Erfahrungen bei der Entwicklung und Erprobung der ersten

Kapitel 6 und 7
Beispiele für die Realisierung des Pfeilflügels in Deutschland und im Ausland bis
1947
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Bernd Krag
Bereits vor Busemanns bekanntem Vortrag auf dem Volta-Kongress in Rom 1935 war der
Pfeilflügel in der Luftfahrt bekannt. Gepfeilte Flügel wurden hauptsächlich bei sog. Nurflügelflugzeugen ohne separates Seiten- und Höhenleitwerk angewendet. Die Flügelpfeilung
war hier zur Sicherstellung ausreichender Stabilität erforderlich. Die Erkenntnis, dass man
die Flügelpfeilung zur Reduzierung des transsonischen Widerstandes nutzen kann, verdanken wir Adolf Busemann von der DVL, Albert Betz und Hubert Ludwieg von der AVA. Nach
den bahnbrechenden Windkanalmessungen im Jahre 1939 fand die Idee Eingang in die
deutsche Luftfahrtindustrie, die sich damals mit der Entwicklung von Strahlflugzeugen befasste. Für die erste Generation von Strahlflugzeugen kam die Idee zu spät und die zweite
Generation konnte nicht mehr fertiggestellt werden.
Bis Kriegsende wurden in Deutschland daher nur zwei Flugzeuge mit einem echten Pfeilflügel realisiert. Das waren das Experimentalflugzeug Messerschmitt P 1101 und der Strahlbomber Junkers Ju 287. Das Forschungsflugzeug DFS 346 befand sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Konstruktion, als die Siebel-Werke von den Amerikanern besetzt
wurden. Dass auch der Flügel kleiner Streckung für den Hochgeschwindigkeitsflug interessant war, zeigen die Entwürfe von Prof. Lippisch und die Anwendung bei Flugabwehrraketen.
Von der Lippisch P13 wurde lediglich eine Gleiterversion gebaut, aber in Deutschland nicht
mehr getestet. Einige dieser Flugzeuge wurden zu Vorbildern für Entwürfe in England und
den USA, die zum Teil recht erfolgreich waren. Da außer der Junkers Ju 287 keinerlei Flugversuche in Deutschland mit Pfeilflügelflugzeugen stattgefunden hatten, sind die Erfahrungen, welche Amerikaner und Engländer mit den Nachfolgemustern sammeln konnten, von
großem Interesse. Die Entwicklung und Flugerprobung dieser Pioniergeneration von Flugzeugen offenbarte, mit welchen Problemen sich die deutschen Ingenieure hätten auseinandersetzen müssen, wenn eines der geplanten Projekte mit Pfeilflügeln tatsächlich realisiert
worden wäre.
Eher als bei den Flugzeugen fand der Pfeilflügel Eingang in die Flakraketenentwicklung. Flakraketen müssen mit weit höheren Geschwindigkeiten operieren, als Flugzeuge. Deswegen
waren für Flakraketen von vornherein gepfeilte Flügel vorgesehen. In der Tat wurde der erste
echte Pfeilflügel an der Versuchsrakete F-25 „Feuerlilie“ der LFA in BraunschweigVölkenrode realisiert. Die Forderung nach Eigenstabilität, hohen Manöverlasten, guter Steuerbarkeit sowie möglichst einfachem Aufbau konnte auch durch den Flügel mit kleiner Streckung erfüllt werden. Für die mit Überschallgeschwindigkeit fliegende Rakete „Wasserfall“
der HVA erwiesen sich Flügel mit einer Streckung von Λ<1 als vorteilhaft. Seitdem wurden
alle moderneren Flügabwehrraketen mit Flügeln kleiner Streckung ausgestattet.
Dr.-Ing. Bernd Krag, 1939, Diplom Ingenieur der Fachrichtung Luft- und Raumfahrttechnik.
Bis 2002 Leiter der Abteilung Flächenflugzeuge im Institut für Flugsystemtechnik des DLRForschungszentrums Braunschweig. Mitglied der DGLR und des Arbeitskreises Braunschweiger Luftfahrtgeschichte.
Mehrere Veröffentlichungen zum Thema Luftfahrtforschung in Braunschweig (DLRStandortchronik, Geschichte der Luftfahrtforschungsanstalt Braunschweig-Völkenrode, DLRSonderheft zum einhundertsten Jubiläum des ersten Motorfluges).