Fotos: W. Tschannen Wald und Holz Das Personal des Forstkommunalbetriebes Rüschegg, v.l.: Joel Hostettler, Forstwartlehrling im 2. Lehrjahr; Fritz Nydegger, Abwart; Franz Jelk, Forstwart und Strassenmeister; Peter Piller, Förster und Betriebsleiter; Olivier Vaucher, Forstwart und Brunnenmeister; Rolf Hirschi, Forstmaschinist; Christian Zürcher, Lehrlingsausbildner und Forstwart. Forstbetrieb Rüschegg kämpft gegen die Euroschwäche «Glücklicherweise können wir ausweichen» Der Forstbetrieb Rüschegg ist seit sieben Jahren eng mit dem Kommunalbetrieb verzahnt. Ausserdem hat er sich im Forstlichen Bauwesen ein zusätzliches, solides Standbein gesichert. Dies bewahrt Betriebsleiter Peter Piller davor, wegen der Euroschwäche die wunderschönen Weisstannen an der Nordflanke des Gurnigels stehen lassen und Personal abbauen zu müssen. Von Walter Tschannen. Sich im coupierten Gelände der Region Rüschegg zurechtzufinden ist schwierig, die komplizierten politischen Verhältnisse zu verstehen, fast noch schwieriger. «Ich habe selber einige Zeit benötigt, um da den Durchblick zu bekommen», lacht Förster Peter Piller, der aufgrund seines Dialektes unschwer als «eingewanderter» Freiburger identifizierbar ist. «Das fängt schon beim Wald an: wir bewirtschaften die 470 ha Wald der Bürger gemeinde Rüschegg. Die Gemeinde ist gemischt, d.h., die BG ist integriert, und ihr Vermögen wird von der Gemeinde treuhänderisch verwaltet.» Angestellt ist der 32-Jährige von der gemischten Gemeinde. Die komplizierten Strukturen haben komplizierte Abläufe zur Folge: «Als wir einen neuen Forsttraktor kaufen wollten, brauchte ich die Zustimmung der Forstkommission, der Burgerversammlung, des Gemeinderates, der Geschäftsprüfungskommission und schliesslich noch der Gemeindeversammlung! Aber umso mehr erfahren wir von der örtlichen Politik und von der Bevölkerung eine grosse Wertschätzung.» Nebst dem Burgergut betreut Peter Piller 350 ha Privatwald. Zudem hat er ein Mandat als Betriebsleiter des Kommunalbetriebes. Forst- und Kommunalbetrieb sind seit sieben Jahren eine Einheit, die sich folgerichtig «Forstkommunalbetrieb» nennt. Unter der Gesamtleitung von Peter Piller sorgen die sechs Angestellten nicht nur für einen gepflegten Burgerwald, sondern auch für jederzeit gangbare Strassen und Wege, für eine funktionierende Wasserversorgung, für geleerte Abfallkübel usw.; ausserdem bietet der unternehmerisch arbeitende Betrieb viele forstliche Dienstleistungen für Dritte an – und das Spezielle dabei: Bis auf einen sind alle Angestellten ausgebildete Forstwarte! Weshalb? «Nach meiner Erfahrung sind Forstwarte am vielseitigsten einsetzbar. Im Winter kann W A L D U N D H O L Z 11/15 3 Wald und Holz Eine kürzlich im Auftrag der Gemeinde Rüschegg erstellte Bachverbauung mit sog. Greyerzer-Sperre, hier auch Piller-Sperre genannt, mit Füllhölzern versehen ich bei Bedarf alle in den Wald nehmen, im Sommer ist oft anderes wichtiger. Diese Flexibilität ist ein grosser Vorteil – nicht nur für unseren Betrieb, sondern auch für die Mitarbeiter. Denn dadurch bekommen sie abwechslungsreichere Arbeit, und wenn einer älter wird oder ein Gebrechen hat, dann können wir ihn einfach anders einsetzen, und er muss den Betrieb nicht verlassen, wie das sonst passieren könnte. Auch in sozialer Hinsicht haben wir somit gute Trümpfe in der Hand.» Umgekehrt sei der Betrieb natürlich auf Forstwarte angewiesen, denen es nichts ausmacht, auch ausserhalb des Waldes zu arbeiten. Der alte, schlecht ausgerüstete Forstwerkhof ist inzwischen fast verwaist, während sich die ganze Equipe jeden Morgen beim «neuen», gut eingerichteten zur Verteilung der Arbeiten trifft. Nach getaner Arbeit ordnet jeder Einzelne seine Arbeitsstunden am PC in einer einfachen Excel-Tabelle den verschiedenen Bereichen zu. Das genüge ihm, um die Übersicht zu behalten, sagt Peter Piller. Intern werden die Arbeiten dann nach bestimmten Sätzen weiterverrechnet. Zu einem wichtigen Standbein des Betriebes hat sich in den letzten Jahren das Forstliches Bauwesen entwickelt – wohl auch weil Peter Piller da über ein solides Know-how verfügt und die bernischen Forstwartlehrlinge in diesem Fach als Instruktor im Baukurs unterrichtet. «Während sechs bis acht Wochen im Sommer sind wir mit solchen Arbeiten ausgelastet, und zwar nicht etwa nur in unserer Gemeinde. Maschinen- und ausbildungs- 4 W A L D U N D H O L Z 11/15 mässig sind wir gut dafür eingerichtet und verdienen damit durchaus Geld.» Er finde es schade, dass nur wenige Forst betriebe solche Arbeiten anbieten, wo doch das Forstliche Bauwesen zu ihren Kernkompetenzen gehören könnte und durchaus gefragt ist. «Ein schöner Nebeneffekt: Das hierbei verwendete Holz (bei uns sind es jährlich etwa 300 m3 Weisstanne) löst einen guten Preis.» Natürlich verfügt der Forstkommunalbetrieb Rüschegg selber nicht über alle nötigen Baumaschinen; diese werden von einer Tiefbaufirma aus der Gemeinde zugemietet, aber vom eigenen Maschinisten bedient, der viele Jahre Menzi- Das Rüschegger Wappen – ein Symbol für die aktive Nadelwaldbewirtschaftung? Muck-Erfahrung mitbringt. Ziel ist es, möglichst viel Wertschöpfung in der Region zu behalten. Schöne Weisstannen Der Wald, den Förster Piller hoheitlich betreut, stockt von 750 bis ca. 1300 m ü.M. Auffällig sind die vielen schönen Weisstannen. Nicht selten erreichen die stehenden Vorräte gegen 900 m3/ha und sollten verringert werden. Waldbaulich setzt Piller aber weiterhin auf die Weisstanne, Ziel sind etwa 60% Stammanteil. Dies, einerseits weil die Tanne auf den wüchsigen Böden ausserordentlich gut gedeiht, und anderseits, weil sie sich gut im angestrebten Plenterwaldsystem bewirtschaften lässt. Ihre Naturverjüngung kommt vielerorts. Dennoch müssen die Weisstännchen später in der Regel vor dem Reh geschützt werden. Nötigenfalls werden Buchen zugunsten der Nadelbäume entfernt. Abgesehen von den Vivian- und Lotharflächen braucht der Burgerwald nur wenige Pflegeeingriffe. Vollmechanisierte sowie Seilbahnschläge werden in der Regel an Unternehmer vergeben, sowohl im Privat- wie auch im Burgerwald. «Da können wir mit unserem Betrieb kostenmässig nicht mithalten. Immerhin arbeiten wir meistens mit und übernehmen z.B. das Fällen oder Anhängen», sagt Peter Piller. Anders sieht es bei der Spezialholzerei oder in Schlägen im schwierigen Gelände mit viel Sicherungsaufwand aus. «Da können wir unsere Stärke ausspielen.» Peter Piller besorgt auch den Holzverkauf selber; es schade nichts, wenn der Förster den Holzmarkt im Auge behalte. Wald und Holz Praktisch jedes Jahr kann der Forstbetrieb Rüschegg Weisstannenstämme für ein solches Blockhaus liefern. Der etwas höhere Holzernteaufwand wird durch den guten Holzpreis abgegolten. Peter Piller im Schnitzelschopf. Sein Betrieb betreut verschiedene Heizungen, und zwar bis und mit der Ascheentsorgung. Wichtig ist ihm, dass kein Holz «verschenkt» wird. Für den Forstkommunalbetrieb Rüsch egg, für die Region und für seinen Beruf sieht Peter Piller nur Vorteile, wenn betriebliche und hoheitliche Aufgaben vom Förster vernetzt ausgeführt werden. Oft könne er verschiedene Aufgaben in einem Arbeitsgang ausführen und habe dadurch weniger Leerläufe. Der Forstbetrieb verfügt seit 2005 über einen Forsttraktor HSM 805, der inzwischen über 9000 BStd. erreicht hat und ersetzt werden soll. «Es war der erste Kranknickschlepper im Gantrischgebiet, und wir konnten damit in der ganzen Region Arbeiten erledigen», erzählt Peter Piller. Er hoffe auf einen ähnlichen Effekt mit der soeben ausgeschriebenen neuen Sechsradmaschine, zumal diese mit Rungenkorb, Kran, mit Greifersäge und Mulchaggregat noch vielseitiger ausgerüstet sein werde. 15 Franken tieferen Holzpreis fehlen dann 30 000 Franken in der Kasse, bei gleichem Aufwand. Zudem werden wir weniger Aufträge aus dem Privatwald bekommen. Wir werden uns nach meiner derzeitigen Einschätzung sehr abmühen müssen, um fürs 2015 schon nur noch eine schwarze Null zu erreichen», sagt Peter Piller etwas deprimiert. Seit der Eurokrise habe er kein Holz mehr exportiert, dafür floss etwas mehr in den Energiekanal. Sonst sind aber die örtlichen Sägereien Hauptabnehmer. «Zur Holzproduktion gibt es bei uns noch auf lange Sicht keine Alternative. Und je weniger wir holzen, desto höher fällt das Defizit aus. Ich hoffe deshalb sehr auf eine zunehmende Nachfrage nach Schweizer Holz und somit eine Erhöhung der Rundholzpreise.» Da zurzeit kein zusätzlicher Angestellter möglich ist, möchte er nächstes Jahr wenigstens einen zweiten Lehrling nehmen. «Wir haben viele gute Junge in der Region, die Forstwart werden möchten; sie sollen nicht unter dem Problem der Euroschwäche leiden müssen! Für die letzte Forstwart-Lehrstelle haben sich 14 Bewerber gemeldet, von welchen 12 wirklich gut waren!» Dies liege wohl auch daran, dass die grossen Betriebe im Kanton Bern Stellen abgebaut haben und auch kleinere Betriebe auf Lernende verzichten. Was aber, wenn sich der Eurokurs nicht erholt oder noch verschlechtert? «Irgendwann würden wir wohl auch rote Zahlen schreiben und unser Betrieb würde infrage gestellt. Je nach politischem Einfluss könnte es auch passieren, dass wir ten überlegt und zukunftsorientiert. Dies erleichtert mir die Organisation extrem, was wiederum die Administrationskosten tief hält.» Eigentlich sei für letzten Frühling sogar die Ausschreibung einer zusätzlichen Stelle geplant gewesen. «Aber dann hat mir der Euroschock den Mut genommen», gibt Peter Piller zu. «Mit den Sommerarbeiten hätte ich den zusätzlichen Mann zahlen können, aber im Winter? Generell holzen wir bei schlechten Holzpreisen eher weniger. Diesen Winter werden wir im Burgerwald vielleicht etwa 3000 m3 nutzen; mit einem um 10 bis Gut aufgestellt, aber ... Und die Finanzierung des über 500 000 Franken teuren Brockens? Peter Piller lächelt stolz: «Wir müssen nicht zur Bank!» Der Forstbetrieb habe in den letzten acht Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben und Überschüsse erzielt, wie dies auch sein müsse. «Die Kosten zu decken, reicht nämlich nicht, irgendwann muss man ja wieder investieren können!» Den wirtschaftlichen Erfolg seines Betriebes schreibe er aber nicht etwa den schönen Weisstannen zu, sondern vor allem seinem motivierten Personal. «Unsere Leute kennen den Rüscheggerwald. Sie arbei- Solche Asthaufen dienen der Biodiversität. Sie sind innen hohl und bieten vielen Tieren Unterschlupf. W A L D U N D H O L Z 11/15 5 Wald und Holz vom Plenterwaldprinzip abrücken und eine kurzfristig günstigere Bewirtschaftungsvariante wählen müssen. Das wäre doch verrückt!» Oft höre er, die Schweizer Rüstkosten seien zu hoch im Vergleich zu Deutschland z.B.; das mache ihm Mühe. «Wir sind ja jetzt schon zu günstig! Der Regielohn für einen ausgebildeten Forstwart beim Forstkommunalbetrieb Rüschegg beträgt 65 Franken – in welcher Branche gibts das sonst noch?» fragt er rhetorisch. «Natürlich könnten wir Arbeitskräfte aus dem Osten anstellen, wie dies die hochgelobten deutschen Betriebe tun, und die Schweizer entlassen. Aber das wäre doch keine Lösung! Wir tragen eine Verantwortung für unsere Region und für unsere Bevölkerung. Deshalb kämpfen wir dafür, die Stellen zu 6 W A L D U N D H O L Z 11/15 erhalten oder sogar noch weitere anzubieten. Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, dass die Forstbranche zusammenhält und sich nicht noch gegenseitig die Preise kaputt macht!» Deshalb setze er sich auch als Co-Präsident des VSF für einen gesamtschweizerischen allgemeinverbindlichen GAV ein, sagt Peter Piller. «Sollte die Waldarbeit dadurch teurer werden, geht vielleicht vorübergehend die Holzproduktion zurück, aber dann muss die Politik reagieren und etwas tun. So strenge und gefährliche Arbeit wie jene im Wald muss anständig entschädigt sein, sonst wandern die Leute einfach irgendwann ab – und zwar nicht die Schlechten.» Natürlich habe man auch prüfen lassen, ob ein Zusammenschluss mit den Nachbarbetrieben Guggisberg, Wahlern und Schwarzenburg betriebswirtschaftlich etwas bringen würde. «Der Berater hat uns jedoch im Moment davon abgeraten, weil wir bereits sehr gut aufgestellt sind; ein grösseres Gebilde brächte für uns kaum Vorteile. Generell glaube ich ohnehin nicht daran, dass grössere Betriebe so viel an Kosten sparen, denn sie sind unübersichtlicher und die Administration – dort entstehen die höchsten Kosten! – wird erfahrungsgemäss grösser. Ich finde es schade, wenn die Bürokratie zunimmt und gleichzeitig die Rüstkosten gesenkt werden sollen.» Weitere Infos www.rueschegg.ch
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