VL_Weltausst.VII_Brüssel1958-Montreal 1967

Vorlesung TUM
ARCHITEKTUR DER
WELTAUSSTELLUNGEN
Dietrich Erben
Evaluierung der Vorlesung
Sie sind herzlich zur Teilnahme
gebeten!
Brüssel: Exposition Universelle
et Internationale 1958.
Thema: „Bilan du monde
pour un monde plus humain –
La technique au service de l’homme –
Le progrès humain à travers le
progrès technique“.
Weltausstellung in Brüssel 1958:
Schemata der Gesamtanlage
auf dem Plateau Heyel.
Leitbild der „Stadtlandschaft“, der aufgelockerten Stadt, der organischen Stadt,
der Parkstadt, aktualisiert durch die Schriften von:
Robert Rainer: Die gegliederte und aufgelockerte Stadt, 1945, bearbeitet 1957;
Hans Bernhard Reichow: Organische Stadtbaukunst, 1948;
Hans Bernhard Reichow: Die autogerechte Stadt, 1959.
Beispiel Parkstadt:
Trabantenstadt Vällingby bei Stockholm, errichtet 1952 bis 1957; Stadtplanung von
Sven Backström und Leif Reinius.
Verbindung von Arbeit, Wohnen und Siedlungszentrum;
reiche Vielfalt von Wohnungsbauten unterschiedlicher Typen (Einfamilienhaus , Wohnblock,
Punkthochhaus); von Turmhäusern umstandene Mitte; bewegte Topographie als
„Stadtlandschaft“ akzentuiert; Schleifenstraßen; Durchgrünung.
Planungskollektiv unter der Leitung von Hans Scharoun:
Kollektivplan (Strukturplan) für Berlin, 1945 bis 1946.
Gesamtplan und so genanntes „Kulturband“1960
Hansaviertel in Berlin errichtet im Rahmen der
Interbau-Austellung 1957.
Planung ab 1953; städtebaulicher Entwurf von
Willy Kreuter und Gerhard Jobst.
Ideal der Parkstadt:
Kriterien von Durchgrünung, Durchlüftung
und Auflockerung.
Hansaviertel in Berlin:
Wohnblock von Walter Gropius (links)
und von J. van den Broek & Bakema.
Weltausstellung in Brüssel 1958: Atomium
(Aufnahmen vor und nach der Restaurierung)
Entwurf des Ingenieurs André Waterkeyn;
Errichtung unter der Leitung der Architekten André und Jean Polak.
Blick auf das Atomium und Blick vom Panoramarestaurant
des Atomiums.
Rechts: Modell einer Elementarzelle der
Kristallstruktur von Eisen.
Technische Daten:
Höhe 102 m, 9 Kugeln von jeweils 18 m Durchmesser, 20 Verbindungsgänge mit
jeweils einer Länge von 23 m, zum Teil mit Rolltreppen ; im mittleren Rohr ein
Aufzug zur obersten Kugeln mit den Restaurant.
Gebäude ursprünglich mit einer Aluminiumhaut überzogen; Darstellung mit Hilfe
von neun Atomen die kubisch-raumzentrierte Elementarzelle einer EisenKristallstruktur in 165-Milliarden-facher Vergrößerung.
Weltausstellung
Brüssel 1958:
Pavillon der UdSSR.
Autorenkollektiv
Abramov, Boretski, Doubov,
Polanski.
Weltausstellung Brüssel 1958:
Pavillon der USA.
Projekt Edward Durell Stone.
Wandgemälde im amerikanischen Pavillon.
Saul Steinberg: „The Amercians“,
achtteiliger Wandgemäldezyklus,
Einzelgemälde und Entwurf.
Saul Steinberg:
„Techniques at a Party“, Cartoon 1953.
Bilder rechts:
David Mazzuchelli: Asterios Polyp,
Graphic Novel 2011
Weltausstellung Brüssel 1958.
Französischer Pavillon.
Architekt Guillaume Gillet
Le Corbusier, Iannis Xenakis, Edgard Varèse:
»Poème électronique: Philips Pavilion«
Pluralismus der Spätmoderne:
Synthese von expressiver Bildhaftigkeit und modernen
Bautechniken …
neben Fortsetzung des International Style
Weltausstellung Brüssel 1958:
Pavillon Großbritanniens
Karl Schwanzer:
Österreichische Pavillon,
wiedererrichtet in Wien 1962
als Teil des Museums moderner Kunst.
Rechts: BMW Hauptzentrale in München
von Karl Schwanzer, 1972.
Synthese von expressiver Bildhaftigkeit und modernen Baukonstruktionen:
Vogel in Spannbeton
Eero Saarinen, Terminal für die Trans
World Airlines (TWA) auf dem J.F.
Kennedy Airport in New York,
fertiggestellt 1962.
Le Corbusier: Notre Dame-du-Haut bei Ronchamp, 1950-1955.
Eingangsseite und Zelebrationsbereich für Gottesdienste im Freien.
Inspirationen des Kirchendachs
durch Flugzeugflügel, Muschel und
Zeltdach.
Fortsetzung des International Style
Egon Eiermann und Sep Ruf: Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung Brüssel 1958.
Aufnahmen eines modernen und zeitgenössischen Modells.
Deutscher Pavillon, Grundriss EG.
Deutscher Pavillon, Ansicht mit Verbindungssteg im Hintergrund
Zitat aus einem Konzeptpapier: „Die gläsernen Wände des Neuen Bauens, die neue Helligkeit
der Büros, der Werkstatt, der Fabrik, die grazile Art des neuen Mobiliars, die Freundlichkeit des
Wohnens im Grünen sind allenthalben großartige Versuche eines allgemeinen menschlichen
Widerstandes gegen die Drohung, die Dunkelheit, das lauernde Chaos. Der deutsche Anteil an
dieser Bewegung einer neuen Offenheit und Leichtigkeit (Deutscher Pavillon Barcelona, Mies
van der Rohe) hat bereits Geschichte. Die früheren deutschen Anstöße in diese Richtung haben
inzwischen Weltgeltung bekommen. Unsere heutige Beteiligung an diesem Vorgang wäre zu
zeigen.“
Deutscher Pavillon, Ansichten
Sep Ruf und Egon Eiermann,
Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung in
Brüssel, 1956-58.
Ausstellungspavillon und Verbindungsbrücke.
Südwestliche Ausstellungspavillon.
Weltausstellung Brüssel 1958.
Deutscher Pavillon.
Oberes Bild, Bau rechts:
Musterhaus von Eduard Ludwig.
Deutscher Pavillon, Blick ins Innere
„Expo-Brücke“ bei Duisburg
Ehemalige Verbindungsbrücke der
deutschen Pavillons auf der
Weltausstellung in Brüssel; Entwurf
von Egon Eiermann und Sep Ruf.
Heute 88 Tonnen schwere StahlSchrägseil-Brücke, 54 Meter langer
Hauptträger auf jeder Seite an drei
parallelen Seilen über einen 50 Meter
hohen Pylon, dessen Unterteil in
Richtung des Brückenschwerpunktes
abgeknickt, abgespannt.
Zwischen 1959 und 1997 als
Verbindung zwischen dem westlichen
und östlichen Zoogelände in Duisburg
montiert; im Zuge des 6-spurigen
Ausbaus der Autobahn A3 Abbau 1997
und Wiedererrichtung 2000 in
veränderter Form am Duisburger
Stadtwald als Überführung über die
Autobahn.
Deutungsperspektiven das Deutschen Pavillons im politischen Kontext:
-Kontext des Wiederaufbaus und der Staatsneugründung: Ambivalenz von
strukturellem Neuanfang nach der Auflösung der gleichgeschalteten,
zentralisierten Bau- und Kulturinstitutionen einerseits bei gleichzeitigem
personellen und planerischen Kontinuitäten unter dem pragmatischen Zwang
des Wiederaufbaus andererseits (Kriegszerstörungen, Wohnungsnot,
Flüchtlingseingliederung etc.).
- ausgesprochenen affirmative Wertung des „Neuen Bauens“ des Bauhauses
(1919-1933): Vermittlung einer Aura des demokratischen Widerstandes,
Bedürfnis nach Internationalität und Orientierung an westlichen
Kulturentwicklungen (u.a. International Style); damit verbunden in der Tradition
der Moderne die Frage der Normierung und Standardisierung (genormte
Rasterfassaden); die verbreitete Akzeptanz der Nachkriegsmoderne, u.a. auch
aus politischen Gründen (Westverbindung, Stilideal der liberalen Gesellschaften,
Image des Fortschritts), diese Architektursprache auch der Repräsentationsstil
der BRD (z.B. Bundestag von Hans Schwippert; Deutsche Botschaft in
Washington; Abgeordnetenhaus in Bonn; Kanzlerbungalow);
- Präsentation der BRD mit dem deutschen Pavillon gekennzeichnet durch eine
konfliktvermeidende Strategie des Understatements im Hinblick auf den
Wiederaufbau und der Verdrängung von Totalitarismus, Rassismus, Holocaust
und Krieg in der NS-Zeit
- Abwendung von der Repräsentationsarchitektur des Nationalsozialismus,
Allianz mit der internationalen Moderne, baukonstruktive Lösung als Darstellung
technischer Fortschrittlichkeit der aufsteigenden Wirtschaftsmacht BRD,
Programm der „Haltung der Zurückhaltung“; in der Aneinanderschaltung
gleichartiger Einzelelemente auch Assoziation einer dezentral-regionalistischen
Gliederung als Spiegel des föderalen Charakters der Bundesrepublik
- kulturhistorischer Zusammenhang zwischen der deutschen Beteiligung in
Brüssel und der Konzeption der „Parkstadt“ im Zusammenhang mit der
„Interbau“ 1957 und den Wettbewerb „Hauptstadt Berlin“ 1957 (demonstrativer
Alleingang der BRD in Abgrenzung zur DDR, Internationalität, radikale Abkehr von
den NS-Planungen für die Hauptstadt „Germania“)
Hansaviertel in Berlin errichtet im Rahmen der
„Interbau“-Austellung 1957. Planung ab 1953; städtebaulicher Entwurf von
Willy Kreuter und Gerhard Jobst. Ideal der Parkstadt: Kriterien von Durchgrünung,
Durchlüftung und Auflockerung.
„Der freie Mensch will nicht wie in einem Heerlager leben, nicht in Häusern wohnen,
die wie Arbeiterbaracken hintereinander gereiht sind. In natürlicher Lage stehen
die Häuser ähnlich zueinander wie die Menschen, die sich unterhaltend zueinander
wenden oder sich betrachtend um ein Standbild stellen.
Nicht in Reih und Glied, sondern in einer besseren, gelockerten Ordnung.“ (Aussage der
Stadtplaner).
Der deutsche Pavillon
im Kontext
der ArchitektenOeuvres von
Sep Ruf und
Egon Eiermann.
Sep Ruf:
Neue Maxburg in München,
fertiggestellt 1956
Sep Ruf: Wohnhaus an der Theresienstraße,
errichtet 1950-1952.
Sep Ruf, Wohn- und Empfangsgebäude des Bundeskanzlers, Bonn, 1960, 1963-64.
Sep Ruf,
Kanzlerbungalow in Bonn.
Blick auf die Vorfahrt und den Eingang.
Blick in das Atrium
des Empfangsbereichs.
Blick im Empfangsraum
und Kamindiele.
Egon Eiermann, Präsentation des
Modells für das Bonner
Abgeordnetenhaus, Foto 1965.
Alternativentwürfe als
Terrassenhochhaus .
Entwurf von Egon Eiermann für
das Abgeordnetenhaus,
Spitzname „Langer Eugen“
Foto des Bundestagspräsidenten
Eugen Gerstenmaier.
Egon Eiermann, Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestages.
Links: Grundriss 3.-17. Obergeschoss mit Abgeordnetenbüros
Rechts: Grundriss 19.-28. Obergeschoss mit Ausschusssälen und Büros
Abgeordneten Hochhaus des Deutschen Bundestages in Bonn,
Vorfahrt, Eingangsbereich, Blick aus der Cafeteria im
29. Obergeschoss über den Rhein nach Norden.
Egon Eiermann:
Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin,
Neubauten 1959-1961.
Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche
in Berlin.
Architekt Franz Schwechten.
Berichtet 1891-1895
Unten: Foto vom Rest der Kirchweihe.
Stichworte von Egon Eiermann:
Der Ruinenrest der alten Gedächtniskirche
sei „kein Turm im architektonischen Sinne,
sondern nur ein Steinhaufen“;
„baukünstlerische Belanglosigkeit“;
Gemäuer, das „nur noch Erinnerungswert
hat“.
„Man muß sich klar darüber sein, daß man
diesen Stumpf wirklich nur ein paar Jahre
ertragen kann, und daß die
heranwachsende Generation für die im
Augenblick berechtigte Anhänglichkeit
kein Verständnis haben wird. (…)
Ich kann dem Ruinenturm keinen Sinn
geben; ich kann ihn daher auch nicht zu
dem Bestandteil einer neuen Kirche
machen. Ein Ruinenteil sollte nicht
Bestandteil einer neuen Kirche sein. (…)
Ich lasse den alten Turm stehen, wie er ist.
Ich erwecke ihn nicht zu neuem Leben. Er
bleibt tot. Der Turm wird in seiner
Funktion und architektonischen Wirkung
vollkommen stillgelegt.“
Egon Eiermann:
Olivetti-Niederlassung
in Frankfurt-Niederrad,
errichtet 1968-1972.
Standardmaß 50x50 cm.
Wabenfassade eines Horten-Kaufhauses mit den Fassadenkacheln
nach dem Entwurf von Egon Eiermann, um 1960.
Stop des Einbaus nach der Auseinandersetzung um das Horten-Kaufhaus in Regensburg 1972.
Weltausstellung Montreal 1967
„Terre des hommes“
Architekturgeschichtlicher Kontext des Strukturalismus
Weltausstellung Montreal 1967:
Pläne des Ausstellungsgeländes
auf Inseln im Sankt Lorenz-Strom
Weltausstellung
Montreal 1967:
Luftbilder
Allgemeines Thema:
Strukturalismus und Architekturexperiment seit 1960.
Buckminster Fuller:
Schnitt der geodätischen Kuppel
Sowjetischer Pavillon
Buckminster Fuller: „Montreal Bio-Sphere“. Weltausstellung Montreal.
Weltausstellung Montreal 1967
Moshe Safdie: Habitat
Rolf Gutbrod und Frei Otto:
Deutscher Pavillon.
Ansicht von der Lagune und der
Haupteingangsseite
Daten zur deutschen Pavillon:
31. November 1964 Publikation der Ausschreibung für einen zweistufigen Wettbewerb:
„Der Pavillon soll bereits durch seine äußere Form und Gestaltung die BRD angemessen
repräsentieren.“
Größe des Grundstücks 10.000 m², 8000 m² festgelegte Ausstellungsfläche;
Wettbewerbsunterlagen von 170 Architekten, Vorsitzender der Jury Egon Eiermann;
Sitzung 10.-12. Februar 1965 ohne Festlegung, gleichzeitig Aufforderung an fünf weitere,
nicht beteiligte Büros (u.a. Gutbrod, Otto); Arbeitsschwerpunkte sind:
-Auseinandersetzung mit der Ufersituation des Grundstücks,
-flexiblen Innenraumkonzeption,
-schnell umsetzbare konstruktive Konzepte,
-für den Besucher einprägsame, charakteristische Formen,
-Realisierung des Ausstellungskonzepts auf höchstens zwei Ebenen in einem möglichst
zusammenhängenden Raum.
Sitzung 10.-11. Juni 1965: Auszeichnung von fünf Projekten; erster Preis an das
Gemeinschaftsprojekt von Rolf Gutbrod und Frei Otto.
Stellungnahme von Rolf Gutbrod:
„Unser Entwurf ist keine neutrale Ausstellungshalle. (…) er ist unser eindeutiger Beitrag
zum Originalthema (…) Das Thema ist ‚terre des hommes‘, Erde der Menschen, aller
Menschen. Unser Entwurf ist ein Versuch in langer Reihe. Ein Stück Erde wird mit
geringem technischen Aufwand zum liebenswerten, lebensbejahenden Garten. Wir
wollen keinen Bau, keine nationale Repräsentation, sondern ‚terres des hommes‘, die da
ist und nicht gezeigt wird, die selbst im Chaos der Weltausstellung wirksam ist und diese
vielleicht sogar bereichert durch einen Beitrag, der die weiteren
Entfaltungsmöglichkeiten, die Aufgaben von morgen aufdeckt.“
Grundthema der Ausstellung das „Zusammenwirken von Mensch und Raum“ in insgesamt
4 Themenbereichen:
Explorer, Producer, Creator, Community.
Kurzanalyse:
Pavillon bestehend aus zwei grundsätzlich getrennten architektonischen Elementen:
1. unregelmäßige Zeltkonstruktion über acht Masten und drei Abspannpunkten;
2. überdeckte Ausstellungslandschaft mit ihren verschiedenen Niveaus, Terrassen, weiteren
eigenständigen Einbauten.
Der autonome Charakter und die Verschiedenartigkeit der Konstruktion durch offene
Grenzen hervorgehoben durch herausragende Abschnitte. Masten aus verzinktem Stahlrohr
(Höhe zwischen 38 und 14 m), Netz aus 12 cm dicken verzinkten Stahlseilen, Maschenweite
von 50 cm; ovale Seilschlaufen (sog. „Augen“); eigentliche Dachhaut aus einem mit PVC
beschichteten Polyestergewebe, 30-prozentige Transluzenz; alle 3-4 m kleeblattartige
„Federteller“ . Gruppen von vier Hauptmasten und 3 Nebenmasten, Einzelmast über der
Inselüberdachung im Süden; leichte exzentrische Neigung der Masten, entsprechende
Zugbeanspruchung des Seilnetzes; ab Spannungen im Inneren des Zeltes auch als
Gliederung des weiten Raumes.
Anlage grundsätzlich offen konzipiert, ohne eindeutige Raumabschlüsse und Trennung von
außen und innen; natürliche Landschaftssituation beabsichtigt, aus Gründen der
Klimaregulierung und aus Sicherheitsgründen während des Ausstellungsbetriebs
Windschutzwände an den Zelträndern; insgesamt drei Zugänge. Terrassenlandschaft aus
Stahlfachwerk (Raster 1,25 m), Differenzierung des Raumes durch die unterschiedlichen
Bodenniveaus, Terrassenkompositionen mit ihren Vor- und Rücksprüngen; Eindruck von
Flexibilität. Mit dem Bau des Auditoriums und eines Filmraumes, eingefügt als völlig
eigenständige Einheit in den Gesamtkomplex, neben Zelt und Terrassen ein drittes
konstruktives Prinzip, der Gewölbebau, unregelmäßig polygonale Betonwand mit zwei
unterschiedlich großen Gruppekonstruktionen aus Lattengittern mit Sperrholz-Ausfachung
Realisierung von unterschiedlichen Konstruktionsweisen, experimentelle Erprobung und
Synthese in einer Großform bzw. in einem Bild einer reich gegliederten, sanft
geschwungenen Landschaft; Eindruck eines provisorischen Baus und eines einprägsamen,
architektonischem Bildes.
Problematisch sind die radikale Trennung und Kontrastwirkung von Zelten und Terrassen
(relativ unruhige Kleinteiligkeit der Terrassen); kritisiert bisweilen auch die Auflösung
traditioneller, tektonischer Architekturbegriffe (Vergleich mit Zirkuszelt; Anti-Architektur
nur eingeschränkt geeignet für Lösungen in Permanenz); die architektonische Lösung
entwickelt sich, wenn auch so nicht geplant zum eigentlichen Ausstellungsgegenstand.
Deutscher Pavillon: Innenansicht
Interpretationsaspekte:
- Hinsichtlich der nationalen Repräsentation deutliche Abkehr von der kritisierten
Pädagogik; Vermittlung einer neuen Dimension für das Verhältnis von Staat, Architektur,
soziale und natürliche Umwelt; dazu passend der Vorschlag von Frei Otto, die
permanente Residenz des Bundespräsidenten zu Gunsten eines Systems verschiedener,
über das Land verteilter „Pfalzen“ aufzugeben
- Modell der Kooperation zwischen Architekt, Ingenieur, Ausstellungsorganisatoren u.a.
ohne klare Trennung der Verantwortlichkeiten und der Autorenschaft, gleichwohl
Zuständigkeiten sozusagen visuell für den Betrachter mitgeteilt
- Mit dem Zelt die Idee von einem Archetypus des Bauens, zugleich in der Tradition der
Fest- und Veranstaltungsarchitektur
- Konzept des offenen, flexiblen, für vielfältige Nutzungen adaptierbaren Raumes auch
eine Grundidee des architektonischen Strukturalismus; das konstruktiven Gerüst und
die Klimahülle sind Dispositive der Nutzungen
- Idee des Habitat: Verzicht auf einen weitergehenden Eingriff in die bestehende
natürliche Topographie, Ausstellungslandschaft mit vielfältigem Bezug zur realen
Umgebung des Ufergrundstücks, Naturbezug und Naturschutz als grundlegend für den
architektonischen Ansatz; Hintergrund das Motto der „Menschenerde“ als Synthese von
Zivilisation und vorgefundener Umgebung; formale Lösung in einer Auflösung fest
gefügter Architektur zugunsten einer Membran-Ästhetik (Prinzip des Leichtbaus, der
transparenten Materialien, der konstruktiven Minimierung) in extremen Gegensatz zur
Ästhetik der Monumentalarchitektur (u.a. zeitgen. Strömung des Brutalismus)
Strukturalismus
Struktur (lat. structura: Bauen, Bauart, Bau, Bauwerk, Zusammenfügung, Ordnung),
Manifestation einer bestimmten Ordnung in einem vorgegebenen Bezugsrahmen (System);
man unterscheidet physische (raum-zeitliche) Strukturen, abstrakte (Denk-)Strukturen,
gesellschaftlich-kulturelle Strukturen. Der Strukturalismus (als Lehre von den Strukturen)
fragt nach den formalen, gesetzmäßigen, grundlegenden Organisationsprinzipien einer
Ordnung. Methodische Grundlegung in der Ethnologie (Claude Levi-Strauss, Les structures
élémentaires de la parenté, 1949) und in der Linguistik (Referenz Ferdinand de Saussure,
Noam Chomsky, Syntactic structures, 1957), von hier aus seit den frühen 1960er Jahren
Verbreitung in den Geisteswissenschaften und anderen Disziplinen.
Merkmale des Strukturalismus in der Architektur:
Der Begriff „Struktur“ selbst zentral, ihm sind andere Begriffe zuzuordnen (u.a. Raum/space
vs. Ort/location/lieu; Zeit/time vs. Augenblick/occasion; in-between, doorstep; image,
identifying image; Identität; Institution, Kommunikation, Gemeinschaft / community).
Ausgehend von den elementar-archetypischen Bestimmungen der Funktion soll sich
Architektur selbst strukturell im Zeitkontinuum entfalten: Innerhalb fester
Entwurfsstrukturen sollen sich flexible Nutzungen ergeben.
Daraus resultiert das formale Grundprinzip der Strukturalismus: Das Prinzip der flächigen
oder vertikalen Reihung bzw. freien Gruppierung von gleichen Raummodulen, damit
verbunden die Absage an die Zuteilung spezifischer Funktionen an spezifische Räume wie im
Funktionalismus.
Aldo van Eyck, Die „Otterlo-Kreise“, Graphik 1959.
Patterns und Cluster
Stadtidentität:
Rom (obere Bilder)
und Paris
Titelseite der Zeitschrift „
Forum“ 7, 1959
(in zwei Ansichten)
mit den Leitbegriffen des
Strukturalismus:
Kommunikation
„Lebenswelt“/Habitat
Identität
Ort
Schwelle etc.
Erläuterungen strukturalistischer Kernbegriffe in Zitaten
Ort und Ereignis versus Raum und Zeit:
„Was „Raum“ und „Zeit“ als abstrakte Begriffe auch immer bedeuten, Ort und Ereignis bedeuten mehr.
Denn der Raum im Bild des Menschen bedeutet Ort, während Zeit im Bilde des Menschen Ereignis
bedeutet. „Raum“ bietet keinen Platz und „Zeit“ keinen Augenblick. Der Mensch bleibt ausgeschlossen –
außen. Um ihn einzubeziehen, soll er in die Bedeutung von beiden Begriffen einbezogen werden. Mache
von jeder Türe und von jedem Fenster einen Ort – mache zudem eine Anzahl Orte aus jedem Haus und
jeder Stadt.“ (Aldo van Eyck, zit. nach Arno Lüchinger, Strukturalismus in Architektur und Städtebau, 1981,
S. 26f.)
Image / Erkennungszeichen / Symbol / Kommunikation / Gemeinschaft:
„In einer Stadt sind viele stark aufeinander bezogene Erkennungszeichen notwendig, um eine reiche
Gliederung und Erfassbarkeit zu erreichen. Erkennungszeichen können neue oder historische Bauwerke
sein oder durch die Natur gegebene Formen. Sie können verschieden intensiv genutzt werden. Früher
war es oft eine Kirche, ein Palast, eine große Mauer, ein Hafen, ein Kanal, eine wichtige Straße oder einen
Platz – vielfach auch ein Fluss, ein Tal, ein Hügel oder ein Seeufer. Viele davon sind immer noch im
Gebrauch neben ihrer visuellen Wirkung. Das wissen wir, aber ich bin nicht sicher, ob wir uns genügend
darüber bewusst sind, dass es gerade diese Erinnerungszeichen sind, die nicht nur visuell gliedern
sondern auch die Gemeinschaft umrahmen, mit anderen Worten, die immer noch eine direkte physische
Bedeutung haben und tagtäglich dafür Zeuge sind. Sie bleiben sehr eindrücklich in unserem Gedächtnis.
Sie schaffen Plätze für schlichte Ereignisse, an denen wir spontan teilnehmen können. (…) Die Zeit ist
gekommen, um neue bedeutungsvolle Erinnerungszeichen zu schaffen, die auf neue Art die wesentlichen
menschlichen Erfahrungen fortsetzen, ähnlich wie früher. Gleichzeitig müssen uns diese neuen
Erkennungszeichen Erlebnisse vermitteln wofür die alten nicht mehr ausreichen können oder überhaupt
nicht gedient haben.“ (Aldo van Eyck, a.a.O., S. 40)
Prototyp, polyvalente Form, individuelle Interpretation – Diskontinuität statt Evolution:
„Anstelle der kollektiven Interpretation von individuellen Lebensweisen müssen Prototypen
gesucht werden, bei denen individuelle Interpretationen der kollektiven Struktur möglich
sind. Das heißt, wir müssen Häuser auf eine besondere Weise gleich machen, nämlich so,
dass jedermann seine eigene Interpretation innerhalb der kollektiven Struktur
verwirklichen kann. Beim Entwerfen eines jeden Bauwerks muss man sich fortwährend
bewusst sein, dass die Benutzer die Freiheit haben müssen, die ihnen die Möglichkeit gibt,
selbst zu entscheiden, auf welche Weise sie jeden Teil und jeden Raum gebrauchen wollen.
(…) Solange keine wirkliche Vergrößerung der Wahlmöglichkeit besteht, werden die
Stereotyp-Lösungen nicht verschwinden. Eine Wahlvergrößerung kann nur dann entstehen,
wenn wir als erstes die Möglichkeit schaffen, Dinge verschiedene Rollen spielen zu lassen.
D.h. dass sie im Stande sind, verschiedene Farbtöne anzunehmen und dabei sie selbst zu
bleiben. Alles, was wir schaffen, muss Katalysator sein, um jedermann zu helfen, diejenigen
Rollen zu spielen, wodurch seine Identität vergrößert wird. Das Ziel der Architektur ist
dann: den Zustand zu erreichen wurden jedermanns Identität optimal ist.“ (Herman
Hertzberger, in: Lüchinger, Strukturalismus, S. 54f.)
„Was wir anbieten, darf deshalb nicht neutral sein; es muss in gewissem Sinne das
Rohmaterial sein mit den „Vorschlägen“, aus denen jedermann in einer bestimmten
Situation seine Wahl treffen kann, indem er gerade den Vorschlag heraus holt, der
„resoniert“ (widerhallen) mit seinen Vorstellungen; mit anderen Worten die Vorschläge, die
ihm am ehesten die Aussicht geben, das zu tun oder zu sein wodurch sein Ich-Ideal
verstärkt wird.“ (Herman Hertzberger, a.a.O., S. 64)
Otto Steidle, Wohnanlage Genter Straße
in München, 1972.
Florian Nagler: Deutscher Pavillon
für die Weltausstellung Hannover 2000;
Projektentwürfe.
1. Entwurf 1996/97 mit Betonpfeilern
und sekundären Hallenbauten.
2. Entwurf Sommer 1997 mit 360-GradKino
3. Entwurf Frühjahr 1998 als
Großpavillon
Bewerbungs- und Realisierungsphasen für
die XX. Olympischen Sommerspiele in
München:
Oktober-Dezember 1965 Erstellung der
Bewerbung und Beschlussfassungen in
den politischen Gremien in Stadt,
Bundesland und Bund; Einreichung beim
IOC in Lausanne.
Zuschlag am 26. April 1966.
Städtebaulicher Ideenwettbewerb der
Stadt München Ende 1966
ausgeschrieben.
Oktober 1967 Vergabe des ersten Preises
an das Architekturbüro Behnisch und
Partner, Beauftragung des
Landschaftsarchitekten Günther Grzimek.
28. August 1972 Eröffnungsfeier.
5. September 1972 Geiselnahme der
Olympiamannschaft Israels; alle 11
Geiseln und weitere 6 Menschen finden
bei der gescheiterten Befreiungsaktion in
Fürstenfeldbruck den Tod.
Behnisch & Partner:
Günter Behnisch, Fritz Auer,
Winfried Büxel, Erhard Tränkner,
Karlheinz Weber und Jürgen
Joedicke
Landschaftsarchitektur:
Günther Grzimek
Werbung eines Herstellers von
Klimaanlagen in einer
Olympiapublikation, 1972
Programmvorgaben:
„Heitere Spiele“
„Olympiade im Grünen“
„Olympiade der kurzen Wege“
Werbeslogan
„Weltstadt mit Herz“
Eröffnungsfeier der Olympischen
Spiele am 26. August 1972
Plakat
1936
Olympiafackeln aus
V2A-Stahl
der Firma
Krupp 1936
und 1972
„Reichssportfeld“ in Berlin und
Olympiadorf in Berlin-Döberitz
Zeitgenössische Luftbilder 1936
Otl Aicher und Franz Mühlberger,
„Serie Sport“, 1969-1972
Farboffset
Behnisch & Partner:
Günter Behnisch, Fritz Auer,
Winfried Büxel, Erhard Tränkner,
Karlheinz Weber und Jürgen Joedicke
Landschaftsarchitektur:
Günther Grzimek
Behnisch & Partner:
Günter Behnisch, Fritz Auer,
Winfried Büxel, Erhard Tränkner,
Karlheinz Weber und Jürgen
Joedicke
Landschaftsarchitektur:
Günther Grzimek
Architekturhistorische Voraussetzungen und Modelle für die Stadionbauten in München:
Typus der Erdstadions; Olympiabauten Tokio 1964; Zeltbauten in Montreal 1967
Typus des
sogenannten Erdstadions
Berlin,
Deutsches Stadion, 1913
Rom,
Stadio dei marmi auf dem
Foro Mussolini,
1936
Kenzo Tange, Olympiastadien in Tokio,1961-1964.
Idee der Gruppierung und Vernetzung der Stadionbauten
Schema von Zeltbauten (Büro
Behnisch)
Rolf Gutbrod und Frei Otto
Deutscher Pavillon der Weltausstellung in Montreal
1967
München, Englischer Garten.
„Höhen und Tiefen“
Idee der
Interaktion von
Sportlern und
Zuschauern unter den
Vorzeichen des „Spiels“
In einer
architektonisch
und landschaftsarchitektonisch
gestalteten „Lebenswelt“
Werner Ruhnau
Anlage der „Spielstraße“
Graphik 1970/71
„Linien und Flächen“
„Rahmungen“
„Elementargeister“