Vorlesung TUM ARCHITEKTUR DER WELTAUSSTELLUNGEN Dietrich Erben Evaluierung der Vorlesung Sie sind herzlich zur Teilnahme gebeten! Brüssel: Exposition Universelle et Internationale 1958. Thema: „Bilan du monde pour un monde plus humain – La technique au service de l’homme – Le progrès humain à travers le progrès technique“. Weltausstellung in Brüssel 1958: Schemata der Gesamtanlage auf dem Plateau Heyel. Leitbild der „Stadtlandschaft“, der aufgelockerten Stadt, der organischen Stadt, der Parkstadt, aktualisiert durch die Schriften von: Robert Rainer: Die gegliederte und aufgelockerte Stadt, 1945, bearbeitet 1957; Hans Bernhard Reichow: Organische Stadtbaukunst, 1948; Hans Bernhard Reichow: Die autogerechte Stadt, 1959. Beispiel Parkstadt: Trabantenstadt Vällingby bei Stockholm, errichtet 1952 bis 1957; Stadtplanung von Sven Backström und Leif Reinius. Verbindung von Arbeit, Wohnen und Siedlungszentrum; reiche Vielfalt von Wohnungsbauten unterschiedlicher Typen (Einfamilienhaus , Wohnblock, Punkthochhaus); von Turmhäusern umstandene Mitte; bewegte Topographie als „Stadtlandschaft“ akzentuiert; Schleifenstraßen; Durchgrünung. Planungskollektiv unter der Leitung von Hans Scharoun: Kollektivplan (Strukturplan) für Berlin, 1945 bis 1946. Gesamtplan und so genanntes „Kulturband“1960 Hansaviertel in Berlin errichtet im Rahmen der Interbau-Austellung 1957. Planung ab 1953; städtebaulicher Entwurf von Willy Kreuter und Gerhard Jobst. Ideal der Parkstadt: Kriterien von Durchgrünung, Durchlüftung und Auflockerung. Hansaviertel in Berlin: Wohnblock von Walter Gropius (links) und von J. van den Broek & Bakema. Weltausstellung in Brüssel 1958: Atomium (Aufnahmen vor und nach der Restaurierung) Entwurf des Ingenieurs André Waterkeyn; Errichtung unter der Leitung der Architekten André und Jean Polak. Blick auf das Atomium und Blick vom Panoramarestaurant des Atomiums. Rechts: Modell einer Elementarzelle der Kristallstruktur von Eisen. Technische Daten: Höhe 102 m, 9 Kugeln von jeweils 18 m Durchmesser, 20 Verbindungsgänge mit jeweils einer Länge von 23 m, zum Teil mit Rolltreppen ; im mittleren Rohr ein Aufzug zur obersten Kugeln mit den Restaurant. Gebäude ursprünglich mit einer Aluminiumhaut überzogen; Darstellung mit Hilfe von neun Atomen die kubisch-raumzentrierte Elementarzelle einer EisenKristallstruktur in 165-Milliarden-facher Vergrößerung. Weltausstellung Brüssel 1958: Pavillon der UdSSR. Autorenkollektiv Abramov, Boretski, Doubov, Polanski. Weltausstellung Brüssel 1958: Pavillon der USA. Projekt Edward Durell Stone. Wandgemälde im amerikanischen Pavillon. Saul Steinberg: „The Amercians“, achtteiliger Wandgemäldezyklus, Einzelgemälde und Entwurf. Saul Steinberg: „Techniques at a Party“, Cartoon 1953. Bilder rechts: David Mazzuchelli: Asterios Polyp, Graphic Novel 2011 Weltausstellung Brüssel 1958. Französischer Pavillon. Architekt Guillaume Gillet Le Corbusier, Iannis Xenakis, Edgard Varèse: »Poème électronique: Philips Pavilion« Pluralismus der Spätmoderne: Synthese von expressiver Bildhaftigkeit und modernen Bautechniken … neben Fortsetzung des International Style Weltausstellung Brüssel 1958: Pavillon Großbritanniens Karl Schwanzer: Österreichische Pavillon, wiedererrichtet in Wien 1962 als Teil des Museums moderner Kunst. Rechts: BMW Hauptzentrale in München von Karl Schwanzer, 1972. Synthese von expressiver Bildhaftigkeit und modernen Baukonstruktionen: Vogel in Spannbeton Eero Saarinen, Terminal für die Trans World Airlines (TWA) auf dem J.F. Kennedy Airport in New York, fertiggestellt 1962. Le Corbusier: Notre Dame-du-Haut bei Ronchamp, 1950-1955. Eingangsseite und Zelebrationsbereich für Gottesdienste im Freien. Inspirationen des Kirchendachs durch Flugzeugflügel, Muschel und Zeltdach. Fortsetzung des International Style Egon Eiermann und Sep Ruf: Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung Brüssel 1958. Aufnahmen eines modernen und zeitgenössischen Modells. Deutscher Pavillon, Grundriss EG. Deutscher Pavillon, Ansicht mit Verbindungssteg im Hintergrund Zitat aus einem Konzeptpapier: „Die gläsernen Wände des Neuen Bauens, die neue Helligkeit der Büros, der Werkstatt, der Fabrik, die grazile Art des neuen Mobiliars, die Freundlichkeit des Wohnens im Grünen sind allenthalben großartige Versuche eines allgemeinen menschlichen Widerstandes gegen die Drohung, die Dunkelheit, das lauernde Chaos. Der deutsche Anteil an dieser Bewegung einer neuen Offenheit und Leichtigkeit (Deutscher Pavillon Barcelona, Mies van der Rohe) hat bereits Geschichte. Die früheren deutschen Anstöße in diese Richtung haben inzwischen Weltgeltung bekommen. Unsere heutige Beteiligung an diesem Vorgang wäre zu zeigen.“ Deutscher Pavillon, Ansichten Sep Ruf und Egon Eiermann, Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel, 1956-58. Ausstellungspavillon und Verbindungsbrücke. Südwestliche Ausstellungspavillon. Weltausstellung Brüssel 1958. Deutscher Pavillon. Oberes Bild, Bau rechts: Musterhaus von Eduard Ludwig. Deutscher Pavillon, Blick ins Innere „Expo-Brücke“ bei Duisburg Ehemalige Verbindungsbrücke der deutschen Pavillons auf der Weltausstellung in Brüssel; Entwurf von Egon Eiermann und Sep Ruf. Heute 88 Tonnen schwere StahlSchrägseil-Brücke, 54 Meter langer Hauptträger auf jeder Seite an drei parallelen Seilen über einen 50 Meter hohen Pylon, dessen Unterteil in Richtung des Brückenschwerpunktes abgeknickt, abgespannt. Zwischen 1959 und 1997 als Verbindung zwischen dem westlichen und östlichen Zoogelände in Duisburg montiert; im Zuge des 6-spurigen Ausbaus der Autobahn A3 Abbau 1997 und Wiedererrichtung 2000 in veränderter Form am Duisburger Stadtwald als Überführung über die Autobahn. Deutungsperspektiven das Deutschen Pavillons im politischen Kontext: -Kontext des Wiederaufbaus und der Staatsneugründung: Ambivalenz von strukturellem Neuanfang nach der Auflösung der gleichgeschalteten, zentralisierten Bau- und Kulturinstitutionen einerseits bei gleichzeitigem personellen und planerischen Kontinuitäten unter dem pragmatischen Zwang des Wiederaufbaus andererseits (Kriegszerstörungen, Wohnungsnot, Flüchtlingseingliederung etc.). - ausgesprochenen affirmative Wertung des „Neuen Bauens“ des Bauhauses (1919-1933): Vermittlung einer Aura des demokratischen Widerstandes, Bedürfnis nach Internationalität und Orientierung an westlichen Kulturentwicklungen (u.a. International Style); damit verbunden in der Tradition der Moderne die Frage der Normierung und Standardisierung (genormte Rasterfassaden); die verbreitete Akzeptanz der Nachkriegsmoderne, u.a. auch aus politischen Gründen (Westverbindung, Stilideal der liberalen Gesellschaften, Image des Fortschritts), diese Architektursprache auch der Repräsentationsstil der BRD (z.B. Bundestag von Hans Schwippert; Deutsche Botschaft in Washington; Abgeordnetenhaus in Bonn; Kanzlerbungalow); - Präsentation der BRD mit dem deutschen Pavillon gekennzeichnet durch eine konfliktvermeidende Strategie des Understatements im Hinblick auf den Wiederaufbau und der Verdrängung von Totalitarismus, Rassismus, Holocaust und Krieg in der NS-Zeit - Abwendung von der Repräsentationsarchitektur des Nationalsozialismus, Allianz mit der internationalen Moderne, baukonstruktive Lösung als Darstellung technischer Fortschrittlichkeit der aufsteigenden Wirtschaftsmacht BRD, Programm der „Haltung der Zurückhaltung“; in der Aneinanderschaltung gleichartiger Einzelelemente auch Assoziation einer dezentral-regionalistischen Gliederung als Spiegel des föderalen Charakters der Bundesrepublik - kulturhistorischer Zusammenhang zwischen der deutschen Beteiligung in Brüssel und der Konzeption der „Parkstadt“ im Zusammenhang mit der „Interbau“ 1957 und den Wettbewerb „Hauptstadt Berlin“ 1957 (demonstrativer Alleingang der BRD in Abgrenzung zur DDR, Internationalität, radikale Abkehr von den NS-Planungen für die Hauptstadt „Germania“) Hansaviertel in Berlin errichtet im Rahmen der „Interbau“-Austellung 1957. Planung ab 1953; städtebaulicher Entwurf von Willy Kreuter und Gerhard Jobst. Ideal der Parkstadt: Kriterien von Durchgrünung, Durchlüftung und Auflockerung. „Der freie Mensch will nicht wie in einem Heerlager leben, nicht in Häusern wohnen, die wie Arbeiterbaracken hintereinander gereiht sind. In natürlicher Lage stehen die Häuser ähnlich zueinander wie die Menschen, die sich unterhaltend zueinander wenden oder sich betrachtend um ein Standbild stellen. Nicht in Reih und Glied, sondern in einer besseren, gelockerten Ordnung.“ (Aussage der Stadtplaner). Der deutsche Pavillon im Kontext der ArchitektenOeuvres von Sep Ruf und Egon Eiermann. Sep Ruf: Neue Maxburg in München, fertiggestellt 1956 Sep Ruf: Wohnhaus an der Theresienstraße, errichtet 1950-1952. Sep Ruf, Wohn- und Empfangsgebäude des Bundeskanzlers, Bonn, 1960, 1963-64. Sep Ruf, Kanzlerbungalow in Bonn. Blick auf die Vorfahrt und den Eingang. Blick in das Atrium des Empfangsbereichs. Blick im Empfangsraum und Kamindiele. Egon Eiermann, Präsentation des Modells für das Bonner Abgeordnetenhaus, Foto 1965. Alternativentwürfe als Terrassenhochhaus . Entwurf von Egon Eiermann für das Abgeordnetenhaus, Spitzname „Langer Eugen“ Foto des Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier. Egon Eiermann, Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestages. Links: Grundriss 3.-17. Obergeschoss mit Abgeordnetenbüros Rechts: Grundriss 19.-28. Obergeschoss mit Ausschusssälen und Büros Abgeordneten Hochhaus des Deutschen Bundestages in Bonn, Vorfahrt, Eingangsbereich, Blick aus der Cafeteria im 29. Obergeschoss über den Rhein nach Norden. Egon Eiermann: Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin, Neubauten 1959-1961. Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin. Architekt Franz Schwechten. Berichtet 1891-1895 Unten: Foto vom Rest der Kirchweihe. Stichworte von Egon Eiermann: Der Ruinenrest der alten Gedächtniskirche sei „kein Turm im architektonischen Sinne, sondern nur ein Steinhaufen“; „baukünstlerische Belanglosigkeit“; Gemäuer, das „nur noch Erinnerungswert hat“. „Man muß sich klar darüber sein, daß man diesen Stumpf wirklich nur ein paar Jahre ertragen kann, und daß die heranwachsende Generation für die im Augenblick berechtigte Anhänglichkeit kein Verständnis haben wird. (…) Ich kann dem Ruinenturm keinen Sinn geben; ich kann ihn daher auch nicht zu dem Bestandteil einer neuen Kirche machen. Ein Ruinenteil sollte nicht Bestandteil einer neuen Kirche sein. (…) Ich lasse den alten Turm stehen, wie er ist. Ich erwecke ihn nicht zu neuem Leben. Er bleibt tot. Der Turm wird in seiner Funktion und architektonischen Wirkung vollkommen stillgelegt.“ Egon Eiermann: Olivetti-Niederlassung in Frankfurt-Niederrad, errichtet 1968-1972. Standardmaß 50x50 cm. Wabenfassade eines Horten-Kaufhauses mit den Fassadenkacheln nach dem Entwurf von Egon Eiermann, um 1960. Stop des Einbaus nach der Auseinandersetzung um das Horten-Kaufhaus in Regensburg 1972. Weltausstellung Montreal 1967 „Terre des hommes“ Architekturgeschichtlicher Kontext des Strukturalismus Weltausstellung Montreal 1967: Pläne des Ausstellungsgeländes auf Inseln im Sankt Lorenz-Strom Weltausstellung Montreal 1967: Luftbilder Allgemeines Thema: Strukturalismus und Architekturexperiment seit 1960. Buckminster Fuller: Schnitt der geodätischen Kuppel Sowjetischer Pavillon Buckminster Fuller: „Montreal Bio-Sphere“. Weltausstellung Montreal. Weltausstellung Montreal 1967 Moshe Safdie: Habitat Rolf Gutbrod und Frei Otto: Deutscher Pavillon. Ansicht von der Lagune und der Haupteingangsseite Daten zur deutschen Pavillon: 31. November 1964 Publikation der Ausschreibung für einen zweistufigen Wettbewerb: „Der Pavillon soll bereits durch seine äußere Form und Gestaltung die BRD angemessen repräsentieren.“ Größe des Grundstücks 10.000 m², 8000 m² festgelegte Ausstellungsfläche; Wettbewerbsunterlagen von 170 Architekten, Vorsitzender der Jury Egon Eiermann; Sitzung 10.-12. Februar 1965 ohne Festlegung, gleichzeitig Aufforderung an fünf weitere, nicht beteiligte Büros (u.a. Gutbrod, Otto); Arbeitsschwerpunkte sind: -Auseinandersetzung mit der Ufersituation des Grundstücks, -flexiblen Innenraumkonzeption, -schnell umsetzbare konstruktive Konzepte, -für den Besucher einprägsame, charakteristische Formen, -Realisierung des Ausstellungskonzepts auf höchstens zwei Ebenen in einem möglichst zusammenhängenden Raum. Sitzung 10.-11. Juni 1965: Auszeichnung von fünf Projekten; erster Preis an das Gemeinschaftsprojekt von Rolf Gutbrod und Frei Otto. Stellungnahme von Rolf Gutbrod: „Unser Entwurf ist keine neutrale Ausstellungshalle. (…) er ist unser eindeutiger Beitrag zum Originalthema (…) Das Thema ist ‚terre des hommes‘, Erde der Menschen, aller Menschen. Unser Entwurf ist ein Versuch in langer Reihe. Ein Stück Erde wird mit geringem technischen Aufwand zum liebenswerten, lebensbejahenden Garten. Wir wollen keinen Bau, keine nationale Repräsentation, sondern ‚terres des hommes‘, die da ist und nicht gezeigt wird, die selbst im Chaos der Weltausstellung wirksam ist und diese vielleicht sogar bereichert durch einen Beitrag, der die weiteren Entfaltungsmöglichkeiten, die Aufgaben von morgen aufdeckt.“ Grundthema der Ausstellung das „Zusammenwirken von Mensch und Raum“ in insgesamt 4 Themenbereichen: Explorer, Producer, Creator, Community. Kurzanalyse: Pavillon bestehend aus zwei grundsätzlich getrennten architektonischen Elementen: 1. unregelmäßige Zeltkonstruktion über acht Masten und drei Abspannpunkten; 2. überdeckte Ausstellungslandschaft mit ihren verschiedenen Niveaus, Terrassen, weiteren eigenständigen Einbauten. Der autonome Charakter und die Verschiedenartigkeit der Konstruktion durch offene Grenzen hervorgehoben durch herausragende Abschnitte. Masten aus verzinktem Stahlrohr (Höhe zwischen 38 und 14 m), Netz aus 12 cm dicken verzinkten Stahlseilen, Maschenweite von 50 cm; ovale Seilschlaufen (sog. „Augen“); eigentliche Dachhaut aus einem mit PVC beschichteten Polyestergewebe, 30-prozentige Transluzenz; alle 3-4 m kleeblattartige „Federteller“ . Gruppen von vier Hauptmasten und 3 Nebenmasten, Einzelmast über der Inselüberdachung im Süden; leichte exzentrische Neigung der Masten, entsprechende Zugbeanspruchung des Seilnetzes; ab Spannungen im Inneren des Zeltes auch als Gliederung des weiten Raumes. Anlage grundsätzlich offen konzipiert, ohne eindeutige Raumabschlüsse und Trennung von außen und innen; natürliche Landschaftssituation beabsichtigt, aus Gründen der Klimaregulierung und aus Sicherheitsgründen während des Ausstellungsbetriebs Windschutzwände an den Zelträndern; insgesamt drei Zugänge. Terrassenlandschaft aus Stahlfachwerk (Raster 1,25 m), Differenzierung des Raumes durch die unterschiedlichen Bodenniveaus, Terrassenkompositionen mit ihren Vor- und Rücksprüngen; Eindruck von Flexibilität. Mit dem Bau des Auditoriums und eines Filmraumes, eingefügt als völlig eigenständige Einheit in den Gesamtkomplex, neben Zelt und Terrassen ein drittes konstruktives Prinzip, der Gewölbebau, unregelmäßig polygonale Betonwand mit zwei unterschiedlich großen Gruppekonstruktionen aus Lattengittern mit Sperrholz-Ausfachung Realisierung von unterschiedlichen Konstruktionsweisen, experimentelle Erprobung und Synthese in einer Großform bzw. in einem Bild einer reich gegliederten, sanft geschwungenen Landschaft; Eindruck eines provisorischen Baus und eines einprägsamen, architektonischem Bildes. Problematisch sind die radikale Trennung und Kontrastwirkung von Zelten und Terrassen (relativ unruhige Kleinteiligkeit der Terrassen); kritisiert bisweilen auch die Auflösung traditioneller, tektonischer Architekturbegriffe (Vergleich mit Zirkuszelt; Anti-Architektur nur eingeschränkt geeignet für Lösungen in Permanenz); die architektonische Lösung entwickelt sich, wenn auch so nicht geplant zum eigentlichen Ausstellungsgegenstand. Deutscher Pavillon: Innenansicht Interpretationsaspekte: - Hinsichtlich der nationalen Repräsentation deutliche Abkehr von der kritisierten Pädagogik; Vermittlung einer neuen Dimension für das Verhältnis von Staat, Architektur, soziale und natürliche Umwelt; dazu passend der Vorschlag von Frei Otto, die permanente Residenz des Bundespräsidenten zu Gunsten eines Systems verschiedener, über das Land verteilter „Pfalzen“ aufzugeben - Modell der Kooperation zwischen Architekt, Ingenieur, Ausstellungsorganisatoren u.a. ohne klare Trennung der Verantwortlichkeiten und der Autorenschaft, gleichwohl Zuständigkeiten sozusagen visuell für den Betrachter mitgeteilt - Mit dem Zelt die Idee von einem Archetypus des Bauens, zugleich in der Tradition der Fest- und Veranstaltungsarchitektur - Konzept des offenen, flexiblen, für vielfältige Nutzungen adaptierbaren Raumes auch eine Grundidee des architektonischen Strukturalismus; das konstruktiven Gerüst und die Klimahülle sind Dispositive der Nutzungen - Idee des Habitat: Verzicht auf einen weitergehenden Eingriff in die bestehende natürliche Topographie, Ausstellungslandschaft mit vielfältigem Bezug zur realen Umgebung des Ufergrundstücks, Naturbezug und Naturschutz als grundlegend für den architektonischen Ansatz; Hintergrund das Motto der „Menschenerde“ als Synthese von Zivilisation und vorgefundener Umgebung; formale Lösung in einer Auflösung fest gefügter Architektur zugunsten einer Membran-Ästhetik (Prinzip des Leichtbaus, der transparenten Materialien, der konstruktiven Minimierung) in extremen Gegensatz zur Ästhetik der Monumentalarchitektur (u.a. zeitgen. Strömung des Brutalismus) Strukturalismus Struktur (lat. structura: Bauen, Bauart, Bau, Bauwerk, Zusammenfügung, Ordnung), Manifestation einer bestimmten Ordnung in einem vorgegebenen Bezugsrahmen (System); man unterscheidet physische (raum-zeitliche) Strukturen, abstrakte (Denk-)Strukturen, gesellschaftlich-kulturelle Strukturen. Der Strukturalismus (als Lehre von den Strukturen) fragt nach den formalen, gesetzmäßigen, grundlegenden Organisationsprinzipien einer Ordnung. Methodische Grundlegung in der Ethnologie (Claude Levi-Strauss, Les structures élémentaires de la parenté, 1949) und in der Linguistik (Referenz Ferdinand de Saussure, Noam Chomsky, Syntactic structures, 1957), von hier aus seit den frühen 1960er Jahren Verbreitung in den Geisteswissenschaften und anderen Disziplinen. Merkmale des Strukturalismus in der Architektur: Der Begriff „Struktur“ selbst zentral, ihm sind andere Begriffe zuzuordnen (u.a. Raum/space vs. Ort/location/lieu; Zeit/time vs. Augenblick/occasion; in-between, doorstep; image, identifying image; Identität; Institution, Kommunikation, Gemeinschaft / community). Ausgehend von den elementar-archetypischen Bestimmungen der Funktion soll sich Architektur selbst strukturell im Zeitkontinuum entfalten: Innerhalb fester Entwurfsstrukturen sollen sich flexible Nutzungen ergeben. Daraus resultiert das formale Grundprinzip der Strukturalismus: Das Prinzip der flächigen oder vertikalen Reihung bzw. freien Gruppierung von gleichen Raummodulen, damit verbunden die Absage an die Zuteilung spezifischer Funktionen an spezifische Räume wie im Funktionalismus. Aldo van Eyck, Die „Otterlo-Kreise“, Graphik 1959. Patterns und Cluster Stadtidentität: Rom (obere Bilder) und Paris Titelseite der Zeitschrift „ Forum“ 7, 1959 (in zwei Ansichten) mit den Leitbegriffen des Strukturalismus: Kommunikation „Lebenswelt“/Habitat Identität Ort Schwelle etc. Erläuterungen strukturalistischer Kernbegriffe in Zitaten Ort und Ereignis versus Raum und Zeit: „Was „Raum“ und „Zeit“ als abstrakte Begriffe auch immer bedeuten, Ort und Ereignis bedeuten mehr. Denn der Raum im Bild des Menschen bedeutet Ort, während Zeit im Bilde des Menschen Ereignis bedeutet. „Raum“ bietet keinen Platz und „Zeit“ keinen Augenblick. Der Mensch bleibt ausgeschlossen – außen. Um ihn einzubeziehen, soll er in die Bedeutung von beiden Begriffen einbezogen werden. Mache von jeder Türe und von jedem Fenster einen Ort – mache zudem eine Anzahl Orte aus jedem Haus und jeder Stadt.“ (Aldo van Eyck, zit. nach Arno Lüchinger, Strukturalismus in Architektur und Städtebau, 1981, S. 26f.) Image / Erkennungszeichen / Symbol / Kommunikation / Gemeinschaft: „In einer Stadt sind viele stark aufeinander bezogene Erkennungszeichen notwendig, um eine reiche Gliederung und Erfassbarkeit zu erreichen. Erkennungszeichen können neue oder historische Bauwerke sein oder durch die Natur gegebene Formen. Sie können verschieden intensiv genutzt werden. Früher war es oft eine Kirche, ein Palast, eine große Mauer, ein Hafen, ein Kanal, eine wichtige Straße oder einen Platz – vielfach auch ein Fluss, ein Tal, ein Hügel oder ein Seeufer. Viele davon sind immer noch im Gebrauch neben ihrer visuellen Wirkung. Das wissen wir, aber ich bin nicht sicher, ob wir uns genügend darüber bewusst sind, dass es gerade diese Erinnerungszeichen sind, die nicht nur visuell gliedern sondern auch die Gemeinschaft umrahmen, mit anderen Worten, die immer noch eine direkte physische Bedeutung haben und tagtäglich dafür Zeuge sind. Sie bleiben sehr eindrücklich in unserem Gedächtnis. Sie schaffen Plätze für schlichte Ereignisse, an denen wir spontan teilnehmen können. (…) Die Zeit ist gekommen, um neue bedeutungsvolle Erinnerungszeichen zu schaffen, die auf neue Art die wesentlichen menschlichen Erfahrungen fortsetzen, ähnlich wie früher. Gleichzeitig müssen uns diese neuen Erkennungszeichen Erlebnisse vermitteln wofür die alten nicht mehr ausreichen können oder überhaupt nicht gedient haben.“ (Aldo van Eyck, a.a.O., S. 40) Prototyp, polyvalente Form, individuelle Interpretation – Diskontinuität statt Evolution: „Anstelle der kollektiven Interpretation von individuellen Lebensweisen müssen Prototypen gesucht werden, bei denen individuelle Interpretationen der kollektiven Struktur möglich sind. Das heißt, wir müssen Häuser auf eine besondere Weise gleich machen, nämlich so, dass jedermann seine eigene Interpretation innerhalb der kollektiven Struktur verwirklichen kann. Beim Entwerfen eines jeden Bauwerks muss man sich fortwährend bewusst sein, dass die Benutzer die Freiheit haben müssen, die ihnen die Möglichkeit gibt, selbst zu entscheiden, auf welche Weise sie jeden Teil und jeden Raum gebrauchen wollen. (…) Solange keine wirkliche Vergrößerung der Wahlmöglichkeit besteht, werden die Stereotyp-Lösungen nicht verschwinden. Eine Wahlvergrößerung kann nur dann entstehen, wenn wir als erstes die Möglichkeit schaffen, Dinge verschiedene Rollen spielen zu lassen. D.h. dass sie im Stande sind, verschiedene Farbtöne anzunehmen und dabei sie selbst zu bleiben. Alles, was wir schaffen, muss Katalysator sein, um jedermann zu helfen, diejenigen Rollen zu spielen, wodurch seine Identität vergrößert wird. Das Ziel der Architektur ist dann: den Zustand zu erreichen wurden jedermanns Identität optimal ist.“ (Herman Hertzberger, in: Lüchinger, Strukturalismus, S. 54f.) „Was wir anbieten, darf deshalb nicht neutral sein; es muss in gewissem Sinne das Rohmaterial sein mit den „Vorschlägen“, aus denen jedermann in einer bestimmten Situation seine Wahl treffen kann, indem er gerade den Vorschlag heraus holt, der „resoniert“ (widerhallen) mit seinen Vorstellungen; mit anderen Worten die Vorschläge, die ihm am ehesten die Aussicht geben, das zu tun oder zu sein wodurch sein Ich-Ideal verstärkt wird.“ (Herman Hertzberger, a.a.O., S. 64) Otto Steidle, Wohnanlage Genter Straße in München, 1972. Florian Nagler: Deutscher Pavillon für die Weltausstellung Hannover 2000; Projektentwürfe. 1. Entwurf 1996/97 mit Betonpfeilern und sekundären Hallenbauten. 2. Entwurf Sommer 1997 mit 360-GradKino 3. Entwurf Frühjahr 1998 als Großpavillon Bewerbungs- und Realisierungsphasen für die XX. Olympischen Sommerspiele in München: Oktober-Dezember 1965 Erstellung der Bewerbung und Beschlussfassungen in den politischen Gremien in Stadt, Bundesland und Bund; Einreichung beim IOC in Lausanne. Zuschlag am 26. April 1966. Städtebaulicher Ideenwettbewerb der Stadt München Ende 1966 ausgeschrieben. Oktober 1967 Vergabe des ersten Preises an das Architekturbüro Behnisch und Partner, Beauftragung des Landschaftsarchitekten Günther Grzimek. 28. August 1972 Eröffnungsfeier. 5. September 1972 Geiselnahme der Olympiamannschaft Israels; alle 11 Geiseln und weitere 6 Menschen finden bei der gescheiterten Befreiungsaktion in Fürstenfeldbruck den Tod. Behnisch & Partner: Günter Behnisch, Fritz Auer, Winfried Büxel, Erhard Tränkner, Karlheinz Weber und Jürgen Joedicke Landschaftsarchitektur: Günther Grzimek Werbung eines Herstellers von Klimaanlagen in einer Olympiapublikation, 1972 Programmvorgaben: „Heitere Spiele“ „Olympiade im Grünen“ „Olympiade der kurzen Wege“ Werbeslogan „Weltstadt mit Herz“ Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am 26. August 1972 Plakat 1936 Olympiafackeln aus V2A-Stahl der Firma Krupp 1936 und 1972 „Reichssportfeld“ in Berlin und Olympiadorf in Berlin-Döberitz Zeitgenössische Luftbilder 1936 Otl Aicher und Franz Mühlberger, „Serie Sport“, 1969-1972 Farboffset Behnisch & Partner: Günter Behnisch, Fritz Auer, Winfried Büxel, Erhard Tränkner, Karlheinz Weber und Jürgen Joedicke Landschaftsarchitektur: Günther Grzimek Behnisch & Partner: Günter Behnisch, Fritz Auer, Winfried Büxel, Erhard Tränkner, Karlheinz Weber und Jürgen Joedicke Landschaftsarchitektur: Günther Grzimek Architekturhistorische Voraussetzungen und Modelle für die Stadionbauten in München: Typus der Erdstadions; Olympiabauten Tokio 1964; Zeltbauten in Montreal 1967 Typus des sogenannten Erdstadions Berlin, Deutsches Stadion, 1913 Rom, Stadio dei marmi auf dem Foro Mussolini, 1936 Kenzo Tange, Olympiastadien in Tokio,1961-1964. Idee der Gruppierung und Vernetzung der Stadionbauten Schema von Zeltbauten (Büro Behnisch) Rolf Gutbrod und Frei Otto Deutscher Pavillon der Weltausstellung in Montreal 1967 München, Englischer Garten. „Höhen und Tiefen“ Idee der Interaktion von Sportlern und Zuschauern unter den Vorzeichen des „Spiels“ In einer architektonisch und landschaftsarchitektonisch gestalteten „Lebenswelt“ Werner Ruhnau Anlage der „Spielstraße“ Graphik 1970/71 „Linien und Flächen“ „Rahmungen“ „Elementargeister“
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