht leicht in Worte zu fassen, was „romantisch“ heutzutage eigentlich meint. Die Kulturwissenschaftlerin Simone Stölzel meint: Der Begriff Romantik „steht für ein spezifisch ambivalentes Gefühlsgemisch aus freudiger Begeisterung und Wehmut, das bei richtiger Dosierung einen höchst angenehmen Kontrast zur nüchternen Alltagswelt unseres technisch hochgerüsteten Zeitalters darstellt.“ Romantik – als Gegenpol zur Technisierung der Kulturen – kann demnach das Erleben und Ausleben positiver Sehnsucht und Emotion ermöglichen. Ist Romantik also eine Hilfskonstruktion für unterdrückte Emotionen? Beim Betrachten der Verwendung von 33 *32-35 TT Aufmacher + Epoche_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:51 Seite 34 ROMANTIK „Das romantisierte Konstrukt der Weiblichkeit basierte auf klaren Geschlechterdifferenzen, die das Patriarchat stabilisierte und Frauen in dienende Funktionen verbannte“ Buchcover von „Spring Fire“, Fawcett Publications, 1952. Ein Jahr vor „Carol“ erschien dieser als Ursprung der „Lesbian Pulp Fiction“ geltende Roman um eine lesbische Liebe, geschrieben von Vin Packer, was das Pseudonym von Marijane Meaker war. Meaker sollte später zwei Jahre lang eine Liebesbeziehung mit „Carol“-Autorin Patricia Highsmith haben, worüber sie ebenfalls ein Buch –„Meine Jahre mit Pat“ (2003) – schrieb. romantisch und Romantik in den Medien drängt sich der Eindruck auf, dass der Begriff sich einer klaren Definition gerne entzieht und lieber diffus uneindeutig rund um Wohlfühlgefühle und Liebe herumwabert. Da wird der „romantische Urlaub“ angepriesen, die romantische Ader pulsiert in der Trivialliteratur und Wanderungen an romantische Orte wollen die Zweisamkeit mit positivem Adjektiv vermarkten. Ein gängiges Wortpaar ist die „romantische Liebe“. „Romantik sells“ und prägt sich mit der Vermarktung gleichzeitig als Bedürfnis einer jeden fühlenden Person ein. Jede und jeder hat doch irgendwo eine romantische Ader – so wird suggeriert. Zu viel davon ist auch nicht gut und brandmarkt die Vollzeitromantikerinnen und -romantiker womöglich als schwärmerisch, naiv, weltfremd und lebensuntüchtig. Sinn und Sinnlinchkeit Ambivalenz prägt auch die kunsthistorische und literarische Epoche der Romantik. Schon in der präzisen zeitlichen Einordung gibt es bis 34 heute Unstimmigkeiten. Die deutsche Romantik bildet sich ab 1789 als philosophische und künstlerische Strömung heraus und endet Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie ist geprägt von einer Abgrenzung zur Vernunft, dem Ideal der Aufklärung. Was heißt das? Die romantische Betrachtungsweise sieht den Menschen als empfindendes Wesen. Das Gefühl wird zum Leitmotiv musischen Schaffens. Die Sehnsucht nach einer Gegenwelt im Zeichen von Industrialisierung und sozialen Probleme führt zu einer inhaltlichen Fokusverschiebung: das Wunderbare, die Exotik, das Abenteuer und die Sinnlichkeit werden interessant. Natur und Vergangenheit, insbesondere das Mittelalter, werden zu (idealisierten) Sehnsuchtsorten. Die Romantik ist eine Kultur des Aufbruchs, die Sinn für alles hat, was Empfindungen anregt. So auch für das Unheimliche, Bizarre, Groteske, Okkulte, Gespenstische, Abgründige und Surreale. Die angestrebte Poetisierung des Lebens sucht Poesie und Mythologie miteinander zu verbinden und proklamiert die Freiheit der Fantasie. Angestrebt wird eine ganzheitliche Romantisierung der Welt auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Über allem künstlerischen Schaffen steht der Grundsatz der dichterischen Freiheit. Musen, Geliebte und Seelenpartnerin Doch wie steht es um Freiheit, Aufbruch und Empfinden der künstlerisch tätigen Frauen in der Romantik? Mit der Kritik an Vernunft und Moderne, der Sehnsucht nach einer höheren Welt und dem Erblühen des romantischen Individualitäts-Ideals beginnt eine zaghafte Teilhabe von Frauen am literarischen Leben. Sicherlich vorrangig als von Männern geschaffene Kunstfiguren: als Musen, Geliebte, Seelenpartnerinnen und naturhafte Wesen – kurz: als romantisches Konzept. Friedrich Schlegel schrieb den interessanten Satz: „In den Frauen liegt jetzt das Zeitalter, nur unter ihnen gibt’s noch interessante Charaktere.“ Charaktere, die *32-35 TT Aufmacher + Epoche_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:51 Seite 35 nicht nur in den idealisierten Kunstfiguren aufzufinden sind. Vereinzelt treten auch reale Frauen als Literatur- und Kunstschaffende auf die Bühne der Romantik. Eine der aus lesbischer Sicht vielleicht interessantesten und tragischsten Dichterinnen der Romantik ist Karoline von Günderrode (17801806). An ihre Freundin Gunda Brentano schrieb sie 1801: „Schon oft hatte ich den unweiblichen Wunsch, mich in ein wildes Schlachtgetümmel zu werfen, zu sterben – warum ward ich kein Mann! Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit. Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir (…) ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und so uneins mit mir.“ 1806 brachte Karoline von Günderode sich am Rhein um, nachdem ihr Geliebter, der Philologe Friedrich Creuzer, ihr die Trennung in einem Brief mitteilte. Ein Selbstmord aus Leidenschaft – ganz in romantischer Manier. „Das Wesen der Frauen ist Poesie“ (Friedrich Schlegel) Trotz vereinzelter Frauen, die mit Biografie und Werk schon zu Lebzeiten Spuren hinterließen, kann von Emanzipation in der Romantik kaum die Rede sein. Das romantisierte Konstrukt der Weiblichkeit basierte auf klaren Geschlechterdifferenzen, die das Patriarchat stabilisierte und Frauen in dienende Funktionen verbannte. Allerdings ist die Epoche der Romantik mit einem lesbischen, feministischen Blick betrachtet eine Fundgrube auch für feministisch und homoerotisch deutbare Ansätze. Was bleibt noch zu sagen über die Romantik? Was heute mit damals verbindet, ist wohl in allererster Linie Ambivalenz und Gefühl – wenn auch die gegenwärtige Bedeutung von Romantik die damalige nur in „degenerierten Spuren“ abbildet. Romantisch ist wohl schlussendlich das, was Gefühle zu erwecken und Sehnsüchte auszulösen vermag. Und schließlich ist die relative Undefinierbarkeit des Begriffs durchaus ein Vorteil, denn Romantik ist das, was für romantisch gehalten wird! Und romantisch ist die, die sich in Wort und Tat daran orientiert. So leicht kann es sein. // Judith Czakert Erinnerung Ich denke dein im trauten Kreis der Freunde, Ich denke dein in dem Gewühl der Schlacht, Ich denke dein beim Neidgezisch der Feinde, Und wenn die Felsenkluft vom Donner kracht. Ich denke dein im finstern Stadtgewühle Und in dem Tal, wo nur der Hirte pfeift, Ich denke dein in sehnsuchtsvoller Stille Und auf dem Feld, wo schon die Ähre reift. Ich denke dein, ich sitze oder stehe, Du schwebst, o Traute, überall um mich Und, wenn in stiller Schwermut leis ich gehe, Vergeß ich alles, alles; nur nicht dich. Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt! Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt! Hinab ins Tal, mit Rasen sanft begleitet, Vom Weg durchzogen, der hinüber leitet, Das weiße Haus inmitten aufgestellt, Was ist's, worin sich hier der Sinn gefällt? Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt! Erstieg ich auch der Länder steilste Höhen, Von wo ich könnt die Schiffe fahren sehen Und Städte fern und nah von Bergen stolz umstellt, Nichts ist's, was mir den Blick gefesselt hält. Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt! Und könnt ich Paradiese überschauen, Ich sehnte mich zurück nach jenen Auen, Wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt, Denn der allein umgrenzet meine Welt. Vorzeit, und neue Zeit Ein schmahler rauher Pfad schien sonst die Erde. Und auf den Bergen glänzt der Himmel über ihr, Ein Abgrund ihr zur Seite war die Hölle, Und Pfade führten in den Himmel und zur Hölle. Doch alles ist ganz anders jetzt geworden, Der Himmel ist gestürzt, der Abgrund ausgefüllt, Und mit Vernunft bedeckt, und sehr bequem zum gehen. Des Glaubens Höhen sind nun demoliert. Und auf der flachen Erde schreitet der Verstand, Und misset alles aus, nach Klafter und nach Schuen. Karoline von Günderrode (1780-1806) Die Einzige Wie ist ganz mein Sinn befangen, Einer, Einer anzuhangen; Diese Eine zu umpfangen Treibt mich einzig nur Verlangen; Freude kann mir nur gewähren, Heimlich diesen Wunsch zu nähren, Mich in Träumen zu bethören, Mich in Sehnen zu verzehren, Was mich tödtet zu gebähren. Karoline von Günderrode (1780–1806) Bettina von Arnim (1785–1859) 35 *36-37 TT Expertinnen_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:04 Seite 36 ROMANTIK Liebesromane mit lesbischen Figuren und großen Dramen finden seit Jahrzehnten viele treue Anhängerinnen L-MAG sprach mit Autorinnen und Buchverlegerinnen über Sehnsucht, Herzschmerz und Happy End Buchc ov von A er von „Th eT rtemis Smith hird Sex“ , Beac on Sig nal, 1 959 Noch nie gab es auf dem Buchmarkt mehr Lesbenliebesromane als heute. Ob „romantic suspense“ in Krimiform oder „paranormal romance“ mit sexy Vampirinnen: Das Angebot ist groß und wächst. Unter den Buchrezensionen von L-MAG waren „schnulzige Love-Storys von Anfang an dabei“, erklärt Chefredakteurin Manuela Kay, „und sie sind bis heute gefragt“. Auch die Frauen, die Geschichten fürs Herz schreiben oder verlegen, sind sich einig: Das ist keine Modeerscheinung. „Es gibt ein universales Grundbedürfnis nach Romantik“, sagt Claudia Gehrke, die mit ihrem Konkursbuch Verlag und der Reihe „Liebesleben“ zu den Großen im lesbischen Marktsegment gehört. „Das ist nicht nur bei Lesben ausgeprägt. Im Leben geht es ja kaum so romantisch zu wie in manchen Liebesromanen. Lesen ist Entspannung, Urlaub vom Alltag. Die Sehnsucht nach Romantik hat mit dem Wunsch zu tun, sich in romantische Traumwelten entführen zu lassen“, erklärt Gehrke weiter. Einen gewissen Hang zum Eskapismus erkennt auch Anne Bax, Königin des lesbischen Happy Ends mit Humorbonus, bei sich und ihrer äußerst treuen Fangemeinde: „Ich glaube, dass Lesben meiner Ü-50-Generation mehr glückliche Liebesgeschichten brauchten, weil es die in Büchern und Filmen lange nicht gab und sicher auch, um sie der doch oft schwierigen Lebensrealität entgegenzusetzen.“ Eine literarische Bestätigung der heilen Gefühlswelt könnte aber auch jüngeren Frauen angesichts wieder salonfähig werdender Homophobie von zum Beispiel den „Besorgten Bürgern“ gerade recht kommen. Dafür sprächen unter anderem die wachsenden Umsätze des Ylva-Verlags. Das noch junge Unternehmen setzt in ROMAN ODER 36 *36-37 TT Expertinnen_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:04 Seite 37 seinem Programm komplett auf Liebes romane. Der Erfahrung von Verlegerin Astrid Ohletz nach haben jüngere Lesben nicht weniger Interesse an Geschichten mit Herz, sie wünschen sich nur andere Inhalte: „Der Wunsch nach Romantik ist immer noch da. Die heutige junge Generation ist nicht mehr so an Coming-out-Geschichten interessiert. Aber die neuen Trends sprechen für sich, etwa bei der ,paranormal romance’, der durch die ,Twilight‘Romane angestoßen wurden, oder in der ,erotic romance’ à la ,Fifty Shades of Grey’.“ Ja, auch im Fahrwasser des weichgespülten Popohaue-Megasellers hatten sich flugs lesbisch orientierte Nachfolgerinnen eingefunden. Das Interesse ist also da und bleibt. SubGenres haben ihre Höhen und Tiefen, genau wie beim Krimi oder Psychothriller. Auch das sind übrigens Genres, die sich nicht schlecht mit romantischen Handlungssträngen verknüpfen lassen. Anne Bax, die jüngst mit dem Krimi „Herz Kammer Spiel“ punkten konnte, sieht es so: „Für mich sind die von mir beschriebenen Taten so etwas wie die dunkle Seite der Liebe, und die kann man gut zusammen mit der hellen Seite beschreiben … die leuchtet dann noch etwas heller.“ Was ist überhaupt ein romantisches Buch? Mirjam Müntefering, die fast jährlich etwas Neues für Herz und Seele der Lesbenwelt zu „Es gibt ein universales Grundbedürfnis nach Romantik“ Papier bringt, nennt ihre Schreibworkshops „ROMANtische Inspirationen“. Für sie hängen Genre und Grundthema selbstverständlich zusammen: „In den Workshops geht es ums Handwerk zum Romanschreiben, aber die romantische Seite bleibt nie außen vor. Die Protagonistinnen müssen Herz und Einsatz zeigen, ein bisschen verklärt sein und von der Liebe einfach alles erwarten – auch wenn der Alltag natürlich ernüchternd sein kann.“ Karen-Susan Fessel gehört zu den Autorinnen, deren Leserinnen ohnehin jedes ihrer Bücher kaufen, egal welchem Genre es sich zuschreiben „Die Valentinstagund HochzeitsIndustrie suggeriert den Leuten, was Romantik sei“ lässt. Die Berliner Autorin findet, „dass Romantik ja nur eine Umschreibung für Sehnsucht ist. Und Sich-Sehnen ist ja wiederum etwas höchst Befriedigendes.“ Die Schöpferin von „Bis ich sie finde“ führt das eigene Schaffen bis auf die Literaturepoche der Romantik zurück: „Diese Phase war von einer Neubesinnung auf die tiefere Gefühlswelt und die Fantasie gekennzeichnet. Auf diese Dinge besinne ich mich in meinen Büchern ja auch immer wieder. Sehnsucht, Leidenschaft, Individualität, Abgründe der Seele – also, wenn ich es recht bedenke, bin ich eine Autorin der Romantik in modernem Gewand.“ Natürlich ist nicht jede der Materie so zugeneigt. Regina Nössler beschreibt in ihrem teilautobiografischen Roman „Die Kerzenschein-Phobie“ regelrechten Romantikterror in einer Beziehung, der zu einer kompletten Verweigerung der Protagonistin von Rosen, Kerzen und so weiter führt. Sie sagt klipp und klar: „Die Valentinstag- und Hochzeits-Industrie suggeriert den Leuten, was Romantik sei. Aufgesetzt und künstlich. Mich kann man damit jagen.“ Es würden ihr sicherlich einige zustimmen. Die Anfänge gefühlsbetonter Lesbenliteratur waren entsprechend holperig. Vor 30 Jahren belächelte die Liedermacherin Carolina Brauckmann in ihrem Song „Lesbenbücher“ die schlichte Strickart „süffiger Lesbenliteratur, wo zweie sich lieben und kriegen und haben.“ Gleichzeitig, erzählt sie, sei sie aus Mangel an positiven Lesbengeschichten damals süchtig gewesen nach „etwas Sex und viel Seelenschmelz, egal, welche Qualität die Romane hatten. So viele von uns lesbischen Küken waren einfach auf der Suche nach lesbischen Heldinnen.“ Ulrike Anhamm, die lange Jahre das Lesbenmagazin Lespress herausgab, erinnert sich, wie es weiterging: „In den 90ern wurde auf einmal vieles Camp, was vorher als Kitsch oder politisch nicht korrekt galt. Das war eine schicke Wendung, die uns vieles leichter machte.“ Diese Veränderung machte sich nach und nach auch bei den Verlagen bemerkbar. Ruth Gogoll brachte ihren Roman „Taxi nach Paris“ heraus und gründete auf dessen Erfolg ihren eigenen Verlag mit Herzschmerzschwerpunkt. „Seither hat édition el!es die weitere Lesbenliteratur geprägt, und glücklicherweise sind heute lesbische Liebesromane mit glücklichem Ausgang nichts Besonderes mehr“, erzählt sie. Das Angebot wird fast täglich größer. Besonders seit sich die technischen Möglichkeiten verbessert haben. Die Selbstverlegerinnen sind auf dem Vormarsch und bringen mit dem günstig produzierbaren E-Book neuen Liebesstoff unters Lesbenvolk. Die Gefahr eines Nachschubstopps besteht also nicht. „Mit Romantik ist es schöner“, erklärt Ruth Gogoll. „Und alles, was schöner ist, machen wir öfter.“ Den Kitschvorwurf mussten sich die meisten von ihnen schon gefallen lassen. „Aber was ist schlimm an Kitsch und Klischees?“, gibt Gogoll selbstbewusst zurück. „Beides gehört zum Leben und beides ist Teil des Lebens … Kitsch ist nur eine Frage der Wahrnehmung. Was die eine als Kitsch empfindet, ist für die andere Romantik!“ Anne Bax verteidigt ihre unvermeidlichen Happy Ends: „Wenn ich meine Geschichten beginne und den Figuren folge, fällt es mir einfach schwer, sie nicht glücklich werden zu lassen. Und ja, ich weiß, dass das nicht realistisch ist“, schließt sie. „Möglicherweise heißt es deshalb Fiktion.“ // Susanne Lück ROMANTIK 37 *38-41 TT Umfrage_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:06 Seite 38 ROMANTIK Zwischen Heteronorm und Kerzenschein Sechs Frauen aus sechs Ländern und ihr Konzept von Romantik befragt von Isabel Lerch, fotografiert von Camilla Storgaard-Larsen Erica, Engländerin mit südafrikanischen Wurzeln, 50 Der Romantikbegriff ist historisch so stark aufgeladen, dass ich zuallererst an all die populären Symbole denke – rote Herzen, Rosen, Valentinstag. Aber da ich mich als radikale, lesbische Feministin definiere, fügt sich Romantik für mich in einen Haufen von heteronormativem Scheiß ein – davon möchte ich kein Teil sein. Ich würde mich also definitiv als nicht-romantisch bezeichnen. Gleichzeitig hat es mich vor über einem Jahr, als ich meine aktuelle Partnerin getroffen habe, so heftig erwischt, dass meine bisherigen Einstellungen durcheinandergewirbelt wurden. Auf einmal passierte all das, von dem ich immer gelesen und immer gedacht hatte, dass es niemals passieren würde. Es gibt einen ganz besonderen Moment, der dieses Gefühl ausdrückt: Ich habe ihr damals die Geschichte erzählt, wie ich eines Abends ganz starkes Heimweh nach meiner Heimat Südafrika verspürte. Als Künstlerin habe ich diesen Abend in einer Geschichte festgehalten und sie ihr dann zugeschickt. Und als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, sah ich, dass sie mir ein selbstkomponiertes Lied zugeschickt hatte – mit einem Text, der auf meiner Geschichte beruht. Das hat mich vollkommen umgehauen: sie hatte meinen Worten so viel Aufmerksamkeit geschenkt. 38 *38-41 TT Umfrage_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:06 Seite 39 Zehra, Deutsch-Türkin, 34 Bei Romantik kommt mit sofort dieses ganze schnulzige Geschwafel mit Rosen, Wein und Kerzenlicht in den Sinn. Ich selbst würde mich aber als absolut nicht romantisch bezeichnen. Klar, ich überrasche meine Freundin auch mal ab und an, aber dann mit Kleinigkeiten. Denn diese alltäglichen Dinge sind für mich viel kostbarer und aufrichtiger als einmalige romantische Gesten. Für mich geht es dabei um Zuneigung, wertschätzende Liebe und gegenseitige Rücksichtnahme. Meine Freundin und ich sind jetzt seit 15 Jahren zusammen – ich habe sie nicht ein einziges Mal mit Rosenmeer und Kerzenschein überrascht. Dafür habe ich eine Geschichte, die zwar nicht unbedingt romantisch ist, aber in der meine Freundin einfach süß und super aufmerksam war. Ich bin unter anderem Schauspielerin und hatte eine wirkliche wichtige Aufführung. Erst hieß es, dass sie nicht kommen kann, weil sie arbeiten muss. Ich war tierisch aufgeregt an dem Abend und es war niemand da, den ich kannte. In diesem Moment habe ich mich ein bisschen allein gefühlt. Als es dann soweit war und ich vor dieser ganzen Menschenmasse stand, habe ich sie auf einmal entdeckt – sie stand, etwas versteckt, in der hintersten Ecke. Das war für mich ein sehr kostbarer Moment, weil mir das sehr viel Sicherheit gegeben hat. Das sind diese Momente in denen ich merke, dass ich wirklich geliebt werde. Sasha, Russin, 32 Bei Romantik denke ich vor allem an die klassische russische Literatur: Bulgakow, Dostojewski, Jessenin – deren Werke handeln alle von Leid und davon, dass Liebe auch immer mit Leid verbunden ist. Das ist typisch für Russland: Wir lieben es zu leiden und dies mit anderen zu teilen, das ist Teil der russischen Kultur. Was die Romantik angeht, kommt es auf die gesellschaftliche Schicht an, über die wir sprechen. Wenn wir über die Mittelklasse in Moskau sprechen, sind materielle Dinge sehr wichtig. Teure Geschenke, teure Blumen, ein teures Restaurant – es gilt als romantisch, wenn man seinem Date etwas Teures schenkt. Dies entspricht aber nicht meinem Verständnis. Für mich bedeutet Romantik nichts Materielles, sondern meiner Partnerin Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu verstehen. Ihr geht es genauso. Ich habe lange Zeit an Depressionen gelitten und war in einem wirklichen schlechten Zustand. Ich lag über Wochen im Bett und konnte mich nicht bewegen und nichts machen. Meine Partnerin hat mich lange beobachtet. Eines Tages kam sie nach Hause, nahm mich, steckte mich einfach ins Auto und sagte mir nicht, wo es hingeht. Sie fuhr drauflos und sagte gar nichts. Sie fuhr mit mir ans Meer. Mitten im Winter. Es tat so gut. Sie zeigte mir damit, dass ich ihr wirklich wichtig bin und dass sie auf mich achtgibt. Diese leergefegte Küste im Winter und sie an meiner Seite – das war einer der romantischsten Momente, die ich je erlebt habe. 39 *38-41 TT Umfrage_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:06 Seite 40 ROMANTIK Alison,US-Amerikanerin, 42 Für mich bedeutet Romantik Fantasie – man malt sich aus, wie etwas auf eine bestimmte Art und Weise passieren könnte. Man glorifiziert eine Situation. Alle Sinne sind geschärft. Man ist sehr präsent und befindet sich genau im Moment. Man gleitet einfach ab in diese Magie und diese Gefühle. Es ist eine körperliche Empfindung, die man überall spüren kann. Ich selbst bin absolut romantisch. Meine Ex-Freundin war sogar manchmal von mir genervt, weil sie an so viel Romantik nicht gewöhnt war. Mit meinen verschiedenen Partnerinnen habe ich viele tolle Momente erlebt und jede war auf ihre Art ganz besonders. Aber eine Geschichte toppt alles: Als ich 15 Jahre alt war, habe ich meine erste große Liebe getroffen – Erika aus Österreich. Sie war Austauschschülerin an meiner High School in den USA. Wir waren für neun Monate zusammen. Nach dem Schuljahr zog sie zurück nach Österreich und ich sah sie nie wieder. Für lange Zeit haben wir uns Briefe hin und her geschrieben, doch das ließ irgendwann nach. Danach habe ich nichts mehr von ihr gehört. Viele Jahre lang habe ich immer mal wieder nach ihr gesucht und es gab keinen Weg, sie ausfindig zu machen. Eines Abends – vor ungefähr einem Jahr – beende ich eine meiner Kochschichten im Restaurant. Ich trage also den Müll raus, gehe um die Ecke und auf einmal steht da diese Frau. Es ist unglaublich aber wahr – es war Erika. Katayun, Iranerin, 52 Ich glaube, ich bin wirklich die romantischste Frau des Jahrhunderts. Ich habe quasi die Romantik erfunden. Vielleicht kommt das durch mein persisches Dasein. Ich bin stark beeinflusst von dem persischen Dichter Rumi, der nur über Liebe geschrieben hat. Er hat einmal gesagt: Wo immer du bist, was immer du tust, sei verliebt. Ich glaube fest daran: Für mich ist Liebe die Lösung. Ich bin sehr realistisch, aber ich finde, dass man letztendlich alles durch Liebe schaffen kann. Und Romantik ist eine Verpflichtung, dem Menschen, den man liebt, durch Gesten oder Bewegungen zu zeigen, dass man ihn liebt. Ich hatte eine Trennung von einer Freundin und bin dann erstmal für zwei Wochen nach Kreta geflogen. Ich hatte mir eines geschworen – nie wieder Frauen! Der Urlaub war schön. In der letzten Nacht war ich mit einer Reisebekanntschaft essen. Alles verlief harmlos – bis ich auf einmal zum anderen Tisch hinüber sah. Da saß eine Frau mit blauen Augen, braun gebrannt – sie leuchtete fast. Ich war so begeistert. Ich habe mein Essen liegen gelassen, bin aufgestanden, zu ihr gegangen und habe gesagt „Hör zu, ich fliege morgen weg. Wäre ich hier geblieben, hätte ich alles getan, um dich kennenzulernen!“ Ich habe dann noch schnell bezahlt und bin gegangen. Später habe ich noch einen Cocktail am Strand getrunken. Auf einmal kam sie an, setzte sich zu mir und von da an haben wir uns nicht mehr getrennt. Drei Monate später ist sie zu mir gezogen und wir waren danach 16 Jahre zusammen. Das war die große Liebe und das Schönste, was mir je passiert ist. 40 *38-41 TT Umfrage_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:06 Seite 41 Paulita, Spanierin, 27 Was mir persönlich durch den Kopf geht, wenn ich an Romantik und Spanien denke, ist, dass 2015 schon über 40 Frauen aus romantischen Gründen ermordet wurden. Ich finde, dass viele sexistische Verhaltensweisen und Beziehungsmuster unter dem Deckmantel der Romantik entschuldigt oder sogar als positiv anerkannt werden, obwohl sie für mich schon sehr an Gewalt grenzen. Meiner Meinung nach gibt es in Spanien einen Mangel an alternativen RomantikBildern. Das ist schon alles sehr klischeehaft, was die MainstreamMedien vermitteln. Darstellungen, die sich davon abgrenzen, gehen dann gleich ins andere Extrem. Zum Beispiel die Filme von Pedro Almodóvar – da wird die Romantik zwar übertrieben und daher irgendwie auch kritisiert. Aber dies geschieht mit einer Art von Humor, bei der ich bezweifele, ob diese wirklich als Kritik oder nicht doch eher als eine Reproduktion von eben jener Vorstellung von Romantik gelesen wird. Ich bin auf jeden Fall feministisch und gegen dieses verkäufliche Konzept von Romantik und heuchlerischen Gesten. Ich habe ein alternatives Konzept von Romantik: Ich persönlich finde es romantisch, wenn ich mich eben nicht an das Datum erinnere, an dem meine Partnerin und ich uns zum ersten Mal geküsst haben. Ich finde es romantisch, wenn solche Dinge egal sind. 41 *42-43 TT AntiRomantik_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:10 Seite 42 ROMANTIK BALDRIAN FÜRS Unsere Vorstellung von Romantik ist geprägt durch Normen und Kommerz. Es geht um mehr als die intime Zweisamkeit. Es geht um gesellschaftliche Anpassung – eine kritische Betrachtung der Romantik Traut man einer kursorischen Google-Suche zum Begriff „Romantik“ zu, Aussagen über kulturelle Praktiken in deutschsprachigen Ländern zu treffen, verhält es sich mit der romantischen Praxis hierzulande derzeit ungefähr so: Zuerst geht man zu zweit barfuss bei Sonnenuntergang einen Strand entlang, bohrt mit der großen Zehe Herzchen in den Sand, um dann in ein mit Ikea-Teelichtern zugerümpeltes Romantikhotelzimmer einzukehren. Anschließend nimmt man sekttrinkend ein Schaumbad in einer Eckbadewanne voller Rosenblätter. Nachdem die halbwelken Blättchen von der nassen Haut gepult sind, liegen die Romantikerinnen, in weiße Hotelfrottierbademäntel gehüllt, zusammen auf dem Kingsize-Boxspringbett herum, starren Löcher in die Luft und dichten sekttrunken unfreiwillige Schüttelreime über die ewige, klebrige Zweisamkeit. Romantik-Hotels und Dosen-Prosecco Buchcover von „I Am a Woman“ von Ann Bannon, Fawcett Publications, 1959 42 Die Soziologin Eva Illouz beobachtete bereits Ende der 1990er Jahre, dass die romantischen Anbahnungsrituale symbiotischer Pärchenverschmelzung im Laufe des 20. Jahrhundert nahezu komplett durchkommerzialisiert wurden. Sei es der gemeinsame Kinobesuch, das Dinner bei Kerzenschein oder auch nur der geteilte Dosen-Prosecco auf dem MelissaEtheridge-Konzert – sämtliche populären RendezvousVarianten sind gegenwärtig mit Konsumpraktiken verknüpft und Konsum wiederum wurde somit mehr und mehr mit romantischen Vorstellungen aufgeladen. Erst mit dem Date als Beziehungsanbahnungsinstrument, das die ältere Praxis der „Vorstellung“ bei den Eltern der Angebeteten im 19. Jahrhundert langsam ablöste, verlagerte sich die romantische Praxis heraus aus der Familie in die Öffentlichkeit und damit in die Sphäre des Konsums. Doch nicht nur das. Mit ihren Wurzeln in der Frühphase der bürgerlichen Ehe war Romantik immer schon untrennbar mit der heteronormativen Geschlechterordnung verknüpft. Romantische Liebe, verstanden als Einheit sexuellen Begehrens, unkontrollierbar erscheinender emotionaler Anziehung und gleichzeitiger Partnerschaftswütigkeit, konnte sich erst im späten 18. und 19. Jahrhundert als Ideal durchsetzen. Wurden Ehen vormals primär als wirtschaftliche Zweckverbindung oder als Erbfolge-Absicherungsmaßnahme geschlossen, brauchte die bürgerliche Ehe, die auf Gründung einer Kleinfamilie abzielte, noch etwas zusätzlichen „Kitt“, um sie als Beziehungsmodell attraktiv erscheinen zu lassen: Die romantische Liebe. *42-43 TT AntiRomantik_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:10 Seite 43 VOLK Zweisamkeit als Schlüssel zum Glück? So wurde bürgerlichen Frauen die Rolle zugedacht, sich mit Hilfe stark ritualisierter romantischer Gesten – Blumen, kleine Geschenke et cetera – „erobern“ zu lassen, um dann später als ebenso emotionale wie sittliche Gattin über Haus und Kinder zu wachen, während der Gatte die Sphäre der Öffentlichkeit und Berufsarbeit bespielte. Wie Literaturwissenschaftlerin Judith Coffey beschreibt, ist die moderne Form von romantischer Liebe also auch das, was die heterosexuelle Gesellschafts- und Geschlechterordnung nicht nur beständig bestätigt, sondern sie begehrenswert erscheinen lassen soll. In dieser Vorstellung liegt in der heterosexuellen romantischen Zweisamkeit mit einem – und nur einem – Partner der Schlüssel zum Glück und erfüllten Leben. Romantik ist also keineswegs nur eine hübsche Beziehungsanbahnungsspielerei, sondern für Frauen und Lesben strenggenommen Arbeit an der eigenen Marginalisierung: „Liebe ist Baldrian fürs Volk“, sangen die Lassie Singers schon in den 90er Jahren. Zwar hat die romantische Liebe, insbesondere in Form der bürgerlichen Ehe, in den Jahrzehnten seit der sogenannten „Sexuellen Revolution“ einiges an Kritik erfahren müssen. Doch gerade in den letzten Jahren erfreut sie sich einer unheimlichen Renaissance. Heiraten, Romantikwochenenden, ja sogar Verlobungen sind plötzlich auch unter Lesben beliebt. Selbst die Filmindustrie hat Lesben als Zielgruppe romantischer Komödien entdeckt: Da überleben dann zwar ausnahmsweise meist beide Hauptdarstellerinnen, Singlezuschauerinnen sollen sich allerdings schon zu Tode gelangweilt haben – und Pärchen gucken so was ja nur, weil im Dunkeln Knutschen so romantisch ist. Abbildung: Spinnboden, Berlin Romantik-Coaching für schal gewordene Liebe Das Gute an der Romantik ist allerdings, dass sie nicht ewig hält. Auch hieraus weiß die Romantikindustrie Kapital zu schlagen: Paartherapien, völlig unsinnige Beziehungsratgeber und sogar Romantik-Coaches befassen sich mit dem drohenden Scheitern der romantischen Zweierbeziehung und versuchen, die schal gewordene Liebe durchs verflixte siebte Jahr zu retten. Denn genau das, was sie eigentlich erträglich machen soll, verträgt die Romantik am allerwenigsten: Alltag. Mit der Einkehr des Alltags in die Beziehung wird aus dem kerzendekorierten Hotelzimmer die heimische Wohnhöhle, in der Netflix in unendlicher Dauerberieselung eine HBO-Serie nach der anderen zur Ablenkung von der Banalität des Alltags ausspuckt und an Zeiten erinnert, in denen man noch Träume hatte. Statt Rosenblättern säumen nun halbleer gefressene Chipstüten, Brösel von der Tiefkühlpizza und müffelnde Socken die gemeinsame Lagerstätte. Das entromantisierte Paar praktiziert die Höhepunkte zweisamer Einsamkeit nun in Snoopiemuster-Flanellpyjamas auf der Couch. Dort singen sie sich nach dem Fernsehen gegenseitig Lieder von Christiane Rösinger über die Überbewertung der Liebe vor und dann fängt entweder endlich der chillige Teil der Beziehung an oder es geht mithilfe von Parship und Lesarion in eine neue Runde des Rosenteile-Konsumterrors. // Katrin Kämpf L-MAG 43 *44-45 TT Dunkle Romantik_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:17 Seite 44 ROMANTIK MORD, VAMPIRINNEN, TOD: Die dunkle Seite der Romantik In Düsternis gehüllter Kitsch oder morbide Lust an Todessehnsucht? Düstere Romantik spaltet Geister und Gemüter – in Poesie und Realität 44 *44-45 TT Dunkle Romantik_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:17 Seite 45 Abbildung:Yale University Library, Beinecke Rare Book and Manuscript Library Buchcover von „Three Women“ von March Hastings, Beacon Books, 1958 Die dunkle, abgründige Seite der Romantik flutet in diversen Motiven durch unsere Medien und legt damit subtil fest, wann wir etwas als romantisch empfinden und wie wir dabei fühlen (sollen). Besonders offensichtlich wird die moderne Düster-Romantik in dem Vampir-Hype der letzten Jahre und in millionenfach gelesenen SMRomanen abgefeiert. Subkulturen wie die Gothic- oder die Emo-Szene definieren sich über Ausprägungen der Schwarzen Romantik. Düsternis und Romantik – da hat sich wohl ein neues Traumpaar gefunden. Neu? Gar nicht so neu: Bereits in der namensgebenden Epoche, besonders deutlich in der Spätromantik, zeichnet sich eine Vorliebe für das Bizarre und Groteske in Literatur und Kunst ab. Als virtuoser Darsteller der düsteren, sarkastischen Sicht auf Verhältnisse kann allen voran der romantische Autor E.T.A. Hoffmann (1776–1822) genannt werden. Mit seiner literarischen Hinwendung zum Unheimlichen ist er ein Meister der Schauerromantik. Seine Werke zielen pointiert auf die Nachtseiten und Abgründe der menschlichen Seele. Das erwachende Interesse am Wahnsinn und anderen dunklen Seiten des Seins rechtfertigt Hoffmanns Zeitgenosse Friedrich Schlegel (1772–1829) so: „Aus dem romantischen Gesichtspunkt haben auch die Abarten der Poesie, selbst die exzentrischen und monströsen, ihren Wert, als Materialien und Vorübungen der Universalität, wenn nur irgend etwas drin ist, wenn sie nur original sind.“ Originalität also über alles; da rücken auch Abarten in den Fokus und werden bewusst in literarische Szene gesetzt. Offensichtlich mit nachhaltigem Erfolg, denn der romantische Reiz des Dunklen und Abgründigen ist heute ebenso en vogue wie damals. Die Kulturwissenschaftlerin Simone Stölzel definiert Schwarze Romantik in ihrem Buch „Nachtmeerfahrten“ als Geisteshaltung, „die aus einem besonderen, von Zweifel und Ambivalenz gekennzeichneten Weltempfinden herrührt.“ Sie beschreibt damit eine Haltung, die in einigen gegenwärtigen Strömungen und (Sub-)Kulturen bewusst forciert wird und die Szenekulturen schwarzromantisch prägt. So etwa den Vampirismus. Die Hingezogenheit zu Vampiren erlebt im aktuellen Jahrtausend einen kollektiven Aufschwung, wie die steigende Häufigkeit des Motivs in Literatur und Film annehmen lässt. Liebe über den Tod hinaus Die geheimnisvolle Aura der Untoten, ihr Auftreten, ihre besonderen Ästhetik und allen voran ihr Begehren und Lieben, scheinen eine romantische Trivial-Ader der Zeit zu treffen. Das Motiv bietet mit der Figur der lesbischen Vampirin auch Identifikationspotenzial für Lesben. Erstmalig setzt Sheridan Le Fanu in seinem Roman „Carmilla“ (1872) die frauenverführende, sadistische Vampirin in die literarische Welt. Es ist ein düsterer, unheimlicher, auch erotischer Roman, der durchaus – wenn auch in altmodisch anmutendem Sprachduktus – Züge einer SM-Geschichte trägt. Die spezielle dunkle Romantik, die der Roman transportiert, lässt sich in folgenden Worten Carmillas erahnen: „Meine tiefe Demütigung genießend, lebe ich in deinem warmen Leben, und du wirst in mein Leben hineinsterben – süß sterben.“ Liebe, Sehnsucht, Grausamkeit, gepaart mit ein wenig Besessenheit. Ein Buch, das es sich auch heute noch zu lesen lohnt und in dem bereits angelegt ist, was sich in einer der derzeitigen Formen schwarzromantischer Auswüchse wiederfindet: BDSM-Romantik. In dem eigenen (Trivial-)Genre, genannt BDSMRomance, werden Liebe und BDSM verknüpft in Erzählungen von erotischem Spiel, Unterwerfung, Schmerz, Abgrund und Verlangen. Durchzogen von einem romantischen Grundton, ist es in erster Linie Sehnsucht, die in den BDSM-Romanzen bedient wird. Sehnsucht scheint der Motor für romantische Empfindungen jeglicher Art zu sein. So auch für den romantisch inszenierten Mord oder Selbstmord aus Liebe. In Japan gibt es sogar eigene Bezeichnungen dafür: „Shinjū“ ist der Tod in gegenseitigem Abkommen von zwei oder mehr Menschen, die sich emotional nahe stehen. Für Liebespaare gibt es einen eigenen Begriff: „Jōshi“ bezeichnet den gleichzeitigen Selbstmord zweier Liebender. Kunst und Literatur bedienen sich des Motivs noch heute und erschaffen dabei eine Vorstellung von Romantik, die die große Liebe in der Treue über den Tod hinaus definiert. Ein recht endgültiger Sinn für Romantik, über den sich streiten lässt. Fakt ist: Wie damals in der Spätromantik geht auch heute noch eine Faszination von Düsterem und Abgründigem aus; oft untermalt von Dunkelheit und Nacht. Die Nacht als Konterpart zum Tag steht für das Rätselhafte, Unheimliche – letztendlich für den Tod als Aufhebung aller Grenzen. Und ein Mittel, dem Tod in all seiner Unfassbarkeit zu begegnen, ist die romantische Überhöhung. So sagte schon einst Karoline von Günderrode (1780-1806): „Zum Lebensgipfel wird des Daseins Ende“, und brachte sich mit drei Stichen ins Herz um. Ende. // Judith Czaakert 45 *46-47 TT Valentinstag_00 Inhalt Relaunch 07.12.15 15:52 Seite 46 ROMANTIK IM NAMEN DER ROSE? Valentinstag – Fest der Romantik oder abgeschmackter Konsumkitsch für die bürgerliche Vorstellung von Zweisamkeit? Die L-MAG-Redaktion ist gespaltener Meinung Für mich solls’s rote Rosen regnen Dana Müller (Redakteurin) Zugegeben, es ist wohl der kitschigste Tag im Jahr. Und ja, er wurde von der Blumenindustrie erfunden – es ist Konsum und Kommerz. Na und? Das Gleiche gilt für Weihnachten. Den Weihnachtsmann mit Rauschebart und rotem Mantel hat Coca Cola erfunden. Und trotzdem freuen sich Kinder unterm Weihnachtsbaum, wenn der alte Patriarch vor ihnen steht und mit kapitalistischen Gütern um sich wirft – sollen sie auch! Mit ihrer kindlichen Naivität fragen sie nicht nach Kommerzialisierung oder religiöser Tradition eines christlichen Festes. Im Idealfall genießen sie die familiäre Idylle. Was Weihnachten angeht, habe ich die kindliche Naivität schon lange verloren. Ich sehe nur Kommerz und zwanghaften Familienfrieden, der in den meisten Fällen nicht mal den Heiligen Abend übersteht. Aber beim Valentinstag hab ich mir meine verträumte Naivität trotz Liebesdramen bewahrt. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir ja aussuchen kann, wem ich ein traumhaftes Frühstück mit Rose verziert ans Bett bringe. Vielleicht liegt es an dem Versprechen, den Tag oder wenigstens die Nacht gemeinsam mit einer Auserwählten im Bett zu verbringen. Weihnachten hingegen zottelt man von einem Familienmitglied zum nächsten – das ist Stress. Aber am Valentinstag kann ich tun, was mir gefällt. Ich kann einer tollen Frau Freude bereiten – egal ob ich grad Single bin oder in einer Beziehung. Klar könnte man seiner Angebeten jeden Tag eine Nettigkeit schenken. Aber mal ehrlich, wer macht das noch nach jahrelanger Beziehung? Irgendwann schleicht sich der Alltag ein und aus anfänglichen Liebesbriefen werden kurze Notizen à la „Schatz, komme heute später. Kannst du einkaufen? Kuss.“ Und dann ist Valentinstag. Egal wie cool und kämpferisch wir sind, ganz tief in unserem Herzen freuen wir uns über eine kleine Aufmerksamkeit. Und darum geht es: Aufmerksamkeit. Und um die Aussage „Du bist etwas Besonderes für mich“. Es müssen ja nicht rote Rosen sein. Es kann auch einfach eine handgeschriebene Liebeserklärung mit geheimnisvoller Einladung sein. Und dann geht’s zu dem Ort, an dem man sich zum ersten Mal geküsst hat, oder vielleicht einfach ins Theater. Danach schaut man gemeinsam in den Sternenhimmel und vergisst für ein paar Minuten den Alltag. Von mir aus kann es auch ein gemeinsamer Fallschirmsprung sein. Was zählt, ist die Aufmerksamkeit. Und das gilt auch für alle Singles. Nutzt doch die Gunst der Stunde. Es gibt da eine interessante Frau? Doch ihr seid zu schüchtern? Eine einzelne Rose heimlich in den Briefkasten gesteckt, sagt mehr als 1.000 Worte. Ich halte es jedenfalls mit Hildegard Knef: „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. 46 Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen Manuela Kay (Chefredakteurin) Welch schöne Tradition: Am 14. Februar wurde jemandem der Kopf abgehackt und aus diesem Anlass schenken sich Pärchen nun Rosen. Im Römischen Reich soll ein gewisser Valentin verliebte (Hetero-)paare mit Blumen aus seinem Garten beschenkt haben und diese auch nach christlichlicher Art getraut haben, was einem im 3. Jahrhundert in Rom, als das Christentum noch verboten war, schon mal den Kopf kosten konnte. Jahrhunderte später, als das Christentum seine unrühmliche Beinahe-Weltherrschaft erlangte, wurde Valentin zum Heiligen erklärt, und der Tag seiner Köpfung zum „Tag der Liebenden“. So zu erfahren übrigens auf so aufschlussreichen Webseiten wie hausfrauenseite.de – wenn das nicht alles sagt!? Wie bei vielen christlichen Traditionen geht es um die Zelebrierung der monogamen und möglichst ewigen Zweierbeziehung. Was mit Blumen am Valentinstag vielleicht in erster Verliebtheit beginnt, endet mit Ehe, Kinder, Küche, Scheidung … Auch wir Lesben wachsen in einer Welt auf, die zwei Sorten Menschen unterscheidet: Singles, deren Dasein beklagenswert ist und geändert werden muss, und jene, die es „geschafft“ haben, weil sie nämlich jemanden „abbekommen“ haben. Und wer „vergeben“ ist und „eine bessere Hälfte“ hat (grusel …), demonstriert dies am Valentinstag mit kitschigen Karten, Blumensträußen und Pralinen an eine Person, die man für „die große Liebe“ hält. Seht her: Ich hab jemanden! Die Botschaft an die Beschenkte lautet allerdings eher: Du gehörst mir, bleib gefälligst da! Und Lesben mischen in unendlicher Naivität mit. Sich möglichst so wie Heteros verhalten, dann mögen uns auch alle viel mehr und wir können unsere „Normalität“ feiern und uns normgerecht mit Rosen bewerfen. Wenn ich eine Frau wirklich mag, begehre oder liebe, brauche ich wohl kaum einen Valentinstag, um ihr dies zu zeigen. Rosen, Pralinen, Kinogutscheine – das ist doch eher armselig und einfallslos als überzeugend. Wer will so was? Ist das romantisch? Oder einfach nur saublöd? Können wir uns nicht mal neue Riten und Wege ausdenken? Auf der Webseite Jesus-News24.de (wo man überall landet wenn man sich mit dem Valentinstag beschäftigt) ist zu erfahren, dass der 14. Februar auch mal als Fest der sexuellen Freizügigkeit begangen wurde. Es gab Feste, bei denen Frauen die Wiederkehr des Lebens nach langem Winter feierten und dabei auch erotische Spiele ausprobierten. Auf Papyrusstreifen schrieben sie ihren Namen und warfen sie in einen Kelch, aus dem (nackte!) Männer einen Zettel zogen. Die beiden gingen daraufhin eine vorübergehende Beziehung ein … Na, also: War ja nicht alles schlecht bei den Christen. Freizügigkeitsfest – da könnten sich Lesben doch zum Valentinstag mal ‘ne Scheibe von den Heteros abschneiden, oder? *46-47 TT Valentinstag_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:12 Seite 47 NUR VORRÜBERGEHEND L-MAG 47 *48-49 TT Test_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:54 Seite 48 ROMANTIK WIE ROMANTISCH BIST DU? DER L-MAG-ROMANTIK-CHECK 1. Was ist dein Lieblingslied? „Call Your Girlfriend“ (Robyn) 3 4. „Atemlos durch die Nacht“ (Helene Fischer) 5 „Heterowelt – leck mich am Arsch“ (UnterRock) 1 „Total Eclipse of the Heart“ (Bonnie Tyler) 7 2. Welcher Film rührt dich zu Tränen? „Blau ist eine warme Farbe“ … schmacht! 5 Ich heul nicht bei Filmen, höchstens wenn meine Katze sich das Bein bricht 3 Alle Disney Filme. Ich brauch nur dran zu denken und mir steigen die Tränen in die Augen 7 Tränen? Was ist das? 1 3. Was liest du deinem Date oder deiner Liebsten vor? Eine Reise mit einem „Room in Rome“ und Candle-Light-Dinner 7 Auf jeden Fall was Persönliches, wie eine selbstgebackene Torte mit ihrem Gesicht 5 Ich kann nicht jeder ein Geburtstagsgeschenk machen. Wenn ich das Datum weiß, bekommt sie eine SMS 1 Gutschein von Ikea oder Grillbesteck (sie macht einfach die besten Burger) 3 5. Was machst du zum ersten Date? Bei mir gibt’s nur erste Dates 1 Das erste Date ist das Beste an allem. Die Aufregung, das Kribbeln, die Frage „Mag sie mich?“… Am Ende auf jeden Fall der Spaziergang mit Knutschen vor der Haustür 5 Gedichte von Sappho 5 Wenn ich doch mal wieder ein Date hätte. In meinem Umfeld sind kaum Lesben und bei Lesarion trifft man nur Freaks 3 Ich les’ doch ner Frau nix vor. Ich will Action! Wenn ich ihr was vorlesen muss, bin ich weg 1 Um mir weitere Enttäuschungen zu ersparen, habe ich mein letztes erstes Date gleich geheiratet 7 Ich liebe vorlesen. Bei dem Gedanken wird mir schon ganz warm ums Herz. Am besten etwas Selbstgeschriebenes 7 L-MAG oder den Wetterbericht 3 48 Was schenkst du ihr zum Geburtstag? *48-49 TT Test_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:54 Seite 49 8. 6. Wie sieht deine Traum-Hochzeit aus? Die erste Nacht ist vorbei. Was machst du am Morgen danach? Wenn die Chemie stimmt, bekommt sie meine Telefonnummer 3 Die Ehe ist eine patriarchische Institution und ein Rückschritt in der homosexuellen Emanzipationsbewegung. Die Privilegierung der monogamen Zweierbeziehung gehört abgeschafft! 1 Bei mir gibt’s natürlich das komplette Verwöhn-Programm. Frühstück ans Bett ist das Mindeste 5 Der Traum: Bali am Strand, weiße Tauben fliegen in den Sonnenuntergang, zwei Kinder tragen die 10-MeterSchleppe, des weißen Prinzessinenkleides 7 Wenn wir jemals im Bett landen, halte ich sie morgens so lange wie möglich fest und will das Bett nie wieder verlassen 7 Wenn es wirklich die große Liebe ist, dann nur mit einer Riesenparty und einem tollem Outfit 5 Da bin ich schon längst wieder in meinen eigenen vier Wänden und schlafe 1 7. Was machst du am Valentinstag? Ich hasse Valentinstag! Am Ende sitze ich doch alleine mit meiner Katze auf der Couch, esse kiloweise Eis und schau mir „L Word“ an 3 Eigentlich ist die Ehe überholt. Aber steuerlich bringt sie schon Vorteile. Dafür reicht das Standesamt 3 9. Was machst du bei Liebeskummer? Ich heule bei jeder Gelegenheit. Ein Freund erzählt von sei nem Bali-Urlaub? Ich breche in Tränen aus. Da wollten wir doch immer heiraten ... schluchz! 7 Wann ist der noch mal? März? April? 1 Hatte ich das letzte Mal, als ich unsterblich in meine Sportlehrerin verliebt war. Das war ich 12 Jahre alt 1 Ich beende mit Überzeugungskraft und pfiffigen Ideen mein Single-Dasein. Wenn ich in einer Beziehung bin, gibt es Verwöhnprogramm 5 Mit Freundinnen Bier trinken, bis ich vom Hocker falle und sie mich nach Hause tragen. Am nächsten Tag weiß ich dann nicht, was schlimmer ist: Liebeskummer oder Kater 3 Kreisch! Valentinstag. Wenn ich nicht schon im Dezember weiß, was ich meinem Schatz schenken soll, dreh ich durch 7 Hach ja, irgendwann erwischt es jede. Ich leide, kann nicht essen und denke nur an sie. Aber mit guten Freundinnen und Freunden jeder Menge Ablenkung übersteht man auch das bis zur Nächsten 5 Anti-Romantikerin 9–17 Punkte Realistin 18–35 Punkte Romantikerin 36–53 Punkte Die Hoffnungslose 54–63 Punkte Du kommst gern ohne Kerzenschein und schnulzige Musik aus. Du hast die Verlogenheit von Weihnachten, Valentinstag und Co. durchschaut und widmest dich lieber echter Action oder politischem Engangement statt scheinheiliger PseudoGeborgenheit. Für Romantik hast du keine Zeit. Gefühle gehören für dich zur richtigen Zeit an den richtigen Ort, dazu brauchst du aber keinen Sonnenuntergang, lieber ein vernünftiges Gespräch. Du stehst eben auf Blumensträuße, tiefe Blicke in die Augen, Kaminfeuer, Kerzenschein … das ganze Programm. Und du stehst dazu und lässt auch andere an deinen romantischen Anwandlungen teilhaben. Du bist hoffnungslos verloren in Sehnsucht nach ewigem Schnulz und Kitsch. Du heiratest (auch wiederholt) in Weiß und am Strand und bist nah am Wasser gebaut, auch wenn nur eine kitschige Pralinenwerbung im Fernsehen läuft. 49 *50-53 Foto_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:24 Seite 50 FOTO 50 L-MAG *50-53 Foto_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:24 Seite 51 Die Fotografin Egle Trezzi tauchte in die Londoner Partynächte ein. L-MAG zeigt eine Auswahl ihrer Fotos von der Partyreihe „Lemon Juice“ London Calling Egle Trezzi ist Fotografin in London und zeigt Frauen beim Feiern, Lachen, Tanzen und Küssen. Entstanden sind die Bilder bei „Lemon Juice“ im East-Londoner Stadtteil Dalston – einer Partyreihe, organisiert von vier Frauen. Giula Astesani, Jessie McLaughlin, Roshana Rubin-Mayhew und Lalu Delbracio lernten sich während des Master-Studiums für Kunst und Fotografie am London College of Communication kennen und riefen 2014 das Künstlerinnenkollektiv GJRL ins Leben. Alle drei Monate feiert das queere Partyvolk bei „Lemon Juice“ in immer wechselnden Lokalitäten rund um London. Das Konzept ist einfach und spontan: Die Frauen von GJRL suchen nach einer Location, organisieren DJs und Liveacts und informieren alle Freundinnen, die wiederum ihrem Bekanntenkreis Bescheid geben und so weiter. Giula, Jessie, Roshana und Lalu finanzieren sich mit „Lemon Juice“ eigene Kunstausstellungen und Projekte, wollen aber gleichzeitig auch einen Raum für Queers schaffen, in dem sie Spaß haben, sich austauschen und feiern können. Für das überwiegend weibliche Publikum wird jede mögliche Musik gespielt: von 90er über Prince und Riot Grrrl bis hin zu Rihanna. Bisher fanden vier „Lemon Juices“ statt und bald steht eine neue Party an, irgendwo in London mit jeder Menge Frauen! www.cargocollective.com/GJRL www.egletrezzi.tumblr.com 51 *50-53 Foto_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:24 Seite 52 FOTO 52 *50-53 Foto_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:24 Seite 53 53 *54-57 Musik Skin_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:05 Seite 54 MUSIK „Anarchytecture“ heißt das neue Album von Skunk Anansie, der Band um die charismatische Frontfrau Skin. Über das Album und die Herausforderungen einer politischen Rockband sprach L-MAG mit Sängerin Skin und Schlagzeuger Mark „Wir lieben Widersprüche“ Kaum eine Band schafft es, lässiger zu altern als Skunk Anansie. In ihrer über 20jährigen Bandgeschichte haben sie die Welt mehrfach umtourt, über fünf Millionen Platten verkauft und dabei FanGenerationen mit Kult-Hits wie „Hedonism“ oder„Weak“ versorgt. An Aufhören ist nicht zu denken. Ihr neues, sechstes Studioalbum „Anarchytecture“ erscheint im Januar 2016 und vereint pathosreiche Balladen, tanz baren Elektro-Pop und energetischen Agit-Rock. Unverwechselbar wie alterslos bleiben dabei Stimme und Stil von Skin, die sich neben der Band als Künstlerin, DJ und Mode-Ikone etabliert hat. Im Februar laden Skunk Anansie dann zur gemeinsamen Energiekur auf ihre Europatour ein. L-MAG traf die Band bei bester Laune bereits vorab in einem Berliner Hotel. In den 90ern habt ihr regelrechte Hymnen des Alternative Rock geschaffen. Was macht euren Sound heute aus? SKIN: Zuallererst sind wir eine Rockband. Aber wir lieben es, zu experimentieren. Das mochten wir schon immer. Heute nutzen wir mehr elektronische Einflüsse, klingen etwas grooviger. Es wäre ja auch traurig, wenn wir nach 21 Jahren immer noch gleich spielen und klingen würden. MARK: Wir sind erwachsen geworden und damit hat sich auch der Sound entwickelt. Aber 54 ich denke, wir sind trotzdem noch die Gleichen, wenn es um Dinge wie Ärger und Frustration geht, um starke Emotionen und damit auch um den den bandeigenen Klang. „Anarchytecture“ heißt euer neues Album: Anarchie trifft auf Architektur. Was meint ihr damit? SKIN: Mit dem Titel verbinden wir alle etwas anderes. Für mich beschreibt er, wie wir grundsätzlich jede Form von Beziehung gestalten. Beziehungen sind unvorhersehbar, anarchistisch. Um dieses chaotische Gebilde bauen wir dann ein Glashaus, das alles zusammenhalten soll. Es geht darum, eine Struktur um den Wahnsinn zu schaffen. Das funktioniert eben nicht immer. MARK: Für mich ist es mehr studiobasiert. Alle vier Bandmitglieder versuchten gemeinsam ein Album zu erschaffen, zu konstruieren. Das war witzig, aber chaotisch. Herausgekommen sind 11 sehr unterschiedliche Songs. MARK: Das Album arbeitet mit Gegensätzen. Es gibt Balladen neben schnellem Rock. SKIN: Der Titelsong „Love Someone Else“ ist nahezu eine DanceNummer. Das ist auch unerwartet. Wir lieben Widersprüche, wir sind voll von ihnen. Welche Widersprüche machen euch aus? SKIN: Mein ganzes Leben ist von Widersprüchen geprägt. Ich bin eine lesbische, schwarze Frau und Rockstar. Das ist ein riesiger Widerspruch in sich. MARK: Ja, da gibt es wohl fast keinen größeren. S KIN : Immer gegen Konventionen zu handeln und dabei Aushängeschild einer mittlerweile bekannten UndergroundBand zu sein. Da gibt es dann auch viele Widersprüche als Band. Wer wir sind, was wir heute machen oder für wen wir gehalten werden. Aber das ist Teil von Skunk Anansie und davon, immer Außenseiter zu sein. In Italien seid ihr Superstars. SKIN: Ja, dort bin ich in der Jury der TV-Mainstreamshow „The X Factor“. In Italien sind wir Megastars. Wir sind auch nicht wirklich eine Underground-Band, aber wir machen Underground-Musik. In einigen Songs geht es darum, aufzubegehren. Wovon habt ihr genug? L-MAG *54-57 Musik Skin_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:05 Seite 55 „Ich bin eine lesbische, schwarze Frau und Rockstar. Das ist ein riesiger Widerspruch in sich“ Fotos: Jackie Baier Skin gewohnt cool beim Interview mit L-MAG im Hotel L-MAG 55 *54-57 Musik Skin_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:05 Seite 56 MUSIK SKIN: In Europa gibt es aktuell einen Rechtsruck. Da ist es wichtiger denn je, solidarisch dagegen zu sein und sich einzumischen. Schon zu Beginn von Skunk Anansie hatten wir feste politische Überzeugungen und wollten etwas mit den Songs sagen, das wollen wir auch immernoch. M ARK : Ja, viele halten sich in politisch heiklen Zeiten raus und passen sich einer für sie gefälligeren Mehrheit an. Mehr Haltung wäre gut. Skin, es gibt Fotos von dir auf feministischen Demos. SKIN: Ja, das Thema ist mir enorm wichtig. Damals in den 90ern gab es eine Menge Bands mit Frontfrauen. Wir waren gemeinsam wie eine starke Bewegung. Feministisch zu sein, wird heute aber nicht mehr als so cool wahrgenommen. Daher finde ich es wichtig, wenn sich eine kommerziell erfolgreiche Beyoncé selbst als Feministin bezeichnet. Pop-Feministinnen sind in den Charts mit ihren Alben und Videos und wollen verdammt nochmal machen, was sie wollen. Das finde ich gut. Dafür müssen wir nicht alle Ansichten teilen. Du hast dich auch für die Homo-Ehe eingesetzt und 2013 Christiana Wyly geheiratet. Warum war dir das wichtig? S KIN : Warum sollten Lesben und Schwule nicht alle rechtlichen Privilegien erhalten? Was, wenn deiner Partnerin etwas zustößt? Als Freundin kannst du über nichts ent scheiden und doch alles verlieren. Der Punkt ist: Wir sollten alle gleich behandelt werden und daher gleiche Rechte haben. Christiana und ich haben uns aber letzten Februar getrennt. Ich weiß auch nicht, ob ich nochmal heiraten würde. Ich bin wirklich davon ausgegangen, dass es ein „Für-immer“-Ding ist. Jedenfalls sollte es zumindest eine Option sein dürfen. Das klingt nach großen Veränderung in den letzten Jahren. M ARK : Definitiv. Ich bin seit 12 Jahren trocken. Das ist eine riesige Sache für mich. 56 Hätte ich das nicht geschafft, wäre ich wohl heute nicht hier. Das Alter bringt auch Gutes. Du wirst bescheidener und offener, wenn du Niederschläge wegsteckst. SKIN: Ich bin jetzt 48 und es hat sich viel verändert. Mein Songwriting ist reifer und präziser. Und ich kann heute verrückte Dinge mit meiner Stimme machen, die damals undenkbar waren. Auch die Ehe hat mich verändert. Die Vorstellung, wieder One-Nights-Stands haben zu müssen, ist schrecklich. Das wäre ein Albtraum, aufzuwachen und sich zu fragen, was das denn wieder sollte. Jetzt bin ich gern dauerhaft mit einer Person zusammen und habe Lust auf gemeinsame Strukturen. Gibt es denn eine neue Liebe? S KIN : Ja, ich habe eine neue Freundin. Wir leben in London zwei Minuten voneinander entfernt. Sie hat ihr Haus, ich habe meins, wir beide haben Hunde. Sie heißt Stephanie und arbeitet im Finanzbereich. Und ich weiß, Lesben sind schnell, wenn es ums Zusammenziehen geht. Aber da bin ich erst einmal raus. Ich bin gerade wieder zurück in mein Haus gezogen, und da werde ich vorerst auch bleiben. Das Album endet mit der sehr getragenen Nummer „I'll Let You Down“ und schließt mit der Zeile „I'm just not good enough“. Warum dieses selbstkritische Ende? S KIN : Der Song handelt von dem Druck, immer perfekt sein zu sollen. Das begleitet die Band und mich ständig. Ich wollte das auch sein – mehr als vegan und umweltbewusst. Aber ich dachte, nie allem voll entsprechen zu können. Diese Perfektion gibt es einfach nicht. Und ich war es wohl auch nie. MARK: Doch, das bist du. // Steff Urgast Neues Album: „Anarchytecture“ ab 15. Januar 2016 Europatour im Februar 2016 www.skunkanansie.net L-MAG *54-57 Musik Skin_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:05 Seite 57 MARKTPLATZ Anwältinnen Barbara Wessel Christina Clemm auch Fachanwältin für Strafrecht Yorckstrasse 80 | 10965 Berlin U-BHF Mehringdamm Tel 030. 62 20 17 48 [email protected] www.anwaeltinnen-kreuzberg.de Lebenspartnerschaften und Familienrecht Aufenthalts- und Asylrecht Strafrecht Gewaltschutz/Stalking L-MAG L-MAG 57 57 *58-59 Musik Eliot Somner_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:27 Seite 58 MUSIK Einfach Eliot Neuer Stil, neues Selbstbewusstsein: erstmals präsentiert sich Eliot Sumner als Solokünstlerin mit neuem Album. L-MAG sprach mit ihr über ihre neue Platte, Schubladen und ihre Beziehung mit dem Model Lucie von Alten „Ich habe aufgehört, mich definieren zu wollen“ In den letzten Jahren ist es still geworden um Eliot Sumner, der Tochter von Sting. Nun meldet sich das frühere Gesicht der Band „I Blame Coco“ solo und mit bü r gerlichem Namen zurü c k. Im Januar 2016 erscheint ihr neues Album „Information“. Damit ist es Eliot gelungen, sich musikalisch und optisch nochmals neu zu erfinden. Entstanden ist ein in den Bann ziehender, düster-melancholischer Sound zwischen Post-Punk, Rock und Dark Pop. Synthesizer treffen dabei auf Gitarrenriffs und verbinden sich mit 58 Eliots ganz eigenem, tiefen Gesang. Attitude und Optik verbreiten zudem die Aura einer rebellischen Jugend. Unaufgeregt und doch geheimnisvoll. Auf der Bühne brilliert Eliot mit coolem Understatement, intelligentem Songwriting und energiegeladener Bühnenpräsenz. Sie spielt sich wahrhaft aus jedem väterlichen Schatten heraus. Zum Auftakt der Deutschlandtour traf L-MAG Eliot beim Soundcheck für das spä t er von den Fans gefeierte Konzert im Berliner Maschinenhaus. L-MAG *58-59 Musik Eliot Somner_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:27 Seite 59 können mein Aussehen nicht einordnen. Es scheint sie zu ärgern, nicht zu wissen, ob ich Mann oder Frau, lesbisch oder hetero bin. Aber das finde ich eher amüsant und lasse die Leute da gerne im Ungewissen. Funktionieren deine Beziehungen auch ohne Schubladen? Auch meine Beziehung label ich nicht als lesbisch. Ich sage immer nur, dass ich eine Freundin habe. Und ein Coming-out hatte ich nie. Ich habe meine Beziehungen einfach immer gelebt. Ich bin glücklicherweise von Leuten umgeben, die mich so akzeptieren, wie ich bin. Das ist wundervoll und ein Privileg. Über Instagram bist du immer wieder mit dem Model Lucie von Alten zu sehen, sonst ist eure Beziehung kaum Thema in der Öffentlichkeit. Für mich ist es wichtig, meine Beziehung zu schützen. Ich möchte nicht, dass alle alles über mein Privatleben wissen. Sie hat ihre Karriere als Model, ich habe meine. Seit zwei Jahren sind wir jetzt zusammen, leben gemeinsam in London und New York und sind einfach glücklich miteinander. Wir haben beide viel zu tun und müssen oft pendeln. Manchmal reisen wir auch gemeinsam, wie auf dieser Tour. Im kommenden Jahr habe ich aber auch vor, nach Berlin zu ziehen. Das möchte ich gern einmal ausprobieren. Gerade lerne ich sogar ein bisschen Deutsch, da Lucie auch aus Deutschland kommt. Das sind gute Gründe, die Sprache zu lernen. Das ist wunderbar. Was reizt dich an Berlin? Ich liebe es, in Berlin zu sein, und hatte hier schon tolle Shows. Mein erster Gig war im Berghain und einmal habe ich mit Lykke Li im Admiralspalast gespielt. Das war eine beängstigend riesige und doch grandiose Bühne. Aber es ist auch der Geist der 80er Jahre, der die Stadt für mich bis heute ausmacht. Die 80er waren der Glanzzeit des Synthiepop. Hast du dich davon auch zu deinem Sound inspirieren lassen? Für das aktuelle Album haben wir wirklich viel aus den 80ern gehört – insbesondere von Kraftwerk. Ihren Synthesizer-Sound finde ich absolut genial. Sie sind definitiv eine meiner Lieblingsbands. Aber auch Bands der 70er sind für mich wichtig, wie Harmonia, Can und noch einige andere deutsche psychodelische Musik. Diese Verbindung hat stark zu dem düsteren Sound des Albums beigetragen. // Interview: Steff Urgast Album: „Information“ (Universal Music) www.eliotsumnerofficialmusic.tumblr.com Foto: Universal Music L-MAG: Fünf Jahre nach deinem Debütalbum „The Constant“ mit der Band „I Blame Coco“ bist du nun unter deinem eigenen Namen unterwegs. Was hat sich für dich verändert? Eliot Sumner: Heute ist meine Musik viel mehr ein Teil von mir selbst und eher die Musik, die ich wirklich machen möchte. Jetzt gibt es ein Konzept, eine Richtung, und ich habe auch mehr Kontrolle, während ich früher noch stark von außen beeinflusst wurde. Aber ich war eben jung, habe mich ausprobiert und musste erst noch herausfinden, was mich wirklich ausmacht. Mit meiner neuen Band arbeite ich nun zwei Jahre zusammen und jetzt fühlt es sich so an, als ob ich Coco hinter mir gelassen habe – dieser Neuanfang ist toll. Erste Kritiken beschreiben deine Musik jetzt als erwachsener. Sie ist jetzt wirklich reifer und auch etwas rauer als früher. Die Songs sind komplexer geworden. Das ist eine Frage von Entwicklung, aber auch der Übung. Wenn du jeden Tag Songs schreibst, wirst du mit jedem Mal besser. Und ich hatte fast fünf Jahre Zeit, um nichts anderes zu machen, als immer wieder Songs zu schreiben. Dein aktuelles Album heißt „Information“. Was erfahren wir darin über dich? Alles über alle wissen zu wollen, ständig zu kommunizieren, darum dreht sich auch der Titelsong „Information“. Ich denke, wir wissen letztlich aber nur ziemlich wenig von dem, was in der Welt wirklich passiert. Daher lese ich auch keine Zeitungen mehr und spreche auch kaum über Politik. Ich habe nur eine App, die mir gute Nachrichten sendet. Generell mag ich solche gesellschaftlichen Zwänge nicht. Der Song „Species“ zum Beispiel handelt davon, man selbst sein zu können. Das ist mir heute sehr wichtig. Ich finde es toll, Teil einer Generation zu sein, in der viele Leute einfach so leben können, wie sie es möchten, und dabei auch ohne Definitionen auskommen können. Auf welche Definitionen kannst du verzichten? Ich habe aufgehört, mich definieren zu wollen. Ich nutze gar keine Labels für mich und denke auch nicht, das diese nötig sind. Ich möchte auch nicht gegendert werden. Ich bin einfach Eliot. Seit knapp zwei Jahren fühle ich mich mit dieser Idee viel wohler. Als Teenager war ich sehr unzufrieden. Auch weil du ständig in Schubladen gesteckt wurdest? Bei Fotoshootings ist das häufiger vorgekommen. Ich sollte zum Beispiel Sachen anziehen, die ich nicht tragen wollte. Heute mache ich solche Erfahrungen nicht mehr. Mittlerweile sind Menschen aber auch eher von mir irritiert, finden meine Stimme zu androgyn oder L-MAG 59 *60-61 Musik L-Sounds_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:08 Seite 60 MUSIK L-SOUNDS Ein Stern kehrt zurück David Bowie Er kann es noch immer. Nachdem David Bowie 2013 mit dem Album „The Next Day“ ohne Vorankündigung quasi über Nacht sein 10jähriges musikalisches Schweigen brach und mit einer vollkommen neuen No-Marketing-Strategie einmal mehr zum Vorreiter wurde, ist es nun die episch-experimentelle Vorabsingle „Black Star“ aus seinem gleichnamigen, im Januar erscheinenden Album, die ihn erneut zum meistdiskutierten Künstler der Branche macht. Knapp zehn Minuten mäandert die spukig-jazzige Klangexegese dahin, eröffnet der Hörerin einen ganzen gespenstischen Kosmos. Ein Lied wie eine durchwachte Nacht. Das Album, das mit sieben Songs und einer Laufzeit von etwas über 40 Minuten erfrischend pointiert und kurz ausgefallen ist, wird über weite Strecken von einem entfesselten Saxofon und stoischen Drums getragen. Aus meist chaotisch anmutenden Strophen brechen refrainartige Melodiegebilde, die einer beim Hören aufregend kalte Schauer über die Haut jagen. David Bowie ist zurück und schafft mit 69 Jahren das, was viele junge Hipster vergeblich versuchen: im wahrsten Sinne des Wortes queere Musik. „Black Star“ ist ohne Frage das beste Bowie-Album seit langer, langer Zeit. // Jan Noll „Blackstar“ | Sony Music www.davidbowie.com Sensationell Jeanne Added Mit dem Duo The Dø machte sich die expressive Sängerin und Performerin Jeanne Added einen Namen in der französichen IndieSzene. Nach ihrer bemerkenswerten EP „A War Is Coming“ erscheint nach mehrmaligem Verschieben im Januar das erste Solo-Album der Französin „Be Sensational“, auf dem sie überaus abwechlungsreich mit ihrer angenehmen, jazzig angehauchten Stimme auf Englisch singt. Eine echte Entdeckung! Mehr zu Jeanne Added in der nächsten L-MAG. // kay „Be Sensational“ | Naive www.jeanneadded.com Wild und punkig Amy Antin Savages Eine Frau, ihre Gitarre, ihre Stimme und eine Küche – so das schlichte Konzept dieses mittlerweile fünften Albums der in Köln lebenden New Yorker Singer/Songwriterin Amy Antin. Zwölf rein akustische Songs in der neuen Reihe „Kitchen Recordings“, tatsächlich in der Büroküche mit kleiner, aber feiner Technik beim Label Meyer Records aufgenommen. Vertonte Gedichte, schwermütige, philospophische Texte, mit glasklarer Stimme eingesungen, das ist romantische Musik für viele Tassen Tee (gern mit Rum) in der Küche oder für die ganz langen Winterabende am Kamin. // kay „Already Spring“ | Meyer Records www.amyantin.de Nach drei Jahren Stille kehrt die Londoner Post-Punk Revival Band mit ihrem zweiten Album „Adore Life“ zurück. Treffender könnte eine Bandname kaum sein. Savages heißt nämlich „die Wilden“ und genau das ist die Musik und ihre Konzerte. Dennoch wurde nach Bandgründung der Name ein Jahr diskutiert. Warum nur? Auf dem neuem Album geht es nun um „Veränderung und die Macht zur Veränderung“ heißt es in der Selbstbeschreibung. Auf jeden Fall geht es ordentlich auf die Ohren – nichts für softe Gemüter. Aber alle Punk-Fans kommen auf ihre Kosten. // dm „Adore Life“ | Matador Records www.savagesband.com 60 Fotos: Sony Music, Marikel Lahana AUF TOUR Küchenmusik L-MAG *60-61 Musik L-Sounds_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 18:08 Seite 61 Mehr Soundtrack als Album Bianca Casady Bei den Projekten von Bianca Casady, der jüngeren der CocoRosieSchwestern, drängt sich ein Vergleich zu Peaches auf. Beide setzen ihr musikalisches Können auch perfomativ ein und verhandeln Themen wie Körperkult, Diversität und Genderfragen. In ihrem aktuellsten Projekt ohne ihre große Schwester Sierra wird sie von der Band The C.i.A. und dem Tänzer Biño Sauitzvy begleitet. „Oscar Hocks“ ist dabei der musikalische Teil zu einem „nicht traditionellen KonzertKonzept“. Biancas Stimme und die gewohnte CocoRosie-Instrumentalisierung sorgen zwar für einen Wiedererkennungswert, doch fehlt der Bezug zu den aufgeworfenen Fragen und der tieferen Lesart. „Oscar Hocks“ präsentiert eher einen teilweise musikalisch interessanten, streckenweise etwas dahinplätschernden Klangteppich. // SV „Oscar Hocks“ | FANTASYmusic Revolution für Softies AUF TOUR Liebeslieder Dota Mynabirds Die Kleingeldprinzessin meldet sich zurück. Nur ist sie schon lange keine Straßenmusikerin mehr. Und Dota ist nicht allein. Ihre Band „Dota und die Stadtpiraten“ heißt nun kurz „Dota“. Musikalisch und lyrisch bleibt alles wie gehabt. Die Texte sind politisch brisant. Auf ihrem neuem Album fragt sie zum Beispiel: „Warum schützt man die Grenzen der Staaten so gut und die Grenzen der Menschen so schlecht?“ Kaum eine deutsche Sängerin bringt die Dinge so auf den Punkt und regt zum so Nachdenken an. Dota steht für sanfte Liedermacherinnen-Musik zum Mitwippen mit starkem Inhalt. Auch ihr neues Album ist Musik für Revolutionärinnen und Friedenskämpferinnen, die eher liebliche Klänge bevorzugen. // dm „Keine Gefahr“ | Broken Silence www.kleingeldprinzessin.de Frontsängerin Laura Burhenn tourte mit der Band Postal Service 2013 zweimal durch die USA, danach solo durch Südafrika. Sie verweilte noch eine Weile in Europa und kehrte nach zwei Jahren mit jeder Menge Inspirationen und Songs im Gepäck zurück. Für sie steht fest: „Liebe – oder ihr Mangel – ist unser aller gemeinsamer Nenner. Sie kann uns zerstören, kann uns aber auch öffnen und Licht ins Dunkel bringen. Und sie ist die Sache, die uns zum Singen bringen kann.“ Kein Wunder also, dass sich auf dem neuen Album Lieder finden wie „When I Love, I Love with All My Heart.“ Das Album der Indie-Pop-Band schreit regelrecht nach Sehnsucht. Es ist schwermütig, verträumt und doch nie langweilig. // dm „Lovers Know“ | Saddle Creek Records www.themynabirds.com Oft kopiert, nie erreicht Fotos: JM Ruellan, Promo Für Hilde L-MAG Oft kopiert, so gut wie nie erreicht. So einige Interpretinnen haben sich an den Liedern von Hildegard Knef versucht. Eine brandneue Edition mit Coverversionen bekannter Titel und drei bislang unveröffentlichten Songs versammelt die Compilation „Für Hilde“. Aus Anlass des 90. Geburtstag der 2002 verstorbenen Diva interpretiert Deutschlands aktuelle Pop-Szene ihre Lieder neu. Das Line-up ist ansehnlich und die Versionen sind manchmal überraschend, manchmal na ja. Frech und frisch wie die junge Knef singt Mieze (Mia) von Berlins „Sommersprossen“. Samy Deluxe gelingt bei „Von nun an ging’s bergab“ ein originelles und lakonisches Duett mit der Originalinterpetin. Clueso steuert ein melancholisches „Ich bin zu müde“ bei und die schöne Cosma Shiva Hagen fasziniert mit „Der Mond hatte frei“. Außerdem dabei: Cäthe, Die Fantastischen Vier, Selig, Jupiter Jones oder Bela B. Ein Extra-Wow für Platnums „Meine Lieder sind anders“. Ihr glaubt man das sofort, ansonsten fehlt der große Flash irgendwie. Aber die Knef muss ja nicht für immer die beste Interpretin ihrer Songs bleiben. // Frank Hermann „Für Hilde“ | Sony Music www.fuerhilde.de 61 *62-67 Film_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:15 Seite 62 FILM Ganz große Gefühle „Carol“ ist der Film des Jahres! Großes Gefühlskino basierend auf einem legendären Roman. L-MAG sprach mit Regisseur Todd Haynes und Hauptdarstellerin Rooney Mara Cate Blanchett brilliert in ihrer Rolle als mondäne Carol 62 L-MAG *62-67 Film_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:15 Seite 63 Es ist der Film, auf den wir gewartet haben. 63 Jahre, um genau zu sein. Denn so lange ist es her, seit eine gewisse Claire Morgan den sensationellen lesbischen Liebesroman „Carol“ – damals unter dem Titel „Salz und sein Preis“ in den USA veröffentlichte. Wir schreiben das Jahr 1952 in New York: Es herrscht romantische Vorweihnachtsstimmung und in einem großen Kaufhaus der Ausnahmezustand. Die junge Therese arbeitet in der Spielzeugabteilung. Hier begegnet ihr die mondäne Kundin namens Carol, eine wunderschöne, offensichtlich reiche und etablierte Frau, deren Blicke sie geradezu verschlingen. Die beiden Frauen fädeln ein weiteres Treffen ein. Was zunächst wie eine harmlose Freundschaft zwischen einer unreifen, jungen, abenteuerlustigen Verkäuferin und einer Ehefrau und Mutter aus der Oberschicht aussieht, entwickelt sich zu einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte zwischen Carol und Therese. Gegen alle Konventionen und den Widerstand ihrer männlichen Lover beziehungsweise Ehemanns begeben sich beide auf eine lange gemeinsame Reise durchs Land und auf den risikoreichen Weg einer lesbischen Liebesbeziehung in den prüden USA der 50er Jahre. Der erste Roman, in dem Lesben nicht sterben In der Realität von 1952 in New York vögelt sich eine noch nicht sehr bekannte Schriftstellerin durch die Schlafzimmer von High-Society Damen und inszeniert zahlreiche lesbische Liebesdramen. Ihr Name ist Patricia Highsmith und sie soll in den kommenden Jahrzehnten eine der erfolgreichsten und angesehensten Krimi-Autorinnen der Welt werden. Eines ihrer wohl bekanntesten Werke ist, spätestens seit der preisgekrönten Hollywood-Verfilmung, „Der talentierte Mr. Ripley“. Mit „Carol“ bringt sie 1952 nach „Strangers on a Train“ (1950) ihr zweites Buch auf den Markt und obwohl dies atemberaubend offen und provozierend die Geschichte einer lesbischen Liebe behandelt, traut sich Highsmith nicht, es unter ihrem echten Namen zu veröffentlichen. Highsmith war in Dutzende von Frauen verliebt und hatte Äffären mit noch mehr. „Öfter als Ratten Orgasmen bekommen“, wie sie selber sagte. Man kann nur staunen bei der Frage, warum sie bis Anfang der 90er Jahre brauchte, um ihr Coming-out als Autorin von „Carol“ zu haben. So richtig wollte sie nie zu dem Roman stehen und auch nicht darüber reden. Umso dankenswerter, dass er nun wunderbar gelungen vom schwulen Regisseur Todd Haynes verfilmt wurde. Haynes, der 1991 mit dem Aids-Film „Poison“ einen Teddy auf der Berlinale bekam, verfilmte zum ersten Mal ein fremdes Drehbuch. Aus der Highsmith-Vorlage machte Autorin Phyllis Nagy ein spannendes Script. In den Hauptrollen bezaubern eine verführerische Cate Blanchett als Carol und Rooney Mara als die vermeintlich unschuldige Therese. Im L-MAG-Gespräch verriet der aus Los Angeles stammende Haynes, dass er „Carol“ zuvor nicht kannte: „Meine lesbischen Freundinnen waren entsetzt, dass ich das Buch nicht kannte. Ich wusste nicht, dass Patricia Highsmith eines der bedeutendsten lesbischen Bücher überhaupt und zudem noch unter einem Pseudonym geschrieben hat. Dazu noch einen lesbischen Liebesroman, der als erster in der Geschichte kein tödliches Ende hat.“ Und das ist tatsächlich eine weitere Besonderheit der Romanvorlage: Total untypisch für die Ära bringt sich keine Lesbe um oder wird umgebracht, im Gegenteil, es gibt ein hoffnungsvolles Ende und vor allem keinerlei „heterosexuelle Bekehrung“. Doch auch wenn man die Story als geradezu kämpferisch und L-MAG emanzipatorisch bezeichnen kann, sagt Haynes über den Film: „Es ist zuerst und vor allem eine Liebesgeschichte. Eine mit der jede was anfangen kann.“ Haynes arbeitet gern mit Schauspielstars zusammen, in seinem Film „Velvet Goldmine“ (1998) mit Ewan McGregor oder in dem Drama „Dem Himmel so fern“ (2002) mit Julianne Moore und Dennis Quaid. Dennoch hat er den „Stallgeruch“ der LGBTCommunity behalten und ist kein abgehobener Hollywood Star – im Gegenteil. Der sympathische Filme macher, der in New York lebt, erklärt, dass auch „Carol“ keine große Studioproduktion ist, sondern mit Hilfe vieler Geldquellen umgesetzt wurde: „Es ist keine HollywoodProduktion, das meiste Geld kam aus Großbritannien von der Produktionsfirma Film4 und es ist ein ausgesprochener LowBudget-Film der in nur 34 Tagen in Cincinnati (Ohio) gedreht wurde.“ Low Budget sind zwar immerhin noch knapp 12 Millionen US-Dollar, doch ähnlich wie bei Roland Emmerichs „Stonewall“ gibt es in den großen HollywoodStudios immer noch kein Geld für Homo-Themen. „Wir müssen noch viel über die Prä-Stonewall-Ära lernen“ „Es sollte kein ,Heutzutage-ist-alles-besser-Film‘ werden“, erklärt Haynes auf die Frage, ob „Carol“ denn ein politischer Film sei. „Es gibt noch so viele Dinge, die wir über die Prä-Stonewall-Ära lernen müssen. Wie die Leute sich damals Freiräume schufen. 1952 war es durchaus möglich, dass zwei Frauen zusammenlebten oder sich gemeinsam ein Hotelzimmer nahmen, was für ein unverheiratetes Heteropaar nicht ging“, so der Regisseur. Dennoch ist der 50er-JahreMief im Film fast erdrückend, was Carol (die auch schon zuvor mit Frauen zusammen war) und Therese, die praktisch ihr Coming-out hat, noch mutiger erscheinen lässt. Gerade die Figur der Carol, die so wunderbar von Cate Blanchett gespielt wird, ist nicht immer sympathisch. Sie ist eine untreue Ehefrau, eine nicht immer wirklich überzeugte Mutter und obendrein ein reicher Snob. Vielleicht wird deshalb der Roman von Highsmith als semi-autobiografisch bezeichnet? Wo „Blau ist eine warme Farbe“ von der Kritik – zu Unrecht – dafür verrissen wurde, dass hier ein Mann eine lesbische Geschichte inszeniert, stehen Todd Haynes und auch sein Publikum offensichtlich über den Dingen. An „Carol“ hatte bisher niemand auszusetzen, dass ein männlicher Regisseur diese fragile, romantische und gefühlvolle lesbische Geschichte verfilmte. Außer Haynes waren allerdings auch fast nur Frauen an dem Projekt beteiligt, wie er erklärt: „Ohne die vielen beteiligten Frauen wäre der Film nicht vorstellbar: Produktion, Drehbuch, die Vorlage, das Casting, die Schauspielerinnen, die Ausstattung und die Kostüme. Ich habe beim Film zwar alles von Frauen gelernt, dennoch möchte ich mehr Frauen hinter der Kamera sehen. Vor allem die Regie ist noch immer so eine männliche Domäne.“ Immerhin ist es Todd Haynes gelungen, einen der wichtigsten lesbischen Romane von einer der berühmtesten Lesben des 20. Jahrhunderts angemessen, unterhaltsam und herrlich gefühlvoll zu verfilmen. Ein ganz großer lesbischer Liebesfilm für die ganz großen Gefühle des Lebens. // Manuela Kay „Carol“, Regie: Todd Haynes, mit: Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Sarah Paulson u. a., USA/GB/F 2015, 118 Min., Kinostart: 17. Dezember 63 *62-67 Film_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:15 Seite 64 FILM Rooney Mara spielt in „Carol“ die jugendlich-naive Therese. Zuvor war sie die rebellische Lisbeth Salander in der US-Version von „Verblendung“. Im L-MAG-Interview erzählt sie vom Sex mit Cate Blanchett, ihrer Vergangenheit als Lisbeth und ihrem Hund Oskar Er versteht Frauen wie kaum Wie haben Sie sich auf Ihre ein anderer Regisseur, den ich Rolle in „Carol“ vorbereitet? kenne. Und weil er sie so gut Rooney Mara: Da gab es ja die versteht und respektiert, gab Romanvorlage von Patricia es uns die Sicherheit, diese Highsmith, die aus der Sicht wirklich sensible und intime meiner Figur Therese ge Liebesgeschichte zu erzählen. schrieben ist. Das war meine Mit jedem anderen wäre das Hauptquelle, noch mehr als sehr viel schwieriger ge das Drehbuch. Im Roman steht worden. alles, was ich über sie wissen Waren die Sexszenen mit Cate musste. Und ich habe schon Blanchett eine HerausfordeMonate vorher mit meinem rung? Regisseur Todd Haynes Ich habe in meinem Leben geredet, er hatte wahnsinnig davon so viele gedreht, ich bin viel recherchiert und für Cate da abgeklärt. Jede Sexszene ist und mich ein Buch gemacht, in anders. Cate ist sehr viel dem er alle Bezüge und softer, sie hat eine unglaublich Referenzen aus dieser Ära aufweiche und glatte Haut. Aber geführt hat, um uns zu zeigen, für mich macht es keinen wie er sich den Film visuell Unterschied, ob es mit einem vorstellt. Das waren hauptMann oder einer Frau ist. Es sächlich New Yorker Straßenist ein Mensch, eine Person. fotografien aus dieser Zeit wie Und eine Person, in die man die von Vivian Maier oder Ruth nicht verliebt ist. Und um Orkin. Außerdem gab er mir einen herum stehen Leute, die etliche selbstgebrannte CDs sich um den technischen Kram mit Musik und Filmen, die ihn kümmern. Dann sagt dir der für „Carol“ inspirierten. Und Regisseur, was du zu tun und ich finde, man sieht es. Der wie du dich zu bewegen hast. Film sieht nicht so aus, als wäEs ist alles sehr choreografiert re er von 2015. Schon allein Rooney Mara als das schüchterne Mädchen Therese und professionell. Es kann die Kostüme, die Sandy Powell trotzdem peinlich oder komisch werden, aber ob das mit einer Frau geschneidert hat! Sie machen einen Großteil einer Figur aus, hier oder einem Mann stattfindet, ist völlig egal. Ich bin 30, wir haben noch mehr als sonst. Schon allein, wie man sich in diesen Kleidern 2015, das ist wirklich kein Thema für mich. bewegt, wie man sitzt, sehr unbequem und restriktiv. Aber genau so Als Therese reden Sie nicht viel. War das schwierig? fühlte es sich wahrscheinlich an, eine Frau in den 50er Jahren zu sein. Nicht beim Dreh selbst, aber im Vorfeld. Ich habe mich die ganze Zeit Die Kostüme helfen also sehr, in die Rolle zu kommen. gefragt, ob ich das schaffe. Ich habe nicht viel Dialog, das meiste Bereiten Sie sich immer so intensiv vor? spielt sich über Blicke und zwischen den Zeilen ab. Doch wie mache Ich bin Perfektionistin. In „Verblendung“ zum Beispiel musste ich als ich Subtext und Innenleben sichtbar? Ich fühlte mich unsicher, aber Lisbeth Salander Motorrad fahren. Also habe ich fast drei Monate sobald ich am Set war und Cate als Gegenüber hatte, auf die ich reageübt. Dabei fahre ich in 98 Prozent des Films gar nicht selbst, gierte, war alles plötzlich ganz einfach und klar. sondern steige nur auf oder ab. Aber ich wollte, dass das so echt wie Im Mai wurden Sie bei den Filmfestspielen in Cannes für die Rolle als möglich aussieht. So als ob ich es schon seit Jahren mache. beste Schauspielerin ausgezeichnet. Was ist das Besondere an Regisseur Todd Haynes? 64 L-MAG *62-67 Film_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:15 Seite 65 Das war eine große Ehre und wirklich eine Überraschung, ich hatte damit nicht im Geringsten gerechnet. Ich fühlte mich richtig gut, aber so etwas hält bei mir nie lange. Ich bleibe ja doch dieselbe, mit denselben Zielen und Zweifeln. Auszeichnungen sind toll, aber dadurch habe ich nicht plötzlich das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein. Ich habe noch so viel vor mir, so viel zu beweisen und viele Fehler zu machen. Ich habe noch immer Angst, schlecht zu sein. Bei jedem Film denke ich, Mist, das hättest du besser machen können. Das treibt mich an. Sie werden auch für einen Oscar gehandelt. Machen Sie sich darüber keine Gedanken? Bis jetzt noch nicht. Und ich habe ja schon einen Oscar zuhause. Meinen kleinen Hund Oskar. Mit dem lässt sich auch viel besser kuscheln. Was machen Sie mit ihm, wenn Sie drehen oder auf Reisen sind? Eigentlich will ich gar nicht so viel über ihn reden, er ist wie mein Baby. Ein kleiner Hund, aber eine große Persönlichkeit. Ich könnte ihm stundenlang zuschauen. Und ich nehme ihn so oft wie möglich mit. Wenn es nicht geht, ist er meistens bei meinen Eltern. „Carol“ trifft einen Nerv im Kampf um Gleichberechtigung. War das auch für Sie ein Grund, die Rolle anzunehmen? Nein. Mir ist natürlich klar, dass wir in den 50er Jahren weit entfernt von Gleichberechtigung waren. Aber ich pendle zwischen Los Angeles und New York und bin von progressiven Leuten umgeben. Mir ist oft gar nicht bewusst, dass es überhaupt noch ein Thema sein könnte. Aber natürlich ist es das, auch wenn ich damit kaum konfrontiert werde, weil in meinem Umfeld alle leben können, wie sie wollen. Aber auch in dieser privilegierten Blase gibt es Ungerechtigkeiten. Gerade gibt es mehrere Debatten in der Filmbranche, etwa über die Frauenquote in Deutschland bei Regieaufträgen oder die niedrigere Bezahlung weiblicher Stars in Hollywood. In meiner persönlichen Blase der Menschen, mit denen ich mein Leben teile, sind wir alle gleich. In der Filmbranche sieht es anders aus, wie in jeder Berufsbranche. Da muss man nicht nur über die sehr unterschiedlichen Gagen reden, sondern auch über die Bandbreite an Rollen selbst. Aber ich habe den Eindruck, dass es besser wird. Sehen Sie sich diesen Film an. Oder „Verblendung“. Oder den globalen Erfolg der „Tribute von Panem“. Wie hat sich Ihr Leben nach dem immensen Erfolg von „Verblendung“ verändert? Mir fällt es schwer, einen distanzierten Blick zu meinem Leben einzunehmen und es zu reflektieren. Ich stecke mittendrin. Und meine Arbeit definiert mich nicht als Mensch. Ja, es sind vier, fünf Jahre seitdem vergangen und in meiner Karriere ist viel passiert, auch in meinem Privatleben. Ich kann das nicht voneinander trennen. Aber natürlich hat „Verblendung“ viele Türen für mich geöffnet. Werden Sie als Lisbeth Salander zurückkehren? Ich weiß es nicht. Nichts ist bestätigt. Ich würde nichts lieber tun, als noch einmal in diese Rolle zu schlüpfen. Aber ich habe darüber keine Kontrolle. Es wäre wirklich traurig, wenn es nicht dazu käme. Als ich zusagte, hatte ich die ganze Trilogie im Hinterkopf, nicht nur den ersten Teil. Ich hatte danach nicht das Gefühl, damit abgeschlossen zu haben. Ich bin noch nicht fertig mit ihr. Das schmerzt, aber die Entscheidung liegt nicht in meinen Händen. // Interview: Thomas Abeltshauser REISEMARKT FRAUEN UNTERWEGS FRAUEN REISEN Bambú – lesbischer Urlaubsort in Spanien www.frauenunterwegs.de Bambú ist einer der wenigen und ausschließlich lesbischen Urlaubsorte in Europa. 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Was für ihn und seine Frau Gerda (Alicia Vikander) als Spaß und Fetisch beginnt – Einar geht als Frau gekleidet zu einer Party und trägt beim Sex ein Kleid –, führt bald zu einer schweren Ehekrise und schmerzhaften Prozeduren, die Einar das Frausein austreiben sollen. Aber Lili drängt immer stärker nach außen, und eine geschlechtsangleichende Operation, auch wenn sie noch nie zuvor gelungen ist, wird zu ihrer letzten Hoffnung. Lilis Geschichte ist wahr und ihr Ende tragisch: Einige Monate nach dem dritten Eingriff in Dresden starb sie und ging als weltweit erste operierte Trans-Person in die Geschichtsbücher ein (heute weiß man, dass sie intersexuell war). Tom Hooper („The King’s Speech“) inszeniert die Bohème der 20er Jahre routiniert, aber altmodisch-brav und mit dramatischem Geigen-Einsatz. Selten war die Wirklichkeit so viel spannender als die Verfilmung: Dass das dänische Künstlerpaar eine offene Ehe führte und Greta, eine erfolgreiche Malerin, überwiegend lesbisch lebte, wollte der britische Regisseur dem Publikum wohl nicht auch noch zumuten: Seine Gerda ist stockhetero, seine Lili eine unsichere, asexuelle Teenagerin, die romantisch von Mann und Babys träumt. 66 Aus ihr einen dreidimensionalen Charakter zu machen, gelingt da selbst Oscar-Gewinner Eddie Redmayne nicht. So wird Gerda mit ihrem Hadern zwischen Liebe und Verzweiflung zur spannenderen Figur – der Filmtitel „Two Danish Girls“ wäre tatsächlich passender gewesen. Um so neugieriger hätte da eine frühere Version gemacht, deren Realisierung 2012 kurz vor Drehstart platzte: Darin hätten zwei Frauen, Nicole Kidman als Einar/Lili und Rachel Weisz als Gerda, die Hauptrollen gespielt. Inzwischen ist das Trans-Thema in der Öffentlichkeit angekommen, kürzlich wurde beispielsweise bekannt, dass im letzten Jahr weltweit mindestens 271 Menschen wegen ihrer Geschlechtsidentität ermordet wurden. „The Danish Girl“ hätte der richtige Film zur richtigen Zeit sein können, stattdessen erzählt er die Geschichte wie eine plüschige Episode aus lange vergangenen Zeiten: Eine verschenkte Gelegenheit. // Karin Schupp „The Danish Girl“, Regie: Tom Hooper, mit: Eddie Redmayne, Alicia Vikander, Amber Heard u. a., USA/GB/D 2015, 120 Min., Kinostart: 7. Januar Fotos: Universal, Arsenalfilmvereleih In „The Danish Girl“ wird die Geschichte der ersten bekannten Transexuellen und einer geschlechtsangleichenden Operation erzählt. Leider eine vertane Chance L-MAG *62-67 Film_00 Inhalt Relaunch 07.12.15 15:07 Seite 67 Tragische Rock-Ikone „Janis: Little Girl Blue“ ist ein ergreifendes Zeugnis feministischer Musikgeschichte Ihre Stimme begleitete Generationen. Sie machte den Weg für Frauen im Macho-Musik-Business frei und revolutionierte den Blues. Dabei schaffte Janis Joplin in kürzester Zeit den Weg von der verhassten Außenseiterin an ihrer Schule zur Musiklegende. Die Engstirnigkeit der texanischen Kleinstädter und die konservative Enge im Elternhaus vertrieben sie nach der Highschool aus ihrer Heimat. „Janis: Little Girl Blue“ zeigt nun die Geschichte einer zutiefst verletzten Persönlichkeit, die auch durch den schnellen Ruhm keine Befriedigung fand. Viele Details ihrer Geschichte werden in einem Mix aus Interviews, Orginalaufnahmen und persönlichen Briefen von Janis (gelesen von Chan Marshal, Cat Power) gezeigt. Und trotzdem bleibt es stellenweise oberflächlich. Denn leider reflektiert kaum jemand der Interviewten über den eigenen Anteil an der Tragödie. Denn bereits mit 27 Jahren starb Janis Joplin an einer Überdosis Heroin – allein in einem Motelzimmer. Trotzdem ist der Film ein Zeugnis faszinierender feministischer Rock-Geschichte. Allein schon wegen der ergreifenden Musik lohnt sich ein Kinobesuch. Und letztendlich ist es die berührenden Geschichte einer Rock-Ikone, die im Grunde eine hoffnungslos gebrochen Seele war, auf der Suche nach Liebe und Anerkennung. // dm „Janis: Little Girl Blue“, Regie: Amy Berg, USA, 2015 115 Min., Kinostart: 14. Januar MARKTPLATZ HIER KÖNNTE IHRE ANZEIGE STEHEN Gerne unterbreiten wir Ihnen ein ganz persönliches Angebot. Sprechen Sie uns an! 030/23 55 39-34 [email protected] www.l-mag.de LESBEN Informationsund Beratungsstelle in Frankfurt/M Beratung I Gruppen I Informationen 069 - 28 28 83 www.libs.w4w.net L-MAG L-MAG 67 67 *68-71 Buch_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:18 Seite 68 BUCH An der Meisterin gescheitert Theoretische Analyse zu Werk und Biografie von Hannah Arendt Als Denkerin, Journalistin und politische Theoretikerin veränderte Hannah Arendt die Welt. Sie ist eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen der Politischen Theorie. Ihre Berichte als jüdische Reporterin für den New Yorker bei dem Prozess in Israel gegen den nationalsozialistischen Bürokraten Adolf Eichmann 1961 sind legendär und lösten eine breite gesellschaftliche Diskussion im Umgang mit der NS-Zeit aus. Ihre Theorie ist eng verknüpft mit ihren persönlichen Erfahrungen. So musste die aus Hannover Stammende 1933 vor dem Nationalsozialistischen Regime fliehen. Zunächst über Frankreich emigrierte sie schließlich in die USA. Ihre persönlichen Erfahrungen im Nationalsozialismus, die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft und ihre Beobachtungen zur Machtergreifung Hitlers beeinflussten Arendts Denken maßgeblich. Über ihr Leben, Schaffen und ihre Theorie sind bereits unzählige Werke verfasst worden. Die „Denkbiografie“ von Alexandra 68 Popp verfolgt nun die wenig kreative Idee, anhand von Arendts Biografie ihr theoretisches Denken zu durchdringen – leider kaum erfolgreich. Besonders anstrengend ist die permanente Betonung des philosophischen Ansatzes von Arendt, die sich selbst der Politische Theorie zuschrieb. Alexandra Popp verbeißt sich regelrecht in die Idee, Arendt als Philosophin zu betrachten – das ist ermüdend. Gleichzeitig versucht Popp, zu viele Begriffe wie Freiheit, Macht, Gewalt, Herrschaft, Autorität, Souveränität, Totalitarismus bis hin zu Global Governance mit Bezug auf wiederum zu viele Theoretiker wie Marx, Kant, Hobbes, Locke, Darwin, Nietzsche bis hin zu Aristoteles zu analysieren. Letztlich ist Popps „Denkbiografie“ zu komplex, um als Einführungswerk in das Arendtsche Denken geeignet zu sein, für Arendt kennerinnen hingegen ist es eine fragwürdige theoretische Analyse, die zu breit aufgestellt ist, um in die Tiefe vorzudringen. Popps erklärtes Ziel ist es einerseits, den engen Zusammenhang zwischen Biografie und Theorie zu belegen. Andererseits soll das Buch die Bedeutung von Arendts Theorie für aktuelle politische Probleme zeigen. Ersteres ist wenig tiefgreifend und wurde bereits unzählige Male aufgegriffen. Letzteres hingegen wäre interessant, kommt jedoch zu kurz. Insgesamt ist das Buch eine theoretische Analyse, die viel will und durch philosophische und theoriepolitische Ausuferung wenig erreicht. // Dana Müller Alexandra Popp: „Hannah Arendt. Eine Denkbiografie“ Schmetterling Verlag 232 Seiten 12,80 Euro L-MAG *68-71 Buch_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:18 Seite 69 Rabenmutter wird böses Mädchen Mehr Comic als Buch: Charlotte Roches „Mädchen für alles“ Natürlich weiß eine Bestsellerautorin, was von ihr erwartet wird: gute Unterhaltung. Roche bietet das, indem sie ein Tabu bricht. Ihr dritter Roman „Mädchen für alles“ wagt es, die neue deutsche Muttersein-Idylle als trügerisch zu entlarven, denn in Wahrheit zehrt Muttersein an den Nerven, das weiß die Erfolgsautorin aus erster Hand. Christine in „Mädchen für alles“ zelebriert ihr Dasein als schlechte Mutter, sie ist manipulativ, düster. Roches Protagonistin hat scheinbar alles: einen Mann, eine Tochter und Geld. Doch sie verbringt, Lebensflucht praktizierend, ihre Tage vor dem Fernseher, Mutter und Ehefrau zu sein ist verdammt langweilig und alles, was in den Serien auf der Mattscheibe geschieht, ist viel krasser und besser. Christine fängt eine Affäre mit ihrer Babysitterin an. Das ist gut, um depressive Symptome zu vertreiben und außerdem recht lustig, denn Christine hat Lust daran, anderen ihren Spaß zu verderben. Die heterosexuelle Prota gonistin weiß, wo man bei anderen Frauen den Finger reinsteckt, auch wenn sie es im Roman vor dieser zugekoksten Zugfahrt noch nie getan hat. Doch mit der blonden Nanny, einem ungebildeten Frettchen, kann man herrlich üben. „Mädchen für alles“ setzt Sex eiskalt ein, da gibt es kein Abfeiern von freiheitlicher Liebe. Sex ist Manipulationswerkzeug, es geht um Macht. Charlotte Roche sagt selbst, dass sie mit ihren Büchern Leute erreicht, die eigentlich nicht lesen. Stilistisch gesehen ist „Mädchen für alles“ daher auch nicht wirklich ein Buch, eher ein Comic mit übergroßen Sprech blasen, in denen stehen Dinge wie: „Meine Klitoris zwiebelt richtig“. Unbeschreiblich weiblich, gewalttätig und böse, „Mädchen für alles“ ist ein weiblicher Monolog, der Porno sein möchte und es versucht. Denn böse Mädchen kommen bekanntlich überall hin. // Lena Braun Charlotte Roche: „Mädchen für alles“ Piper 240 Seiten 14,99 Euro Der ultimative Albtraum Foto: Fred Stein „Endlich daheim“ von Regina Nössler Die 13-jährige Kim steckt mitten in der Pubertät und ist nicht glücklich. Sie hat keine Freundschaften und wird in der Schule gemobbt. Für die Erwachsenen um sie herum ist das introvertierte Mädchen „gestört“, auch ihre lesbische Tante Felicitas findet Kim oft merkwürdig. An diesem einen grauen Freitag fällt Mathe aus und überhaupt ist Kim in besserer Stimmung als sonst, denn das Wochenende und ihr 14. Geburtstag liegen vor ihr! Doch zuhause passt plötzlich ihr Schlüssel nicht mehr ins Schloss und ihr Name steht nicht mehr an der Tür! Als Kim klingelt, antwortet ein unbekannter Mann, der sie wegscheucht. Quasi obdachlos und scheinbar plötzlich unsichtbar für andere, streift sie durch Berlin-Kreuzberg, das ihr plötzlich fremd und seltsam leer vorkommt. Und zeigt nicht diese eine Digitaluhr eine Zeit an, die es gar nicht gibt? „Endlich daheim“ lässt den ultimativen Albtraum wahr werden: die eigene Existenz scheint ausgelöscht! Dabei spielt die Autorin L-MAG mit fundamentalen Ängsten wie dem Verlust von Sicherheit, Wärme oder einem Dach über dem Kopf. Und das eigentlich Unheimliche ist kein Science-Fiction-Szenario, sondern ganz irdisch und alltäglich – die Gleichgültigkeit und soziale Kälte, die Kim erlebt. Geschickt kombiniert Nössler die Erfahrungen eines Teenagers, der sich ausgeschlossen und unverstanden fühlt, mit scheinbar Nebensächlichem und zufälligen Begegnungen zu einem Thriller, dessen bedrohlicher Atmosphäre man sich nicht entziehen kann. // Claudia Lindner Regina Nössler: „Endlich daheim“ Konkursbuch Verlag 320 Seiten 10,90 Euro *68-71 Buch_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:18 Seite 70 BUCH Übersetzen, bitte! Diese Bücher sollte es auf Deutsch geben! Kirsty Logan „The Rental Heart and Other Fairytales“ Kirsty Logan: „The Rental Heart and Other Fairytales“ Salt Publishing Taschenbuch: 14,53 Euro Kindle-Edition: 4,99 Euro Webseite der Autorin: www.kirstylogan.com Schon die Titelgeschichte „The Rental Heart“ („Das gemietete Herz“) vereint alles, was Kirsty Logans Shortstorys so besonders macht: eine schräge Atmosphäre und eine märchenhafte, etwas düstere und alles andere als heteronorme Welt voller intelligent erdachter Metaphern für moderne Frage stellungen. Hinzu kommen Beziehungen, die ohne viel Aufhebens Menschen unterschiedlicher Genderidentitäten verknüpfen, sowie eine sehr eigene Sprache. „The Rental Heart“ behandelt beispielsweise sehr geschickt die Unmöglichkeit zu lieben, ohne einen Teil von sich selbst zu riskieren. In der Kurzgeschichte „Witch“ (Hexe) dagegen ist ein Mädchen mit derjenigen verabredet, mit der sie erste, unbeholfene Küsse tauschte, und macht sich stattdessen auf die Suche nach Baba Yaga. Statt der kinderfressenden Hexe aus der slawischen Märchenwelt trifft sie jedoch auf eine Frau, die womöglich exakt richtig für sie ist. „Matryoshka“ wiederum verwebt das Thema Identität geschickt mit jenen russischen, ineinander geschachtelten Holzpuppen, die im Deutschen unter dem Namen „Babuschka“ bekannt sind, und dem AschenputtelMärchen – erzählt aus der Perspektive der kleinen, egoistischen und lesbischen Schwester des Prinzen. Dass der Stil der gerade mal 31-jährigen, offen lesbischen, schottischen Autorin von Kritiken und der Leserinnenschaft gerne mit Kolleginnen wie Sarah Waters („Die Muschelöffnerin“), Jeanette Winterson („Orangen sind nicht die einzige Frucht“) oder Angela Carter („Blaubarts Zimmer) verglichen wird, verwundert keine, die in ihre Texte eintaucht: Kirsty Logan verwebt folkloristische, mythologische und märchenhafte Traditionen und Erzählweisen mit ihren sehr eigenen Interpreta tionen und erschafft dank ihrer besonderen Sprache Bilder, die noch lange im Kopf nachwirken: von wunderbar samtig bis hin zu unerwartet verstörend. // Simone Veenstra Analysen um Sexualität und Gender Der wissenschaftliche Sammelband „Anti-Genderismus“ Das Buch „Anti-Genderismus“ sammelt zum ersten Mal wissenschaftlich-akademische Beiträge, die sich auf einer analytischen Ebene mit den politischen Auseinandersetzungen rund um Gender und Sexualität beschäftigen. 13 verschiedene Aufsätze nehmen vor allem die neo-konservativen bis rechten politischen Kräfte in den Fokus, die sich mit einer „AntiHaltung“ gegenüber Gender profilieren. Das von Sabine Hark und Paula-Irene Villa im transcript-Verlag herausgegebene Buch zeichnet sich durch eine breite Themen spanne aus: Neben einer Betrachtung des „Anti-Genderismus“ im Internet und einer Analyse der Kategorie Pädophilie geht es auch um die Rolle von Gender in katholischen und extrem rechten Kreisen. Interessant an „Anti-Genderismus“ ist die transnationale Perspektive: Die aktuellen politischen Auseinandersetzungen zum Thema Gender werden nicht nur im deutschen, sondern 70 auch im europäischen Kontext betrachtet – so nehmen die Beiträge auch aktuelle Strömungen in Polen, der Schweiz und Frankreich in den Blick. Die Autorinnen haben ihren Schwerpunkt in den Sozial- und Kulturwissenschaften, weshalb sich die Aufsätze einer sehr akademisch-anspruchsvollen Sprache bedienen. Wer sich daran nicht stört, wird in diesem Sammelband viele wertvolle Erkenntnisse finden. Es ist vor allem die analytische Schärfe, mit der die einzelnen Beiträge die Motive von neo-konservativen Bewegungen frei legen, die überzeugt. So wurde heraus gearbeitet, dass sich hinter den verschiedenen konservativen Protestbewegungen vor allem eine Angst vor der Auflösung einer sozialen Ordnung und einer kollektiven nationalen Identität verbirgt – begünstigt durch einen als abstrakt und sehr beschleunigt empfundenen sozialen Wandel. Ein spannendes Buch, das erstmalig eine umfangreiche Sammlung sozial- und kulturwissenschaftlichen Analysen des sogenannten „Anti-Genderismus“ vorlegt. Das Werk initiiert eine akademisch geführte Debatte über die gesellschaftspolitische Dimension von Gender und Sexualität als ein Feld politischer Auseinandersetzungen – ein wichtiger Schritt in Zeiten zunehmender Diffamierungen. // Isabel Lerch Sabine Hark / Paula-Irene Villa (Hg.): „Anti-Genderismus“ Transcript Verlag 264 Seiten 26,99 Euro L-MAG *68-71 Buch_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:18 Seite 71 Perspektive Teilhabe Präsenz Vernetzung Liebeserklärung Cornelia Scheel erinnert an ihre Mutter – die Ex-First Lady www.lesbenundalter.de Gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Foto: Cornelia Scheel Privatbesitz Vor 30 Jahren verstarb Mildred Scheel. Damals bekannt als Gründerin der Deutschen Krebshilfe und ehemalige „First Lady“ von 1974 bis 1979, als ihr Mann Walter Scheel Bundespräsident war, ist sie mittlerweile fast in Vergessenheit geraten. Mit den Erinnerungen an ihre Mutter legt Cornelia Scheel nun ein Buch vor, das uns zum einen in die 70er Jahre der Bonner Republik zurückführt und amüsante Einzelheiten aus dem Alltagsleben einer prominenten Familie erzählt, inklusive zehn Jahre mit bewaffnetem Begleitschutz – Knutschen im Kino ist da nich’. Zum anderen wird Mildred Scheel als eine Frau gezeigt, die unbekümmert gegen Konventionen verstößt und dabei mit eisernem Willen ihr Ziel verfolgt, eine „Bürgerbewegung gegen den Krebs“ ins Leben zu rufen. 1963 bringt die unverheiratete Mildred Wirtz, Ärztin und jederzeit dienstbereit, in München eine Tochter zur Welt. Ein uneheliches Kind, damals ein Skandal! Für zwei Jahre gibt sie ihr „Cornelchen“ in ein Kinderheim, um in der Zeit die Voraussetzungen für ein gemeinsames „Nest“ zu schaffen. Ein Schock, doch Cornelia Scheel schreibt, dass sie Gefühle wie Verlorensein oder den ständigen Wunsch, bei der Mutter sein zu wollen, im Nachhinein besser versteht. Auch die Tochter hat ein Geheimnis vor der Mutter: eine Liebes beziehung zu ihrer Reitlehrerin. Leider ertappt Frau Scheel sie „inflagranti“, wie man damals sagte und reagierte sehr harsch auf die Gefühle ihrer Tochter. Nach einem dramatischen Liebesende beschließt Cornelia, „keine Frauen lieben zu wollen“. Wie wir wissen, hat sie sich nicht daran gehalten und bedauert heute, mit ihrer Mutter nicht mehr darüber gesprochen zu haben. Ein offenherziges und liebevolles Buch, stellenweise etwas rührselig, das an eine großartige, kämpferische Frau erinnert, die mit 52 Jahren ausgerechnet an Krebs verstarb. // Anja Hinrichs L-MAG Cornelia Scheel: „Mildred Scheel – Erinnerungen an meine Mutter“ Rowohlt 240 Seiten 19,95 Euro 71 *72-73 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:30 Seite 72 DIGITALES LEBEN Digitale Romantik – Widerspruch oder Ergänzung? Digitales Leben – das ist schneller, einfacher Zugang zu Informationen, Produkten oder Menschen auf der anderen Seite der Welt. Aber auch ständige Erreichbarkeit und Algorithmen, die unsere privaten Daten auswerten. Wo bleibt da die Romantik? Die hier abgebildeten „Flirtmojis“ sind Symbole für Küsse, Brüste, Mösen oder andere sexuelle Vorlieben, die man als eindeutige Botschaft effektvoll per SMS oder E-Mail verschicken kann www.flirtmoji.co 72 L-MAG *72-73 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:30 Seite 73 In erster Linie scheint es im Digitalen vor allem darum zu gehen, unser Leben und uns selbst zu optimieren: Wir nutzen Zeitmanagement- und Sport-Apps. Es existieren auf uns abgestimmte „Tamagochi“-Freundinnen und Anwendungsprogramme, die versprechen, beim Daten, Flirten, ja selbst beim Sex zu helfen. Ganz und gar unromantisch? Oder sollten wir anders fragen: Was bedeutet Romantik eigentlich? Die romantische Epoche begann als Gegenbewegung zur zunehmenden Entzauberung der Welt durch die Aufklärung. Man war auf der Suche nach dem Unsichtbaren, Mysteriösen – kurz, nach dem Sinn hinter Erklärungen, Formeln und Logik. Interessant daran: Stattgefundene Entwicklungen sollten nicht entwertet oder abgelöst werden. Es ging eher darum, einen persönlichen Umgang zu finden, der die Sehnsucht wachhielt. Heute würde das für uns bedeuten, digitale Möglichkeiten zu nutzen und umzufunktionieren, anstatt unser Leben davon diktieren zu lassen. Illustrationen: Flirtmoji.com Tinder, OkCupid und Co. Die einen rümpfen die Nase, sagen „Ich habe so etwas nicht nötig“, und sind der Meinung, wer das Kontakteknüpfen einem Programm statt der eigenen Courage überlässt, macht sich zum Objekt. Die anderen finden, sie erweitern ihren Horizont und lernen Menschen kennen, die sie normalerweise nie getroffen hätten. Eines vorweg: Ja, DatingSeiten und -Apps zwingen uns, Erwartungen und Bedürfnisse auf den Punkt zu bringen. Bin ich auf der Suche nach „der Einen“ oder geht es mir um unverfänglichen Spaß? Doch muss das automatisch negativ sein? Den eigenen Standpunkt zu formulieren und klare Verabredungen zu treffen, kann befreiend sein, Zeit und verletzte Gefühle ersparen. Die Frage ist also nicht, ob sich Kontakte verflachen, weil wir dank dem Mehr an Möglichkeiten austauschbarer werden. Die Frage ist vielmehr: was wollen wir eigentlich und wie kommunizieren wir das? Beziehungsweise: wo lassen sich jene Menschen finden, die mit uns auf einer Wellenlänge liegen? Auch bei Facebook, Twitter oder Instagram lassen sich selbstverständlich Negativ beispiele finden. Nicht jedes Party-Knutschfoto sollte unbedingt ins Netz. Und wer vorschnell den Beziehungsstatus ändert (womöglich samt eines Verweises auf die ahnungslose „bessere Hälfte“), braucht sich nicht über Irritation oder ärgerliche Meldungen zu wundern. Dennoch helfen diese digitalen Möglichkeiten auch, in Kontakt zu bleiben und einen Einblick in das Leben einer anderen Person zu erhalten. Auf welche Konzerte geht sie? Was isst sie gerne? Welchen Standpunkt vertritt sie in Diskussio- L-MAG nen? Und auch wenn ein handgeschriebener Brief sicher romantisch ist, er braucht Zeit, und manchmal wollen wir eben nicht warten. Ein schneller, schriftlicher Schlagabtausch per Chat, SMS, WhatsApp oder E-Mail kann fast ein Dialog sein und ein unbestreitbar romantisches Zeichen setzen. Der spontane digitale Kontak kann für „Ich denke an dich“ oder „Guck mal, das wollte ich mit dir teilen“ stehen. Per Video-Skype sind wir in der Lage, gemeinsam einen Film zu sehen, selbst wenn wir in unterschiedlichen Städten wohnen. Auf Spotify lassen sich Playlists füreinander erstellen – die Mixtapes des 21. Jahr hunderts. Apropos: Geschenke übers Netz – romantisch oder? Auf die Fantasie kommt es an Nicht nur am 14. Februar werden wir bombardiert mit Anzeigen für ValentinstagKollektionen, vorgefertigten digitalen Grußkarten und Aufrufen, übers Netz mal eben Blumen zu verschicken – die Konsumtaktik verflacht romantische Gesten zum Kitsch, oder? Wirklich neu sind nämlich weder die Strategien noch die Produkte und niemand zwingt uns, sie zu nutzen. Mit ein bisschen Kreativität dagegen lassen sich problemlos eigene digitale Fotos mit Audiofiles unterlegen oder aus einer Reihe Fotos ein GIF oder eine Fotostory erstellen. Egal ob extra zum Valentins-, Geburts-, Jahrestag oder gar als Einladung zu einem Date. Denn generell sind wir dank Internet immer auf dem neusten Stand: Binnen kürzester Zeit haben wir das optimale Ferienhaus gefunden – samt Strandzugang, Kamin und Sauna. Wir sind Facebookfans von Wallis Bird, lesen, dass sie in der Nähe spielt, und drei Klicks später haben wir zwei Tickets ausgedruckt. Newsletter informieren über ungewöhnliche Events und wir punkten mit einer Nachtbegehung im Naturkunde museum statt dem immer gleichen Italiener. Und Video-Tutorials sind eine wahre Fundgrube für romantische Extras: Okay, es braucht etwas Zeit und einige Wiederholungen, aber dann überraschen wir sie mit einer als Origami-Blüte gefalteten Einladung, auf der ein Datum, eine Uhrzeit und zwei Koordinaten stehen. Weiß sie mit der MapsApp umzugehen, kommt sie rechtzeitig zu unserem Open-Air-Ständchen auf der Ukulele. Natürlich ihr Lieblingslied, das wir ebenfalls dank unermüdlichem Üben vor dem Computer gemeistert haben … Da soll noch mal eine behaupten, digitales Leben und Romantik vertrügen sich nicht! Denn letztendlich kommt es auf die Fantasie und Kreativität der Nutzerinnen an, etwas Persönliches und Besonderes zu zaubern. Was übrigens auch bei allem Analogen gilt! // Simone Veenstra Digitaler Spieltipp: „Life is Strange“ (DONTNOD) Ab und an die Zeit zurückdrehen und so manche Entscheidung überdenken, das wär’s. Schülerin Max Caulfield kehrt nach fünf Jahren zurück in ihre alte Heimat, der fiktiven Stadt Arcadia Bay. Der Ort trieft vor geheimnisvollen Geschehnissen und Verstrickungen. Ihre ehemals beste Freundin Chloe, eine aufmüpfige, kiffende, trinkende Punkerin, hatte in der Zwischenzeit Max durch Rachel Amber ersetzt. Diese ist nun verschwunden. Gemeinsam begeben sich die ehemals besten Freundinnen auf die Suche nach der Wahrheit. Eine Geschichte von Ausgrenzung, Freundschaft und Wertvorstellungen. Max muss immer wieder Entscheidungen mit folgenschweren und teilweise schockierenden Konsequenzen treffen. Gut, dass sie an der Zeit drehen kann. Ein fesselndes Episoden-Abenteuer mit stimmungsvoller Musik, von dem man auch fürs wahre Leben etwas lernen kann, und sei es nur: Jede Handlung hat Konsequenzen. Und knistert es vielleicht ein bisschen zwischen Cloe und Max oder doch nicht? www.lifeisstrange.com L-MAG VERLOST AUF WWW.L-MAG.DE Wir verlosen die limited Box-Edition „Life is Strange“ (Komplette Episoden 1–5 mit Extras) 73 *74-75 Erotik Sextest_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:31 Seite 74 EROTIK Kamin-Stimmung im Bett Sex & Romantik – geht das? Mit diesem Spielzeug auf jeden Fall! Erleuchtung Ganzkörperlich Flare ist ein wasserfester, zweimotoriger Doppelvibrator mit drei Vibrationsintensitäten und vier Vibrationsprogrammen. Was ihn zum romantischen Highlight macht, sind allerdings nicht seine vibrierenden Hasenöhrchen, sondern die eingebaute Lightshow, die den Fuß des Flare je nach Vibrations-„Mood“ bunt aufleuchten lässt. Dabei ist die Beleuchtung tatsächlich so hell, dass sich damit auch unter der Bettdecke lesen lässt. Was könnte es Romantischeres geben, als sich mit einer vibrierenden Taschenlampe erotische Prosa unter dem Federbett vorzulesen? Der Flare wird mit der Sextoytesterin Lieblingshassobjekt, einem USB-Kabel, aufgeladen. Nichts ist unerotischer als ein Schreibtisch, auf dem zwischen Post-Its, ungeöffneten Rechungen, Bürofrühstückskrümeln und Kaffeetassen ein Vibrator zum Aufladen herumfliegt. Als Nächstes muss man dann Rasenmäher, Fußhornhauthobel und die Schermaschine für den Hund zum Auftanken auf dem Schreibtisch parken … Die neue französische Partnerfirma von Fun Factory, YESforLOV, hat sich auf Kosmetik und kleine Spielsachen für romantisch-erotische Abende spezialisiert. Im Angebot sind beispielsweise Federpuschelchen für fiese Kitzelspiele oder schwarze Augenbinden, damit es bei der Kitzelei ein paar Überraschungen geben kann. Gar nicht unpraktisch ist das hypoallergene, ölfreie Ganzkörpermassagegel in der Einhandbedienungspumpflasche, denn hier ist mit „Ganzkörper“ ausnahmsweise auch wirklich der ganze Körper – Augen ausgenommen – gemeint: Das Gel ist Gleitgel und Massagecreme in einem. Es ist kondomaber leider nicht silikondildokompatibel und riecht dezent tantig nach Frangipani. FAZIT: Insgesamt ein schönes Objekt, die Webseite beschreibt ihn als „die Erleuchtung für dein Liebesleben“, das mag übertrieben sein, als Beleuchtung für die Lieblingslesben taugt er allerdings allemal. FAZIT: Amüsante kleine Gimmicks für glitschig-kitzelige Tantenerotik. Doppel-Vibrator Flare Bezugsquelle: www.beate-uhse.com Material: Silikon Farben: Schwarz oder violett mit buntem Licht Preis: 69,99 Euro YESforLOV Bezugsquelle: www.yesforlov.com, www.funfactory.com Hauchzarte Feder: 12,90 Euro Schwarze satinierte Augenbinden: 12,90 Euro Ölfreies Ganzkörpermassagegel: 29,90 Euro 74 L-MAG *74-75 Erotik Sextest_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:31 Seite 75 L-MAG ARCHIV Heiß und fettig Romantik und Kerzenschein gehören auch in vielen lesbischen Haushalten untrennbar zusammen. Auch hier gilt: Desorientiert vor lauter romantischem Taumel, schüttet man sich dabei leicht mal beim Griff nach der Gleitgelflasche die halbe Kerze samt knallheißem Wachs über die Pfoten. Wer sich nach derartigen Zwischenfällen wieder mit dem Spiel mit dem Feuer anfreunden möchte, dem sei die JimmyJane Afterglow Massagekerze ans Herz gelegt. Afterglow besteht aus gehärteten Öl, das schmilzt, sobald die Kerze brennt, und relativ schnell abkühlt, ohne dabei voll auszuhärten. So kann das „Wachs“ als warmes Massageöl problemlos auf die Haut gegossen werden. Da auf dem weißen Kubus-Kerzenhalter nur ein kleines, recht dezentes Logo aufgedruckt ist, kann man die Kerze auch gut herumstehen lassen, ohne dass das Zimmer „wir ficken immer bei Kerzenschein und reiben uns vorher mit heißem Wachs ein“ schreit. L-MAG hat Sammlerwert Vervollständige deine Kollektion mit früheren Ausgaben von Deutschlands Magazin für Lesben. Jetzt nur 2,50 Euro pro Stück. Gleich bestellen, bevor sie endgültig vergriffen sind. 6/15 FAZIT: Die Variante „Pink Lotus“ riecht relativ blumig, wer beim Sex etwas rustikaler duften möchte, kann für die Vorspielmassage auch zur Duftsorte Gurkenwasser oder Bourbon greifen. Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90 Das Magazin für Lesben MAG JimmyJane Afterglow Massagekerze – „Pink Lotus“ Bezugsquelle: Amorelie.de Preis: 25,90 Euro Duft: Lotusblüte, Bourbon, Gurkenwasser, Dunkle Vanille, Kakao/Feige www.l-mag.de | Juli / August 2015 Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 7,60 | Italien € 6,10 | Luxemburg € 5,30 DEUTSCHLAND DISKUTIERT Das Magazin für Lesben Debatte um Homo-Ehe sorgt für Unsicherheit MAG FRAUEN MIT MEINUNG Rebellin Sarah Schulman Vorzeigelesbe Beatrice Eli ORT KULTSP ROLLERY DERB www.l-mag.de | Mai / Juni 2015 AUFBRUCHSTIMMUNG Bereit für Dyke March und CSD? SENSATION IN BERLIN Mega-Ausstellung zur Homo-Geschichte Lieblingsspielerinnen im L-MAG-Interview: Nadine Angerer Nilla Fischer CSD-Saison 2015 POLITIK ODER PARTY? Wofür wir noch auf die Straße gehen COMING-OUT DER CHAMPIONS Alles zur WM in Kanada: Fußball, Frauen, Fans 5/15 4/15 315 2/15 1/15 6/14 5/14 4/14 3/14 Zuckerschock Das Geschenkset „Pour un cocktail explosif – Voulez-Vous“ besteht aus drei Einzelportionen wärmender Öle in den Geschmacksrichtungen Banane, Bubble Gum und Piña Colada, einem Fläschchen aphrodisierendem Massageöl und zwei Dosen essbarem Körperpuder mit dazugehörigem Puderpuschelchen. Schon beim Öffnen der Verpackung riecht der explosive Cocktail weniger nach Schnapsfahne, wie der Name vermuten ließe, denn vielmehr so stark nach Lavendel wie die Unterwäscheschublade einer mottenphobischen Großmutter. Lavendel soll ja ein beruhigender Duft sein, insofern für Damen, die beim Sex unter Nervosität leiden, sicher ein Pluspunkt. Die essbaren Püderchen sehen auf den ersten Blick ein bisschen nach schlecht gestrecktem Speed aus und schmecken wie zu gut gestrecktes Speed – primär nach Zucker. Das aphrodisierende Ylang-Ylang-Öl riecht zitronig mit leichter Kaugummi-Note, und so richtig aphrodisiert hat es hier niemanden, allerdings hatten wir auch einen leichten Zuckerschock von den Püderchen und waren vom Lavendel und den wärmenden Ölen ganz vorbildlich entspannt. FAZIT: Amüsante Spielerei für Zuckermäuler mit Lavendelfetisch. B E S T E L LC O U P O N Coupon und 5,- Euro in bar (nur Inland) für zwei Hefte senden an: Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin Ich bestelle L-MAG Nr.: Name/Vorname Gift Box „Pour un cocktail explosif – Voulez-Vous“ Bezugsquelle: Amorelie.de Preis: 29,90 Euro Straße/Nr. // Texte: kk PLZ/Ort 5,- Euro für jeweils zwei Hefte habe ich beigelegt Auslandsbestellung: 5,- Euro Portokosten habe ich beigelegt L-MAG 7575 75 75 *76-79 Jahresplaner_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:33 Seite 76 EVENTS 2016 Ob Festival, CSD oder Sport-Großereignis: 2016 hat viel zu bieten und wer zu spät kommt, die bestraft das „Ausverkauft“-Schild. Drei Seiten L-MAG-Event-Übersicht für die Frühbucherin in euch Wir tanzen, feiern und demonstrieren uns durch das Jahr 2016 Internationales Frauenfilmfestival 19.–24. April, Köln Eine ganze Filmschau, deren Fokus auf der Arbeit von Frauen liegt. Tolle Filme, interessante Filmschaffende und ein wohltuend feministischer Ansatz. Eurovision Song Contest 10.–14. Mai, Stockholm www.frauenfilmfestival.eu Der ESC hat bereits seit 1956 Tradition. 2014 setzte Gewinnerin Conchita Wurst mit ihrem Auftritt ein Zeichen für die LGBT-Community. Dieses Jahr treten im kühlen Stockholm 43 Länder an. Das Grand Finale steigt am 14. Mai. www.eurovision.de L-Beach, Frauen Indoor Festival 21.–24. April, Weissenhäuser Strand, Ostsee Das Lieblingsfestival der deutschen Party-Lesbe. Zwischen 3.000 und 4.000 Lesben tummeln sich drei Tage in der etwas gewöhnungsbedürftigen Familienferienanlage nahe Lübeck bei einem super organisierten Musik-, Party-, und Spaßfestival. Bei „L-Beach“ sind große Gefühle, viele Flirts und manchmal auch Dramen garantiert. www.l-beach.com The Dinah 30. März–3. April, Palm Springs Dinah Vegas 28. April–1. Mai, Las Vegas Aus eins mach zwei. So wurden aus dem legendären „Dinah Shore“ 2006 zwei lesbische Super-Events. Los geht’s dieses Jahr mit „The Dinah“ unter kalifornischen Sonne mit Pool, Party und jeder Menge nackter Haut. Drei Wochen später wird die Stadt, die niemals schläft, zum lesbischen Mekka. 76 www.thedinah.com www.dinahshoreweekend.com Ella, International Lesbian Festival 28. Mai–6. Juni, Palma de Mallorca Sonne, Palmen, Meer und ein Haufen tanzwütiger Lesben am Strand, dazu noch ein paar GoGo-Tänzerinnen, abends ein laues Konzert und gemütliche kleine Partys – das ist „Ella“. Allerdings ist hier keine gemeinsame Location für alle Veranstaltungen vorgesehen. Letztes Jahr war der Traumstrand eher ein Strandabschnittchen. Dieses Jahr soll er nun wieder größer geraten. Mit insgesamt 800 Besucherinnen ist es nicht das Mega-Event – eher angenehm kuschelig. Und es gilt: Noch nie waren Lesben so kommunikativ und offen wie hier. Der erste Drink an der Bar genügt, und schon sind Festival-Freundinnen gefunden. www.ellafestival.com *76-79 Jahresplaner_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:33 Seite 77 L-MAG Velvet Ibiza Festival PR ÄS ENTIE RT 2.–6. Juni, Club Punta Arabi, Ibiza Eine ganze Ferienanlage mit über 300 Bungalows nur für die Velvet-Besucherinnen bietet dieses Party- und Musikfestival auf der Insel Ibiza, Palmen, Strand und super Wetter inklusive! Für circa 300 bis 370 Euro kann man das All-Inclusive-Paket mit allen Mahlzeiten, Eintritten und Drinks im 1er, 2er, 3er oder 4er-Bungalow bereits buchen. Das „Wildeste Wochenende nur für Frauen“ war bei seiner Premiere letztes Jahr genau das – wild und ausgelassen – wie unsere Fotos auf diesen Seiten beweisen. Das gesamte Programm für das zweite „Velvet“, das von der Brüsseler Partyveranstalterin Carine de Mesmaeker organisiert wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Auf das Speeddating und eine Schaumparty sowie die DJs Hildegard, Miss Cupcake, Michelle Serr und Carita La Nina kann man sich jetzt schon freuen. L-MAG ist Medienpartner von „Velvet“ und wird euch auf dem Laufenden halten. www.velvetibiza.es Fußball EM 10. Juni–10. Juli, Frankreich Auch wenn es nur Männer sind, die hier spielen, spannend dürfte die Europameisterschaft in Frankreich allemal werden, vor allem wenn man sie in fachkundigem lesbischen Kreis anschaut. www.fussball-em-2016.com EuroGames 29. Juni–2. Juli, Helsinki Die 16. EuroGames bleiben nach Schweden im letzten Jahr in Skandinavien und finden erstmals in Finnland statt. 3.000 Aktive aus ganz Europa werden erwartet. Mit der finnischen Eishockey-Nationaltorhüterin Norra Räty hat man bereits die erste prominente Sportlerin zur Unterstützung gewonnen. Neue Disziplinen bei den Eurogames 2016 werden die Leichtathletiksparten Diskuswerfen, 5.000 Meter-Lauf sowie 10.000 Meter Cross-Country sein. Die Anmeldung für alle Sportarten läuft bereits! Ola Girls – Lesbian Mediterrain Getaway Datum wird noch angekündigt, Calpe Es ist das US-amerikanische Prinzip des Lesbenfestivals unter spanischer Sonne. Höhepunkt ist die Poolparty, bei der sich zahlreiche Lesben auf engestem Raum in einem Pool tummeln und ausgelassen feiern. www.olagirls.com CSD/Dyke March Köln 1.–3. Juli, Demo: 3. Juli, DykeMarch: 2. Juli Nach Karneval und Ringfest zählt der Kölner CSD zu den drei größten Veranstaltungen der Rheinmetropole. Mit 800.000 Menschen bei der Parade ist er außerdem einer der meistbesuchten CSDs in Deutschland. Seit letztem Jahr wird auch in Köln lesbische Sichtbarkeit mit dem Dyke March zelebriert. www.colognepride.de www.dykemarchcologne.de CSD München Angertorstraßenfest: 2. Juli 9.–10. Juli, Demo: 9. Juli Es ist einer der ältesten CSDs des Landes. Und wie es sich für eine Landeshauptstadt gehört, bietet er ein breites Programm mit Pride Week, Straßenfest, Politparade und Rathausclubbing. Für mehr lesbische Präsenz und Sichtbarkeit wird es auch dieses Jahr eine Woche vor der großen Parade das Angertorstraßenfest geben. Das Schwerpunktthema für den CSD ist dieses Jahr „Respekt“. Die Community ist aufgerufen, sich an der Mottofindung zu beteiligen. Noch bis zum 8. Januar können Vorschläge mit einer kurzen Begründung eingereicht werden. Letztes Jahr gab es erstmals 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Parade. www.csdmuenchen.de www.letra.de www.2016.eurogames.info EuroPride 23. Juli–7. August, Amsterdam Bereits seit 1992 wird jedes Jahr eine europäische Stadt für den EuroPride ausgesucht. 2015 fand er in Riga statt. Dieses Jahr ist es weniger politisch brisant in der niederländischen Hauptstadt. Das Motto 2016: „Join Our Freedom“ www.epoa.eu 77 *76-79 Jahresplaner_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:33 Seite 78 EVENTS 2016 CSD Frankfurt 15.–17. Juli, Demo: 16. Juli Frankfurt ist die gemütliche Variante eines Großstadt-CSD. Anders als bisher muss dieses Jahr wegen Baumaßnahmen noch eine Alternative zum Festplatz an der Konstablerwache gefunden werden. www.csd-frankfurt.de CSD Hamburg 5.–7. August, Demo: 6. August Auch beim Hamburger CSD wird in Großsstadtmanier vor der Demo am Samstag eine Pride Week mit Programm geboten. Zur Parade ist dann wieder Massenalarm mit 180.000 Menschen angesagt. CSD/Dyke* March Berlin Lesbisch Schwules Stadtfest: 16.–17. Juli, Dyke* March: 22. Juli, CSD: 23. Juli Die Berliner CSD-Saison ist nichts für schwache Nerven. Startschuss gibt das Lesbisch-Schwule Straßenfest am Nollendorfplatz in Schöneberg. Ohne Verschnaufpause geht es ein Wochenende später in die nächste Runde. Und das gleich in Dreifaltigkeit. Seit 2013 findet am Freitag vor der Parade der von L-MAG initiierte Dyke* March für lesbische Sichtbarkeit statt. Samstag geht es dann auf zur Parade mit 750.000 Menschen. Wem das zu viel Party ist, kann auch nach Kreuzberg zum alternativen Transgenialen CSD gehen. Aber Achtung: anders als üblich ist dieses Jahr die Berliner CSDSaison wegen der EM-Fanmeile im Juli. www.stadtfest.berlin www.csd-berlin.de www.facebook.com/dykemarchberlin www.hamburg-pride.de Lesbisch Schwule Filmtage 18.–23. Oktober, Hamburg Das größe, älteste und niveauvollste Filmfestival seiner Art in Deutschland findet im Oktober zum 27. Mal statt. Sehr viel gutgelauntes lesbisches Publikum, tolle Filme und sehr lange Partynächte sind garantiert! www.lsf-hamburg.de 11. Pornfilmfestival 26.–30. Oktober, Berlin Zum 11. Mal findet das Filmfestival rund um das Thema Sexualität statt. Starker feministischer Ansatz, rebellische Frauen und eine schamfreie Atmosphäre machen das PFF auch zu einem lesbischen Favoriten. Olympische Sommerspiele 5.–21. August, Rio de Janeiro Trotz Superkommerz, Doping und Homophobie – die olympischen Spiele können auch schön sein. Machen wir das Beste daraus und konzentrieren uns auf ungewöhnliche Leistungen und hoffentlich mal mehr offen lesbische Teilnehmerinnen. www.rio2016.com www.pornfilmfestivalberlin.de Ella Winter Festival 28. Dezember–2. Januar, Palma de Mallorca Dieses Jahr wird erstmalig eine Winterausgabe des „Ella“ Festivals geboten, inklusive Gala Dinner zum Neujahrsstart. www.ellafestival.com 78 Zusammenstellung: Verena Peldschus, Dana Müller, Manuela Kay Stand: 1.12., Änderungen vorbehalten Fotos:„Velvet Ibiza Festival“ 2015 (Fotografin Beli Klein) *76-79 Jahresplaner_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:33 Seite 79 L-MAG 79 *80-81 Klatsch_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:37 Seite 80 KLATSCH VON KARIN SCHUPP 4 „Nein, das ist kein Coming-out, weil ich out bin. Ich lebe offen“, sagte H O L L A N D TAY LO R [ 1 ] in einem Radio-Interview, nachdem sie beiläufig erwähnt hatte: „Ich bin mit einer Frau zusammen (…), die meisten meiner Beziehungen waren mit Frauen.“ Über ihre Freundin verriet die 72-Jährige, die Lesben als Peggy Peabody in „The L Word“ und Heteros als Evelyn Harper in „Two and a Half Men“ kennen, nur, dass „ein sehr großer Altersunterschied zwischen uns besteht.“ Tatsächlich verdichtet sich schon seit dem Sommer das Gerücht, dass es sich dabei um S A R A H PAU L S O N [ 2 ] handelt, die 31 Jahre jünger als Taylor ist. Die Schauspielerin, die in „Carol“ Cate Blanchetts Ex spielt, erklärte kürzlich, dass sie sich nicht labeln wolle. „Es tut mir leid, wenn das als Verweigerung erscheint, zu meiner Sexualität zu stehen, aber das ist es nicht“, sagte sie der US-Zeitschrift Pridesource. „Ich kann mich morgen in einen 80 Mann verlieben und ihn heiraten, und das würde meine Erfahrungen, die ich mit Frauen hatte, nicht schmälern und umgekehrt.“ Die Schauspielerin outete sich 2005, indem sie ihre damalige Freundin Cherry Jones während der Tony Awards küsste. „Ich war jung und verliebt, und sie hatte gerade einen Tony gewonnen“, sagt Paulson heute dazu, „da gebe ich ihr doch keinen ‚Daumen hoch‘ und einen Klaps auf den Rücken.“ Jones, aktuell in der Amazon-Serie „Transparent“ zu sehen, heiratete 2015 die Schauspielerin Sophie Huber. „Orange Is the New Black“-Star S A M I R A W ILE Y [3] (Poussey) ist hingegen nicht nur offen lesbisch und mit OINTB-Autorin Lauren Morelli zusammen, sondern will auch ein gutes Vorbild sein. „Meine Sichtbarkeit bedeutet auch Verantwortung, und das nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Wer zu mir aufschaut, soll keine Scham sehen, sondern Stolz“, sagte sie der Web - seite MIMI. Ob Poussey und Soso in der 4. Staffel der Frauenknastserie (voraussichtlich im Juni 2016) ein Paar werden? Die beiden passen gut zusammen, fand Wiley schon im Sommer, ist aber nicht wählerisch: „Ich hoffe, dass es eine Romanze zwischen Poussey und irgendjemandem gibt.“ Sie habe ihrer Mutter nie erzählt, dass sie lesbisch ist, bedauerte CORNELIA SCHEEL [4] in einem RTL-Interview zum Erscheinen ihres Buchs „Mildred Scheel – Erinnerung an meine Mutter“ (siehe Seite 71). Und das, obwohl sie mit ihrer Reitlehrerin in flagranti erwischt wurde, als sie 16 war. Damals sei sie „jung und feige“ gewesen, habe sich „selbst belogen“ und „lauter Schwiegersöhne“ präsentiert. „Diese Lüge zerplatzte aber, als Hella von Sinnen mir gegenüberstand und sagte: ‚Kann es sein, dass du lesbisch bist?‘ Da sagte ich: ‚Selbstverständlich‘.“ Dass die beiden schon seit 2014 kein Paar mehr sind und neue Beziehungen haben, L-MAG Fotos: Christiane Pausch, imago/PicturePerfect, imago stock&people, imago/ZUMA Press 1 5 *80-81 Klatsch_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:37 Seite 81 AKTUELLE PROMI-NEWS: K-WORD DIE KLATSCH-KOLUMNE VON KARIN SCHUPP Jeden Freitag auf www.l-mag.de K WORD 2 3 Fotos: imago/Future Image(2), imago/ZUMA Press 6 L-MAG wurde erst bekannt, nachdem sie das Buch Anfang November in Köln gemeinsam vorgestellt hatten. Noch im Frühsommer hatte Scheel Trennungsgerüchte mit „die stimmen vorn und hinten nicht“ dementiert. Das tut auch A M B E R H E A R D [ 5 ] („The Danish Girl“): Die bisexuelle Schauspielerin, seit Februar 2014 mit Johnny Depp ver heiratet, bezeichnet die hartnäckigen Scheidungsspekulationen als „grässliche Falschdarstellungen“. Papa Depp wusste übrigens längst Bescheid, als sich seine Tochter Lily-Rose Depp (16), Model und Schau spielerin, im Sommer outete, indem sie für ein Foto-Projekt mit „nicht hundertprozentig heterosexuellen Menschen“ posierte. „Alle waren total überrascht, nur ich nicht“, erzählte er vor Stolz fast platzend der Daily Mail. „Ich wusste das, weil wir supereng miteinander sind und sie mir alles erzählt.“ „Criminal Minds“-Star Kirsten Vangsness („Garcia“) hat sich mit einem Mann verlobt, und das steht deswegen hier, weil sie sich früher als „so queer wie ein lila Einhorn, das Madonna singt“, bezeichnete. Nach der Trennung von ihrer Verlobten Melanie Goldstein 2013 fragte sie sich bereits: „Zuerst war ich hetero, dann war ich lesbisch – und jetzt? Was bin ich jetzt?“ Tja, man könnte es bi nennen, aber das will sie nicht: „Ich werde diesen Begriff nie verstehen“, erklärte sie der Zeitschrift People. Seit ihrem Coming-out habe sich doch „nichts geändert, ich fühle mich nicht anders. Der Mensch, mit dem ich zusammen bin, ist der richtige für mich. Dass es ein Mann sein würde, hätte ich auch nicht erwartet.” Mit dem lange ersehnten WM-Titel für die USA in der Tasche hat A B BY WA M B A C H [ 6 ] im Dezember ihre Karriere beendet. Die Weltfußballerin des Jahres 2012 hat bereits angedeutet, dass sie mit ihrer Frau Sarah Huffman, ebenfalls Ex-Fußballprofi, eine Familie gründen will, wird ihrem Sport aber sicherlich in anderer Funktion treu bleiben. Wie wär’s mit FIFA-Präsidentin? Aktuell unterstützt Abby jedenfalls schon mal eine Initiative, die in der männer klüngelnden FIFA-Führungsebene eine Frauenquote von 30 Prozent fordert. 81 *82 Kolumne_00 Inhalt Relaunch 04.12.15 19:44 Seite 82 KOLUMNE Die Verspießerung der Gesellschaft und auch der Lesbenszene ist in vollem Gange. Somit ist es dringend Zeit für ein flammendes Plädoyer: Raus aus den Puschen und ab auf die Straße – wir brauchen euch! Liebe Biedermeierinnen, runter vom Sofa! Seit eine Jugendstudie 2010 konstatierte, die „Jugend von heute“ sei erwachsen, vernünftig, zielstrebig, bildungs- und karriereorientiert, wenig politisch engagiert und träume von einem kleinen Haus mit Garten oder einer hübschen Eigentumswohnung, mehren sich die Kolumnen und Reportagen, die in der Generation der „Millennials“ die neuen Spießerinnen und Spießer und eine wahre „Generation Biedermeier“ erblickt haben wollen. Auch unter uns L-MAG-Autorinnen hält sich hartnäckig der Verdacht, die jüngere Leserin freue sich aufs Verpartnern und Kinderkriegen, mache sich mehr Sorge darüber, ob man denn in einer Beziehung masturbieren dürfe, als über die politische Weltlage, und träume eher von der Vereinbarkeit von Kindern und Karriere als von der „Revolution Grrrl Style now!“ Ginge es hier allerdings wirklich nur um einen kleinen Generationenkonflikt, könnte ich mir stolz den lesbischen Ehrentitel der verbitterten Alten anziehen, demonstrativ mein eigenes Unvermögen zugestehen, dass eben jede Generation ihre eigenen Stil, politisch zu sein, entwickeln muss, zur Schau stellen und darauf warten, dass mir meine jüngeren Freundinnen endlich einen Hund schenken. Denn mit so einer boshaften Person kann es nur ein derart einfältiges Tier aushalten. Doch meine eigenen Altersgenossinnen sind ja kein Stück besser. Auch hier breitet sich die neue Verspießerung schneller aus als in den letzten 10 Jahren die Hipster-High-EndKaffeemanufakturen in Berlin Kreuzberg. Die prekarisierten Kulturarbeiterinnen Mitte/Ende dreißig ziehen sich in heimelige Zwei82 samkeiten zurück, bauen Nester in den – komplett überteuerten, aber eben zu zweit gerade noch bezahlbaren – „Fast noch Innenstadt!“-Wohnungen und haben auf einmal ökologische Balkonlandwirtschaft, die beste Tupperware für den veganen Aufstrich und Einbauküchen im Kopf statt Aktivismus, Hedonismus und den ganzen anderen Sex, Drugs & Rock ‘n’ Roll-Kram, mit dem wir uns früher herumschlugen. Zwar lamentieren wir gelegentlich noch gemeinsam über die aussterbende Gattung der Lesbenbar, doch wie „Zuhause fressen einem die Wollmäuse das Gehirn weg“ soll die sich auch halten, wenn die Damen gegen 21.45 Uhr nach dem gerade mal zweiten Drink schon finden, sie hätten jetzt aber wirklich über die Stränge geschlagen und es sei dann doch Zeit für Abendyoga, Zahnseide und Spooning (also schön die Löffelchennummer) vor der „Heute-Show“ mit der romantischen Zweierbeziehung. Am Wochenende ist dann vielleicht noch Grillen im Garten oder vielleicht mal ein Picknick im Park angesagt – aber nicht wieder so lange! Ansonsten wird der Kontakt mit der Außenwelt auf Arbeit und Wochenendeinkauf beschränkt. Der Rückzug ins entpolitisierte Private ist in vollem Gange. Die Homo-Community selbst wird nur noch zu den traditionellsten Ritualveranstaltungen wie Frauenfußball-WM, Eurovision-Song- Contest und zum CSD konsumiert. Was man strenggenommen auch niemandem übelnehmen kann. Denn ansonsten ist sie zur Bühne für Erbstreitereien zwischen den selbsternannten Nachlassverwaltern und -verwalterinnen längst vergangener aktivistischer Kämpfe geworden und dient viel zu oft als homonationalistisches Statistenreservoir, das immer dann für konservative und neoliberale Politker und Politikerinnen interessant wird, wenn angesichts allzu menschenfeindlicher Politik mal wieder irgendwo öffentlich betont werden muss, wie „offen, tolerant und so schön bunt hier“ doch alles ist. Ansonsten gilt der Kampf um das Recht, die eigene romantische Zweierbeziehung mit einem staatlichen Segen versehen lassen zu dürfen als Sternstunde des Aktivismus – und ist nicht selten das primäre Ziel, auf das sich die Community noch konzentriert. „Dahoam sterben die Leut“, sagte meine Oma immer. Zuhause fällt man nach dem Gardinenbügeln von der Leiter. Zuhause fressen einem die Wollmäuse das Gehirn weg. Und wo Biedermänner und -frauen vor dem Fernseher wegdämmern, haben es Brandstifter und Brandstifterinnen leicht. Und von denen gibt es derzeit mehr als genug. Es ist zu befürchten, dass nach den Anschlägen von Paris rassistische Bewegungen wie Pegida und Co. einen Aufschwung erleben werden. Deswegen, liebe Biedermeiers: wir brauchen euch! Kommt mit auf die Straßen, bringt gerne die Tupperware mit den selbstangebauten BioGemüseschnitzen mit, wir bemühen uns auch, pünktlich zum „Tatort“ wieder zuhause zu sein. Aber ernsthaft, wer jetzt zuhause entpolitisiert Cocooning betreibt, hält den Brandstiftenden die Lunte. // Katrin Kämpf L-MAG Titel_L-MAG_U2_U3_U4_01_16_Layout 1 07.12.15 15:02 Seite 4 SEIT 50 JAHREN LEISTEN GEWÖHNLICHE MENSCHEN AUSSERGEWÖHNLICHES. WERDE TEIL DER GRÖSSTEN MENSCHENRECHTSBEWEGUNG DER WELT UND KÄMPFE MIT UNS GEGEN UNTERDRÜCKUNG UND GEWALT. SEI DABEI. MIT DEINER UNTERSCHRIFT. DEINER SPENDE. DEINEM EINSATZ. AMNESTY.DE Titel_L-MAG_U2_U3_U4_01_16_Layout 1 04.12.15 19:53 Seite 1
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